Endlosstreit

Was sind Computerspiele eigentlich? User-Artikel

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Kuck mal, wer da spricht. Nicht. Baldurs Gate ohne (sinnvollen) Text.

Nach der Installation der damals exorbitant Festplattenkapazitäten verschwendenden 2,5 GB bastelte ich mir meinen Charakter und legte los, doch irgendetwas war anders… ich traute meinen Augen nicht, denn zwar funktionierte das Spiel, jedoch waren die Texte verschwunden! Die gesamte Einführung war weg und aus den Lautsprechern tönte mir, wenn auch mit sonorer Theaterstimme vorgetragen, ein immerwährendes "bla bla bla" entgegen. Gut, ab und zu las und hörte ich entfernt vertraute Namen wie "Gorion", "Kerzenburg" und "Freundlicher Arm", aber der gesamte restliche Text war ersetzt durch eine endlose Aneinanderreihung  des "bla“-Mantras.
 
Narratologe haut Ludologen.
Ich versuchte, die Einstellungen im Spiel zu ändern, recherchierte im Netz, ja, zum Schluss installierte ich  das Spiel erneut – nichts. Der Text war weg, das Spiel vom Umtausch ausgeschlossen. Entweder besorgte ich mir eine andere Kopie oder ich versuchte, das Spiel ohne Text zu spielen. Letzterer Gedanke liess mich erschaudern ob der hochgelobten Story von BG; da aber Wochenende war und ich selbst bei einer sofortigen Ersteigerung noch mindestens bis Montag hätte warten müssen, entschied ich mich für die Frevel-Variante: ich spielte ein BG ohne BG-Story!

Und wie so oft ist der Geist zu großer Leistung fähig, wenn er alternativlos gefordert ist. Ohne Story hatte ich zunächst überhaupt keinen Plan, was zu tun sei, also hieß es nun: erinnern! Na gut, wie war das noch…? Ah ja, richtig: Man versorgte sich mit der ersten Minimal-Ausrüstung, sprach Gorion inmitten der Kerzenburg an (bla bla bla?) und verließ diese in dessen Gefolge. Kurz darauf wurde Gorion ermordet und gab folgende Anweisung: "bla bla bla… bla bla Kerzenburg… bla bla Jaheira bla Khaled… bla bla bla Freundlicher Arm…". Das war zwar nicht eben elegante Rede, enthielt aber doch ausreichend Information: diese spärlichen Reste von Story, ein wenig gesunder Menschenverstand  und das eindeutig indentifizierbare feindliche Verhalten von … äh … Feinden (wenn dich einer angreift, tue es ihm gleich) fügte ich einem Puzzle zusammen, und siehe da! – ich arbeitete mich langsam vor und das ohne sonderliche Kenntnis der Story, erfolgreich gar.
 
Da kam mir ein Gedanke. Konnte es sein, dass die vielgelobte Geschichte in diesem Epos letztlich eben doch nur Beiwerk war? War all das, wofür Fans BG liebten, in Wirklichkeit gar nicht entscheidend für dessen Erfolg gewesen? War BG bei Licht besehen eben doch "nur" ein exzellentes Computerspiel? Schließlich hatte ich eine Menge Spaß und es war unverkennbar BG, was ich hier spielte!
 
Nach Beendigung des 1. Kapitels zweifelte ich noch an dieser geradezu blasphemischen These, doch bald schon sollte ich Gewissheit in dieser Sache bekommen. Jeder BG-Spieler kannte sie, die Koordinaten 2644,2107 – wenn schon nicht den Ziffern nach, dann durch das, was beziehungsweise wen man dort vorfand: Drizzt Do´Urden. Dieser legendäre Elfen-Waldläufer (genauer: Drow) war nicht nur äußerst stark und geschickt, er war auch verdammt gut ausgerüstet und genau auf diese Ausrüstung hatten es letztlich so gut wie alle Spieler abgesehen.

Eigentlich gilt für Drizzt = Freund. Aber gleichzeitig gilt auch: Drizzt = Beute. Also folgt: Drizzt = Feind.

Dass er einer von den Guten war und uns im zweiten Teil sogar gegen die verhasste Bodhi tatkräftig zur Seite stehen konnte, reichte nicht aus, ihn zu verschonen. Sobald Level und Ausrüstung es irgendwie möglich machten, nahm man ihm genau diese Ausrüstung ab – entweder per Diebstahl oder durch mehr oder minder tumbe Gewalt.

Ja, Drizzt war eigentlich einer von den Guten, allein es half ihm nichts. Er sprach mit mir (irgendwas mit blablabla oder so ähnlich), doch ich hörte ihm nicht zu. Ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, pausierte ich das Spiel und gab die Befehle zum möglichst erfolgreichen Angriff. Nach zwei oder drei Versuchen (der Mann war wirklich schwer zu besiegen) lag Drizzt am Boden. Die Story-Roll informierte mich über meinen drastisch gesunkenen Ruf (-6), während ich gierig Drizzts Leiche fledderte – und das trotz chaotisch guter Gesinnung mit einem Grinsen im Gesicht.
 
Nun war es also doch passiert. Ich war entzaubert. Jenes BG, in dessen Welt ich vor 17 Jahren willenlos versunken war, das ich für etwas ganz anderes als all die Donkey Kongs und Bruce Lees und Paradroids aus den Anfangstagen meiner Spielerbiografie gehalten hatte – dieses BG war vor allem ein Spiel. Eines mit einer ganzen Menge Text und Story mehr als die genannten anderen, aber im Kern, seiner Essenz nach war es ein Spiel. Kein Roman, kein Kinofilm, keine Kunst. Mögen ihn die NPCs in BG (und Myriaden von BG-Jüngern) für eine Legende gehalten haben, für mich war Drizzt Do´Urden nicht schützenswerter als die Sprites aus C64-Zeiten, deren Daseinsberechtigung aus meiner Sicht lediglich von der Summe einer persönlichen Kosten-Nutzen-Rechnung abhing.

Die Story, so episch sie auch angelegt gewesen sein mag, sie war letztlich ausschmückendes Beiwerk eines verdammt gut gemachten Spiels.
 
Und nun passierte etwas Seltsames. Auf meinem Bildschirm erschienen folgende Worte:

Entzaubert? Aufgewacht? Desillusioniert? Wir können das ändern. Wählen Sie:
  1. Sie bekommen die Story zurück. Kein "bla" und "blubb" mehr. All die schönen, ausufernden Texte und kleinen Geschichten in der großen Geschichte. Nachteil: sie bekommen nur das. Das Spiel ist an diesem Punkt zuende, aber sie dürfen lesen, so lange und so oft sie wollen.
  2. Sie spielen weiter wie bisher mit allen Spielmechaniken, Features, Kämpfen usw. Aber die Story beschränkt sich weiter auf "bla", "blubb" und ab und zu mal ein paar Eigennamen.
Wählen Sie.
 
Ich dachte nach. Was hatte mir mehr Spaß gemacht? Natürlich: meine Wunschoption, also ein BG, so wie es vor 17 Jahren einmal gewesen war, wäre meine eigentliche Wahl gewesen. Die Story und das Spiel, zusammen. Aber das war nicht drin. Ich hatte nun die Wahl zwischen entweder dem nackten Spiel oder der nackten Story. Warum nur das eine ohne das andere, warum konnte es nicht beides geben?

All mein inneres Jammern ob dieses Dilemmas half nichts. Ich musste mich entscheiden.

Heinrich Lenhardt lästerte bereits in PCPlayer 02/98 über den misslungenen Versuch, die launigen Lacher aus Leisure Suit Larry als eigenständigen Roman herauszubringen: "Was im Spiel noch erheiternd zwischen zwei Puzzles wirkt, verkommt in der Nacherzählung zur Banalität". Wie wir alle wissen, wurde Steve Whittons Die verrückten Abenteuer des Larry Laffer kein Bestseller.
 
Jörg Langer Chefredakteur - P - 469794 - 5. April 2015 - 14:36 #

Sehr schöner User-Artikel!

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 16:14 #

Danke für das Lob und Dank an alle Beteiligten, vor allem an ChrisL!

Viktor Lustig 18 Doppel-Voter - - 9160 - 6. April 2015 - 15:36 #

Einer der besten Artikel, die ich je am GG gelesen habe! Richtig toll!

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 6. April 2015 - 23:14 #

wow... vielen Dank!

Claus 31 Gamer-Veteran - - 421619 - 5. April 2015 - 14:41 #

Wunderbar geschrieben, vielen Dank dafür!

Triton 19 Megatalent - P - 17161 - 5. April 2015 - 14:47 #

Sehr guter Artikel. Den sollten sich einige Politiker mal durchlesen statt unwissend alles pauschal in diesem Bereich zu verurteilen.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 5. April 2015 - 14:56 #

Sehr schöner Artikel! Gut geschrieben mit einer wichtigen Kernaussage. Einzig mit dem dritten Punkt des Fazits bin ich nicht 100% einverstanden. Spiele sind natürlich nicht Kunst, weil sie Bild oder Ton enthielten (beides an sich übrigens durchaus Kunst), sondern aufgrund ihres Spielseins. Auch ein Regelwerk ist meines Erachtens ein Kunstwerk. Aber das ist Haarspalterei. :)

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 15:05 #

Erstmal vielen Dank!

Und es ist keineswegs Haarspalterei, was Du schreibst, sondern eigentlich richtig. Das ist in meinem Artikel sicher besonders überspitzt, aber ich denke, die festgefahrene Diskussion braucht das.

Funatic 20 Gold-Gamer - - 24650 - 5. April 2015 - 14:59 #

also erstmal: respekt für di viele arbeit die im artikel steckt. leider hat sich bei mir ab seite 2 der "bla bla" effekt breitgemacht den du in deine baldurs gate version reinfabuliert hast.
wollte nur kurz was zum thema "spiele brauchen keine story da es nur ums spielen geht" anmerken. es gibt spiele wie z.b. jump`n runs oder rennspiele die brauchen keine story da es primär um das erlernen und meistern von skills bzw. der jagd nach dem highscore/der bestzeit geht. es gibt aber auch genres die ohne story einfach nicht funktionieren. gerade bei baldurs gate gibt es ja mit icewind dale das, vom gameplay her, identische spiel nur eben mit hauptaugenmerk auf kämpfe statt story und quests. während ich baldurs gate 1+2 geliebt habe haben mich icewind dale 1+2 nach der hälfte gelangweilt da ich keine bindung zu meinen characteren aufbauen konnte noch das "was kommt als nächstes" gefühl hatte. überhaupt wenn ich mir die wirklich grossen momente meiner videospielkarriere in erinnerung ruf sind es meist augenblicke die mich emotional gepackt haben: aeris tod in FF7 *omg*, das ende von silent hill 2 (ich bekomm jetzt noch gänsehaut), das ende von red dead redemption, oder die komplette erfahrung von the last of us! das alles wäre ohne story und gut geschriebene charactere nicht möglich gewesen. von daher kann ich deiner these das baldurs gate ohne story bzw. spiele im allgemeinen ohne story genauso gut funktionieten wie welche mit nicht mal im ansatz zustimmen! thema leider, zumindest für mich, verfehlt.

Nachtfischer 16 Übertalent - 5634 - 5. April 2015 - 15:24 #

Die Frage kehrt sich dann allerdings um: Braucht es da noch das Spiel (oder zumindest die Herausforderung)? Wäre Baldur's Gate als fokussierte und verdichtete Story-Erfahrung nicht viel besser als mit dem ganzen (von dir als langweilig empfundenen) Icewind-Dale-Gekämpfe an jeder Ecke?

Warwick (unregistriert) 5. April 2015 - 15:45 #

Telltale zeigt ja, dass man zum Erzählen einer Story nicht zwingend viel Spiel und Herausforderung braucht, damit wäre die Frage ganz allgemein beantwortet. Es kann also durchaus ohne funktionieren. Das Baldurs Gate-Erlebnis war bei mir aber nie nur die Story oder nur das Spiel bzw. die Kämpfe, beides zusammen hat bei mir funktioniert und hätte eines von beiden gefehlt, wären mir diese Spiel nicht so gut im Gedächtnis geblieben. Die etlichen Stunden an Kämpfen, Dialogen, Inventarmanagement und das Grübeln über die optimalen Charakterwerte waren sicherlich oft mehr harte Arbeit als "Spass", haben aber bei spielerischem Erfolg und Fortschritt unheimlich befriedigend gewirkt. Dieses spezielle Erfolgsgefühl schafft keine (interaktiver) Film, Buch, Hörbuch, etc.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 15:56 #

Meine leitende Frage war nicht, ob Story auch zu Immersion beitragen kann, sondern die Aussage, Spiele seien die neuen Romane an sich. Das ist mir so zu platt, deshalb habe ich auch dieses Gedankenspiel unternommen. Gut, die BG-Story ist atmosphärisch ganz schön dicht für ein Computerspiel. Reicht es aber aus, um als Roman betitelt zu werden? Sind wir Gamer da manchmal betriebsblind und hyper-euphorisch?

Im Grunde stelle ich die Frage: was ist BG denn vor allem? Wer da nicht "ein Spiel" sagt, hat Drizzt eindeutig verschont :)

Myxim 18 Doppel-Voter - 9435 - 5. April 2015 - 16:04 #

Ich habe ihn verschont... weil ich immer gut sein will. Aber irgendwann werde ich dann doch imer gierig und böse :(

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 16:05 #

Ich habe es auch ein oder zwei mal nicht übers Herz gebracht. Aber es war einfach zu leicht, den Ruf wieder zu steigern, z.B. mit dem Zurückbringen des Kuscheltieres :)

Warwick (unregistriert) 5. April 2015 - 20:32 #

Natürlich habe ich Drizzt getötet und ihm seine Waffen abgenommen - die Versuchung war als Leser der Romane einfach zu stark. Der Ruf war auch nicht das Problem, aber nachdem ich einen Helden Faeruns getötet hatte, hab ich mich irgendwie schmutzig gefühlt ;-)

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 20:48 #

Mir ging es am Anfang so. Als chaotisch guter Charakter habe ich es einfach nicht übers Herz gebracht. Im Internet las ich dann aber was von seiner Ausrüstung (Mithril Kettenhemd +4; Krummsäbel +3 Frostbrand; Krummsäbel +5 Verteidiger)... der Rest ist unrühmliche Geschichte :)

partykiller 17 Shapeshifter - 7410 - 27. April 2015 - 23:50 #

getreu dem Motto: "ich musste ihn töten, das versteht ihr doch, oder?" ;)

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 28. April 2015 - 6:35 #

Richtig, es war eine ganze Stange nachvollziehbarer Argumente.

Warwick (unregistriert) 5. April 2015 - 16:19 #

Ich bezog mich lediglich auf Nachtfischers Frage, ob BG als verdichtete Story-Erfahrung besser wäre. Das kann ich für mich ganz klar verneinen (unter verdichteter Story-Erfahrung verstehe ich jetzt auch keinen Roman, sondern eben die recht populären interaktiven Abenteuer a la Tellate). Spiele sind für mich nicht die neuen Romane, und diese Frage hat sich mir auch nie gestellt.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 17:01 #

Das hatte ich auch nicht so verstanden und ich bin Dir dankbar für Deine Kommentare! Ich weiss auch, dass ich mich mit dem Gedankenspiel sehr weit aus dem Fenster lehne und nehme in Kauf, wenn jemand sagt: BG ist eine Einheit aus Story und Spiel und was Du da tust, ist rein hypothetisch.

Markus 14 Komm-Experte - 1878 - 5. April 2015 - 16:45 #

Toller Artikel, vielen Dank dafür!

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 22:31 #

Vielen Dank!

timeagent 19 Megatalent - - 18398 - 5. April 2015 - 18:45 #

Alleine für das "greets to Dr. Mabuse and Section 8" und die damit verbundenen Erinnerungen ist schon ein Kudos fällig. Für die restliche Arbeit sowieso.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 22:33 #

Räusper... ich kenne diese Namen nur vom Hörensagen her. Aber mal im Ernst: Seit fast 2 Jahrzehnten ist meine sämtliche Software gekauft und ich führe obige Erfahrungen auf Zeitgeist, jugendlichen Leichtsinn und vor allem Armut zurück - was keinerlei Rechtfertigung darstellen sollte!

Danke für das Lob!

timeagent 19 Megatalent - - 18398 - 6. April 2015 - 16:01 #

Sollte auch kein Vorwurf sein und ging in die Richtung Zeitgeist. Die ganze Namen wie DOC oder TRSI waren für manche Amiga-User wohl ähnlich geläufig wie Eagle Soft für C64er. Man hat sich halt weniger Gedanken gemacht, in welchem Kontext sie aufgetreten sind.
Außerdem: Manche Cracktros waren echt cool. Guck ich mir heute noch gerne an.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 6. April 2015 - 23:19 #

Ich habe kürzlich mal ein paar neue C64-Demos gesehen. Wenn man das mit der Weihnachtsdemo von der CES ´82 vergleicht... unglaublich, was die da noch rauskitzeln.

Hintermeer 11 Forenversteher - 751 - 5. April 2015 - 19:27 #

Hmmm während man sich beim Lesen eines Buches die Welt vorstellt gehen manche Spiele einen anderen Weg indem eine Welt mit Handlungsmöglichkeiten vorgegeben wird und die Geschichte durch interaktion , d.h. Manipulation und vorheriger Interpretation der welt und ihrer Objekte entsteht.

Die Geschichte ist immer auch die der persönlichen Spielerfahrung, die Dokumentation des fortschreitenden Lernprozesses wie im Leben selbst. Der Spieler macht sich seine Geschichte selbst.
Vieleicht ein Grund für die Popularität von Lets plays und Twitch.

Viele Spiele profitieren aber auch von der Vertrautheit im Umgang mit den Vorgängermedien, integrieren diese und setzen somit eine gewisse Medienkompetenz voraus. Spiele erweitern Filme.

Gerade Spiele die sich zur Aufgabe gemacht haben eine Welt zu Simulieren benötigen nicht zwingend narrative Elemente. Spiele selbst sind kommunikative Artefakte die sich ähnlich wie materielle Hinterlassenschaften vergangener Kulturen quasi archäologisch deuten lassen.

Auch vermitteln sie stets die Funktionsweise der Maschinen selbst und ihrer Programmierung .
Man lernt also automatisch etwas über die Funktionsweise von den Maschinen die unser modernes Leben maßgeblich beeinflussen.das man mit Arbeitsgeräten spielt ist nicht nur eine Zweckentfremdung sondern auch die logische Konsequenz. Der Durchdringung von Privatem und Freizeit mittels Technik wird so möglich.

Das ist mir jetzt so spontan dazu eingefallen. Ich hoffe das passt ;-)

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 21:39 #

Danke für den ausführlichen Kommentar!

Es stimmt, Spiele erweitern in gewisser Hinsicht die narrative "Beschränkung", andererseits verlieren sie dadurch auch die Stringenz von Romanen. Ich glaube, Nachtfischer hat das mal ausführlich beschrieben:
http://www.gamersglobal.de/user-artikel/spiele-als-geschichtenerzaehlendes-medium
Ich will Spielen nicht absprechen, eine gute Story zu liefern, nur hängt es gerade bei LPs und Twitch davon ab, wie sehr der Spieler seiner Story leben und Individualität einhaucht. Mir sind LPs gerade deshalb zu öde, aber ich will ihnen die Daseinsberechtigung nicht absprechen.
Das mit den kommunikativen Artefakten macht mich neugierig. Hast Du Literaturtipps dazu? Würde mich echt interessieren.

Das Interessante an Spielen ist, dass eigentlich langweilige Dinge superinteressant werden, aber nur für den Spieler. Wenn mir jemand in einem Roman haarklein erzählt, welchen Schlag er beim Ork wo angesetzt hat, kann das schnell langweilig werden. Wenn man das als Spielender erlebt, ist es ungemein spannend, schliesslich hängt das eigene Überleben davon ab. Aber eben nicht der Ausgang der Story - ich weiss, ich will die Prinzessin retten, aber trotzdem ist es interessant, weil mein Erfolg keineswegs sicher ist.

nur, ob das für jemand anders dann auch interessant ist...?

EddieDean 16 Übertalent - P - 5343 - 5. April 2015 - 19:35 #

Vielen dank für den grandiosen Artikel. Zum Thema passt meine Wahrnehmung, dass beyond two souls, das ich momentan spiele, in einem anderen genre zB der Serie besser untergebracht gewesen wäre, da mich die pseudo-gameplay-Aktionen immer aus der story reißen.

Warwick (unregistriert) 5. April 2015 - 20:27 #

Da kann ich Dir im Fall von B:TS zustimmen. Ich bin den interaktiven Stories nicht abgeneigt, hatte sehr viel Spass mit Heavy Rain, TWD1 und auch aktuell mit Telltales GoT, aber bei B:TS passte mir bzw uns irgendetwas nicht. Kann an der übersinnlichen Geisterstory gelegen haben, ich hatte aber eher das Gefühl, dass die Interaktivität zu sehr gelitten hat und die unchronologische Erzählweise weder Story noch die gesamte Spielerfahrung gut getragen hat.

nothanks 11 Forenversteher - 601 - 5. April 2015 - 22:17 #

So wie es bei Rollenspiele eine Flaute gab (nach meiner Erinnerung zwischen 1998 und 2001 - so richtig los ging es wieder mit Gothic 1 und Morrowind). So gab es diese auch bei Adventures und Echtzeitstrategiespielen und Aufbau-/Wirtschaftsimulationen.

Besonders Schade finde ich die seit 2004 anhaltende Flaute bei Echtzeitstrategiespielen. Seit Age of Empires 3, C&C Generals und C&C 3 ist abgesehen von Star Craft 2 kein Triple-A Echtzeitstrategiespiel mit guter Wertung mehr erschienen. Gerade die Fans von Age of Empires, Empire Earth und den 3 verschienden C&C Universen werden von den Spieleentwicklern seit damals am PC nicht bedient. (lassen wir die Casual-Spiele ala Farmville & co am Tablet beiseite!)

Etherium und Grey Goo sind sehr an Star Craft 2 angelehnt, haben wenig mit AoE und C&C gemeinsam.

Age of Mythology HD und Age of Empires 2 HD waren eine ganz billige Wiederveröffentlichung mit wenig Änderung (wie auch, ohne Originalentwicklerung, ohne Original-Artworks und nur teilweise Quellcode) - die Spiele sind sehr gut, aber nach 10-15 Jahren wäre ein neuer Teil super für etwas Abwechslung. Z.B das Szenario/Zeitepochen von Teil 2 mit dem Gameplay&AI von Mythology und der Grafik&Physik-Engine von Teil 3.

Das einzige Echtzeitstrategiespiel das sich an C&C Liebhaber richten wird, scheint Act of Aggression (irgendwann 2015) zu sein: https://www.youtube.com/watch?v=qcofOlVf05Q . Allerdings bin ich da noch etwas Vorsichtig, denn vor Vorgänger war ein durchschnittlicher C&C Generals Klon und die Spiele vom Entwickler dazwischen waren Echtzeittaktikspiele (R.U.S.E., Wargame) ala Company of Heroes aber ohne Basenbau (so viel ich mich erinnere).

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 22:24 #

Danke für den Kommentar!

Vielleicht solltest Du Deine kommenden XP in Richtung Schreiber investieren und etwas über RTS schreiben, scheinst Dich ja echt auszukennen und Jörg würde ein Retro-Artikel zu diesem Thema bestimmt interessieren :)

Allerdings war die Flaute bei Rollenspielen ein paar Jahre früher. Spätestens nach Baldurs Gate schossen diese wie die Pilze aus dem Boden, dem Himmel sei Dank.

Ich war ja so der Warcraft II - Typ. Ich habe mir damals sogar eine Missions-CD gekauft und bin selbst heute noch enttäuscht davon, dass ich das Spiel auf Win 7 nicht wirklich zum Laufen bringe (Hilfe erwünscht).

nothanks 11 Forenversteher - 601 - 5. April 2015 - 23:08 #

Die Zeit zwischen 1995 und 2005 wird so viel ich weiß nicht in RetroGamer behandelt, oder? Aber ab 1995 würde ich mich bei meinen Lieblingsgenres gut auskennen, vielleicht schreib ich ja mal einen Artikel und poste in.

Ich kann mich noch erinnern das in der Gamestar von einer Rollenspiel-Flaute stand und das war irgendwann zwischen 1999 und 2002 - hab leider kein elektronisches Archiv davon zum Nachsehen. Vielleicht kann sich Jörg, oder jemand anders noch erinnern und einen Kommentar schreiben. Von den Spielen her gabs 1998/99 Highlights wie Might & Magic 6, Baldurs Gate 1, Planescape: Torment, Fallout, Ultima IX: Ascension, Ultima Online. So richtige Highlights dann in gutem 3D gabs dann mit Gothic 1 (2001) und Morrowind (2002), das andere waren Nachfolger und durchschnittliche Nachahmer/Klone von Baldurs Gate, etc. So wie die Nachahmer damals von Sielder 2, Nachahmer von Anno 1602, Nachahmer von Age of Empires, etc. - meist halt oft nur Durchschnitt (manchmal aber echte Perlen): Cossacks, Knights and Merchants, ParaWorld, Empire Earth, Die Völker, Cultures, ...

Warcraft II (DOS) habe ich nur kurz gespielt, ich kann mich noch erinnern das es 1999 eine Neuauflage gab: "Warcraft II: Battle.net Edition", die sollte unter Windows funktionieren.

(sorry wegen Offtopic)

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 5. April 2015 - 23:34 #

Auf Steam gibt es WC2 nicht... und die Battle.net Edition auch nicht. Vll per Dos-Box? Ich habe ja das Original, das müsste eigentlich gehen. Ich bin seither raus aus RTS - gibt es etwas ähnliches, was neuer ist und auf Win7 läuft (also auch von Anspruch: nicht von Anfang an überfordernd?).

ja, es stimmt: der Nachteil an der Wiederbelebung der Rollenspiele war der enorme Hype und die Klone. Da war echt viel Schrott dabei und ich hatte mich schon gefragt, wann sie zum zweiten Mal wieder untergehen. Ist uns zum Glück erspart geblieben.

Was das Mitmachen angeht: ich kann es nur empfehlen.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62092 - 6. April 2015 - 11:45 #

Blizzard macht ja sein eigenes Ding mit dem Battle.net, da gibt es keine Verkäufe mehr bei Steam und Co.
Habe gerade mal reingeschaut und unter Classic ist Warcraft auch nur noch WC3 + Add-On zu finden.

euph 30 Pro-Gamer - P - 130123 - 6. April 2015 - 12:18 #

Schöner Artikel, danke dafür.

Maestro84 19 Megatalent - - 18456 - 6. April 2015 - 15:23 #

Guter Artikel, aber für mich sind Spiele nur eine neue Freizeitgestaltung, auf die ich, nach den letzten mauen Jahren, auch ohne Probleme verzichten könnte.

rgru0109 14 Komm-Experte - P - 2692 - 6. April 2015 - 21:57 #

Super artikel. Danke dafür. Vielleicht packt Otto rehagel ja sein altes baldurs Gate nochmals aus...

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 7. April 2015 - 20:03 #

Danke! Ich habe übrigens tatsächlich mal kürzlich die Enhanced angespielt, nur war das dann zuende, als mein Tablet die Recovery gestartet hat... :(

Sven Gellersen 23 Langzeituser - - 45113 - 7. April 2015 - 7:31 #

Sehr schön geschriebener Artikel. Inhaltlich tue ich mich allerdings etwas schwer damit, denn ich bin absolut kein Freund davon, das Medium Videospiel in seine Einzelteile zu zerlegen. Sie sind als Ganzes konzipiert und sollten meiner Meinung nach auch so betrachtet werden. Das Zerlegen wird finde ich keinem Medium gerecht.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 7. April 2015 - 10:04 #

Da ist schon was dran. Ich habe diese extreme Form der Zerlegung auch nur vorgenommen, um die absolute Aussage "Spiele sind Kunst" oder "Spiele sind die neuen Romane" einmal konsequent weiter zu denken. Dann wird nänlich klar, dass eigentlich diese Aussagen es sind, die eine vereinfachende Sicht darstellen und dass mein kleines Gedankenspiel diese nur konsequent weiter verfolgt.

Sven Gellersen 23 Langzeituser - - 45113 - 7. April 2015 - 17:41 #

Ich verstehe Deine Intention. Die Absolutheit von "Spiele sind Kunst" oder ähnlichen Aussagen finde ich auch eher unglücklich. Schließlich fußt die Beurteilung, was Kunst ist oder wie gut eine Story erzählt wird vorrangig auf subjektive Eindrücke.

AlexCartman 20 Gold-Gamer - 22087 - 7. April 2015 - 19:10 #

Schöner Artikel! Auf die Idee, Drizzt zu töten, wäre ich nie gekommen. On topic: Für mich existieren Spiele und Bücher parallel, beide funktionieren nur in ihrem eigenen Kontext. Ohne Spielelemente ist selbst bei Schwergewichten wie BG die Story zu dünn. Andererseits zeichnen sich beispielsweise die Romane zu AD&D meist durch viel Banalität aus und können mit vollwertigen Romanen in eigenen Universen selten mithalten. Zum Beispiel ackere ich mich derzeit durch die Eberron und Drizzt-Trilogien und ärgere mich über die dünne Story und aufgesetzten Anspielungen auf das AD&D-Spielsystem. Wie dämlich ist beispielsweise die Notwendigkeit, Zauber vorher vorbereiten zu müssen? Das klappt natürlich als taktischer Anspruch im Spiel, ist in den Romanen aber meist ohne jeden Mehrwert.

Unregistrierbar 18 Doppel-Voter - 10829 - 7. April 2015 - 23:29 #

Das ist auch der Grund, wieso ich mir mit LPs so schwer tue: Dinge, die total spannend sind, wenn man selber spielt, sind beim Zuschauen ungemein weniger spannend. Klar, LPs machen Sinn, wenn sie (meist per geglücktem Kommentar) vermitteln, was gerade passiert - z.B., wenn Heinrich versucht, bei Elite Dangerous einzuparken. Aber: man stelle sich diese Szene ohne Kommentar vor...