User-Test: Fan-Adventure

Patrimonium User-Artikel

Gamaxy 26. Januar 2010 - 21:13 — vor 6 Jahren zuletzt aktualisiert
Nach acht langen Entwicklungsjahren ist Patrimonium nun fertig und kann seit einigen Tagen auf der Website der Entwickler kostenlos heruntergeladen werden. Wir haben uns das Endprodukt angesehen und sagen euch, warum sich das Fan-Spiel sogar vor vielen Vollpreis-Adventures nicht zu verstecken braucht.
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
Fanprojekte haben mehrere Vorteile, die sie von kommerziellen Spielen unterscheiden: So bestimmt kein Publisher, zu welchem Termin das Produkt veröffentlicht werden muss, darüber hinaus besteht in der Regel kein Erfolgsdruck. Der erstgenannte Umstand führt allerdings oft dazu, dass Fanprojekte niemals fertiggestellt werden, der zweite hin und wieder zu einer recht zweifelhaften Qualität. Im Falle von Patrimonium hat es sich anscheinend gelohnt, acht Jahre auf den Release zu warten: Das Endprodukt glänzt durch eine gute Spielbarkeit und einen liebenswerten, jedoch zu keiner Zeit penetranten Humor.

Kurzurlaub der etwas anderen Art

Julian Hobler ist Physik-Absolvent und chronisch pleite. Als er mal wieder seinen vor unbezahlten Rechnungen überquellenden Briefkasten leert, findet er einen geheimnisvollen Brief seines ehemaligen Professors, der ihn nach Ägypten einlädt. Das trifft sich gut, denn Julian wollte ohnehin Urlaub machen, es fehlt ihm lediglich das nötige Kleingeld. An letzteres wollen auch zwei vermeintliche Schuldeneintreiber, die Julian einen Besuch abstatten, also flüchtet er kurzerhand zum Flughafen. Das hierfür zu lösende Rätsel ist leicht und sollte keinem Adventure-Fan Probleme bereiten.

Beim
Klassisches Point-and-Click-Interface
Interface orientieren sich die Entwickler stark an Klassikern wie Monkey Island. Mit der linken Maustaste können Verben ausgewählt werden, anschließend wird auf ein Objekt im Inventar oder im Spielbildschirm geklickt, um beispielsweise Befehle wie "Öffne Schublade" auszuführen. Auch Interaktionen von Objekten wie "Benutze Schlüssel mit Tür" sind möglich. Bestimmte Standard-Aktionen (in der Regel Betrachten eines Gegenstands) können mit der rechten Maustaste ausgelöst werden. Eine Hotspot-Anzeige gibt es nicht, ebensowenig werden mögliche Item-Kombinationen hervorgehoben, was das Spiel nicht gerade einsteigerfreundlich macht.

Die Grafik ist technisch mit einer Auflösung von 640 x 480 Pixeln nicht  mal auf dem Stand von gestern, aber die Charaktere und Umgebungen sind so bezaubernd gezeichnet, dass die geringe Auflösung hierbei kaum stört. Auch die Bedienbarkeit des Spiels wird durch die Auflösung in keiner Weise getrübt. Eine Sprachausgabe gibt es nicht, was aber verglichen mit kommerziellen Adventure-Produkten der einzige wirkliche Schwachpunkt ist. Andererseits wissen wir aus leidvoller Erfahrung auch mit Kauf-Adventures, dass es besser ist, gar keine Sprachausgabe zu haben als eine mit schlechten Sprechern. Gute Sprecher abrrt kann sich wohl kaum ein Fanprojekt leisten, so dass die Entwickler gut daran getan haben, auf dieses Feature zu verzichten, statt die Schwester der Freundin und den eigenen Opa zu engagieren. Dafür erfreut euch das Spiel mit schöner Hintergrundmusik.

Auch Schuldeneintreiber können lustig sein

Oft lohnt es sich, etwas länger zu warten und die Texte der anderen Charaktere zu lesen, da man immer wieder mal mit einem amüsanten Spruch dafür belohnt wird. So zum Beispiel einer der -- nicht besonders intelligenten -- Schuldeneintreiber: "Wenn er kommt, mach' ich ein Sieb aus ihm." - (Pause) - "Es wird wie Selbstmord aussehen." Auch dann, wenn ihr Gegenstände verwenden wollt, die mit der Lösung des Rätsels nichts zu tun haben, hat das Spiel den ein oder anderen schnippischen Spruch parat. An dieser Stelle sei nur das Stichwort "Teppichfetzen" genannt -- alleine hierfür lohnt es sich, das Spiel zu installieren. Anders als viele andere Adventures haut euch Patrimonium aber nicht einen One-Liner nach dem anderen um die Ohren, der Humor wird behutsam eingesetzt. Man hat den Eindruck, der Texter hätte wirklich nur dort einen lustigen Spruch eingebaut, wo ihm auch ein passender eingefallen ist -- einer von mehreren Punkten, die das Spiel unheimlich sympathisch machen. Außerdem lustig: die thematischen Anlehnungen unter anderem an Monkey Island und andere Adventures. Beispielsweise trefft ihr auf den bekannten Händler Stan, der zur Abwechslung keine Schiffe verkauft, sondern Trucks vermietet und dabei wie gewohnt mit den Armen fuchtelt (sehr nett animiert). Um ihn zu überzeugen, uns ein Gefährt zu überlassen, müssen wir die Business-Variante eines Beleidigungs-Duells gewinnen.

Mitdenkende Hilfe

Am Flughafen tut sich bereits das erste Problem auf: Auf Julians Namen ist kein Ticket hinterlegt, und so muss er die freundliche Dame am Ticketschalter austricksen, um dennoch an Bord der Maschine zu kommen. Natürlich geht das nicht so einfach, da zuvor noch ein paar Rätsel zu lösen sind, die aufeinander aufbauen. Dabei gilt es, einen Passbildautomaten, einen Mechaniker, einen Kaktus und einen Kleintierzüchter (!) in die richtige Beziehung zueinander zu setzen. Angesichts dieser Lösungskomponenten kann vielleicht schon erahnt werden, dass die richtige Antwort nicht gerade auf der Hand liegt. Bei den weiteren Rätseln im Spiel ist dies kaum anders.
 
Nachdem Julian in einer dunklen Grabkammer eingesperrt wird, muss er erst mal Licht machen.

Patrimonium stößt euch nicht unbedingt mit der Nase auf die Lösungen, zumal sich einige Gegenstände in den Räumen befinden, die für die Rätsel nicht benötigt werden. Das mitdenkende Puja-Tippsystem soll den Spieler jedoch behutsam mit Hinweisen versorgen, falls er einmal nicht weiterkommt. Das System versucht hierbei zu analysieren, welche Item-Kombinationen besonders oft ausprobiert werden und dem Spieler gezielt Hinweise zur Verwendung des einen oder anderen Gegenstandes zu geben. Wir konnten jedoch während des Spielens nicht feststellen, ob das wirklich funktioniert. Die sporadischen Hinweise, die nur minimal bei der Lösung der Rätsel helfen, hätten ebenso in den normalen Dialogen enthalten sein können. Eine wirkliche Hilfe im Sinne eines Cheats sind sie also nicht, was Puristen freuen dürfte, die bei einem Adventure möglichst schwere Rätsel erwarten.

Knackige Rätsel
Mit dem Taxi können die meisten Wege zwischen den einzelnen Schauplätzen der Story zurückgelegt werden.

Den Schwierigkeitsgrad von Adventure-Rätseln zu bewerten, ist immer subjektiv. Hat man die Lösung einmal gefunden, schlägt man oft die Hände vors Gesicht und fragt sich: "Wieso nicht früher?" So auch bei Patrimonium: Die Lösungen schienen uns durchgängig logisch, wenn man sie einmal gefunden hatte. Leider war es an manchen Stellen erforderlich, verschiedene Personen an verschiedenen Orten anzusprechen oder eine Vielzahl einzelner Schritte auszuführen, um der Lösung eines Rätsels näher zu kommen. Immerhin kann mit dem Taxi komfortabel zwischen den Spielschauplätzen gereist werden. Andere Rätsel sind wiederum in ihrer Lösung völlig banal, werden aber erst nach dem Betrachten eines Gegenstandes klar. So empfiehlt es sich dringend, sämtliche Gegenstände genau zu betrachten und die Texte penibelst auf rätselrelevante Hinweise zu untersuchen. Allerdings geben auch Gegenstände, die mit den Rätseln nichts zu tun haben, oft irreführende Hinweise preis -- insgesamt führt das dazu, dass die Rätsel von Kennern des Genres als angenehm schwer empfunden werden könnten, während sich Einsteiger möglicherweise vom Schwierigkeitsgrad entmutigen lassen könnten.

Für ein Fanprojekt ungewöhlich hohes Niveau

Fanprojekte scheitern oft auf der letzten Meile, sprich: Am Ende fehlt der rechte Schliff,  Bugs oder fehlende Qualitätssicherung trüben das Spielerlebnis. All diese Klippen hat Patrimonium geschickt umschifft, es präsentiert sich ausgewogen bis zum Schluss. Und genau diese Ausgewogenheit lässt einen sehr professionellen Eindruck entstehen, der bei Fanprojekten dieser Größenordnung keineswegs üblich ist.
 
Download von Patrimonium
Deutsche Version
Englische Version
Selbstverständlich spricht für Patrimonium, dass es gratis erhältlich ist. Ihr könnt es also ohne Risiko ausprobieren. Doch bereits nach einigen Minuten werdet ihr sehen, dass man auch einen Kauf nicht bereut hätte. Naturgemäß kann das Spiel nicht mit Genregrößen wie Monkey Island mithalten, muss sich aber auch keinesfalls hinter dem Ofen verstecken. Die Entwickler haben aus den Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, das Optimum herausgeholt und die Detailverliebtheit, die sie in das Projekt gesteckt haben, offenbart Patrimonium immer wieder. Insgesamt macht es einfach Spaß, an den Rätseln herumzuknobeln, um zu erfahren, wie die Story weitergeht -- und zwischendurch immer mal wieder über den charmanten Humor zu schmunzeln.
 
Welches klassische Adventure hier wohl Pate gestanden haben mag?
Gamaxy 26. Januar 2010 - 21:13 — vor 6 Jahren zuletzt aktualisiert
bananenboot256 13 Koop-Gamer - 1241 - 26. Januar 2010 - 22:07 #

Sehe das genauso! Ich hätte kein Problem damit gehabt nen 5er oder so zu zahlen, hab das auch quasi über die Spende gemacht :-)

Hat mir bisher viele schöne Lacher und Stunden gebracht und ich bin kurz davor es zu beenden, wenn ich die Zeit finde... ;-)

kj

Anonymous (unregistriert) 27. Januar 2010 - 1:03 #

schönes adventure werde es mal spielen und hoffe weiter das lucasarts sich entlich mal wieder hinsetzt und ein gutes altes 2d adventure macht.
3d wär auch net schlecht , wenn dann aber gut

DaHuggy unangemeldet (unregistriert) 27. Januar 2010 - 1:06 #

Hab die ersten 2 Akte schon vor jahren gespielt und finde sie damals wie heute sehr gut gelungen. Nur die fehlende Sprachausgabe stört dann doch ein wenig.

Tr1nity 28 Party-Gamer - P - 110368 - 27. Januar 2010 - 9:05 #

Schöner Test. Patrimonium ist wirklich gelungen und braucht sich als kostenloses Fan-Adventure wirklich nicht hinter den Vorbildern zu verstecken.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83902 - 27. Januar 2010 - 15:49 #

Sehr guter Text. Da weiß ich, was ich zu erwarten habe, wenn ich das demnächst mal ausprobiere.

Pro4you 19 Megatalent - 16342 - 27. Januar 2010 - 17:17 #

Ich ebdaure bis heute das es nie eine Mac version geben wird. Das Spiel ist so Fantastisch, dass mein Click & Point Game herz anfängt zu weinen..

Und die Day of the Tentacle abbildung ist ja mal dermaßen gelungen=)

McFareless 16 Übertalent - 5567 - 29. Januar 2010 - 2:41 #

Hört sich gut an für ein Gratisspiel!

Psyblade 06 Bewerter - 70 - 30. Januar 2010 - 17:02 #

Bin gerade am downloaden und werde nach dem Anspielen auch mal einen weiteren kleinen Kommentar hinterlassen :)

Psyblade 06 Bewerter - 70 - 30. Januar 2010 - 17:42 #

Soo, habe nun Akt I abgeschlossen uns bin schon an Akt II und ich muss sagen, obwohl ich alles andere als ein Adventure-Fan bin, finde ich das Spiel wirklich knifflig und interessant :)
Eine klare Empfehlung, man sollte es zumindest anspielen ;)