Spielend lernen

Zocken ist mehr als ein Zeitvertreib User-Artikel

Nachtfischer 29. August 2013 - 9:51 — vor 7 Jahren zuletzt aktualisiert
Was heißt es, die Zeit "totzuschlagen"? Warum haben wir Langzeitzocker das Gefühl, aus vielen Spielen "herausgewachsen" zu sein? Ist dies eine natürliche Folge des steigenden Alters oder hat es vielleicht auch etwas mit den Spielen selbst zu tun? Im Folgenden ein hoffentlich aufrüttelnder und definitiv kontroverser Erklärungsversuch.
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
„Die Zeit vertreiben“?

In der Regel, das bedeutet für die meisten Leute, sind Spiele ein Zeitvertreib zur Entspannung – genau wie Bücher, Filme, das Internet oder tausende andere Dinge. Wir alle brauchen diese Entspannung auf irgendeine Weise in gewissen Ausmaßen. Diejenigen, die Spiele dazu benutzen, wollen diese Spiele auf fundamentaler Ebene (als spezielle Art interaktiver Systeme) gar nicht tiefgreifend erforschen, sondern sich eben einfach möglichst angenehm die „Zeit vertreiben“. Passend dazu werden gerade Videospiele auch regelmäßig daran gemessen, wie gut sie das können. Diablo und World Of Warcraft werden als sehr gute Spiele angesehen, da man mit ihnen viel Zeit verbringen kann.
 
Spiele können jedoch viel mehr sein, sofern sie Spieler vor immer wieder neue, nur durch den Einsatz kreativer Herangehensweisen zu bewältigende Herausforderungen stellen. Das sind Spiele, die die Entscheidungen der Spieler in den Vordergrund stellen – und zwar nicht in Form eines glorifizierten „Choose-Your-Own-Adventure“-Entscheidungsbaums à la Mass Effect, sondern in Form von für das System als solches bedeutsamen und uneindeutigen Entscheidungen. Solche Spiele sind keine bloßen „Zeitvertreiber“. Vielmehr stellen sie eine mental äußerst produktive Zeitverwendung dar.

Dass dieser Anspruch den meisten Videospielen der Neuzeit völlig abgeht, ist ein Grund dafür, dass viele älter werdende Spieler das Gefühl haben, „aus dem Spielen herausgewachsen“ zu sein. Tatsächlich sind sie jedoch nicht aus dem Spielen selbst, sondern aus den „Spielen“, die wir regelmäßig vorgesetzt bekommen, herausgewachsen. Mainstream-Videospiele haben nicht mit der persönlichen Entwicklung dieser Spieler schrittgehalten und treten stattdessen schon seit Jahrzehnten auf der Stelle. Zudem geben sie sich größte Mühe, das durchschnittliche Spielerhirn permanent zu unterfordern. Als sich weiterentwickelndes Individuum will man natürlicherweise immer weniger die „Zeit vertreiben“, sondern sie effektiv und effizient nutzen. Glücklicherweise gibt es immer öfter Ausnahmen, die das tatsächlich ermöglichen. Dies sind zwar vor allem zahlreiche Brettspiele, zuletzt aber auch immer öfter Vertreter im digitalen Bereich.

Der Mehrwert

Spiele sind Kunst. Es sind äußerst fragile Systeme aus behutsam zusammengesetzten Mechanismen, die gemeinsam eine holistische Spielmechanik ergeben und als solche potenziell ein System von immenser Ästhetik bilden können. Gute Spiele sind emergent komplex, jedoch nicht inhärent – besser gesagt: Sie sind elegant. Die Kunst ist es, ein System zu erschaffen, das das Streben nach Meisterschaft ermöglicht, ohne dass diese Meisterschaft jemals wirklich erreicht werden kann (denn sonst zerbricht das System als Spiel, wie zum Beispiel Tic Tac Toe, in dem jeder vernünftig Denkende ein „Meister“ ist). Dieser Balanceakt ist ein, vielleicht sogar das Kernproblem des Game-Designs.


Natürlich ist es leicht, ein Spiel effektiv unlösbar zu machen, beispielsweise durch starken Einsatz von Zufall beziehungsweise Glück (Würfel, Kartenziehen et cetera). Jedoch ist dies nur der einfachste und auf Dauer nicht haltbare Ansatz. Langfristig hoch angesehene Spiele schaffen es, ganz ohne „Glücksspiel“-Elemente beziehungsweise durch „fairen“ Zufall allein im Setup des Spiels (und nicht direkt die Entscheidungen der Spieler betreffend beziehungsweise deren Wichtigkeit mindernd) zu überzeugen. Dies ist jedoch nur ein Bestandteil des äußerst vielschichtigen Design-Prozesses. Diese Vielschichtigkeit ist es auch, die die tiefgreifende Analyse von Spielen (sogar von furchbar schlechten) lohnenswert und interessant macht.

Game-Design ist eine Kunstform, die gleichwertig zu jeder anderen stehen sollte, dies aber in der öffentlichen Meinung in der Regel nicht tut. Gerade Videospiele werden verallgemeinert als „Spielerei“ oder gar schädlich abgetan (was sie sich vermutlich aus oben genannten Gründen selbst zuzuschreiben haben). Das geht soweit, dass neuerdings sogar absurde Begriffe wie „Art Game“ die Runde machen. Brettspiele sind zwar künstlerisch anerkannter, jedoch häufig kaum als mehr als eine gemeinsame Familien-Beschäftigung. Die „echte“ Kunst bleibt zumeist den Autoren, Regisseuren, Musikern, Malern und so weiter vorbehalten. Allerdings ist anzumerken, dass Designer-Spiele eine vergleichsweise junge Kunstform sind (natürlich gab es Spiele schon immer, jedoch eher als gesellschaftlich gewachsene Phänomene denn als von einem spezifischen Künstler erschaffene Systeme). Gerade die heutige immense Nachfrage nach Spielen existiert in diesem Ausmaß erst seit wenigen Jahren und die Tätigkeit eines „Game-Designers“ ist ohnehin weitestgehend unerforscht. Von daher besteht die Hoffnung, dass sich auch am öffentlichen Status von Spielen (sowie der sehr schwammigen Definition des Begriffs) in naher Zukunft einiges ändern wird.

Spielen ist auch eine Kunst. Nicht nur das Spiel an sich ist ein Kunstwerk, sondern darüber hinaus ist auch das Spielen selbst ein äußerst kreativer Akt. Ein (gutes) Spiel zu erlernen, ist prinzipiell damit gleichzusetzen, ein Instrument zu lernen. Beim Spielen geht es darum, Kreativität beim Treffen uneindeutiger Entscheidungen zu zeigen. Im Fußball gibt es beispielsweise sogar sogenannte „Kreativspieler“, denen diese Eigenschaft gerne alleine zugeschrieben wird (tatsächlich sind alle Spieler aller Spiele kreativ tätig). Ein Spiel zu lernen, heißt – im Kontext eines spezifischen Systems - besser zu werden. Es geht dabei nicht zwangsläufig um den Wettkampf gegen andere und das Gewinnen, sondern um die persönliche geistige Weiterentwicklung und Bereicherung. Es gibt wenig befriedigendere Dinge als dazuzulernen. Und Spiele ermöglichen es nicht nur, zu lernen, sondern schulen den Spieler auch ganz allgemein als Lernenden, als rationalen und rationellen Denker (gewissermaßen also auf einer „Meta-Ebene“ über derjenigen des Spiels an sich). Spiele lehren das Lernen.
 
Der „Spaß“ ist bei alledem lediglich das positive Nebenprodukt, die Folge. Genau wie bei einem Auto nicht die Eigenschaft, dass es fahren kann, direkt eingebaut wird, wird bei einem Spiel auch nicht einfach „Spaß eingebaut“. Stattdessen gilt es, wohlüberlegt Bausteine zum System hinzuzufügen, die es – an den ihm inhärenten Maßstäben gemessen – besser machen.

Empfehlungen

Zum Abschluss einige Empfehlungen für Spiele, die den Verstand auf äußerst spaßige Art und Weise herausfordern und fit halten, statt ihn permanent vor Pseudoentscheidungen (sogenannte „No-Brainer“) zu stellen und Tiefgründigkeit nur vorzugaukeln.
  • Brettspiele: Acquire, Battle For Hill 218, Caylus, Diaballik, Dominant Species, For The Win, Gold!, Kingdom Builder, Pandemie, Peloponnes, Puerto Rico, Samurai, Saint Petersburg, Small World, Durch die Wüste, Wabash Cannonball.

    Hinweis für Nicht-Brettspieler: Die ausgewählten Titel sind fast alle auch in digitalen Umsetzungen für iOS verfügbar. Zudem gibt es eine kostenlose Puerto-Rico-Variante für den PC namens Tropic Euro. Saint Petersburg steht – ebenfalls kostenlos – bei den Westpark Gamers zum Download bereit.
     
  • Digitale Spiele: 100 Rogues (iOS), 7 Grand Steps, 86856527, Brogue, Defense Of The Oasis (iOS), Desktop Dungeons, King Of Dragon Pass, Shifts (iOS), Shiren The Wanderer (SNES), Spelunky, Tetris, Tower Climb, Zaga-33.
Viel Spaß beim Stöbern und denkt kritisch!
Nachtfischer 29. August 2013 - 9:51 — vor 7 Jahren zuletzt aktualisiert
rAmbAzAmbA 17 Shapeshifter - 7391 - 29. August 2013 - 10:05 #

Schöner Artikel :) Solche Artikel sollte es in der Gamingkultur öfters geben, nur leider ist das in der "Fachpresse" Mangelware, denn gerade im Print scheint es mehr und mehr um "No-Brainer" zu gehen, sowohl Inhaltlich, wie auch von der Aufmachung/Schreibweise.

P.S. Evtl für den Ein oder Anderen interessant http://de.engadget.com/2013/08/28/ipad-app-planetary-offiziell-zu-design-kunst-erklart-museum-k/

bsinned 17 Shapeshifter - 8200 - 29. August 2013 - 10:17 #

"...und denkt kritisch!"
Hinterfragen und kritische Denkweise fehlen mir schon mein ganzes Leben beim Großteil der Leute.

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13630 - 29. August 2013 - 10:50 #

Das kann ich unhinterfragt so unterschreiben, und das leider nicht nur auf Spiele bezogen...

vicbrother (unregistriert) 29. August 2013 - 11:56 #

Dem stimme ich voll und ganz bei: Ich wurde hier schon mehrfach als Troll bezeichnet, weil ich eine offene, liberale Grundhaltung vertrete und an die Vielfalt der Meinungen und nicht den PR-Abteilungen der Spieleindustrie glaube und dies auch ausgesprochen habe.

vicbrother (unregistriert) 29. August 2013 - 12:12 #

Es stimmt: Spiele sind einfach mehr als die Summe von Grafik, Sound und Waffenauswahl. Leider sind viele Tester hierfür noch zu jung oder bereits zu abgestumpft. Es fehlt häufig die kritische Auseinandersetzung mit tiefergehenden Mechanismen in Spielen, so dass die Fortentwicklung in der Hand der wirtschaftlich denkenden Entwickler verbleibt.

Und so kommt was kommen muss: Fortsetzung folgt auf Fortsetzung, wirklich neue Spielinhalte bleiben auf der Strecke, KI wird durch Scripting ersetzt und anderes wird nur grafisch aufpoliert. Das da die älteren Spieler sich mit einem durch Lebenserfahrung erhöhten Differenzierungsvermögen distanzieren ist da nur die logische Folge.

Die Zeit der Brettspiele ist für mich aber auch vorbei. Regeln einhalten - das kann der PC besser kontrollieren. Ständig wiederholende Tätigkeiten ausüben - der PC nimmt mir diese langweilige Arbeit ab. Komplexität abbilden - das kann nur ein PC unbegrenzt. Der große Vorteil des miteinander spielens, kann auch im Multiplayer (insbesondere LAN-Sessions) erreicht werden, denn auch hier kann man miteinander reden, sich koordinieren, falsche Fährten legen ... einfach interaktiv mit anderen Menschen spass haben.

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13630 - 29. August 2013 - 12:51 #

Leider sind, zumindest in meinem Umfeld, 5 Leute und ein Brettspiel deutlich leichter um einen Tisch zu bekommen als 5 Leute und 5 Rechner, der Aufwand für eine LAN ist einfach ziemlich hoch. Daher ist für mich die Zeit der Brettspiele noch nicht vorbei :)

Gorny1 16 Übertalent - 4991 - 29. August 2013 - 14:00 #

Das war bei mir lange Zeit auch so, aber seit dem mehrere meiner Freunde Gaming-Laptops haben und ich auch, ist es viel leichter geworden :D.
Zudem ist auch das Spielen übers Internet mit parallel laufendem Skype oder TS mehr als reines Spielen. Man verbringt mehr oder weniger viele Stunden miteinander, da spricht man nicht nur übers Spiel, sondern findet auch immer Zeit für Privates und Sonstiges.

vicbrother (unregistriert) 29. August 2013 - 14:28 #

Schau dir mal die Spielweise der "Zukunft" an: http://www.youtube.com/watch?v=CLDs_mBFlKU

Theryn (unregistriert) 30. August 2013 - 16:47 #

Hallo zusammen!

@ BruderSamedi

Ja, das Problem kenn ich auch, aber vor kurzem sind wir auf Tunngle gestoßen und bislang haben wir sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Vielleicht ist das auch für Dich und Deine Leute was.

http://de.wikipedia.org/wiki/Tunngle
http://www.tunngle.net/index.php?l=de

Auf bald!

Theryn

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13630 - 30. August 2013 - 17:05 #

Danke für den Tipp, das ist dann etwas für die Internet-LAN-Party. Die meisten Spiele lassen sich ja heutzutage online spielen bzw. es gibt überhaupt keinen LAN-Modus mehr. Leider ersetzt das nicht das gemeinsame Treffen und Spielen am selben Tisch/im gleichen Raum.

Theryn (unregistriert) 30. August 2013 - 19:54 #

Hallo nochmal!

@ BruderSamedi

Das stimmt, aber es macht uns einfach Spaß, unsere alten LAN-Titel ohne diesen ganzen Achievement-Quatsch und was weiß ich nicht allem zocken zu können und dabei über Headset miteinander zu töttern. Für das gemeinsame Treffen bevorzugen wir auch Brettspiele, in der Regel die von FantasyFlightGames (Descent, Arkham Horror, Rune Wars usw. usf.).

Auf bald!

Theryn

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 29. August 2013 - 16:01 #

Auch ich bin grundsätzlich digitalen Spielen eher zugetan. Der wichtigste Grund ist für mich dabei die höhere Effizienz: Kein langwieriger Auf- und Abbau, kein manuelles "Buchführen" usw. Digitale Spiele können mehr "Spiel pro Minute" erzeugen.

Das Problem: In Sachen Mechanismen hinkt das, was wir heute "Videospiele" nennen meilenweit der Designer-Brettspiel-Landschaft der letzten Jahrzehnte hinterher. Heutige Brettspiele sind - von oberflächlichen Faktoren abgesehen, also aus Designer-Sicht - zu 90% interessanter als alles, was wir auf unseren Computern und Konsolen seit locker 20 Jahren zu Gesicht bekommen.

Erfreulich ist die Verschmelzung beider Welten daher vor allem für die der Videospiele. Brettspiele werden für iOS (und zuletzt auch immer mehr andere Systeme) umgesetzt. Die Rundenstrategie erlebt eine Mini-Renessaince. Originale Videospiele mit dem Untertitel "virtuelles Brettspiel" erscheinen und werden dafür nicht ausgelacht. Die Indie-Szene ermöglicht bzw. ERLAUBT zumindest wieder Innovationen. Alles positive Entwicklungen, um uns aus dem dunklen (digitalen) Game-Design-Mittelalter zu führen. :)

SearinoX 10 Kommunikator - 472 - 29. August 2013 - 12:21 #

"Brettspiele sind zwar künstlerisch anerkannter, jedoch häufig kaum als mehr als eine gemeinsame Familien-Beschäftigung."
In anbetracht der Empfehlungen denke ich, dass das nicht die Meinung des Autors ist. Für alle die so denken hier ein must-watch Video: http://www.shutupandsitdown.com/videos/v/intro-boardgaming/

Brettspiele sind (im Idealfall) Game Design in Reinform. Viele Brettspiele kriegen es besser hin, den Spieler vor schwierige Entscheidungen zu stellen als aktuelle Videospiele. Außerdem sind gute lokale Multiplayer-Videospiele in den letzten Jahren beängstigend rar geworden. Gute Gründe für den einen oder anderen Brettspieleabend. :)

vicbrother (unregistriert) 29. August 2013 - 14:31 #

Schwierige Entscheidungen in Brettspielen? Kannst du dafür Beispiele nennen? In PC-Spielen muss man ja teilweise über das Leben der eigenen Charaktere entscheiden, ich erinnere mich hier an kein Brettspiel mit ähnlicher Tiefe.

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13630 - 29. August 2013 - 15:27 #

Schwierig muss sich ja nicht auf pseudo-reelle Auswirkungen beziehen, sondern auf den Einfluss auf das Spielergebnis. Die "den-oder-den"-Entscheidungen in The Walking Dead würde ich jetzt nicht als schwierig bezeichnen, sondern nur als "nimm halt einen, wen ist egal". Dagegen kann es längere Überlegungen erfordern, um bei Spielen wie Kingdom Builder die nächsten Steine möglichst gewinnbringend zu platzieren.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 29. August 2013 - 15:56 #

Alle von mir genannten Brettspiele stellen die Spieler STÄNDIG vor schwierige Entscheidungen (im Kontext der gesamten Partie betrachtet).

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 29. August 2013 - 16:03 #

Richtig, das ist nicht meine Meinung, sondern die der breiten Masse. Nur wenige Leute steigen tiefer in die Welt der Designer-Brettspiele ein, die (leider) hinter Massenphänomenen wie Monopoly und Risiko versteckt liegt.

HansK (unregistriert) 30. August 2013 - 0:57 #

Risko würde ich jetzt nicht schlecht reden. Es hat viel mit Diplomatie und erahnen zu tun, was die anderen Parteien vorhaben könnten. Wie viel Nachschub kann jeder Mitspieler bekommen, wann und wo würde er diesen einsetzen. Was ist das für ein Spieler? Die Frage entscheidet darüber wie er seine Truppen platziert. Eher aggressiv oder zurückhaltend. Kann ich es mir leisten eine Abmachung zu brechen. Weil ich die Konsequenzen, die mir drohen abfangen kann oder weil mein Gegenspieler ohnehin in der schlechteren Position ist. Manchmal ist es gar nicht so einfach bei diesem Spiel die richtige Entscheidung zu treffen. Einfach nur so spielen geht nicht. Ein ständiges agieren und reagieren.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 30. August 2013 - 9:53 #

Sicher, so kann man es auch spielen (obwohl das die meisten nicht tun, i.d.R. wird es eher als "Beer & Pretzels"-Spiel angesehen).

Problematisch sind die stark zufallsbasierten Kämpfe. Diese schränken notwendigerweise die Wichtigkeit meiner Entscheidungen als Spieler ein.

vicbrother (unregistriert) 30. August 2013 - 13:33 #

Der Einzelkampf ist zufallsbasiert aber die Masse macht es zur Gleichverteilung.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 30. August 2013 - 15:25 #

Eben nicht. Manche Kämpfe sind wichtiger als andere. Es ist das gleiche Leid wie mit dem "kritischen Treffer" in Rollenspielen. Über 1000 Kämpfe wird der Zufall sich zwar seiner Wahrscheinlichkeit entsprechend verteilen, aber manchmal wirst du kritische Treffer in ohnehin schon gewonnenen Kämpfen bekommen und manchmal werden sie dir gerade so das Leben retten.

Richtig relevant wird das natürlich erst in z.B. Roguelikes und nicht in den üblichen "Press X to win"-RPGs.

Khronoz 14 Komm-Experte - 2065 - 29. August 2013 - 20:46 #

Muss dem Autor leider zustimmen. Viele Spielearten haben ihren Reiz verloren. Nach C & C und Doom bin ich eigentlich nicht mehr wirklich an Echtzeitstrategiespiele oder Shooter rangekommen, da diese alle in die gleiche Kerbe schlagen und die Spielmechanik sich kaum ändert. Da kann auch nicht die Grafik oder so nette kleine Gimmicks drüber wegtäuschen. Hoffe das es wirklich gut gemachte Spiele gibt die Generverbindend sind zb. Online+x, Stragie+Shooter evt., dann kauf ich mir auch mal eins und muss es mir nicht umsonst holen.

Olipool 19 Megatalent - P - 13529 - 30. August 2013 - 9:18 #

"Ein (gutes) Spiel zu erlernen, ist prinzipiell damit gleichzusetzen, ein Instrument zu lernen"

Oh ja, da braucht man sich nur Super Meat Boy und Klavierspielen anzuschauen. Solange wiederholen, bis das muscle memory mitmacht :)

" Ein Spiel zu lernen, heißt – im Kontext eines spezifischen Systems - besser zu werden. Es geht dabei nicht zwangsläufig um den Wettkampf gegen andere und das Gewinnen, sondern um die persönliche geistige Weiterentwicklung und Bereicherung. Es gibt wenig befriedigendere Dinge als dazuzulernen"

Ich behaupte mal, das ist auch einer der Gründe, warum Rollenspiele so beliebt sind. Das hochleveln, Talentpunkte verteilen und Ausrüsten des Avatars ist eine direkte Projektion des Bedürfnisses nach persönlicher Weiterentwicklung. Und nirgendwo sonst wird die so anschaulich gemacht durch das Konzept der Erfahrungspunkte. Ich wette, wenn es im Real Life einen XP-Counter gäbe, würden sich die Leute andauernd auf der Straße unterhalten und Verbrecher jagen ;)

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 30. August 2013 - 9:55 #

Super Meat Boy würde ich persönlich als Puzzle bezeichnen und nicht als Spiel. Dort trifft man keinerlei Entscheidungen und zeigt auch keinerlei Kreativität. Es geht rein um das Ausführen der richtigen Lösung.

Zu deinem Rollenspiel-Punkt empfehle ich das Buch "What Video Games Have To Teach Us About Learning And Literacy" von James Paul Gee. Dort geht er explizit darauf ein, welche unterschiedlichen Ebenen des Lernens beim Spielen vorkommen (u.a. am Beispiel Arcanum).

Olipool 19 Megatalent - P - 13529 - 30. August 2013 - 10:32 #

Danke für den Buchtip!
Interessanter Einwand mit dem Puzzle. Sind denn dann nicht die meisten Spiele Puzzles? Ganz abstrakt gesehen kommt man ja ans Ziel, wenn man die programminternen Variablen alle die richtigen Werte in der richtigen Reiehnfolge enthalten (ich erinnere mich gerade an den April-Scherz-Adventure-Löser "The Solver" für den Amiga ;)
Ich denke, schon das Erlernen der Spielmechanik hat Puzzleaspekte (es sei denn man liest das Handbuch).

Bei Meatboy sehe ich aber dennoch ein paar Entscheidungsmöglichkeiten, sei es über die Auswahl der Spielfigur, das Suchen von Secrets und Bandages und die Wahl des Spielstils zwischen schnell<->langsam. Aber hast schon recht, meist stellt sich die Frage zu Beginn eines Levels: wie löse ich den?

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 30. August 2013 - 11:37 #

In der Tat sind die meisten Single-Player-Spiele (insbesondere die storybasierten) eher Puzzles als Spiele. Das erkennt man auch daran, dass man nachdem man einen Spielstand geladen hat sofort anfängt, Dinge auswendig zu lernen. Man trifft immer weniger Entscheidungen. Es geht rein um die LÖSUNG der Situation.

Ich vertrete die Philosophie Keith Burguns: Interaktive Systeme sind einzuteilen in Spielzeuge (freie Interaktion bzw. EXPLORATION), Puzzles (Spielzeuge mit expliziter Zielvorgabe, d.h. einer LÖSUNG), Wettbewerbe (Puzzles mit einem MAß, z.B. einer Punktzahl) und Spiele (Wettbewerbe des Treffens von ENTSCHEIDUNGEN). Die Kernelemente (Exploration, Lösung, Maß, Entscheidungen) sind jeweils die zu schützende Qualität des Systems. Und nicht nur das: Sie widersprechen sich! Daher sind unfokussierte Verschmelzungen mehrerer fundamental verschiedenartiger Formen der Interaktion in aller Regel keine besonders gute Idee.

Das Buch dazu heißt "Game Design Theory: A New Philosophy For Understanding Games".
Ansonsten ist dieser Link hilfreich: http://keithburgun.net/system-of-forms/
Und als Einführung besonders dieses Video: http://www.youtube.com/watch?v=RzhdkYws_60

Ich halte diese Einteilung für äußerst sinnvoll, denn die Definition des Spielbegriffs ist (insbesondere im digitalen Bereich) derart schwammig und willkürlich, dass dadurch kaum nützliche Analysen der Systeme möglich sind. Burguns Philosophie ist ein extremer "low-level"-Ansatz, der zunächst fundamentale Unterschiede in den Interaktionsformen ausmacht und von dort aus versucht, Richtlinien ("soft rules") zum Design von Spielen (d.h. Entscheidungswettbewerben) aufzustellen.

"Bei Meatboy sehe ich aber dennoch ein paar Entscheidungsmöglichkeiten, sei es über die Auswahl der Spielfigur, das Suchen von Secrets und Bandages und die Wahl des Spielstils zwischen schnell<->langsam."

Das sind alles keine Entscheidungen im Kontext des Systems selbst. Im Grunde änderst du durch diese Einstellungen die Regeln, du spielst also ein anderes Spiel bzw. eine Variante von SMB. Entscheidungen IM SPIEL wären z.B. "Versuche ich den riskanten Sprung, bekomme dafür aber eine Bonus-Ressource? Oder gehe ich kein Risiko ein, bekomme aber auch weniger?" Natürlich ist dies nur dann eine UNEINDEUTIGE und BEDEUTSAME Entscheidung (und das ist eine notwendige Qualität, um ein System überhaupt als Spiel bezeichnen zu können), wenn ich nicht unendlich oft versuchen kann und nicht alles zu einer reinen "Trial-and-Error"-Übung verkommt (so wie SMB, das wie gesagt eher ein Puzzle ist und wenn überhaupt ein Wettbewerb, sofern man explizit auf Zeit spielt; ein Spiel ist es in keinem Fall).

Ein gutes Beispiel für ein tatsächliche Spiel(!), in dem regelmäßig Entscheidungen wie die von mir angegebene auftreten: Spelunky!

Olipool 19 Megatalent - P - 13529 - 30. August 2013 - 11:49 #

Oh das Spelunky hab ich auch schon auf dem Radar, Auswendiglernen hilft da ja eh nicht :)
Zum Wechsel der Spielfigur in SMB hast du natürlich recht aber ich denke die Grenze ist fließend. Die Wahl ändert ja auch das Spielverhalten, genauso wie in Splinters Cell oder Hitman, wo ich schleichen oder töten kann. Schleichen ist ggf. schwieriger, bringt aber mehr Punkte. Die Bandages in SMB sind ja auch so eine Bonus-Ressource.
Die Einteilung von Burguns finde ich sinnvoll, unabhängig davon, ob sie nun alles erschlägt, aber es ist ein sehr hilfreiches Diskussionsinstrument (auch wenn man damit jede Party killen kann: nein sorry, Fifa 13 ist kein Spiel, es ist ein Wettbewerb ;D)
Im Buch von Jesse Schell über Game Design (A Book of Lenses) nimmt er den Begriff Spiel auch ausführlich auseinander und geht meine ich auch auf die Frage ein, ob man allein überhaupt spielen kann. Ist aber schon etwas her die Lektüre, aber ich denke, das kennst Du sicherlich schon.

vicbrother (unregistriert) 30. August 2013 - 13:51 #

Ego-Shooter, Horror- und Schleichspiele sowie Adventures gehören wohl hauptsächlich den Puzzles an. Die Karten sind begrenzt und immer gleich. Eine Variation der Startaufstellung ist nicht sehr groß, die Feindkräfte idR bekannt.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 30. August 2013 - 15:04 #

Ich denke, es ist klar zu trennen. Die Auswahl der Spielfigur hat keine Qualität. Der Witz an Spielen ist ja gerade das Feedback, das du für deine Entscheidungen bekommst. Du kannst nach einer Partie Schach sagen: "DAS war ein sehr guter Zug!" Und es könnte sogar noch einen besseren gegeben haben. Wenn du VOR dem eigentlichen Spiel eine Variante auswählst, dann ist diese Entscheidung nicht GUT oder SCHLECHT. Es ist einfach eine REGELÄNDERUNG. Streng genommen ein anderes Spiel. Die Entscheidung "Schleichen oder Kämpfen" hingegen ist wieder IM Spiel. Beides hat Vor- und Nachteile und es gilt diese abzuwägen. Das sind genau die UNEINDEUTIGEN jedoch im Kontext des Spiels BEDEUTSAMEN Entscheidungen. Ein anderer Fall wäre es, wenn du VOR dem Spielen die Regeln festlegst: "Ich darf nur schleichen" oder "Ich darf nur kämpfen". Dann wäre das wieder eine Wahl außerhalb des eigentlichen Spiels. Ist der Unterschied einigermaßen klar geworden?

Fifa 13 ist ein Spiel. Natürlich nimmt beim Fußball die rein physische Ausführung (das "Kann ich?" statt dem "Soll ich?") eine wichtige Rolle ein. Und so auch bei Fifa 13. Allerdings geht es immer auch um Entscheidungen. Nicht umsonst gibt es "Kreativspieler" usw. Dem reinen SPIEL kann man das durchaus vorhalten, denn die physische Komponente schränkt die Wichtigkeit der Entscheidungen ein. Dies ist z.B. bei RTS-Spielen ein riesiges Problem. Dem Fußball ist es weniger vorzuwerfen, da Sportarten ja in der Regel nicht "designt" wurden, sondern einfach als gesellschaftliche Phänomene gewachsen sind.

Jesse Schell verfolgt so weit ich mich erinnere einen ziemlichen "Spray-and-Pray"-Ansatz. Da werden zig verschiedene Definitionen präsentiert und es ist leider keine klare Linie zu erkennen. Viele sind ja auch der Ansicht, man KÖNNE gar nicht definieren, was ein Spiel eigentlich ist, denn es ist ja schließlich Kunst. Dabei lassen sie völlig außer Acht, dass im Bereich der Musik, Malerei und so ziemlich jeder anderen Kunst seit Ewigkeiten einen ausgiebigen theoretischen Unterbau gibt.

vicbrother (unregistriert) 30. August 2013 - 14:00 #

"In der Tat sind die meisten Single-Player-Spiele (insbesondere die storybasierten) eher Puzzles als Spiele."

Du meinst mit Ausnahme des Genres der Strategiespiele mit zufälliger und unaufgedeckter Weltkarte/Gegneraufstellung.

Ein paar Regeln von Sid Meier zum Game Design:
1. Choose a topic you have a passion for. Game Design is about creativity.
2. Do research after the game is done. Tap into the player’s brain.
3. Define your axioms, refine your axioms. Prototype, prototype, prototype; sit in all the chairs.
4. Double it or cut it in half. You are more wrong than you think.
5. Make sure the player is having fun, not the designer/computer.
6. Games should be easy to start playing, but hard to stop playing.
7. Simple systems work together to create complexity.
8. Make it ‘Epic’!
9. Most important part of the game is the first and last 15 minutes.
10. Know when to stop, more is not always better and just because we can, doesn’t mean we should

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 30. August 2013 - 15:31 #

Es müssen nicht zwangsläufig Strategiespiele sein. Siehe Roguelikes. Obwohl man diese sicher auch als Strategiespiel bezeichnen kann.

Aber ja, im Allgemeinen braucht es zwingend - sofern es keinen menschlichen oder simuliert menschlichen Gegner gibt, d.h. der Gegner ist das Spiel selbst - eine Zufallskomponente.

"1. Choose a topic you have a passion for. Game Design is about creativity."

Das finde ich gefährlich. Man sollte nicht mit einem Thema anfangen, sondern mit einer Kernmechanik. Ansonsten kommt am Ende gerne mal ein Spiel mit arbiträren Mechanismen heraus, die einfach nur dazu da sind, das Thema zu "transportieren". Umgekehrt sollte es sein: Das Thema UNTERSTÜTZT das Spiel, macht es intuitiver etc.

"Make sure the player is having fun, not the designer/computer."

Das mit dem "Fun" ist auch so eine Sache. Alles mögliche kann "Spaß machen". Es gilt jedoch zu ergründen, WARUM und auf welchen NIVEAU ein bestimmtes System "spaßig" ist.

"Games should be easy to start playing, but hard to stop playing."

Da finde ich das altbewährte "Easy to learn, hard to MASTER!" doch deutlich besser. "Hard to stop playing" klingt schon wieder sehr nach Skinner-Box-Methoden, auch wenn Sid das wohl nicht meint.

"Simple systems work together to create complexity."

Der beste Leitfaden von allen. EMERGENTE (viele interessante Kombinationsmöglichkeiten) Komplexität sollte stets über die INHÄRENTE (viele Regeln) dominieren.

"Make it ‘Epic’!"

Soll wohl ein Scherz sein?

"Most important part of the game is the first and last 15 minutes."

Das hat er sich bei Civilization wohl zu sehr zu Herzen genommen? Die ersten 15 Minuten sind meistens um ein Vielfaches spannender als der komplette Rest der (häufig ohnehin VIEL zu langen) Partien.

Olipool 19 Megatalent - P - 13529 - 31. August 2013 - 15:07 #

Emergente Systeme sind was feines, aber sind dummerweise überhaupt nicht mehr testbar auf Bugs oder Balancing. Ich erinner mich an einen Podcast von Stayforever, in dem es um Masters of Magic ging, da wurde die Thematik auch angesprochen.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 1. September 2013 - 22:48 #

Oh, die sind schon testbar. Man darf sie eben nur nicht mit unendlich viel KRAM vollstopfen, sondern muss jedes einzelne Element wohlüberlegt in seinem System platzieren. Und wenn das Element nichts Neues einbringt bzw. in Verknüpfung mit dem Rest keinen Sinn macht: Raus damit! Es wird heutzutage viel zu selten vernünftig gestrichen und gekürzt. Stattdessen wird viel und gerne hinzugefügt und oben drauf gesetzt...

Master Of Magic hat eine enorme INHÄRENTE Komplexität. Damit ist es leicht, auch eine große emergente zu erzeugen, aber zugleich wird das Spiel auch "verrauscht" und unklar in seinem Feedback gegenüber dem Spieler. Und somit kaum zu balancen etc. Die hohe Kunst des Game-Design ist es mit WENIGEN Elementen (wenig inhärenter Komplexität) eine große Spieltiefe zu erzeugen (viel emergente Komplexität). Siehe Go. Oder (weniger anstrengend) alle von mir aufgeführten Titel.

vicbrother (unregistriert) 2. September 2013 - 16:15 #

Aber in Master of Magic wird eben auch eine ganze Fantasy-Welt gezeigt und gewinnt damit sehr an Reiz. Andere Spiele beschränken sich nur auf einen Bruchteil einer Welt und wenn man MoM kennt, verblassen diese dann doch auch in Ihrer Faszination.

Es wäre m.E. auch nicht richtig, auf eine möglichst kleine Regelzahl abzuzielen. Da ist GO schon perfekt. Es sollten die Regeln aber merkbar und erklärbar sein. Dann steigert sich auch der Spielspass bei der Abbildung einer solch komplexen Weltenabbildung.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 2. September 2013 - 16:24 #

Und damit zeigt sich einmal mehr, dass Fantasy-Simulation (d.h. Spiel-ZEUG) und Entscheidungswettkampf (d.h. SPIEL) fundamental verschiedenartige Ansätze sind, die nicht zwangsläufig miteinander funktionieren müssen und sich oft sogar widersprechen.

Beim Spielen geht es um das Verstehen des Systems, das Erlernen der Relationen, die Schulung der Spieler als rationale und rationelle Denker. Spiele beinhalten alle Elemente von Spielzeugen, Puzzles und reinen Wettbewerben: Sie sind interaktiv, beinhalten ein klares Ziel und stellen natürlich eine Form von (messbarem) Wettkampf dar. Die zentrale Eigenschaft, die gegenüber dem Wettbewerb hinzukommt, sind jedoch die Entscheidungen, d.h. die Kreativität. Daher gilt es, die Interessantheit derselben zu maximieren und sie vor effekt-reduzierenden Elementen (wie z.B. Glück, Geschicklichkeit, Linearität) zu schützen. Natürlich widerspricht schon die Wettbewerbsnatur des Spiels – und die daraus folgende klare Reglementierung – dem Spielzeug als solchem: Bei der Interaktion mit Spielzeugen (Simulatoren) wollen Eigenschaften und inhärente Regeln ENTDECKT und erforscht werden, d.h. es werden Dinge ausprobiert. Beim Spiel müssen die Regeln vorher natürlich allen Beteiligten vollständig BEKANNT sein, alles andere ergibt wenig Sinn und ermöglicht schlicht kein ernsthaftes spielen. Es muss den Teilnehmern eines Spiels möglich sein, den Spiel-Zustand betreffende Entscheidungen rational zu treffen, d.h. im Erfolgsfall willentlich eine für sie selbst positive Zustandsänderung herbeizuführen. Spielzeuge setzen erst gar nicht solche Maßstäbe an und stützen sich auf völlig wertungsneutrale Exploration.

vicbrother (unregistriert) 2. September 2013 - 19:37 #

Aber Master of Magic ist keine Simulation, sondern ein Spiel mit Wettbewerb: Es gibt nur extrem viele Möglichkeiten dies zu erreichen.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 2. September 2013 - 22:40 #

Das ist genau der Punkt: Es ist beides! Und die spielzeugartige Vielfalt (zig Zauber etc.) verwässert das Balancing des Spiel-Anteils. Zudem schränkt sie dessen Fokussiertheit und Eleganz ein. Umgekehrt ist die Natur des Spiels der explorativen Komponente der Fantasy-Simulation abträglich (z.B. sind manche Zauber vielleicht "cool", aber im Spiel - d.h. numerisch - zu schwach, um sie je einzusetzen).

Wie gesagt: Spiel und Spielzeug widerstreben sich in sehr vielen Punkten!

vicbrother (unregistriert) 3. September 2013 - 15:20 #

Das Spiel ist ja schon auf eine Fantasy-Welt und die Vernichtung der anderen Zauberer fokussiert. Über Eleganz kann man sich streiten. Ich fand auch schon die Einfachheit schön, aber heute mag ich mehr den Jugendstil oder den Queen-Anne-Style.

vicbrother (unregistriert) 2. September 2013 - 15:53 #

Leider ist der Podcast (der Spiele sehr schön und tiefgehend beschreibt) sehr kurz und er zeigt die Mechanik auch nicht auf: Als kleiner Magier vor dessen Nase eine unbekannte Welt liegt und fantastische Kreaturen (und da wird ja so wirklich alles abgebildet was Rang und Namen hat) herumlaufen. Im Mittelspiel trifft man dann auf die anderen Zauberer und ein Krieg bricht zwangsläufig aus, der sich lange hinzieht und zig Armeestacks auf allen Seiten in Bewegung versetzt. Dabei erlernt man selbst zahlreiche Zauber, die die Welt im Antlitz komplett verändern. Man wird fühlbar mächtiger. Und in einer kleinen Schlacht gegen ein großes Heer kann man sich zahlreiche Kreaturen hinzubeschwören. Aber bis zum Schluss aber hat man die Chance auf den Gesamtsieg, den man militärisch oder per Zauberspruch schaffen kann. Genial. Ich fühle mich immer noch in dieses Spiel hineingezogen.

Olipool 19 Megatalent - P - 13529 - 31. August 2013 - 15:11 #

Mir ist noch ein Grund fürs weniger Spielen im "Alter" eingefallen. Zeitverteib ist was schönes, aber je älter man wird, desto weniger Zeit ist da zum wirklichen totschlagen. Man möchte Zeit sinnvoller füllen. Mir gehts es persönlich so, dass ich von Spielen eher eine Erfahrung erwarte, das können simple Stories für pubertäre Jungs auch bieten, aber als Erwachsener ist das Machen einer neuen Erfahrung weitaus schwieriger. Wenn ich nun eine Weile in ein Spiel versenke stelle ich oft danach fest, dass sich das Gefühl von verschwendeter Zeit breit macht.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 1. September 2013 - 22:44 #

Genau das sagt der Artikel ja auch. Das ist aber kein inhärentes Problem von Spielen. Das liegt einfach daran, dass 99 % der heutigen (Video-)Spiele unfassbar schlecht sind.

Roland 18 Doppel-Voter - 11619 - 8. November 2013 - 16:30 #

Ich kann den Punkten absolut folgen und stimme diesen auch zu. Ein Aspekt aber war nicht so ganz beleuchtet. Als ich älter wurde, also gerade 30 geworden, kaufte ich mir ein Flugticket und flog nach China. Zum einen um etwas aus meinem Fachgebiet zu untersuchen, zum anderen privater Natur - also aus Fun und zum anderen: Um etwas zu erleben!

Das war richtig super und weitere Reisen folgten bis heute. Und ich würde es immer wieder tun. Nach meiner ersten Reise erschien kurze Zeit später der dritte Teil von Deus Ex. Ein super Spiel, es gefiel mir und vor allem als es nach China in die große Stadt Hengshua ging. Und das war gut umgesetzt, die Sprache, die Texte an den Wänden waren sinnig aber ... zu wenig Leute. Viel zu wenig. Und da dachte ich dann: Mensch, du sitzt hier und dir simuliert ein Game China. Das ist fast Verschwendung! Also kaufte ich spontan (spontan: Die Reise in 4 Wochen) ein neues Ticket nach China und meldete dort: Hey, ich komme wieder!

Ich hatte sonst das Gefühl, etwas zu verpassen.

gracjanski (unregistriert) 13. September 2013 - 11:06 #

Da hätte man noch einiges hinzufügen können. Und zwar, inwiefern Spiele auch für das reale Leben helfen. Das Leben ist auch nur ein Spiel...

Desweiteren ist mir der häufige Gebraucht von Klammern aufgefallen. Bei einem längeren satz nicht gerade leserlich

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 13. September 2013 - 11:13 #

"Und Spiele ermöglichen es nicht nur, zu lernen, sondern schulen den Spieler auch ganz allgemein als Lernenden, als rationalen und rationellen Denker (gewissermaßen also auf einer „Meta-Ebene“ über derjenigen des Spiels an sich). Spiele lehren also das Lernen."

Ich denke schon, dass das für das reale Leben hilft. ;)

firstdeathmaker 18 Doppel-Voter - 9333 - 13. September 2013 - 17:52 #

Ist zwar schon etwas her, aber ich habe noch einen kleinen Sprachlichen Fehler gefunden:

"häufig kaum als mehr als"

Ansonsten: Sehr schöner Artikel, ich mag es sehr mich damit zu beschäftigen. Teilweise aber auch gerne etwas praktischer...

Die Analyse von Spielmechaniken ist sehr interessant. Allerdings muss man sich damit abfinden, dass man nicht immer ganz scharfe Definitionen und Eigenschaften definieren kann.

Ich sehe es schon kommen, in 50-100 Jahren wird es Computerspielmuseen geben, die sich weitaus intellektueller mit diesen auseinandersetzen als es heutzutage üblich ist. Ich hoffe, dass einige der besonders erhaltenswerten Spiele dafür vom Steam-Zwang etc. befreit werden, denn was wäre ein Spiel, dass man nicht Spielen kann?

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 13. September 2013 - 17:57 #

Sieht zwar komisch aus, ist aber kein Fehler. Glaube ich jedenfalls.

"Brettspiele sind zwar künstlerisch anerkannter, jedoch häufig kaum als mehr als eine gemeinsame Familien-Beschäftigung."
Sie sind kaum ALS mehr ALS eine gemeinsame Familien-Beschäftigung ANERKANNT.