Indie-Programmierer im Gespräch:

Paul Schneider über Gun Girl 2 Interview

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Lasst euch vom Blondinen-Look des Gun Girls nicht täuschen: Die Dame kennt weder Schmerz, noch Ekel, noch Gnade.

GamersGlobal: Für alle, die auch gerne Indie-Spiele entwickeln möchten: Mit welchen Programmen fällt der Einstieg am leichtesten?

Paul Schneider: Wenn man eigene Ideen umsetzen möchte, würde ich davon abraten, sich gleich an ein eigenes Spiel zu wagen. Das ist mit viel mehr Aufwand verbunden, als so mancher anfangs realisiert. Und ehe man sich versieht, steht man vor dutzenden Hürden wie unerklärlichen Bugs, fehlenden Animationen, vermurkster Gegner-KI. Oder den Teammitgliedern geht die Motivation verloren. Das kann sehr schnell frustrieren, man verliert die Lust, und solche Projekte landen dann irgendwo als Abandonware oder verstauben halb fertig auf der Festplatte.


Mit Maps und Mods braucht man viel weniger Zeit, um sein Projekt fertigzustellen und Feedback zu erhalten.

Ich persönlich habe damals mit Maps und Mods für kommerzielle Spiele angefangen, und würde das auch anderen zum Einstieg raten. Sei es Command & Conquer, Starcraft, Doom, Half-Life oder sonstwas. Dabei kann man sich auf das Wesentliche konzentrieren und muss nicht alles selber machen. Wer hat schon Lust, sich wochenlang damit zu beschäftigen, Hintergründe zu zeichnen oder Soundeffekte zuzuordnen, wenn das alles in kommerziellen Titeln schon zur Verfügung steht? So kann man sich schnell auf das eigentliche Entwickeln konzentrieren, neue Zaubersprüche ausprobieren, Stories erzählen oder unkonventionelle Spielmechaniken ausprobieren. Man braucht auch viel weniger Zeit, um ein Projekt fertig zu stellen und sein erstes Feedback zu erhalten. Abgesehen davon gibt es viele Modder-Teams, die es mit nur einem erfolgreichen Projekt direkt ins Big Business geschafft haben.

GamersGlobal: Stehst du während des Programmierens mit anderen Entwicklern in Kontakt?

Paul Schneider: Ich arbeite stets allein. Es kommt ab und zu mal vor, dass ich eine coole Idee habe, jedoch keinen blassen Schimmer, wie ich sie im Spiel umsetzen soll. Wenn das der Fall ist, frage ich gern in Foren oder via Mail, wie andere Programmierer das Problem angehen würden, und versuche dann mit dieser Hilfe weiter zu arbeiten.

GamersGlobal: Die Musik von Gun Girl 2, die von Josh Whelchel erstellt wurde, ist sehr gelungen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Paul Schneider: Ich war schon ein Fan von Josh Whelchel, bevor ich überhaupt mit Gun Girl 2 angefangen hatte. Sein Bonesaw-Soundtrack war und ist ewiger Bestandteil auf meinem MP3-Player. Er war für mich quasi ein unerreichbarer Meister! Ich hab nicht einmal daran gedacht, ihn überhaupt mit meinem kleinen Projekt zu belästigen. Ich hab ein paar andere Komponisten in der Indie-Szene gefragt und erhielt auch ein paar interessante Musikstücke, doch leider machte ich die Erfahrung, dass jeder dieser Komponisten spätestens nach dem zweiten Lied keinen Bock mehr hatte und einfach im Nirgendwo verschwand. Ich war total frustriert und zufälligerweise konnte ich an dem Tag auch nicht einschlafen, weil ich mir zu viele Gedanken um mein Spiel machte. Also bin ich einfach um vier Uhr morgens aufgestanden, machte den Rechner an und aus reiner Frustration und Langeweile schrieb ich Josh eine Mail und stellte ihm mein Spiel vor. Und innerhalb einer halben Stunde erhielt ich seine Antwort -- er sagte zu! Ich fühlte mich total geehrt, und die Zusammenarbeit mit ihm war eine reine Freude. Er ist sehr professionell und trotzdem ein liebenswerter Kerl. Wir lagen glücklicherweise mit fast jedem Musikstück auf einer Wellenlänge. Die Arbeit mit ihm hat mir viel Spaß gemacht.

Auch eine Anspielung auf eine der berühmtesten Videospielfiguren überhaupt  darf in Gun Girl 2 nicht fehlen.

GamersGlobal: Gibt es einen Grund, weshalb du Gun Girl 2 so schwer gemacht hast?

Ich wollte kein Spiel, das jeder Depp ohne Mühe durchspielen kann.
Paul Schneider: Huch, ist es das? Nur Spaß -- natürlich höre ich es öfter, dass die Spieler Gun Girl 2 zu schwer finden. Ich habe absichtlich keinen der Schwierigkeitsgrade "Easy" getauft. Damit der Spieler weiß, dass er kein leichtes Spiel vor sich hat. Aber da besteht für mich auch ein gewisser Reiz als Designer. Es ist meiner Meinung nach sehr einfach, ein leichtes Spiel zu machen -- fast so einfach, wie ein extrem schweres Spiel zu machen. Beispielsweise wäre es für mich nur ein geringer Aufwand, dass erledigte Gegner Health-Kits fallen lassen, sobald die Heldin fast tot ist. Ich wollte aber kein Spiel machen, das jeder Depp ohne Mühe durchspielen und dann gleich wieder vergessen kann, natürlich aber auch nichts, woran man sich verzweifelt die Zähne ausbeißt. In Gun Girl 2 gibt es viel zu entdecken und es gilt immer, neue Spielmechaniken auszuprobieren. Der Schild zum Beispiel ist ein exzellentes Mittel, um Angriffe zu blocken, ohne Schaden zu nehmen.

GamersGlobal
: Sind dir aktuelle Spiele zu leicht?

Paul Schneider: Glücklicherweise bieten fast alle Titel heutzutage diverse Schwierigkeitsgrade an. Ich spiele nie auf dem einfachen Modus eines Spiels. Meistens spiele ich in Genres, die ich in- und auswendig kenne, direkt von Anfang an auf Hard. Ich störe mich nicht daran, ein paar mal zu sterben, solange das Spiel fair bleibt und ich selber meine Fehler erkennen kann, die zum Scheitern geführt haben. Ich bin lieber überfordert als unterfordert. Das liegt aber auch daran, dass ich mit den guten alten "Nintendo-Hard"-Games aufgewachsen bin. Die alten Spiele von damals kannten keine Gnade! Da gab es keine Quick-Saves oder Schwierigkeitsgrade, die man jederzeit in den Optionen ändern konnte. Damals musste man noch wirklich was können, um ein Spiel durchzuspielen. Man hat eine Niederlage halt weggesteckt und nicht gleich geheult. Solch eine Einstellung vermisse ich manchmal unter heutigen Spielern.

GamersGlobal: Gibt es noch etwas, was du unseren Lesern sagen möchtest?

Paul Schneider: Leider unterschätzen viele Leute immer noch die Indie-Spiele und verpassen dadurch vielleicht ein paar funkelnde Sterne am Horizont ihrer Spielewelt.

Das Interview führte Kevin Stich / Redaktion: Carsten Justenhoven (GamersGlobal)

Gun Girl 2: Kostenloser Download von Version 1.1 (PC, 120 MByte) // Zur Homepage (Englisch)

Rechen 15. Juli 2010 - 13:42 — vor 13 Jahren aktualisiert
icezolation 19 Megatalent - 19280 - 15. Juli 2010 - 14:00 #

Sehr lesenswert :) Saugeiles Game mit erfreulich knackigem Schwierigkeitsgrad, aber mit Gamepad ist es wirklich sahnig zu bewältigen.

Und der Herr hat natürlich Recht: Indie-Spiele werden unterschätzt. Wem die Lust fehlt im Internet Ausschau zu halten, dem könnten Site wie etwa gamejolt.com gefallen - und natürlich aufmerksam News auf GG verfolgen ;)

Faxenmacher 16 Übertalent - 4395 - 15. Juli 2010 - 14:20 #

Paul Schneider: "Leider unterschätzen viele Leute immer noch die Indie-Spiele und verpassen dadurch vielleicht ein paar funkelnde Sterne am Horizont ihrer Spielewelt."

Na dann werde ich doch gleich mal Gun Girl 2 runterladen um den funkelnden Stern nicht zu verpassen :)!
Schönes Interview, toll zu lesen!

simfor 08 Versteher - 164 - 15. Juli 2010 - 14:19 #

danke für diesen tollen artikel!

Age 20 Gold-Gamer - 20836 - 15. Juli 2010 - 15:38 #

Super Interview, hab GunGirl 2 auf meinem Netbook für zwischendurch. :) Muss ich mal weiter daddeln. :)

ganga 20 Gold-Gamer - 22827 - 15. Juli 2010 - 17:12 #

Sehr interessant, schönes Interview!

sPEEDfREAK 12 Trollwächter - 1060 - 15. Juli 2010 - 18:50 #

Super Interview... Kannte das Spiel überhaupt nicht :) aber ich habe Indie Games auch immer unterschätzt. Werd ich mir nachher mal ansehen

Johannes Mario Simmel 14 Komm-Experte - 2208 - 15. Juli 2010 - 20:45 #

Klasse News! Vieleicht sollte man einen GG-Indy-Sonderbeauftragten einführen, der die ganze Zeit nach neuen Indie-Perlen taucht!

:)

John of Gaunt 27 Spiele-Experte - 78506 - 16. Juli 2010 - 6:36 #

Ein schönes Interview. Sollte Gun Girl 2 ja eigentlich auch mal spielen, aber die liebe Zeit... :)

Logined (unregistriert) 16. Juli 2010 - 19:48 #

As far as my humble German knowledge allowed me I got a message. Awaiting for you to continue this project, Paul!

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66877 - 16. Juli 2010 - 20:28 #

Schönes Interview und Respekt vor dem Aufwand, der hinter dem Spiel steckt! Habe es gerade mal angespielt und .. holla die Waldfee, das Ding ist schwer! Aber auf eine seltsam angenehme Art und Weise. So wie früher halt :)