Jeanne d'Arc - Siege & the Sword

Jeanne d'Arc - Siege & the Sword User-Artikel

Der Hundertjährige Krieg für Retro Gamer

Henning Lindhoff / 28. Juni 2016 - 14:10 — vor 5 Jahren aktualisiert

Teaser

Defender of the Crown à la francaise: Jeanne d’Arc – Siege & the Sword bietet tolle Grafiken, stimmungsvolle Musik und auch für den Gelegenheitsspieler die Möglichkeit, den Engländern auf dem Schlachtfeld zu zeigen, wo der Hammer hängt.
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Wir schreiben das Jahr 1429. England und Frankreich befinden sich im Krieg. Als „Hundertjähriger“ wird er später in die Geschichte eingehen. Edelleute und Blaublütige bekämpfen sich und ihre Untertanen bis aufs Blut, um die Frage zu klären, welche Rolle die englischen Könige als Herzöge von Aquitanien noch spielen auf französischem Boden. Und als der französische Thronfolger Karl VII. einer endgültigen Niederlage ganz nahe scheint, taucht auf einmal ein junges Mädchen in vermeintlich göttlicher Mission auf: Jeanne d’Arc.
 

Tolle Hommage an Defender of the Crown

Wir springen ins Jahr 1989. Das französische Programmierteam Chip Software macht sich daran, das sagenhafte Wirken der „Jungfrau von Orléans“ in Bits und Bytes zu pressen. Herausgekommen ist eine gelungene spielmechanische Hommage an den Genremix-Hit Defender of the Crown für MS-DOS, Atari ST und den Amiga. Vor allem auf letzterem kann Jeanne d’Arc – Siege & the Sword dank schöner Grafik und toller Musik überzeugen. Die digitalisierten Hintergründe der Burgen zum Beispiel sind im positiven Sinne „etwas anderes“ und erzeugen in Kombination mit der sehr stimmungsvollen Musik auch noch 27 Jahre nach Veröffentlichung ein tolles Mittelalter-Flair.
Leichte Action-Kost: Prügeln auf der Zugbrücke.
 

Hindernisse auf dem Weg zum Königsthron

Zu Anfang des Spiels gilt es, den Thronfolger nach Reims zu führen. Auf dem Weg dorthin stellt sich dem Spieler die Armee John Talbots in den Weg. Wurde diese geschlagen, muss die am Fluss Loire gelegene und daher strategisch sehr bedeutungsvolle Stadt Orléans von den Engländern befreit werden.

Burgbelagerungen verlaufen im gesamten Spiel nach dem folgenden Muster. In zwei Action-Sequenzen muss zunächst ein einzelner Soldat auf der Zugbrücke der Burg oder Festung alle Kämpfe gegen die herausströmenden Gegner bewältigen. Je nach Stadt können hier am Ende durchaus zehn oder mehr tote Engländer den Weg des einsamen Franzosen säumen, der seinen Kameraden vorauseilt. In der zweiten Action-Sequenz hat der Spieler je nach Größe des eigenen Heeres einen, zwei, drei oder vier Soldaten zur Verfügung, die nacheinander die an den Burgmauern angelehnten Leitern hinaufklettern und dabei den heruntergeworfenen Steinen und Pechladungen ausweichen müssen. Mittels schneller Hüpfer zwischen den Leitern gelingt auch dies zumindest einem der eigenen Soldaten und die französische Armee stürmt schließlich die Mauern.

Nach der erfolgreichen Befreiung von Orléans gilt es, den Engländern die nordöstlich gelegene Stadt Reims zu entreißen, um den seit 1422 amtierenden, aber machtlosen König Karl VII. in der dortigen Kathedrale zu krönen und zu salben. In der Folge übernimmt der Spieler die Rolle Karls VII. Nun erst beginnt der ganze Spielgenuss mit all seinen strategischen und taktischen Möglichkeiten. Die vielen unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten von der Steuereintreibung, über das Ausheben neuer Armeen und den Auftragsmord bis hin zu Lösegelderpressungen zaubern dem Spieler in seiner Rolle als Karl VII. ein Lächeln ins Gesicht. Die wichtigste Option ist sicherlich das Ausheben neuer Armeen, wobei der Heerführer mit höchster Sorgfalt erwählt werden sollte. Denn jede Persönlichkeit hat eine einzigartige Kombination von Eigenschaften, die sie im weiteren Spielverlauf auch für wichtige diplomatische Verhandlungen oder Geheimmissionen hinter feindlichen Linien interessant macht.

Eine Handvoll historischer Persönlichkeiten dieser Zeit können auch als Mörder oder Spione in englisch besetzte Regionen geschickt werden, um dort für Unordnung zu sorgen. Werden sie aber gefangen genommen, droht ihnen der Tod oder der stets knappen Kasse Karls ein weiteres tiefes Loch. Hauptsächlich ist man allerdings damit beschäftigt, gemäß der aus Orléans bereits bekannten Art und Weise Festungen und Städte der Reihe nach zu befreien und englische Armeen auf dem Felde zu stellen.
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Scheitern im Mai: Wurde Orléans nicht befreit, ist das Spiel schnell vorbei.
 

Leichte Action und schwierige Finanzen

Zwar hat man bei den Action-Sequenzen schnell den Dreh raus, putzt die gegnerischen Soldaten auf der Zugbrücke im Handumdrehen weg und hat auch wenig Mühe, die Feinde mit Steinen und Pech von den eigenen Mauern fernzuhalten. Aber Spaß machen diese Einlagen dennoch. Ich kann mich noch gut an den Nervenkitzel erinnern, der mich dank der Musik schon bei der Ankündigung einer jeden Burgbelagerung befiel. Auch die Schlachten auf offenem Feld bieten eine tolle Soundkulisse, sind aber meist ohne Probleme zu gewinnen.

Die einzige wirklich ernstzunehmende Schwierigkeit im Spiel stellt stets die knappe Kasse dar. Die königlichen Einnahmemöglichkeiten sind sehr begrenzt. Die Herdsteuer kann beispielsweise nur einmal jährlich eingetrieben werden. Und Einkommenssteuern führen schnell zu Rebellionen in der eigenen Bevölkerung. Zudem sind die Armeen recht teuer im Unterhalt. Doch mit etwas Sparsamkeit befreien  selbst Gelegenheitsspieler Frankreich zügig von den Engländern. Ein beliebter aber riskanter Kniff besteht an dieser Stelle darin, eine günstige Minimal-Armee aus ein paar hundert Infanteristen aufzustellen, um mit dieser Festungen und Städte einzunehmen. Feldschlachten sollten diese Mannen aber stets zügig ausweichen und gleichzeitig hoffen, dass ihr Heerführer nicht in englische Gefangenschaft gerät. Mit etwas Glück kann man auf diesem Wege Frankreich recht kostengünstig befreien. Den Tod Jeanne d’Arcs auf dem Scheiterhaufen von Rouen kann aber selbst der Profi-Stratege nicht verhindern.
 

Auch heute noch genießbar – mit Abstrichen

Am Ende bleiben ein paar dicke Wermutstropfen über die sich leider viel zu oft wiederholenden Action-Sequenzchen, die schnell langweilig werden und dem Winter Games-gestählten Competition Pro-Joystick-Akrobaten wenig Mühe abverlangen. Auch die langen Ladezeiten und vor allem die Aus- und Einblendungen des Bildschirms inklusiver (hörenswerter) Musikeinlage nach nahezu jedem Klick im Menü waren anno 1989 bereits nervtötend und reduzieren heute den Spielspaß beträchtlich.

Doch im Großen und Ganzen weiß Jeanne d’Arc – Siege & the Sword besonders diejenigen Retro-Gamer zu überzeugen, die sich früher nicht die Nächte mit Risiko und anderen Strategie-Klassikern um die Ohren gehauen haben.

Jedem Interessierten sei an dieser Stelle zur grafisch schöneren Amiga-Version geraten, die allerdings heute offline und online nur noch selten zu finden ist. Häufiger findet ihr zumindest im Internet noch die PC-Version. Je nach Ausstattung und Zustand zahlt ihr für das Spiel zwischen 20 und 50 Euro. Nennt ihr bereits die ROMs des Spiels euer Eigen, gelingt euch mit dem Emulator WinUAE oder dem Software-Paket Amiga Forever die Zeitreise über 1989 nach 1429 ohne Probleme.
 
Henning Lindhoff 28. Juni 2016 - 14:10 — vor 5 Jahren aktualisiert
Claus 31 Gamer-Veteran - - 421619 - 28. Juni 2016 - 12:54 #

Schöner Artikel!
:)

Toxe (unregistriert) 28. Juni 2016 - 13:21 #

Mini-Korrektur: "française" :-)

guapo 18 Doppel-Voter - 11864 - 28. Juni 2016 - 14:17 #

Nitpicking #2: wieso ROM und nicht Disk-Image(s)?

Toxe (unregistriert) 28. Juni 2016 - 13:28 #

Schöner Artikel, das Spiel ging damals aber wohl an mir vorbei.

Hach ja, die guten alten Strategiespiele der späten 80er. Lords of the Rising Sun von Cinemaware war damals echt toll und die Amiga Schachtel lächelt mir auch noch aus dem Regal entgegen. :-)

Claus 31 Gamer-Veteran - - 421619 - 28. Juni 2016 - 16:21 #

In der Reihe könnte man dann noch Centurion - Defender of Rome mit einreihen, was ja ein ähnlich gestaltetes kleines Spielchen war.
:)

RoT 21 AAA-Gamer - P - 26097 - 28. Juni 2016 - 23:26 #

yau, das war auch eines an das ich mich gut erinnern kann :D

immerwütend 22 Motivator - 31893 - 28. Juni 2016 - 14:38 #

Ich weiß nicht mehr genau, ob ich das Spiel damals (Amiga-Fassung) zwei oder drei Stunden lang gespielt habe, aber ich bin mir absolut sicher, dass ich es nach diesem ersten Versuch nie wieder angerührt habe...

Epic Fail X 18 Doppel-Voter - P - 10456 - 28. Juni 2016 - 14:59 #

Ich habe es immer wieder versucht und bin jedes Mal wieder an den Zugbrückenkämpfen gescheitert. Ich weiß bis heute nicht, was ich da hätte tun sollen.

Henning Lindhoff 19 Megatalent - P - 14446 - 28. Juni 2016 - 15:05 #

Einfach immer stumpf in die gleiche Richtung schlagen :-) Stick nach oben und Feuerknopf. Läuft....

Epic Fail X 18 Doppel-Voter - P - 10456 - 28. Juni 2016 - 15:09 #

Stick nach oben? Wer kommt denn auf so was?

Henning Lindhoff 19 Megatalent - P - 14446 - 28. Juni 2016 - 15:21 #

Für den Schwertschlag über Kopf und nach vorne für den seitlichen Schlag...

Retro72 14 Komm-Experte - 2017 - 28. Juni 2016 - 15:02 #

Die Ladezeiten wahre, auf dem Atari ST super lang.Sonnst Super Spiel!

Henning Lindhoff 19 Megatalent - P - 14446 - 28. Juni 2016 - 15:06 #

Auch auf dem Amiga war es noch seeeehr lang. Wie schon im Artikel geschrieben: Vor allem die Aus- und Einblendungen sind absolut stumpsinnig.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66900 - 28. Juni 2016 - 15:04 #

Defender of the Crown hab ich auf dem C64 ausgiebigst gespielt, aber Jeanne d'Arc ist irgendwie völlig an mir vorbeigegangen.

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62064 - 28. Juni 2016 - 16:23 #

Das ging mir auch so. ;)

immerwütend 22 Motivator - 31893 - 28. Juni 2016 - 16:29 #

Mein Glückwunsch ;-)

Gentleman77 18 Doppel-Voter - - 12002 - 28. Juni 2016 - 16:10 #

Kann mich noch sehr gut an Jeanne D'Arc erinnern - eines der wenigen Strategiespiele die ich auf dem Amiga gerne (und sogar mehrmals) durchgespielt habe. Unvergessen auch die diplomatischen Möglichkeiten, in denen man einen möglichst fähigen Berater (ein entsprechend hoher Politik-Wert vorausgesetzt) zu seinen Widersachern schicken konnte um allerlei Vorteile auszuhandeln, wie z.B. Lösegelder, Bündnisse, Waffenstillstände. Die Rückkehr des Beraters war dann jedesmal total spannend, denn gerade Lösegelder konnten die Staatskasse ordentlich auffrischen!
Auch das ewig gleiche Musikstück, das zwischen den Aktionen wiedergegeben wurde (und es gab wirklich nur dieses eine "Lied"), habe ich noch heute im Ohr.
Erst Jahre später hab ich dann gelesen, dass die deutsche Version damals sogar in einer Szene geschnitten war: konnte man für einen inhaftierten Feldherren kein Lösegeld aushandeln oder war man dieses Gefangenen einfach überdrüssig, blieb einem ja immer noch die wunderbare Möglichkeit der Hinrichtung! ;-) Und genau in dieser Szene, als der Henker sein Beil zum Schlag anhob, wurde in der deutschen Version ausgeblendet!

Wer es sich 3 Stunden lang ansehen will, hier ein Longplay:
https://www.youtube.com/watch?v=rf-c7ZqQzMY

REX ES REGEM MANEBIS!

EDIT: Ich seh grad, auch die Eroberung an der Zugbrücke sind im Video wesentlich blutiger, als ich es in Erinnerung habe, da rollen sogar Köpfe! Wurde in der deutschen Version also auch zensiert.

Ghusk 15 Kenner - 3214 - 28. Juni 2016 - 16:28 #

Ich habe ein wenig gebraucht um zu kapieren, dass das ein altes Spiel ist und kein auf alt gemachtes Spiel. ^^

Claus 31 Gamer-Veteran - - 421619 - 28. Juni 2016 - 16:38 #

Die Gnade der späten Geburt, oder so ähnlich.
;)

Jürgen (unregistriert) 28. Juni 2016 - 17:49 #

Ging mir auch so :D
Obwohl ich den richtigen Jahrgang habe, sagt mir das Spiel null.
Daher danke für den sehr schönen Artikel.

Janosch 27 Spiele-Experte - - 86762 - 28. Juni 2016 - 18:16 #

Da ich mit dem KC 85 und dann mit dem PC loslegte, sagt mir das Spiel auch nichts, aber sehr schöner Artikel, von deren Art ich gerne mehr lesen würde.

Michl Popichl 24 Trolljäger - 52778 - 28. Juni 2016 - 16:44 #

ich hab das spiel auf meinem Amiga500 geliebt.

Roland 18 Doppel-Voter - 11619 - 28. Juni 2016 - 17:15 #

Keine guten Zeiten für die Engländer: Brexit; das verlauste Spiel gegen Irland und jetzt das hier :D

Slaytanic 25 Platin-Gamer - - 62064 - 28. Juni 2016 - 17:47 #

Island. ;)

Roland 18 Doppel-Voter - 11619 - 28. Juni 2016 - 18:13 #

Woops... my fault

Edelstoffl 16 Übertalent - P - 5420 - 28. Juni 2016 - 19:46 #

Klasse Artikel!

Habe dieses Spiel geliebt und bestimmt an die 10x durchgezockt. Artikel in dieser Art von GOG-Usern über ihre persönlichen Favoriten aus "altvorderer Zeit" würde ich gerne mehr lesen. Vielleicht befällt mich auch mal der Rappel und ich schreib einen ... wie wär's mit "Pirates of the Barabary Coast"? Oder "Das Herz von Afrika"? oder "Murder on the Mississipi"? oder ? oder?....

Epic Fail X 18 Doppel-Voter - P - 10456 - 28. Juni 2016 - 20:37 #

Dem Lob schließe ich mich an.
Und ich hätte gerne einen Artikel zu "Pirates of the Barbary Coast". Von dem Spiel habe ich nämlich noch nie gehört.

Vultejus 18 Doppel-Voter - - 9114 - 28. Juni 2016 - 20:59 #

Murder on the Mississipi fand ich auch super. Das Spiel habe ich zum 14 Geburtstag zusammen mit Herz von Afrika für den C64 geschenkt bekommen. Wir könnten ja den Artikel zusammen schreiben, wenn du Lust hast.

Edelstoffl 16 Übertalent - P - 5420 - 28. Juni 2016 - 21:08 #

Ich sitz gerade über meiner Masterarbeit. Aber wenn die rum ist und im Kopf wieder Platz für solche Eskapaden ist (so gegen Herbst rum), komm' ich gerne drauf zurück. Und da ist aj auch noch der PoS :)

Übrigens interessantes Profil....

Hyperbolic 21 AAA-Gamer - P - 25234 - 28. Juni 2016 - 19:48 #

Ein Retro Test, mal was neues! :-)

Sothi 13 Koop-Gamer - 1652 - 28. Juni 2016 - 21:27 #

Das habe ich damals sogar gespielt, fands aber eher so mittelmäßig. Defender of the Crown hat mir besser gefallen.

RoT 21 AAA-Gamer - P - 26097 - 28. Juni 2016 - 21:34 #

schöner artikel :)

und wie gesagt, tolle grafiken für die damalige zeit :D

Labrador Nelson 31 Gamer-Veteran - P - 266509 - 28. Juni 2016 - 22:28 #

Schöner Artikel über die gute alte Zeit...Ich glaube ich hatte das Spiel damals, aber irgendwie wars ab einer bestimmten Stelle broken. Konnte es nie weiterspielen. Trotzdem danke für die Erinnerungen! :)

Ridger 22 Motivator - P - 34726 - 28. Juni 2016 - 22:54 #

Ein toller User-Artikel, davon wünsche ich mir mehr. Gerne natürlich auch von h3nn1ng.

Aladan 25 Platin-Gamer - P - 57121 - 29. Juni 2016 - 8:04 #

Danke für den Artikel. Das waren noch Zeiten, hab es damals sogar irgendwann mal gespielt. Aber war leider nie allzu gut in dieser Art von Spiel ;-)

timeagent 19 Megatalent - - 18398 - 29. Juni 2016 - 15:15 #

Schöner Artikel. :)
Das Spiel hab ich damals gerne gespielt. Hatte mir besser gefallen als Defender of the Crown.