"Funktioniert auch als Standalone"

Cecil über Beyond a Steel Sky Interview

Benjamin Braun 15. April 2020 - 17:30 — vor 3 Jahren aktualisiert
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Freiwillig kehrt Foster nicht nach Union City zurück: Er fühlt sich verantwortlich für die Entführung eines Kindes aus seinem Dorf.
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GamersGlobal: Mit Robert Foster, Joey und dem Setting an sich gibt es offensichtliche Parallelen. Wo sind, abseits dessen, die Parallelen zu Teil 1?

Charles Cecil: Es war von Beginn an so geplant, dass die Spieler Teil 1 nicht unbedingt gespielt haben müssen, um in die Welt von Beyond a Steel Sky eintauchen zu können. Es soll auch als Standalone-Titel funktionieren. Es spielt natürlich im selben Universum, zehn Jahre nach den Ereignissen des Vorgängers. Foster hat sich eigentlich nach dem Ende von Beneath a Steel Sky wieder in sein Dorf zurückgezogen. Er kommt nur zurück, um ein Kind zu retten, das vor seinen Augen von einem wolfähnlichen Roboter entführt wurde. Foster fühlt sich tief im Inneren dafür verantwortlich und kehrt in Folge dieses Ereignisses nach Union City zurück. Ich will natürlich nichts spoilern, aber dort wird er schließlich herausfinden, ob er wirklich die Verantwortung für die Entführung trägt. Und wir hoffen, dass die Spieler die vielen Wendungen bis zu diesem Punkt genießen werden. Eine der Stärken des ersten Teils war, dass wir das Geheimnis um Fosters Vater weitestgehend im Dunklen gelassen haben. Details und Storytwists um diesen Punkt herum einzubauen, hat unsere Leidenschaft besonders angestachelt.

Beyond a Steel Sky spielt im selben Universum, es spielt primär in Union City, wir haben eine Reihe der Themen wieder aufgegriffen. Dave Gibbons hat eine Reihe von Skizzen angefertigt und Charaktere entworfen, die man nie zuvor getroffen hat. Aber wir haben das vorhandene Material untersucht und geordnet und bauen darauf auf. Obgleich das Spiel auch unabhängig von Teil 1 verstanden werden kann, werden Fans des ersten Teils nicht auf vertraute Elemente verzichten müssen. Wer jedoch das Original nicht kennt oder sich nicht mehr an Details erinnern kann, wird nicht auf dem Schlauch stehen. Das Spiel funktioniert auch für sich allein.

GamersGlobal: Wie hat der Vorsatz, auch für neue Spieler zu entwickeln, das Projekt beeinflusst?

Charles Cecil: Unser Fokus auf die Kernzielgruppe der Fans hat sich dadurch nicht verändert. Diese Spieler wollen wir primär mit Beyond a Steel Sky ansprechen, aber gleichzeitig eben auch eine breite Zielgruppe für das Abenteuer interessieren. Bei den Aufnahmen für Foster und Joey waren wir sehr glücklich über das Ergebnis ... aber warte, ich verrate dir ein Geheimnis. Unser Chief Technology Officer Jost, der aus den Niederlanden stammt, kam vor zwölf oder dreizehn Jahren zu Revolution Software. Er kam zu uns, weil er ein riesiger Fan von Beneath a Steel Sky ist. Er hat maßgeblich, gemeinsam mit einem deutschen Programmierer namens Robert, an der Scumm-VM-Version des Spiels mitgearbeitet. Jost hatte um die genannte Zeit jedenfalls bei Revolution angefangen und ist bis heute ein besonders wichtiger Teil unseres Teams. Er ist DER Experte für Beneath a Steel Sky bei uns. Seine Haltung zu jedem Aspekt ist wichtig, für die Dialoge, die Sprachausgabe, die Animationen, das Design des Spiels. Wir haben natürlich viele Leute im Team, deren Feedback sehr wichtig ist, aber auf das, was Jost sagt, kann sich jeder verlassen. Er ist da sozusagen der Über-Fan des Originals, und sein Feedback ist vor allem deshalb wichtig, da wir nicht nur, aber in erster Linie den Fans gerecht werden wollen.

GamersGlobal: Die Spielmechanik ist sehr adventuretypisch, aber in 3D. Warum eigentlich 3D? Und gibt es später auch Actionsequenzen?

Charles Cecil: Leute, die keine Rätsel mögen, sollten dieses Spiel nicht spielen. Es gibt zwar Action in der Art, wie wir sie auch in unseren anderen Adventures hatten, aber es ist und bleibt ein Adventure. Die goldene Regel lautet: zerebrales Gameplay, keine Geschicklichkeitsprüfungen. Ich weiß von David Cage (der Schöpfer von Spielen wie Heavy Rain und Detroit - Become Human, Anm. d. Red.) dass er das ganz anders sieht. Ich finde, die Reinheit eines Adventures besteht darin, Zeit zu haben, um die Lösung für ein Problem zu finden, anstatt eine Situation durch Geschicklichkeit zu bewältigen. Wir üben einen gewissen Druck auf Spieler aus, wie wir es auch in Beneath a Steel Sky oder Baphomets Fluch gemacht haben, aber nie in der Art, dass im Bruchteil einer Sekunde etwas geschafft werden muss. Bei uns muss man nachdenken, nicht reagieren.

Was den 3D-Ansatz betrifft: Eines der Dinge, die uns wichtig sind, hatten wir bereits in Beneath a Steel Sky und bereits zuvor in Lure of the Temptress mithilfe unserer Engine Virtual Theatre umgesetzt. Unsere Idee war, dass sich Charaktere tatsächlich durch die Spielwelt bewegen, miteinander sprechen, auf Veränderungen reagieren und davon beeinflusst werden. Dabei gab es zwei Probleme: Zum einen sagst du deinem Begleiter, dass er etwas für dich machen soll, was du aus einem bestimmten Grund nicht selbst tun kannst. Wir mussten also eine Liste der Dinge erstellen, die jemand anders für dich tun kann, und welche eben nicht. Das war in Lure of the Temptress noch deutlich enger gefasst, da Joey als Droide ganz andere und mehr Dinge für dich erledigen konnte, als was ein Mensch könnte.

Das andere Problem bei einem 2D-Spiel ist, dass du durch die feste Perspektive womöglich gar nicht mitkriegst, wenn sich ein andere Charakter bewegt. Letzteres fällt mit 3D-Grafik praktisch weg, da du theoretisch alles im Blick behalten kannst. Du kannst beobachten, was die anderen machen. Das führt zu erheblich dynamischeren Umgebungen. Einfluss auf das Verhalten der Charaktere nimmst du in Beyond a Steel Sky aber nicht nur im Rahmen von Dialogen, sondern besonders auch durch die Hacking-Mechanik. Dabei veränderst du die Spielwelt, woraufhin sich auch das Verhalten der NPCs ändert. Ich hoffe, dass die Spieler die dadurch erhöhte Dynamik erkennen und mögen werden.

GamersGlobal: Ist es das, was bei der Ankündigung mit "Sandbox" gemeint war?

Charles Cecil: Dieser Begriff sollte da eigentlich nicht mehr auftauchen, da er ein falsches Bild vermittelt. Wesentlicher als mit diesem Begriff umschrieben ist es damit, dass sich die Spielwelt im Rahmen des Systems entwickelt. Dass sich durch diese Veränderungen Rätsellösungen ergeben. Der Begriff Sandbox trifft das gar nicht.

GamersGlobal: Wie genau ist Dave Gibbons in die Entwicklung eingebunden, und ist sein Teil der Arbeit bereits erledigt oder mischt er weiter mit?

Charles Cecil: Wir haben die Kernstory gemeinsam ausgearbeitet und wollten mit unserer Technik ein Spiel komplett in comicartigem Look umsetzen. Mein Ziel war, dass jeder einzelne Frame wie das Bild aus einem Comicstrip aussieht. Was wir danach gemacht haben, ist eine Linie außenrum zu ziehen und die Farbpalette festzulegen. Wichtig war dabei, auf vergleichsweise simple Texturen zu setzen. Denn was machst du, wenn du ein Adventure spielst? Du schaust dich nach möglicherweise wichtigen Objekten in der Umgebung um, betrachtest die Hintergründe genauer, als in jedem anderen Genre.

Ein „sauberer“ Hintergrund im Vergleich zu einem Schneesturm ist deshalb besonders wichtig. Jedenfalls hat Dave neben der Kernstory die Charaktere entworfen und einige der Locations gezeichnet. Wir haben da in quasi jedem Bereich zusammengearbeitet, inklusive der Story. Dave selbst findet den Grafikstil super. Er findet es besser, als er es erhofft hatte. Er ist auch vom Gameplay überzeugt und ich hoffe, die Adventure-Spieler werden es ähnlich wie er bei Stil und Dynamik als etwas einzigartiges innerhalb des Genres auffassen.

GamersGlobal: Hat er auch etwas mit den starken Dialogen zu tun?

Charles Cecil: Nein, die Dialoge stammen vom Kernteam. Dave kennt sie, schreibt aber nicht selbst die Dialoge. Wobei, tatsächlich hat er die Dialoge im Comicstrip-Intro des Spiels verfasst. Die Ingame-Dialoge aber stammen nicht von ihm.
Beyond a Steel Sky funktioniert auch für sich allein. Joeys Abbildung auf dem Boden aber ist nur eines von vielen Details, die eine direkte Verbindung zum Vorgänger herstellen.
Inhaltsverzeichnis
    Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 15. April 2020 - 15:03 #

    Viel Spaß beim Lesen!

    Pro4you 19 Megatalent - 16342 - 15. April 2020 - 16:21 #

    Spannendes Interview, vorallem im Hinblick auf Corona. Leider sagen mir die hier gezeigten Screenshots überhaupt nicht zu. Ich mochte das Point&Click Adventure sehr, dass hier wirkt auf mich nicht ansprechend. Wobei ich mit 3D Adventures wie Jack Keane nie warm wurde, einzig Monkey Island 4 hatte für mich halbwegs den Charme der alten P&C adaptiert.

    Ich hoffe, dass zumindest das Storywriting, trotzt der klobigen 3D Texturen, die Welt lebendig und glaubhaft erstrahlen lässt. Mal abwarten

    AlIma 12 Trollwächter - 1084 - 16. April 2020 - 11:46 #

    Sehe ich auch so. Ein oder zwei 3D-Adventures haben mich positiv überrascht, weil ich keine Erwartungen hatte (The Walking Dead, Fahrenheit), aber die Grafik machte gerade bei Beneath a Steel Sky den Charme aus.
    Kann es gerade nicht besser beschreiben, das ist wie bei Alienfilmen aus den 80ern. Man sieht, dass es eine Puppe ist, aber trotzdem ist es cooler als wenn in einem modernen Film animierte Außerirdische durch die Gegend springen.

    Ganon 27 Spiele-Experte - - 83928 - 19. April 2020 - 0:15 #

    Ich würde behaupten, das ist vor allem Nostalgie. :-)

    Maverick 34 GG-Veteran - - 1330794 - 15. April 2020 - 16:33 #

    Danke für das interessante Interview mit Charles Cecil, jetzt freue ich mich doch glatt ein wenig mehr auf den Titel. :)

    Hyperlord 18 Doppel-Voter - 12024 - 15. April 2020 - 17:22 #

    Sehr gutes Interview, gut vorbereitet!

    Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 15. April 2020 - 17:30 #

    Ja, der Benjamin kennt seine Adventures :-)

    Claus 31 Gamer-Veteran - - 421655 - 15. April 2020 - 17:44 #

    Ganz fantastisches Interview, herzlichen Dank dafür!

    Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62104 - 15. April 2020 - 19:12 #

    Vielen Dank für das interessante Interview.

    Danywilde 30 Pro-Gamer - P - 163008 - 15. April 2020 - 19:37 #

    Sehr gutes Interview, dann werde ich doch noch einmal Beneath a Steel Sky spielen müssen, darauf habe ich jetzt richtig Lust bekommen.

    JensJuchzer 21 AAA-Gamer - P - 28257 - 15. April 2020 - 19:52 #

    Tolles Interview, bitte mehr davon. Das finde ich immer einen echten Mehrwert :)

    funrox 16 Übertalent - P - 5178 - 15. April 2020 - 20:03 #

    Tolles Interview. Ich halte von Charles Cecil sehr viel.

    schlammonster 31 Gamer-Veteran - P - 277636 - 15. April 2020 - 21:37 #

    >> Die goldene Regel lautet: zerebrales Gameplay, keine Geschicklichkeitsprüfungen.

    Lass dich knutschen Charlie :)

    TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40316 - 16. April 2020 - 12:04 #

    Ich würde nun aufs Knutschen verzichten, aber für die Einsicht ist er zu Beglückwünschen :)

    euph 30 Pro-Gamer - P - 130157 - 16. April 2020 - 15:36 #

    Super Interview, Danke dafür.

    Bluff Eversmoking (unregistriert) 18. April 2020 - 2:04 #

    Beneath A Steel Sky habe ich nie gespielt, aber ich erinnere mich bis heute an die entsprechende Titelseite in der PC Player. Warum auch immer.

    Ganon 27 Spiele-Experte - - 83928 - 19. April 2020 - 0:15 #

    Schönes Interview. Ich mag Interviews. :-)

    Maverick 34 GG-Veteran - - 1330794 - 19. April 2020 - 11:21 #

    Könnte es auch gerne wieder mal öfters auf GG zu lesen geben. :)

    Ganon 27 Spiele-Experte - - 83928 - 19. April 2020 - 16:24 #

    Hätte ich nichts dagegen. Gerne auch in Video- oder Podcast-Form. :-)