Die Spiele des Linux-Wappentiers

Tux als Spielheld User-Artikel

Daeif 3. August 2010 - 12:49
Gemütlicher Gesichtsausdruck, rundlicher Körperbau: Das soll ein Spielheld sein? Lasst euch nicht täuschen! Trotz seines nicht gerade heroischen Aussehens hat die Open-Source-Gemeinde einige Titel mit dem Linux-Maskottchen Tux erstellt. Unser User-Artikel verät euch, ob die Spiele mit dem Federvieh das Zeug zum Klassiker haben.
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Es sollte die Alternative zu Windows werden: Als der Finne Linus Torvalds 1991 den Linux-Kernel schrieb, tat er das größtenteils aus Spaß und aus Frust gegenüber den Microsoft-Betriebssystemen. Seitdem wittern IT-Insider den Umschwung. Der ist aber bis heute nicht eingetreten, immer noch laufen etwa 90 Prozent aller PCs mit Windows. Was sind die Gründe? Immerhin hatte fast jeder schon mal Ärger mit Windows, Linux-Distributionen dagegen sind sicherer, stabiler und mit Varianten wie Ubuntu mittlerweile auch recht einsteigerfreundlich.

Linus Torvalds, der Erfinder von Linux und dessen Maskottchen Tux.
Sicher kein Totschlagargument, aber doch ein wichtiger Faktor ist die Spiel-Problematik unter Linux. Die wenigsten Entwickler machen sich die Mühe, Umsetzungen zu liefern und bleiben bei Windows, ab und zu gibt es auch mal Umsetzungen für MacOS X. Lösungen wie Wine oder Cedega (früher WineX) helfen zwar, DirectX-Titel unter Linux zum Laufen zu bringen, sind aber teuer und/oder nicht immer auf dem neuesten Stand.     

Interessanter, aber auch nicht gerade vielfältig sind die Zustände in der Open-Source-Entwicklung, die für Linux-Jünger zum guten Ton gehören. Besonders Umsetzungen bekannter Spielkonzepte lassen sich hier finden, eigene Ideen sind jedoch schon schwieriger auszumachen. Ein Problem, das im unserem Artikel noch häufiger auftauchen wird ...

1996 hatte Torvalds eine weitere Idee: Linux sollte ein Maskottchen bekommen. Dabei erinnerte er sich an einen Zoo-Besuch in Australien vor einigen Jahren, bei dem er besonders von den Zwergpinguinen begeistert war. Die Art des Maskottchens war somit getroffen. Schließlich gab er dem Federvieh noch eine etwas rundliche Statur und einen zufriedenen Gesichtsausdruck, um ihn seiner Meinung nach „unverwechselbar” zu machen. Das Anhängeschild von Linux war seiner Zeit noch sehr umstritten, heute kennt fast jeder, der sich annährend mit Computern beschäftigt, die Figur Tux.

Dass so ein Maskottchen für Spielentwickler häufig eine gute Vorlage für die Hauptfigur ist, weiß man nicht erst von den beiden Videospiel-Ikonen Mario und Sonic. Auch Computerspiel-fremde Firmen verbreiteten den Bekanntheitsgrad ihrer Figuren durch entsprechende Titel wie etwa das 7-up-Männchen Cool Spot. Logisch, dass auch der kleine, dicke Pinguin irgendwann die Bühne der Computerspiele betreten musste. Vier der bekanntesten Projekte mit Tux wollen wir euch nun vorstellen.

Tux Racer

Welches das älteste Spiel mit Tux als Hauptfigur ist, lässt sich schwer sagen. Von den vier hier vorgestellten Spielen hat aber wohl Tux Racer die meisten Jahre auf dem Buckel. Die Entwicklung des Projekts geht auf das Jahr 1999 zurück. Die Studentin Jasmin Patry arbeitete im Rahmen eines Uni-Projekts an Tux Racer. Etwas später gründete sie mit einigen Freunden das Entwicklerteam Sunspire Studios. Hier wurde das Konzept von Tux Racer ausgebaut und schließlich im Herbst 2000 als freie Software veröffentlicht.

Doch das ist nicht das Ende, sondern eher der Anfang einer abenteuerlichen Entwicklungshistorie. Denn Sunspire wollte mehr aus dem Projekt holen. Noch bevor die freie Version des Spiels erschien, wurde auch eine kommerzielle Variante angekündigt. Diese erschien dann auch 2002 für Linux, Windows und Mac. Doch kurz darauf fand die Geschichte der Firma ein unrühmliches Ende. Quasi über Nacht gab das Team kein Lebenszeichen mehr von sich, die Internetseite wurde seit Ende 2002 nicht mehr aktualisiert und 2004 vom Netz genommen. Wie viel Einnahmen die kommerzielle Version von Tux Racer den Machern bescherte, ist nicht bekannt.

Die Open Source-Szene war empört, als bekannt wurde, dass Tux Racer kommerziell werden sollte, und machte sich daran, neue, freie Abspaltungen zu entwickeln. Open Racer war der erste Versuch und ging so schnell, wie es gekommen war. PlanetPenguin Racer schien zunächst viel versprechend, wurde 2006 aber ebenfalls aufgegeben.

Eine weitere Abspaltung ist Extreme Tux Racer, an dem nun seit 2007 gearbeitet wird. Diese Version ist von allen am weitesten fortgeschritten, wenn auch längst noch nicht fertig. Die Entwickler haben hierbei ein langfristiges Ziel vor Augen: Die kommerzielle Version in Sachen Umfang zu schlagen. Ob das Ziel gelingt, ist unklar: Die Beta-Version 0.5 ist bereits über ein Jahr verfügbar.

Das auf und ab in der Entwicklung merkt man dem Titel leider an. Doch zunächst einmal das Gameplay: Ihr seit Tux, der einen Abhang herunterrutscht und dabei in einer bestimmten Zeit das Ziel erreichen sowie möglichst viele Heringe einsammeln muss. Dabei stehen euch im Moment (ETR Version 0.4) etwa 41 Strecken zur Verfügung. Diese könnt ihr sowohl in einer Übungsrunde, als auch in einer Kampagne bewältigen. Falls ihr jetzt denkt: „Oh, Kampagne, das klingt ja interessant!“ - Der Modus macht nicht wirklich Laune: In jeder der fünf Missionssammlungen habt ihr vier Leben. Schafft ihr die Vorgaben für eine Strecke nicht, verliert ihr eines davon. Sind alle Leben verbraucht, müsst ihr alle Strecken eines Cups (jeder der Kampagnen besteht aus verschiedenen Cups) wiederholen. Das ist ein sehr müßiges und nicht gerade motivierendes Konzept.  

Schließlich startet ihr euer erstes Rennen. Ein sehr steif animierter Tux trabt zur Mitte des Bildschirms, schmeißt sich hin und schon beginnt die wilde Fahrt. Obwohl: Richtig schnell fühlt sich das Ganze nicht an, selbst mit 100 Sachen kommt ihr nicht annähend in einen Geschwindigkeitsrausch.

Ihr solltet auf eurer Strecke möglichst viele Fische einsammeln, da die Strecke erst ab einer bestimmten Anzahl als erfolgreich gewertet wird.
Zusätzlich zu beschleunigen, bremsen und lenken dürft ihr Tux auch springen und im Sprung Tricks vollführen lassen. Abermals fallen hier die schwachen Animationen auf. Ob ihr jetzt gesprungen seid oder einfach aufgrund der Geschwindigkeit durch die Luft segelt, merkt ihr nicht. Auch die Lenkung ist eher unbefriedigend, man hat nicht wirklich das Gefühl, Tux zu kontrollieren. Allgemein gibt das Spiel zu wenig Feedback. Welche Zeit und wie viele Heringe ihr braucht, erfahrt ihr nur im Hauptmenü, auf der Strecke wird euch das nicht angezeigt. Ihr solltet also ein gutes Gedächtnis mitbringen.

Da das Spiel in der Urversion bereits elf Jahre alt ist und seitdem technisch nicht groß aufgemotzt wurde, fällt eine grafische Bewertung eher schwer. Gefallen kann man an spiegelndem Eis und herum wirbelndem Schnee finden, aber ansonsten gewinnt der Titel wohl eher keine Schönheitspreise. Der Sound hingegen lässt sich nur mit einem Wort beschreiben: Nervig! Soundeffekte gibt es zwar kaum, dafür hört ihr als Hintergrundmusik einen etwa zehn Sekunden langen Loop, der immer und immer und immer wieder die selbe Melodie spielt. Das Hauptmenü nutzt zwar andere musikalische Untermalung, nervt aber ebenfalls mit Dauerwiederholung.

Um zum Fazit zu kommen: Extreme Tux Racer ist nicht wirklich empfehlenswert. Das Spielprinzip ist schnarchig, das Leveldesign öde. Für die nächsten Versionen kündigten die Entwickler lediglich mehr Strecken an, um möglichst nah an den Umfang der kommerziellen Variante zu kommen. Spielerische Überarbeitungen werden wir also nicht sehen.

Checkbox: Tux Racer
Aktuelle Version: 0.4 (01/2008)
Aktuelle Beta-Version: 0.5 (02/2009)
Zukunft: Zur Zeit ungewiss

+ Für ein zehn Jahre altes Open-Source-Spiel optisch teilweise ganz nett
+ hoher Umfang
- schwaches Gameplay
- dürftige Steuerung
- nervtötende Musik
- kein Geschwindigkeitsgefühl

floxyz 16 Übertalent - 4978 - 3. August 2010 - 13:05 #

Für Linux gibt es auch durchaus gelungene Spiele, die auch Spass machen:
-> Battle for Wesnoth zum Beispiel ist ähnlich wie Heroes of Might and Magic und macht durch spannende Kampagnen auch Spass.
-> Open Transport Tycoon ist ein Klon von Transport Tycoon und wenn man über die etwas veraltete Grafik hinwegblickt ein sehr gutes spiel.
Die Tux Spiele hab ich noch nie gemocht, die haben mir nie länger Spass gemacht, trotzdem sehr guter Artikel.

Anon (unregistriert) 3. August 2010 - 15:05 #

Gute Idee so ein Artikel. Wer weitere gute Spiele sucht:

GNU Backgammon
Hedgewars
Freeciv
Smokin' Guns
UFO: Alien Invasion
OpenTTD
Simutrans
FreeCol
Widelands
Vega Strike
Cube 2: Sauerbraten
World of Padman

Rondidon 15 Kenner - 3108 - 4. August 2010 - 19:06 #

OpenTTD unbedingt mal anspielen. Ist quasi Transport Tycoon Deluxe HD mit einigen Extras. Habs stundenlang gespielt und es gibt auch Mobilversionen für z.B. den GP2X Wiz Open Source Handheld. Ist schon klasse am PC OpenTTD zu zocken und unterwegs mit dem gleichen Spielstand weiterspielen zu können.

Anon (unregistriert) 5. August 2010 - 11:04 #

Besser als Simutrans?

Anonymous (unregistriert) 3. August 2010 - 16:03 #

Rund um Spiele unter Linux dreht sich die Seite
The Linux Game Tome, welche man man unter happypenguin.org findet.

Die besten Sachen sind meist nicht exklusiv für Linux,
sondern OpenGL-Spiele/SDL-Spiele, bei denen die
Entwickler bewusst auf DirectX verzichtet haben und
damit aber plattformunabhängig sind.

Dazu kommen natürlich noch alle Titel, die mit
Hilfe diverser Emulatoren oder Wine laufen.

Tierisch aufpassen muss man bei der Grafikkarte und
der Linux-Version. ATI hat z.B. den Support für
ältere Grafikchips eingestellt, die aber noch immer
in aktuellen PCs verbaut werden (Mini-PCs, Notebooks).
Flüssig spielen klappt da nur mit dem alten
Treiber von ATI und dem "alten" Ubuntu 8.10 vom Okt. 2008.
(Was heisst alt - XP ist wirklich alt, Ubuntu 8.10 eher nicht ...)

Inkogniko (unregistriert) 4. August 2010 - 15:20 #

Noch ein weiteres Top Spiel das man unter Linux spielen kann:

Total Annihilation Spring ,

ein 3D-Remake von Total Annihilation mit tausenden Maps und sehr vielen guten Mods.

einfach mal googlen weil ich keine Links posten darf.

BadHamster 14 Komm-Experte - 2046 - 13. August 2010 - 11:48 #

Nicht zu vergessen der Lemmings-Clone Penguins.

yosh 07 Dual-Talent - 120 - 23. August 2010 - 11:01 #

der übrigens sehr unterhaltsam war :)

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 25. August 2010 - 7:49 #

"Es sollte die Alternative zu Windows werden" - Zu Unix, nicht Windows (wobei die Entwicklung am ursprünglichen Linux-Kernel überhaupt nichts ersetzen sollte, sondern eher aus technischem Interesse und auch ein wenig schlichtem Spaß an der Freude vorgenommen wurde).
"Frust gegenüber den Microsoft-Betriebssystemen" - Nicht Microsoft, sondern AT&T.
Irgendwie unwürdige Fehler für einen Artikel, der sich mit Linux-Software beschäftigt. Ein simpler Wikipedia-Check hätte da geholfen. ;)

Wie auch immer, neben den Spielen, die Anon weiter oben schon erwähnt hat (UFO:AI ist klasse, Vega Strike stellt auch die Basis für einige Mods wie dem hervorragenden Privateer-Remake dar), könnte man auch noch sämtliche Quake-3-basierten Open-Source-Spiele nennen, die es mittlerweile zuhauf gibt. Urban Terror, Warsow, Tremulous, alles gute MP-Shooter verschiedener Machart mit anständig bevölkerten Servern. Ein Artikel über den Stand von Linux-Spielen allgemein wäre mal interessant. Wir Linuxer wollen doch nur Eure Seelen aus den Klauen des Microsoft-Molochs retten!
Na gut, nicht wirklich. Die Masse an Mißverständnissen, was Linux betrifft, ist erdrückend. Pflichtlektüre für alle, die irgendwie an Linux interessiert sind, sollte dieser Artikel sein:
http://www.felix-schwarz.name/files/opensource/articles/Linux_ist_nicht_Windows