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Soul Bubbles User-Artikel

Name 19. Juni 2010 - 13:39 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
Der französische Entwickler Mekensleep hat sich die Abweichung von Schondagewesenem auf die Fahnen geschrieben, die Wiederentdeckung des Originellen in einer Branche, in der sich dank Wertungssystemen jedes Spiel mit jedem anderen messen lassen muss. Lest hier, ob das im Jahr 2008 erschienene Erstlingswerk des Studios gelungen ist.
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Die Seele begibt sich, nachdem sie ihren Körper verlassen hat, zum Himmel. Oder ins Nirvana. Doch wie kommt sie eigentlich dorthin? Auftritt der Seelenhirten, kleiner Schamanen, deren Aufgabe es ist, die Seelen Verstorbener mithilfe ihrer Lungenkraft zum nächstgelegenen Portal ins Jenseits zu bringen. Moment. Was? Richtig gehört, denn der Name des DS-Spiels Soul Bubbles ist Programm. Die Seelen werden zunächst in eine schützende Luftblase gepackt und anschließend vom zuständigen Seelenhirten vom Himmelsstein aus, der den Anfang eines jeden Levels markiert, zum "Ausgang" der jeweiligen Welt gepustet. Dabei werden keine konfessionellen Unterschiede gemacht, die Seelen ähneln sich wie ein Ei dem anderen und in jeder der zu Themengebieten geordneten Welten sehen Start und Ziel jeweils immer gleich aus.

Ein Herz und sieben Seelen

Bereits bevor ihr überhaupt das Spiel begonnen habt, zeigt es euch, wo es lang geht. Oder besser gesagt: Wo es nicht lang geht. Denn bereits der in anderen Spielen dröge "Drücke Start"-Bildschirm, der im Grunde nur noch aus Nostalgie-Gründen existiert, ist in diesem Spiel so ganz anders. "Haftungsausschluss" steht dort geschrieben, und weiter: "Folgende Elemente oder Ereignisse sind in diesem Spiel nicht enthalten: * Lizenzierte Rennautos * ; * Postapokalyptische Soldaten * ; * Elfen, Orks und Magier * ; * Gang-Kämpfe * ". So weit, so verrückt. Bereits hier wird der Anspruch der Designer deutlich, ihr Produkt von anderen abzuheben. Der darauf folgende Menübildschirm ist mit hypnotischen Trommelrhythmen und dezenten Panflöten- sowie Xylophonklängen unter- und mit einer sonnenbestrahlten Wiese voll im Wind wiegender Gräser hinterlegt, was in Kombination bereits einen guten Eindruck von der Stimmung des Spiels vermittelt.

Die ersten drei Levels stellen das Tutorial des Spiels dar, in dem der Spieler langsam mit den Fähigkeiten des eigenen Charakters bekannt gemacht wird. Euer Lehrmeister ist dabei kein Geringerer als Psychopomp, ein schielender Tattergreis, der für sich in Anspruch nimmt, der größte Seelenhirte aller Zeiten zu sein. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Aussage, lässt sich der namenlose Jungschamane, den der Spieler das gesamte Spiel über steuern wird, von ebenjenem mit wenigen Texteinblendungen die Handhabung der zu Übungszwecken noch leeren Seelenblase erklären. Diese wird mit Strichen über den Touchscreen in die gewünschte Richtung gelenkt, den kleinen Seelenhirten selbst steuert ihr nicht, er schwebt im Level, befindet sich immer am Beginn eures aktuellen Striches und teleportiert sich augenblicklich überallhin, wo der Spieler hinklickt. Die Begrenzungen des Levels gelten für ihn dabei nicht, sodass ständig aus allen Richtungen gegen die Blase gepustet werden kann. 

Seelenblasen bewegt euer Schamane durch Anpusten in die gewünschte Richtung.

Der Bildausschnitt verschiebt sich mit den Bewegungen der vom Schamanen angepusteten Blase, sodass das Nachjustieren des Bildausschnitts mittels Berühren des Bildrands in der gewünschten Richtung nur dann nötig wird, wenn die Seelenblase durch äußere Einflüsse bewegt wurde. Das ist meist dann der Fall, wenn sich eines der Tiere, denen ihr im Laufe des Spiels begegnen werdet, an eurer Blase zu schaffen macht. So gibt es große Mücken, die ihren Stachel in die Blase stoßen und eine Seele stehlen wollen. Gelingt dies, habt ihr noch einige Sekunden Zeit, den Dieb zu stellen und ihn durch Anstupsen mit dem Stylus dazu zu bringen, von seiner Beute abzulassen. Die normalerweise blau leuchtende Seele färbt sich außerhalb der luftig leichten Schutzblase rot und sobald ihr könnt, müsst ihr sie in eine neue verpacken, sonst löst sie sich unwiederbringlich auf. Dies führt zwar nicht dazu, dass ihr den Level neu starten müsst, hindert euch jedoch daran, den Level perfekt abzuschließen. Erst bei Verlust aller Seelen ist das Spiel vorbei.

Zur perfekten Runde reicht der sichere Transport der Seelen von A nach B allein allerdings nicht aus. Zum einen gibt es sogenannten Seelenstaub, der meist auf dem Weg in der Luft schwebt und euch so auch anzeigt, an welchen Stellen ihr schon gewesen seid. Zum anderen verlangt euer Lehrmeister von euch, in den Welten des Spiels Kürbisse zu sammeln. Von diesen lassen sich in fast allen Levels drei entdecken, doch leicht ist dies nicht, da sie meist sehr gut versteckt sind. Auch eure Zeit wird vom Spiel gespeichert, hat jedoch im Gegensatz zu den aufgesammelten Gegenständen keinen Einfluß auf die am Ende jeden Levels erfolgende Bewertung. Eine Highscore-Liste gibt es aber nicht, das Spiel will kein Wettbewerb sein.

Der Weg zur Erlösung

Das Leveldesign ist die große Stärke des Spiels. Jede Themenwelt bringt eigene Herausforderungen mit sich, die oft auch auf dem realen Vorbild der jeweiligen Region basiert. So erwarten euch in der trockenen Wüsten- und Berglandschaft von Altjeringa, die Australien und den Glauben der Aborigines zum Vorbild hat, herabprasselnde Steinlawinen und kleine Geckos, die mit ihren Zungen nach eurer Blase haschen. Sollten sie euer Seelentransportgefäß erwischen, hilft nur noch ein Schnitt in ebenjene (innerhalb von Sekunden nachwachsenden) Geschmacksorgane, bevor sie einen eurer Schützlinge verspeisen können. Um diesen durchzuführen, verwendet ihr eine von drei Masken, die Lehrmeister Psychopomp euch schon zu Anfang des Spiels überlässt. Die Elefantenmaske erlaubt euch, Luft aus eurer Blase oder anderen Objekten zu lassen, die Vogelmaske erlaubt euch, neue Blasen zu erschaffen und die Tigermaske lässt euch Dinge zerschneiden und/oder im Falle eurer Blase auch zusammenfügen. Ausgewählt werden die nach Erhalt jederzeit verfügbaren Masken entweder mittels Steuerkreuz oder YXA-Tasten, je nachdem ob ihr Links- oder Rechtshänder seid. Per Druck auf den Startknopf ruft ihr ein Menü auf, ein Druck auf Steuerkreuz-Unten oder B tauscht den Spielbildschirm mit dem normalerweise auf dem oberen Bildschirm dargestellten Kartenbildschirm aus, was es eurem Schamanen erlaubt, mit einem Klick auf die Karte an einen beliebigen Ort des Levels zu springen. Eure Blase könnt ihr dabei nicht mitnehmen, außerdem bleibt der angesprungene Ort dunkel, falls ihr dort nicht schon in Begleitung einer Seelenblase unterwegs wart. Andere Tasten werden nicht benutzt. Insgesamt funktioniert die Steuerung sehr gut.

Mit der Tigermaske lassen sich Blasen zerschneiden und zusammenfügen.

Die Abwechslung ist ebenfalls recht groß. So könnt ihr neue Blasen mit der Vogelmaske erschaffen und diese anschließend zu einer Riesenblase verbinden, um mehrere Wandschalter gleichzeitig zu drücken. Die sich dadurch öffnende Tür erweist sich nun jedoch als zu eng, was wiederum den Einsatz der Elefantenmaske erfordert, um überschüssige Luft aus dem Seelenbehältnis abzulassen. Simple Mechanismen wie diese Tür werden euch noch öfter im Spiel begegnen, gerade sich verschiebende Steine kommen in einigen Variationen vor. Doch auch Feuer wollen mittels mit Wasser gefüllten Blasen gelöscht, Engpässe durch Teilen der großen in mehrere kleine Blasen passiert und entgegenwehende Winde mit viel Lungenkraft überwunden werden. Bei Letzterem geht dem kleinen Schamanen gerne mal die Luft aus, was ihr an seinem sich langsam rot färbenden Kopf und dem anschließenden erschöpften Keuchen gut nachvollziehen könnt und euch ein wenig Mitleid mit ihm haben lässt. Die neuen Gameplay-Elemente jeder neuen Themenwelt hätten allerdings besser dosiert werden können, meist werden alle Neuerungen schon im ersten von je fünf Levels eingeführt und danach nur noch variiert. Dies führt zwar nicht zu Langeweile, da die acht Themenwelten je nach Können und Anspruch nur zwischen 20 Minuten und einer Stunde dauern und die neuen Konzepte dadurch nicht lange tragen müssen, dämpft jedoch die Spannung auf spätere Abschnitte der Welten. Im ersten Level einer neuen Welt ist sie dafür umso größer.

Nicht fliegen! Schweben!

Grafisch reißt das zweidimensionale Spiel keine Bäume aus. Das Figurendesign ist minimalistisch, die Spielhintergründe verwaschen. Die vordergründig gelegenen Levels selbst warten mit hübschen Details auf, reizen die Möglichkeiten des DS jedoch keinesfalls aus. Das Artdesign ist nichtsdestotrotz durchgehend stimmig und bietet dem Auge mit seinen verschiedenen Szenarien genügend Abwechslung.

Das gesamte Spiel über erklingen urtümlich anmutende Stammesrhythmen, die sich jedoch selten in den Vordergrund drängen und vor allem dazu dienen, die Situation zu untermalen. Aufmerksames Zuhören kann sich dennoch lohnen, denn wenn euch eine Seele verloren gegangen ist, erzeugt dies ein akustisches Feedback in Form eines schnellen Trommelrhythmus, der sich erst legt, wenn sich die Seele wieder sicher in einer Blase befindet. Die Zurückhaltung der Musik dient vor allem zur Betonung der Naturgeräusche. Ob ein Vogel zwitschert, Mücken surren oder der Wind bläst, alle kniffligeren Teile des Levels besitzen ihren eigenen Sound. Dies führt dazu, dass ihr in manchen Situationen schon hören könnt, welche Herausforderung als nächstes überwunden werden will. Auch das Prinzip der akustischen Belohnung setzt Soul Bubbles ein: So erzeugt das Aufsammeln von Seelenstaub ein kleine Tonfolge, und wenn ihr alle Seelen zum Ende eines Levels geleitet habt, ertönt ein kurzer Soundschnipsel, zu dem euer kleiner Schamane tanzt. Durch die Verbindung von Naturgeräuschen und Musik erzeugt Soul Bubbles ein fast meditatives Flair. Eine Sprachausgabe existiert nicht, nur ein wenig sprachloses Gebrabbel ist zu hören, ähnlich wie beispielsweise in Okami.

Die Leichtigkeit des Seins


Soul Bubbles wird Mekensleeps Anspruch, eigenständige Spiele zu entwickeln, voll gerecht. Sicher, die Idee einer sich durch die Levels bewegenden, wabbeligen Blase ist nicht neu, das gab es schon in Loco Roco und anderen Titeln. Auch die Idee, eine Luftblase unbeschadet durch ein Level zu pusten, gewinnt keinen Innovationspreis, das gab es schon in Super Mario Galaxy. Und doch erschafft die Zusammensetzung der Bausteine etwas Neues. Die Idee des Seelentransports durch von schamanistischen Kulturen und deren Lebensräumen inspirierte Levels ist nahezu poetisch umgesetzt, die Soundkulisse lädt zum Träumen und Entspannen ein und das eher unaufgeregte und doch unterhaltsame Gameplay bleibt lange erhalten, auch wenn es in späteren Welten ab und an durch kniffligere Passagen aufgebrochen wird. Lediglich in der letzten Welt kehrt die Hektik ein, doch selbst wer dort die Lust verliert, kommt gerne für die eine oder andere Partie in den frei auswählbaren Welten zurück, um ein wenig dem Stress des Alltags zu entfliehen. Wer sich mit der die Möglichkeiten des Nintendo DS nicht ausnutzenden Grafik und der auf Dauer dann doch etwas nachlassenden Abwechslung abfinden kann, findet in Soul Bubbles einen einzigartigen Titel, der dank seiner Einteilung in kleine Welten auch prima als Spiel für zwischendurch genutzt werden kann. Und wenn man auf diese Weise vor oder nach einer mental anstrengenden Aufgabe ein wenig Entspannung finden kann, dann hat ein kleiner Schamane nicht nur den Insassen seiner Seelenblasen zur Ruhe verholfen.

Hinweis: Sämtliche für den Artikel verwendeten Bilder sind Artworks.

19. Juni 2010 - 13:39 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
Junkfoot 13 Koop-Gamer - 1533 - 19. Juni 2010 - 18:37 #

Bubble Ghost würde ich eine würdige Referenz nennen, wenn wir schon in die Geschichte des Blasenblasens einsteigen wollen...

Grinzerator (unregistriert) 19. Juni 2010 - 19:52 #

Mag sein, dass Bubble Ghost der Urvater des "Blasenblasens" ist, allerdings habe ich den Titel nie gespielt, daher würde ich mich nur sehr ungern darauf beziehen. Mit deinem Post ist das Spiel ja zumindest auch mal hier erwähnt worden.

Marco Büttinghausen 20 Gold-Gamer - 20481 - 24. Juni 2010 - 17:42 #

Also der Urvater ist ja wohl Bubble Bobble :-)

ichus 15 Kenner - 2987 - 19. Juni 2010 - 19:08 #

Super Test!

Grinzerator (unregistriert) 19. Juni 2010 - 19:59 #

Vielen Dank. Ich habe mir Mühe gegeben. Danke übrigens nochmal an Gerjet Betker und ChrisL für das Gegenlesen und die Hilfestellung.

Sephix 13 Koop-Gamer - 1452 - 19. Juni 2010 - 22:22 #

Auf Soul Bubbles bin ich nur durch Zufall gestoßen, das Game hätte eindeutig etwas Marketing vertragen können. Das letzte Level wartet auch noch darauf, dass ich es endlich mal beende, aber ändert nichts daran, dass es ein außergewöhnlich gutes und auch hübsches Spiel ist. Hübsch ist allerdings die japanische Version nicht, die künstlich und völlig überzogen auf den Markt dort zugeschnitten wurde...

Sollte es jedenfalls mal wieder in den DS packen.

Wuslon 20 Gold-Gamer - - 21567 - 20. Juni 2010 - 14:06 #

Der Test ist schön geschrieben und vermittelt einen guten Eindruck vom Spiel. Allerdings fehlen mir persönlich ein paar Screenshots, damit man sich alles auch bildlich vorstellen kann. Trotzdem guter Test!

Grinzerator (unregistriert) 20. Juni 2010 - 15:35 #

Ich hätte auch gerne welche eingebaut, aber ich kann halt keine Screenshots vom DS machen. Die Artworks spiegeln die Situationen und den Look des Spiels zumindest ein wenig wider.

PARALAX (unregistriert) 21. Juni 2010 - 17:32 #

Welch ein Zufall. Habe gestern noch in unserer Scene-Talk Sendung darüber berichtet. Ist eines der Spiele, an denen ich momentan dran bin. Allerdings geht einem nach der ganzen Blaserei irgendwann die Puste aus. Man sollte es möglichst in geräuschloser Umgebung spielen. ;-)

Puzzle/Logik
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Mekensleep
13.06.2008 (DS)
8.4
DS
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