User-Meinung

'Killerspiele' oder 'Der mediale Generationenkonflikt' User-Artikel

Carsten 2. September 2009 - 18:54 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
Sehr wahrscheinlich können die meisten Spieler die reißerische Bezeichnung „Killerspiele“ und die daraus resultierende Diskussion nicht mehr hören. Trotzdem möchte ich meine Gedanken zu dieser Kontroverse mit euch teilen. Denn diese Diskussion um die vermeintliche Gefahr neuer Medien ist gar nicht so neu, wie manch einer denken mag.
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Wir befinden uns in den USA der 50er Jahre. Eine neue, für  damalige Verhältnisse wilde und aggressive Musikrichtung erfreut sich unter Jugendlichen großer Beliebtheit – der Rock 'n‘ Roll. Künstler wie der frühe Elvis Presley oder Little Richard sind die Idole der Jugend, da sie mit ihrer Musik geltende Tabus durchbrechen und ein neues, unbeschwertes Lebensgefühl vermitteln. Der Rock 'n‘ Roll versteht sich als Sprachrohr der damaligen Jugendkultur und stößt vor allem aufgrund des offeneren Umgang mit Sexualität und Drogenkonsums auf wenig Gegenliebe bei den älteren Schichten der Gesellschaft. So ist es wenig verwunderlich, dass es nicht lange dauerte, bis Verbotsforderungen für diese Musikrichtung laut wurden. Nicht zuletzt diverse Verhaftungen wegen Drogenkonsums bekannter Stars wie Johnny Cash oder der heimliche Ehe Jerry Lee Lewis zu seiner 13-jährigen Cousine sorgten dafür, dass die Musik öffentlich unmittelbar mit Kriminalität und Verbrechen in Verbindung gebracht wurde. Die Überlegung, dass diese Verstöße gegen das Gesetz auf persönlichen Problemen dieser Menschen beruhte, gab es nicht. Allein die Musik wurde als Sündenbock herangezogen.

Als Ergebnis des öffentlichen Drucks verschwand der Rock 'n‘ Roll zunächst aus den Medien. Künstler wie Little Richard oder Elvis Presley zogen sich aus der Musik zurück. Während Presley zum Militär ging, um seine vermeintliche Schuld an der Gesellschaft zurückzuzahlen, wandte sich Richard einem Theologie-Studium zu, da er mittlerweile der Auffassung war, Rock 'n‘ Roll wäre das Werk des Teufels. Erst in den 60er Jahren blühte der Rock 'n‘ Roll wieder auf und konnte, trotz des anhalten öffentlichen Protests, seinen Siegeszug schlussendlich antreten.

Es scheint so, als ob neue Medien seit jeher als Begründung für Kriminalität oder Gewalttaten herangezogen wurden. Die Amokläufe an Schulen der letzten Jahre sind für mich persönlich, und sicher auf für andere Spieler, doppelt so schlimm wie für den durchschnittlichen Bundesbürger. Denn neben der Erschütterung über solch eine schreckliche Tat weiß ich auch, dass, sobald ich Nachrichtenberichte über die Tragödie sehe,  nun die Diskussion über die Gefahr von Computerspielen wieder entfacht wird und die Spiele schnell wieder als Sündenbock dargestellt werden. Im Fall Winnenden dauerte es nicht lange, bis auf n-tv im Ticker zu lesen war: „Polizei bestätigt: Counterstrike auf Computer“. Dass solch eine Meldung auf einen Menschen, der Computerspiele zwar kennt weil seine Kinder vielleicht ab und zu damit spielen, selbst aber keinerlei Erfahrung hat, starken Einfluss nehmen kann, ist gewissermaßen nachvollziehbar.

Allerdings hat es zur Folge, dass der öffentliche Druck auf Politiker zunehmend größer wird und sie praktisch dazu gezwungen sind zu handeln. Und genau da liegt das Problem. Man merkt, dass es den deutschen Politikern in Bezug auf Computerspiele schlicht und einfach an Medienkompetenz fehlt. Manche der sogenannten Volksvertreter sind nachweislich noch nicht einmal in der Lage, das Internet zu nutzen. Da gestaltet es sich einfacher, sich auf irgendwelche Forschungsergebnisse zu berufen und die Gefahr von „Killerspielen“ als indiskutabel in Stein zu meißeln.  Natürlich, größtenteils ist das klassischer Populismus der sich vor allem in einem Wahljahr gut zum Stimmenfang nutzbar machen lässt. Trotzdem zeigt nicht zuletzt der vor wenigen Monaten gefasste Beschluss der Innenministerversammlung über das Verbot von „Killerspielen“, unabhängig von dessen Erfolg, dass populistische Aussagen durchaus Gehör beim Gesetzgeber finden können.

Bundeswehr-Stand auf der gamescom
Ein Umstand, über den ich mir in den letzten Tage einige Gedanken gemacht habe, war der Bundeswehr-Stand auf der gamescom in Köln, die Ende letzten Monats stattfand. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so recht was ich damit anfangen soll. Einerseits lässt sowas bei mir die Doppelmoral-Alarmglocken schrillen. Andererseits sehe ich darin wieder einen Beweis dafür, das Politiker oder hochrangige Militärs uns Spieler einfach nicht verstehen. Was ist der Grund für so einen Stand? Klar, die gamescom ist zum großen Teil eine Ansammlung von jungen Männern im Alter zwischen 16 und Anfang 20 und passen somit genau ins Rekrutierungsmuster der Bundeswehr. Trotzdem kann ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass es auch andere Gründe für einen Karriere-Stand, wie er offiziell heißt, auf einer Computerspiele-Messe gibt. Sind die Verantwortlichen bei der Bundeswehr vielleicht der Meinung, dass Jugendliche das, was sie in einem Call of Duty: Modern Warfare spielen, auch in der Realität erleben möchten? Oder das sie so waffenaffin sind, dass sie sich für den Dienst an der Waffe leichter begeistern lassen als andere in der gleichen Altersgruppe? Wie es auch sein mag, bei mir hinterlässt das Ganze einen faden Beigeschmack.

Nur, was kann man als Spieler gegen die Hetze, die von manchen Politkern und Medien betrieben wird, tun? Politisch tätig zu werden ist mit Sicherheit eine Möglichkeit, was einige Spieler auch bereits tun, wie nicht zuletzt die große Beteiligung an der Petition gegen das „Killerspiele“-Verbot und die Gründung des Interessenverbands VDVC (Verband für Deutschlands Video- und Computerspieler) zeigen. Eines ist aber sicher: Wir sollten unsere Lehren aus diesen, wie das Rock 'n' Roll-Beispiel zeigt, wiederkehrenden Diskussionen ziehen. Denn es wird in der Zukunft, wenn wir zum alten Eisen gehören, mit Sicherheit auch neue Medien geben, die wir auf den ersten Blick nicht verstehen. Und dann sollten wir so schlau sein und sagen: „Hey, das versteh‘ ich zwar nicht, aber ich schau’s mir zuerst mal an und beschäftige mich damit, bevor ich es verteufele.“ Das sind wir uns selbst schuldig.
Carsten 2. September 2009 - 18:54 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
Carsten 18 Doppel-Voter - 12406 - 2. September 2009 - 20:52 #

Ich habs nicht hinbekommen, dass beim Klick auf die Bilder das Großformat erscheint. Kann mir da jemand vielleicht helfen?

Edit: Habs jetzt soweit geschafft, dass ich auf die Bilder verlinken konnte. Allerdings gehen die dann in einer neuen Seite auf und nicht in einem Pop-Up.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469808 - 2. September 2009 - 23:20 #

Du musst einfach im Linkfenster im dritten Reiter unter Style Class eingeben: thickbox

Muss man wissen, und wir schreiben das auch (noch) nirgendwo... :-)

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469808 - 2. September 2009 - 23:22 #

Das von GameStar entliehene Bild bitte entfernen, wir können nicht einfach Bilder von anderen WEbsites verwenden, auch nicht in User-Artikeln.

Du kannst dich aber zur Bebilderung -- falls du was passendes findest -- gerne aus meinem Report zum Thema Winnenden bedienen.

Carsten 18 Doppel-Voter - 12406 - 3. September 2009 - 0:43 #

Dachte, wenn ich die Quelle angebe ginge das. Aber nun gut. Dein Teaserbild des Winnenden-Reports ist auch passend. Danke dafür.

Dennis Ziesecke 21 AAA-Gamer - 30866 - 3. September 2009 - 22:42 #

abraxa und ich sind ja glücklicherweise moderne Eltern. Unser Sohn wird mit Spielen und Computern normal aufwachsen und wird Eltern haben, die sich damit auskennen. Ich befürchte allerdings, auch mein Sohn wird in 10 bis 12 Jahren in eine Jugendkultur hineinwachsen, die ich nicht verstehe. Und ich hoffe, ich reagiere gelassen und versuche sie zu verstehen. Meine Eltern waren damals glücklicherweise sehr aufgeschlossen, was Computer und Spiele anging, ich war ja dummerweise auch noch Rollenspieler und damit vielen Anfeindungen ausgesetzt.

Paxy 17 Shapeshifter - - 6266 - 4. September 2009 - 10:26 #

Jap, die eigentliche Tragödie ist wirklich das viele Menschen "von damals" das Gleiche durchgemacht haben. Sie sich genauso an den Kopf gefaßt haben und jetzt in das selbe dämliche Muster verfallen!?

Hier lernt echt kaum jemand was aus seiner Vergangenheit.

Ich bin mal gespannt wo ich Anfange so "durch zu drehen".
Ach ich weiß es schon, wenn die Menschen Anfangen sich Tech-Implantate einzusetzen als wären es Piercings...ALLES Verbrecher niemand braucht Infrarotsicht wenn er nichts verbotenes damit tun will!!

Tungdil1981 19 Megatalent - 16681 - 4. September 2009 - 12:47 #

Zum Thema Bundeswehr. Es hat sicher nichts mit den Games zu tun. Die Bundeswehr ist grundsätzlich auf allen Jugendmessen vertreten. Und zwar aus dem Grund den du in deinem Artikel schon genannt hast, das alter der Messebesucher!
Sie ist aber auch auf der You vertreten, oder auf der CeBit.

Carsten 18 Doppel-Voter - 12406 - 4. September 2009 - 12:53 #

Klar, trotzdem finde ich es auf einer Spielemesse, wo auch die ach so schlimmen Ego-Shooter gezeigt werden, schon etwas komisch.

Tungdil1981 19 Megatalent - 16681 - 4. September 2009 - 13:44 #

Warum die Bundeswehr hat sich ja nicht an der Diskussion der Regierung zu dem Thema beteiligt.

Erynaur (unregistriert) 4. September 2009 - 15:06 #

Selten soviele Rollenspielabende und Lanpartys gehabt wie zur Bundeswehrzeit in der Kaserne. Die Agentur für Arbeit hatte auch einen Stand auf der Gamescom. Das ist bei Messen mit jugendlichem Publikum ganz normal.