Angetestet: Paradox legt nach

Victoria 2 Preview

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Ohne Forschung kein Fortschritt: Eisenbahn und Elektrizität sind die beiden Motoren des 19. Jahrhunderts.

Erfolg durch geschicktes Kombinieren

Kernpunkt aller Globalstrategiespiele von Paradox ist nicht das Bauen und Produzieren, sondern stets das politische Agieren. Es gilt immer das große Ganze im Auge zu behalten. Wem nützt wirtschaftliche Macht, wenn das eigene Militär sich diesen Vorteil nicht zu Nutze machen kann? Am besten bewährt hat sich aber eine Kombination aus mehrereren Optionen:  So kann man andere Staaten durchaus unter Druck setzen, indem man sie diplomatisch isoliert, ihnen die eigene Flotte vorbeischickt und zudem den Nachbarn großzügig wirtschaftlich unterstützt. Dadurch erringt man Einfluss auf Gebiete, die man eigentlich gar nicht selbst kontrolliert. Historisch gesehen sind die Engländer in Indien so über große Strecken vorgegangen, allein schon aus Mangel an eigenen Leuten. Und diese Methode klappt auch in Victoria 2 sehr gut, vor allem im Bereich der Kolonialwirtschaft, die im 19 Jahrhundert für die großen Reiche unverzichtbar war. Wer sich im Laufe des Spiel nicht geschickt in Afrika, Indien und Asien positioniert, hat schnell das wirtschaftspolitische Nachsehen: Plötzlich fehlt Geld, das Militär kann nicht mehr finanziert werden und unser schönes Empire bricht deutlich eher zusammen.

Der Informations-Overkill
Wer große Reiche leitet, muss oft im Minutentakt irgendwelche Entscheidungen treffen, wie hier irgendeinen uninteressanten Kirchenkram im Nordosten Englands.

Nach wie vor sehr nervig sind die teilweise wirklich im Sekundentakt aufpoppenden Meldungen über irgendwelche Ereignisse, die der sofortigen Entscheidung bedürfen. Vor allem, wenn man das britische Empire leitet, bleibt oft kaum Zeit für etwas anderes. Hier hat Paradox es deutlich übertrieben. Es muss doch nicht immer wieder dieselbe Cholerameldung erscheinen und auch nicht unbedingt jeder Gold- und Diamantenfund in Wasweißichwo dokumentiert werden. Und ehrlich gesagt interessiert uns ein Religionskrieg in Tibet absolut nicht, wen wir gerade Belgien gegen die Franzosen aufzuwiegeln versuchen. Weniger wäre hier eindeutig mehr.

Generell hapert es bei Victoria 2 derzeit noch, wie bei Vorgänger auch, an Zugänglichkeit und einem Interface, das uns das Gefühl verleiht, alles wirklich unter Kontrolle zu haben. Immer wieder haben wir den Eindruck, irgendwo eine wichtige Option zu übersehen oder eine Information nicht mitzubekommen.
Ein paar globale Menüs mehr und eine konfigurierbare Autofunktionen hätten die Oberfläche deutlich entschlacken können. Einsteiger werden niemals Zugang finden, selbst Profis sollten dringend das Tutorial absolvieren. Das besteht allerdings nur aus drögen Textmenüs und da wir kaum selbst etwas machen, ist der Lerneffekt in etwa so groß, wie in der sechsten Stunde Mathe kurz vor hitzefrei.

Zwar fehlen Heiraten, aber mit dem passenden Druck aus Militär und Überredung lässt sich sehr überzeugend agieren.

Fazit

Victoria 2 passt wunderbar in das bisherige Spiele-Portfolio des Entwicklers Paradox: Genauso wie die Europa-Universalis- oder die Hearts-of-Iron-Reihe wird auch das neueste Werk wieder die Hardcore-Strategiefans unter euch ansprechen. Wer sich in Zahlen und Statistiken verlieren kann und gerne auch kleinste Entscheidungen selber trifft, wird Victoria 2 lieben: Tabellen, Übersichten und Menüs gibt es in dem Spiel zuhauf. Alle anderen werden vermutlich auch diesmal wieder außen vor bleiben. Denen dürften dann auch die versprochenen Glatzenbilder des Herrn Wester egal sein. Die Paradox-Veteranen dagegen wird’s freuen, weniger weil‘s lustig ist, als eher, weil der Erfolg letztlich auch das Fortbestehen ihres Lieblingsgenres sichert.

Autor: Mick Schnelle (GamersGlobal)

Vorläufiges Pro & Contra Sehr detaillierte Weltkarte des 19. Jahrhunderts
Unzählige historische Ereignisse
Großer Einfluss des Spielers im Globalen und im Detail
Völlig freie Spielweise
Schwaches Text-Tutorial
Nach wie vor zu vielen Meldungen
Zu wenig grafische Infos, viele dröge Zahlenwerte
Auswirkungen vieler Aktionen nicht immer ersichtlich
Aktueller Zustand: Fast fertige Beta-Version
Wir wünschen uns: Mit Victoria 2 scheint Paradox ein weiteres Mal die Chance zu verschenken, das Europa-Universalis-Konzept deutlich zugänglicher zu machen. Zumindest ein interaktives und möglichst umfangreiches Tutorial könnte viel retten. Die Benutzerführung sollte komplett ans 21. Jahrhundert angepasst werden. Einarbeitungsbereite Fans der Reihe bekommen aber ein interessantes Szenario in einer spannenden Epoche der Weltgeschichte, das noch nicht so ausgelutscht ist wie es der Zweite Weltkrieg ist. Und die Faktoren Tiefgang und Wiederspielwert dürften auch Victoria 2 in die paradox’sche Longsellerliga katapultieren.
Mick Schnelle 20. Juli 2010 - 21:54 — vor 13 Jahren aktualisiert
Vaedian (unregistriert) 20. Juli 2010 - 22:10 #

Hahaha... der vorletzte Screenshot mit der Kirche: "God is dead".

Das ist ein Spiel für mich :D.

Shigawire 11 Forenversteher - 663 - 21. Juli 2010 - 0:24 #

Teil 1 hatte ich - trotz Macken - eigentlich recht gern gespielt. Evtl schau ich mir den Nachfolger sofern ich Zeit hab mal an

Siak 15 Kenner - 3565 - 21. Juli 2010 - 1:07 #

Einmal mehr ein Artikel den ich sehr gerne gelesen habe und zu einem Spiel, über das man anderswo leider kaum und viel zu wenig lesen wird...

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66902 - 21. Juli 2010 - 8:55 #

Schöner Artikel. Sieht durchaus interessant aus, aber bisher hab ich immer noch ein bisschen Angst vor Paradox-Spielen. Vielleicht sollte ich endlich mal den Einstieg wagen.

Porter 05 Spieler - 2981 - 21. Juli 2010 - 9:53 #

dass ihr nicht zuerst "Rise of Prussia" getestet habt...?!

The Eidolon (unregistriert) 21. Juli 2010 - 12:12 #

Angst vor Paradox Spielen? Ich kaufe die meisten Paradox Spiele schon fast blind. So viele charmante Spiele hat kaum ein anderer im Programm. Victoria 2 wird sicherlich auch keine Ausnahme bilden.
Prima Artikel Mick.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66902 - 21. Juli 2010 - 12:13 #

Angst im Sinne von "Oh je, das braucht sicher ne Menge Einarbeitungszeit, die ich nicht wirklich habe."

Ganesh 16 Übertalent - 5116 - 21. Juli 2010 - 12:30 #

Die sich aber sicherlich mehr rentiert als die meisten Mainstream-Blockbuster... ich werde in den letzten Tagen immer mehr zum Paradox-Fan... ^^

Siak 15 Kenner - 3565 - 21. Juli 2010 - 14:55 #

Insbesondere beim ersten Paradox-Spiel, ist es sicher so das man einiges in die Einarbeitung investieren muss. Hat man das "System" hinter Paradox-Spielen aber einmal durchschaut, ist der Aufwand bei allen folgenden Spielen schon deutlich geringer.

Da es eben sehr viel zu steuern und zu beeinflussen gibt und vieles voneinander abhängt, muss man eben auch viel wissen.

Am leichtesten lernen sich diese Art Spiele meiner Ansicht nach indem man zunächst mit einem ganz kleinen Staat ein Probespiel macht. Wer in einem HOI zum Beispiel gleich mit Deutschland beginnt, verzweifelt zwangsläufig schon in den ersten Stunden.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66902 - 21. Juli 2010 - 16:22 #

Ich hab hier noch Hearts of Iron 2 - Doomsday von einer Gamestar-DVD rumliegen, dass probier ich einfach mal aus.

Calmon 14 Komm-Experte - P - 2391 - 21. Juli 2010 - 13:58 #

Ich spiele die Paradox Titel immer mal wieder, allerdings bin ich als Strategiespieler doch ziemlich enttäuscht das die AI noch immer so schlecht ist.

Es ist leider nach wie vor viel zu einfach aus einem 1 Provinz Nest ein Weltreich zu schaffen. Vor allem wenn man erstmal 5-10 Provinzen zusammen hat ist das Spiel für mich eigentlich schon immer gelaufen.

Auch diverse Mods helfen da nur begrenzt.

Schade!

Anonymous2 (unregistriert) 21. Juli 2010 - 15:34 #

Ist doch relativ real schau einfach mal wie schnell aus England,Holland,Portugal,Spanien etc Weltreiche geworden sind.

fragpad 14 Komm-Experte - P - 2613 - 21. Juli 2010 - 13:07 #

Guter Artikel. Aber das is nix für mich, vielleicht wenn ich mal Arbeitlos werde :D

Masu 10 Kommunikator - 471 - 21. Juli 2010 - 17:18 #

Sehr schöner Artikel! Mick, bleib GG bitte als Tester noch längere Zeit erhalten. (Dein Black&White-Testurteil in der GS bleibt weiterhin unvergessen ;))

j-d-s 07 Dual-Talent - 146 - 21. Juli 2010 - 22:55 #

Ricky und Vicky (also Teil 1 + Addon) sind die besten Games von Paradox ever, und ich bin sicher, dass Twicky (Nickname dieses Games') mindestens genauso gut wird.

Rabenschnabel 12 Trollwächter - 984 - 22. Juli 2010 - 0:26 #

In Victoria England zu spielen kann einen auch überwältigen. Gerade als Neuling/Anfänger ist das nicht zu empfehlen. Da gehört einem zu Spielbeginn ja schon die halbe Karte...

Montesquieu (unregistriert) 23. Juli 2010 - 18:54 #

Herr Schnelle muss leider ein wenig seine Hausaufgaben machen - Zur Spielmechanik so wie zur Historie.

:Eine derartige Bandbreite von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen in ein einziges Spiel zu fassen (vom Kolonialismus und dem Ersten Weltkrieg haben wir noch gar nicht gesprochen) scheiterte schon in Victoria 1 -- zu sehr war die Engine auf das doch beschaulichere Mittelalter mit seiner langatmigeren Politik in Europa Universalis ausgelegt.:

Vicky 1 unterschied sich doch arg von EU2, was Interface, Grundmechaniken und Prinzipien anging. Alleine die Pops machten Vicky 1 zu einem wirklich unterschiedlichem Spiel und unterstrich klar den Charakter des 19. Jahrhunderts. Wie man zu einer solchen Schlussfolgerung kommen kann, erschließt sich mir nicht.

:Das Herz von Victoria 2 bildet aber die aktuelle und weitgehend fehlerfrei gemachte Hearts-of-Iron-3-Engine, weshalb 150 Länder gleichzeitig verwaltet werden können.:

Weitgehend fehlerfrei? Nun ja, das stimmt so nicht, wenn man sich HOI3 mal wirklich anschaut. Zudem: Die Anzahl an Ländern war auch im Vorgänger da.

:Etwas schade finden wir, dass ein wesentlicher Punkt der Politik zu kurz kommt, der im 19. Jahrhundert gerade von der namensgebenden Königin Viktoria so geschickt eingesetzt wurde: das vorteilhafte Verheiraten der zahlreichen Nachkommenschaft mit anderen Adelshäusern. Viktoria hatte neun Kinder, 40 Enkel und 88 Urenkel. Einer ihrer Enkel war unser aller Kaiser Wilhelm. Durch diese Politik war das englische Königshaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts praktisch mit dem gesamten europäischen Hochadel auf komplexeste Art mehrfach verwandt.:

Ja und weiter? Die Heiratspolitik hatte so gut wie keine Auswirkungen mehr auf das Tagesgeschäft, dass unter Victoria von den Premiers übernommen worden ist. Heiraten führten in der Periode nicht mehr zu Allianzen etc. Wenn Herr Schnelle recht hätte, warum gab es dann Krimkrieg und ersten Weltkrieg? Ich fände es eher gesagt verwerflich, wenn diese Feature den Weg aus CK und EU zu Vicky geschafft hätte.

Montesquieu (unregistriert) 23. Juli 2010 - 18:58 #

:Nach wie vor sehr nervig sind die teilweise wirklich im Sekundentakt aufpoppenden Meldungen über irgendwelche Ereignisse, die der sofortigen Entscheidung bedürfen. Vor allem, wenn man das britische Empire leitet, bleibt oft kaum Zeit für etwas anderes. Hier hat Paradox es deutlich übertrieben. Es muss doch nicht immer wieder dieselbe Cholerameldung erscheinen und auch nicht unbedingt jeder Gold- und Diamantenfund in Wasweißichwo dokumentiert werden. Und ehrlich gesagt interessiert uns ein Religionskrieg in Tibet absolut nicht, wen wir gerade Belgien gegen die Franzosen aufzuwiegeln versuchen. Weniger wäre hier eindeutig mehr.:

Konnte man damals abstellen und vollkommen individuell gestalten und das wird heute auch so sein. Wer sich den Informationsoverflow geben will, kann dies tun und wer nicht, kann es sein lassen.

Gibt da so ein Optionsmenü, ja, da kann man auch speichern. Dort einfach auf Nachrichteneinstellungen klicken. ;)

Anonymous (unregistriert) 23. Juli 2010 - 20:22 #

Ich muss auch sagen, dass mir dieser Artikel ganz und gar nicht gefällt. Ich bin natürlich nicht subjektiv sondern ein sehr großer Victoria-fan, allerdings hat dieses Spiel natürlich einige Macken, z.b. das viele Mikromanagement. Soweit ich das sehen konnte, wurde hier bei Vici2 einiges geändert um das spiel sowohl übersichtlicher als auch weniger mikromanagement lastiger zu gestalten....dies wird in dem Artikel allerdings gar nicht sichtbar.
Nun zugegeben Victoria 1 ist sehr komplex und sein Nachfolger wird dies auch werden, allerdings kann ich viele der Negativpunkte nicht nachvollziehen. Im Gegensatz zu einigen Spielen braucht man definitiv etwas Zeit sich hineinzuarbeiten, aber es wird aufjedenfall belohnt. Ich kenne kein Spiel, bei dem man soviel entscheiden kann und Einfluß hat wie bei Vici1. Da hätte ich mir eher etwas Feedback anhand Vici2 erwartet.
Dieser Artikel ist leider durchsetzt von Halbwahrheiten. Der größte Schnitzer ist sicherlich die Informationsschwemme der Popups...dies kann man sicherlich einstellen, wie im ersten Teil und bei Eu3 und Hoi3 auch. Wenn man mehrere Spiele pro Woche untersuchen muss, mag es natürlich schwer sein, solch ein Schwergewicht wie Victoria vor der Nase zu haben...aber die gebrachten Kritikpunkte sind einfach ungerechtfertigt.
Bei den negativ-Punkten lasse ich eigentlich nur den schwierigen Einstieg gelten. Der Rest ist Mumpitz. Solch ein Spiel kann grafisch schlecht besser aufgearbeitet werden...Zahlenreihen müssen sein, sonst kann das Spiel seinem Anspruch nicht gerecht werden. Im Gegenteil sieht vieles viel übersichtlicher aus als im ersten Teil...
Grüße