User-Meinung:

Project Natal (Kinect) -- Spieler-Überwachung? User-Artikel

Earl iGrey 13. August 2009 - 11:20 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
Alle Welt redet von Project Natal für die Xbox 360, freut sich auf die neuen Steuerungsmöglichkeiten. Aber hat schon mal irgendwer daran gedacht, dass rein technisch auch der "Große Lauschangriff" mit Natal möglich sein dürfte: Mikrofon, Kamera und Gesichtserkennung sind inklusive.
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Microsoft hat ein revolutionäres System zur Steuerung von Videospielen angekündigt. Project Natal, so verspricht Microsoft, könne künftig das Spielen dadurch revolutionieren, daß Spieler nicht länger einen Controller benutzen müssen. Messeberichte und Werbevideos zeigen die vielfältigen Möglichkeiten, Spiele mit bloßen Körperbewegungen, Sprachsteuerung oder sogar mimischen Regungen zu steuern. Tatsächlich scheint es etliche Möglichkeiten zu geben, die umfangreichen sensorischen Fähigkeiten des Geräts spieltechnisch zu nutzen.

Großer Lauschangriff?

Wie weit ist die Natal-Einheit aber entfernt von Überwachungstechnologie? Diese Frage scheint durchaus angebracht angesichts der beachtlichen sensorischen Fähigkeiten des Geräts. Darüber hinaus ist grundsätzlich jede mit Natal verbundene XBox in der Lage über erreichbare Datenverkehrsnetze Informationen zu übermitteln und zu empfangen.

Die Fähigkeiten von Natal liegen hauptsächlich in der kombinierten Verwendung einer RGB-Kamera, eines Tiefensensor, eines Mehrbereichsmikrofon und eines Spezialprozessor für die eigens entwickelte Software begründet. Der Tiefensensor besteht aus einem Infrarotprojektor, der mit einem Schwarzweiß-CMOS-Sensor kombiniert wurde. Das ermöglicht der Natal-Einheit laut Hersteller bei allen Lichtverhältnissen den Raum in 3-D zu erfassen.

Natal kann die Anzahl und Position der Personen in einem Raum bestimmen. Die Bewegungssensorik ist so sensibel, daß jede Bewegung vom System erkannt und verarbeitet werden kann. Die Natal-Einheit ist in der Lage Räume, Personen und Gegenstände fototechnisch abzubilden. Das System kann darüber hinaus Gesichter und Stimmmuster zuordnen und somit die Identität anwesender Personen feststellen.

Das Mehrbereichsmikrofon von Natal kann Stimmen und Geräusche orten und Hintergrundgeräusche herausfiltern. Zwar können Profis bereits heute kabellos aus mittleren Entfernungen die Mikrofone und Lautsprecher in Telefonen und HiFi-Anlagen abtasten, um Gespräche mitzuhören. Die besonders potente Hardware von Natal könnte jedoch für Lauschangriffe ganz neue Möglichkeiten eröffnen.

Freiheit pur! oder das Ende der persönlichen Freiheit?

Ist die Natal-Einheit lediglich ein Spielzeug, oder birgt ihre Technologie die Gefahr des Datenmissbrauchs und der Spionage im privaten Bereich der Nutzer? In zahlreichen düsteren Zukunftsfiktionen haben Autoren Szenarien entworfen, in denen Menschen mit Hilfe technischer Instrumente ihrer Privatsphäre und Freiheit beraubt wurden.

George Orwell's Idee des Teleschirms aus seinem Roman nineteen eighty-four kommt den technischen Attributen der Natal-Einheit schon verdächtig nah. Dort interagiert durch eine Art permanent laufenden und alles beobachtenden Fernseher eine aufsichtführende Instanz mit dem Bürger. Auch zu einem der liebenswürdigsten und tiefgründigsten "Superschurken" der Filmgeschichte weist Natal mit seinen hochempfindlichen Sensoren eine gewisse Ähnlichkeit auf.

Der überlegene Computer HAL 9000 im Film 2001 - Odyssee im Weltraum verfügt nicht nur über das sensorische Potential das Schiff bis in den letzten Winkel umfassend auszumessen, abzutasten und die Kontrolle über das gesamte Schiff auszuüben. Durch die Fähigkeit geflüsterte Worte von den Lippen abzulesen erlangt er Kenntnis vom Plan der Besatzung, den fehlerhaft arbeitenden Rechner abzuschalten und beschließt ein Besatzungsmitglied nach dem anderen zu töten.

Fortschritt verlangt nach Verantwortung

Zugegeben, ich habe bewusst einen provozierend düsteren Ton angeschlagen und vieles überspitzt. Ich glaube weder, daß Microsoft die Absicht hat seine Kunden auszuspionieren, noch halte ich es für wahrscheinlich, daß die Daten der Natal-Nutzer auf Vorrat gesammelt werden sollen. Auch wenn z.B. Google ja eindrucksvoll vormacht, wie man mit gesammelten Daten über Nutzergewohnheiten ein Vermögen macht.

Auf der anderen Seite ist diese Technologie nun mal da. Das Potential dieser Technologie ist offenkundig gewaltig. Es ist gut, daß Firmen wie Microsoft diese spannenden Technologien fortentwickeln, und die Unterhaltungsmedien sind sicherlich das beste Feld um aus diesen Forschungen profitable Produkte zu generieren. Ich wünsche mir und erwarte, daß offen über Möglichkeiten und Risiken des technologischen Fortschritts gesprochen wird.

Solche Technologien wie Project Natal zu vermarkten bringt für Microsoft eine nicht unbeträchtliche Verantwortung mit sich. Wir als Nutzer sollten uns nicht zu schade sein, Hersteller an diese Verantwortung bei Bedarf auch zu erinnern. Die Privatsphäre und die Freiheit des Einzelnen müssen in jedem Fall unantastbar bleiben. Die berechtigte Sorge, zum "gläsernen Menschen" zu werden, der in "gläsernen Häusern" wohnt, muss von Microsoft ernst genommen werden.

Earl iGrey 13. August 2009 - 11:20 — vor 13 Jahren zuletzt aktualisiert
Spartan117 13 Koop-Gamer - 1479 - 13. August 2009 - 12:30 #

ich glaube die werden schon wissen was sie tun würden die sowas tun wär ihr ruf echt kaputt kann man sagen..

Gerjet Betker 19 Megatalent - 14048 - 13. August 2009 - 14:35 #

Die Vergleiche mit den Dystopie-Romanen ist schön zu lesen, wobei "1984" besser wäre als die Zahlen als Wörter.

Die Sorge mit "Chantal" und der Überwachung hast du gut begründet und wir wissen ja, wie viel User-Daten M$ ja schon von Windows-Nutzern seit XP sammelt.

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 13. August 2009 - 19:10 #

Ich hoffe, daß aus meinem abschließenden Fazit deutlich hervorgeht, daß ich den Text bewusst in überspitzter Form verfasst habe. Ich bin ein großer Freund solcher Technologien. Andererseits glaube ich schon, daß diese Technologien nach menschlichem Ermessen sicher sein müssen und die Privatsphäre geschützt sein muss.

Ich wünsche mir, daß die Leute auch danach fragen, wie sicher Technologien sind. Meine Absicht ist es absolut nicht, eine, ich sage mal Vorratsdaten-Paranoia aufkommen zu lassen, sondern, daß Nutzer ein umfassendes Beswusstsein für Möglichkeiten und Risiken neuer Technologien entwickeln.

Der Vergleich mit 1984 ist dann garnicht so abwegig, wenn Du Dir vergegenwärtigst, daß viele Nutzer ihre Fernseher, HiFi-Anlagen und sonstiges nicht- so wie ich- komplett ausschalten, sondern nur auf stand-by gehen lassen. In diesem Zustand können Geräte theoretisch arbeiten und sofern Kontakt zum Internet bestünde sogar Daten übertragen und empfangen.

Es ist in technischer Hinsicht erschreckend viel möglich. Das entscheidende- und das ist im Fall des Durchschnittsbürgers wohl wenig wahrscheinlich, davon betroffen zu sein- ist vielmehr die Frage, ob Jemand sich wirklich die Arbeit macht, diese Möglichkeiten zu nutzen. :)

Bibliothekar 11 Forenversteher - 770 - 17. August 2009 - 12:04 #

Schöner Artikel. Ich denke zwar, dass die Problematik speziell auf Natal bezogen eher akademischer Natur ist aber nichts desto trotz ist das Potential da.
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Der Vergleich mit 1984 ist dann garnicht so abwegig, wenn Du Dir vergegenwärtigst, daß viele Nutzer ihre Fernseher, HiFi-Anlagen und sonstiges nicht- so wie ich- komplett ausschalten, sondern nur auf stand-by gehen lassen. In diesem Zustand können Geräte theoretisch arbeiten und sofern Kontakt zum Internet bestünde sogar Daten übertragen und empfangen.
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Dann wären die Geräte jedoch nicht mehr im Standby. Ein PC ist nur dann wirklich "Aus" wenn er vom Netz getrennt ist.
Abgesehen davon geht die Spekulation dann doch etwas weit.

Aber trotzdem ein schöner Artikel, danke :).

Anonymous (unregistriert) 10. November 2010 - 12:10 #

Gut geschrieben.

Das der Durchschnittsbürger wahrscheinlich wenig zu befürchten hat weil sich niemand für ihn interessiert ist glaube ich seit den google-streetview Wlan-Kartierungen nicht mehr so wirklich glaubhaft - es sei denn man möchte wirklich glauben das 3 Jahre lang Daten, Passwörter, Dokumente, Emails wirklich nur aus versehen gespeichert werden können ohne das jemand den riesigen Datenberg bemerkt.

Wird sich jemand wirklich die Arbeit machen diese Möglichkeiten zu nutzen? Wenn sich damit Geld machen lässt - aber sicher. Und Datamining-Unternehmen machen nicht ohne Grund so ein großes Geschäft.

Nur panisch spekulieren was passieren könnte bringt ja auch nichts. Da heisst es halt abwarten und sehen ob/wann die ersten gutgläubigen wegen freundlichen Kinectstalkern groß aufschreien, erfrischend wäre es zur Abwechslung trotzdem wenn die Technik nicht mißbraucht werden könnte/würde, zumal das Gerät wirklich enormes Potential hat.

DigiDragon 08 Versteher - 152 - 9. Dezember 2009 - 22:30 #

cool

NamenloserHeld (unregistriert) 10. August 2013 - 19:39 #

hm, das kommt mir doch alles sehr bekannt vor...