Das romantische Moment

Im Abendrot aus Bits und Bytes User-Artikel

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Unendliche kosmische Weiten aus den Köpfen der Designer (Mass Effect).
 
„We Create Worlds!“ – Origin

Der Spieltrieb ist den meisten Lebewesen in die Wiege gelegt und basiert laut Evolutionsforschung auf dem naturgegebenen Instinkt, sich kreativ zu betätigen, um sich weiterzuentwickeln. Schon in frühen Lebensjahren entfalten wir mehr Phantasie als Faktenkenntnis und sind alsbald imstande, auf Gedankenreisen zu gehen, in denen sich Konzepte herausbilden, die über uns bekannte Dinge, Orte und Situationen hinausgehen. Und bevor wir uns versehen, kreieren wir in unseren Köpfen ganze Welten, die wir dekorieren und ausbauen wie die Sacklinge von Little Big Planet ihren heimischen „Pod“. Frei nach dem Motto der einstigen Spieleschmiede Origin „We Create Worlds!“, sind wir imstande, ganze Universen aus hypothetischen Gehalten zu entwerfen. Und bevor wir uns versehen, erblickt ein Star Wars, Elder Scrolls oder apokalyptisches Metro – Last Light das Licht der Welt.

Ein Sonnenstrahl durchbricht die im nuklearen Winter gefangene Moskauer Eislandschaft (Metro 2033).

Die Suche nach dem „Ganz anderen“
 
Es ist allzu menschlich, über den Tellerrand hinauszuschauen. Seit dem Morgengrauen unserer Spezies haben wir uns mit fernwehverklärten Augen gefragt, was wohl hinter dem nächsten Wald, hinter der nächsten Bergkette, auf der anderen Seite des Ozeans und schließlich: was außerhalb unseres Planeten liegt. Und jede Art von Fantasy und Science Fiction – die Grundfesten, auf denen die meisten Spiele ruhen – ist lediglich die Ausdrucksform unseres verspielten Greifens nach den Sternen, die Suche nach dem, was wir (noch) nicht kennen, was wir lediglich erahnen. 
Grand Theft Auto – weit mehr als das, was die Myriaden von Kritikern in ihm zu sehen glauben (GTA IV).
Und manchmal handelt es sich sogar um ein ganz dezidiertes, bewusstes Abschweifen in unsere eigenen, frei erdichteten Wunsch- oder Alptraumwelten. Egal ob es sich um eine bunte Parallelwelt wie die von Ni no Kuni handelt, oder einen Gangstersimulator wie Grand Theft Auto, der uns angenehm unbeaufsichtigt in dem Sandkasten unserer eigenen Realität herumdoktorn lässt – wir suchen nach einer Erfahrung, die unseren Lebensalltag transzendiert.

Wir sind immer auf der Suche nach dem „Was wäre wenn?“ Wir sind immer auf der Suche nach dem „Ganz anderen“. Genau das ist Spielen. Es ist das, was sich jeglicher Bürokratie, jeglicher Gleichmacherei, jeder Art von Konservativismus entzieht und sogar radikal entgegensetzt. Es ist das, was die gedankliche Freiheit nicht nur bejaht und propagiert, sondern zum Zentralgestirn unserer existentiellen Zielbestimmung emporhebt. Das „Romantische Moment“, der meditative Effekt, tritt meiner Meinung nach dann ein, wenn wir uns dessen bewusst werden, dass wir uns von der Achse des Lebensalltags gelöst haben und uns frei auf den endlosen Straßen der menschlichen Vorstellungskraft hinfortbewegen. Und je skurriler, exotischer, phantastischer oder sogar dystopischer sich eine virtuelle Spielwelt vor unseren Augen entfaltet, desto extremer ist das Gefühl der Abkoppelung von dem was wir kennen. 

Aber weshalb suchen wir überhaupt nach dem „Ganz anderen“? Was ist an unserem Leben so negativ, dass wir uns in den Phantasiewelten von Spielen ein zweites Zuhause errichten?

Oliver wird in Ni no Kuni von seinem eigenen Kuscheltier in eine wundervolle Parallelwelt entführt.


Chuck Morris 13 Koop-Gamer - 1887 - 15. Mai 2013 - 14:37 #

Toller Artikel.

DarkMark 15 Kenner - 3016 - 15. Mai 2013 - 14:37 #

Ich kann das gut nachvollziehen. Ich bin damals in Ultima IX (Ascension) so manches Mal einfach nur spazieren gegangen und habe die (für damalige Verhältnisse) sehr liebevoll gestaltete Landschaft genossen.

Hyperbolic 21 AAA-Gamer - P - 25234 - 15. Mai 2013 - 14:45 #

Anno 2005 hat mich die Grafik von World of Warcraft echt umgehauen.
Als ich als kleiner Zwerg zum ersten mal an die Tore von Ironforge gekommen bin habe ich echt Gänsehaut bekommen. Kein Spiel vorher oder nachher hat soviel Staun Momente ausgelöst...als das Portal geöffnet wurde und man auf die Scherbenwelt kam usw.
Es war eine tolle Zeit.

Andreas 16 Übertalent - 4672 - 15. Mai 2013 - 15:32 #

So war das bei mir mit Unreal 1. :)

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 15. Mai 2013 - 16:38 #

Oh ja, absolut. Aus der Zelle in dem sterbenden Schiffswrack mit der verzerrten Computerstimme direkt hinaus in die wundervoll-exotische Welt der Nali: ploetzlich die Kulisse mit den Planeten im Hintergrund und die Jean-Michelle Jarre maessige Musik (also vom typischen Korridor-Shooter zu Quasi-Open-World) --- das war einfach umwerfend. Zumal die Unreal-Engine mit 8MB Monster 3D das Eindrucksvollste war, das es derzeit gab. --- Beim Abspann von Unreal habe ich sogar - ganz ehrlich - geheult. Eine so tiefe Sehnsucht haben selten Spiele in mir erweckt.

Hyperbolic 21 AAA-Gamer - P - 25234 - 15. Mai 2013 - 17:17 #

Ja, Unreal war auch klasse!

Roland 18 Doppel-Voter - 11619 - 15. Mai 2013 - 19:22 #

Unreal hatte genau diesen Moment gefangen - mehrfach sogar. Als man aus dem Raumschiff trat gab es den ersten von mehreren. Der Wechsel zwischen Natur mit Burgen und Raumschiffen, dazu stimmige Musik passend auf den Moment, dass war herrlich.

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 16:06 #

Ja, von Techno-Leveln direkt zurueck zur Natur. Dann die mittelalterliche Kultur der Nali und die wirklich uralten Tempel. Quasi ein Sprung von Jahrtausend zu Jahrtausend innerhalb derselben Spielwelt. Und das beste: es machte Sinn! - Heute wagt kaum mehr ein Spiel so einen bunten Genre-ueberschreitenden Mix. Dabei ist doch gerade das ein Faszinosum.

TSH-Lightning 26 Spiele-Kenner - - 65103 - 15. Mai 2013 - 18:54 #

Ich sage nur: Das Wasser in Morrowind *inErinnerungschwelg*

Larnak 22 Motivator - 37541 - 1. Januar 2014 - 22:27 #

Die ersten Momente im fantastischen Wald von Teldrassil *träum* Man konnte die Magie, die wort wohl selbst dem unwichtigsten Kieselstein innewohnt, regelrecht am eigenen Leib fühlen.

Oder die Dynamik des Krieges, die einem in den ersten Tagen und Wochen nach der Öffnung des dunklen Portals das Adrenalin durch die Adern peitschte, sobald man nur die düster-rot leuchtenden Hügel der Höllenfeuerhalbinsel erblickte.

Oder der gespenstisch-virtuose Anblick der schilldernd-nebulösen Höhlen des uralten Spinnenkönigreichs Ahn'kahet.

Hach!
Danke Freylis für diesen wundervollen Artikel :)

Fallout-Junge 16 Übertalent - 4593 - 15. Mai 2013 - 15:33 #

Vielen Dank für den schönen Artikel.

Freylis, Ich wollte noch einmal anmerken, dass du hier in regelmäßigen Abständen immer sehr schöne und originelle Artikel schreibst. Dafür ein extra Sonderlob!

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 16:07 #

Danke fuer's danke. So ein nettes Feedback ist das, was uns Schreiberlinge am Leben erhaelt. :)

warmalAnonymous2 (unregistriert) 15. Mai 2013 - 15:48 #

ein schöner artikel

Sir Loslasli 11 Forenversteher - 755 - 15. Mai 2013 - 16:24 #

Ich glaube, du hast auf Seite 4 "The Witcher" Teil 1 und 2 vertauscht. :)

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 15. Mai 2013 - 16:52 #

Whoops, das ist gut moeglich - ist schon eine Weile her. Danke fuer den Hinweis :)

Fugusha Kisai 16 Übertalent - 5230 - 15. Mai 2013 - 16:55 #

Sehr schöner Artikel.

Ich freue mich auch immer über gut gestaltete Umgebungen und Atmos in Spielen.

Johannes 24 Trolljäger - 53700 - 15. Mai 2013 - 20:24 #

Hervorragender Artikel! Die tolle Atmosphäre in Read Dead Redemption war einr der Gründe, warum ich so lange für das Spiel gebraucht habe :)

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 16:12 #

Jetzt fuehle ich mich nicht mehr so alleine. An RDR habe ich Monate gesessen. Und da ist Undead Nightmare noch nicht mal miteinberechnet...

adson 17 Shapeshifter - - 7646 - 15. Mai 2013 - 20:24 #

Auch von mir vielen Dank für den schönen und lesenswerten Artikel!

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 16:14 #

Danke. :) --- Darf ich einmal interessiert anfragen, ob dein Nickname vielleicht mit Adson von Melk aus "Der Name der Rose" zu tun hat? - Einer meiner Lieblingfilme, von dem uebrigens Undying im Rahmen des Keltenkloster-Levels kopiert hat.

cryon (unregistriert) 16. Mai 2013 - 0:18 #

ach, du meine güte. 2 zeilen davon, mehr geht beim besten willen nicht.

Henke 15 Kenner - 3636 - 16. Mai 2013 - 2:14 #

Freue mich sehr für Dich, Freylis, dass Du auch einem Undying von Clive Barker noch etwas romantisches abgewinnen kannst...

Spaß beiseite. Auf der einen Seite finde ich Deinen Artikel klasse, weil er die visuellen Eindrücke Deiner (Spiele-)Reise mehr als eindrucksvoll schildert. Andererseits sagen die gezeigten Bilder mehr als tausend Worte (Deinerseits) - etwas weniger Text wäre deutlich mehr gewesen.

Dennoch werde ich aufgrund Deines Artikels nicht die kommplette Levelarchitektur eines Spieles abklappern, nur weil ich nach dem schönsten Panorama suche; lasse mich dabei doch lieber vom Spiel überraschen, so wie damals... auf dem Mond... meine Shepard, Garrus und Liara... im Mako den letzten Hügel raufgerumpelt... und da war sie... Die Erde!... so klein und eigentlich nur eine Textur... aber wunderschön...

"Unendliche ko(s)mische Weiten aus den Köpfen der Designer (Mass Effect)."

rAmbAzAmbA 17 Shapeshifter - 7391 - 16. Mai 2013 - 2:39 #

Danke für den Artikel :D Hat mich daran erinnert, noch mal Myst 4/5 zu starten, welche ich nur wegen der Atmo gespielt habe, obwohl mich das Spielprinzip selbst nicht begeistern konnte.

Cohen 16 Übertalent - 5024 - 16. Mai 2013 - 12:48 #

Mich wundert auch, dass Myst 1 in dem Artikel nicht auftaucht. Das hat sich doch damals überwiegend durch seine Optik millionenfach verkauft.

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 14:54 #

Myst taucht doch mindestens dreimal auf, wo ich ueber die MYSTik rede ;p
Nee, ernsthaft: der Artikel war auch so schon zu lang. Ich denke, das Myst-Franchise ist so ein spielkultureller Meilenstein, dass es einen ganz eigenen Artikel verdienen koennte. Vielleicht naechstesmal. :)

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13658 - 16. Mai 2013 - 7:24 #

Wieder ein sehr schöner Artikel von dir, vielen Dank.
Seltsamerweise stimme ich zwar deiner Aussage zu, dass viele Spiele etliche faszinierende Stellen haben, aber ich kann mich momentan nicht direkt an eine bestimmte Stelle erinnern, wo ich so ewig verweilt hätte. Der Faust-Moment scheint entweder noch nicht gekommen oder einfach nicht hängen geblieben zu sein.

Und ergänzend möchte ich noch Mirror's Edge erwähnen, die Umgebung fasziniert mich auch immer wieder.

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 14:55 #

Leg einfach mal eine Kaffeepause ein, wo es dir gefaellt :)
Ich werde mich jetzt mal ueber Mirror's Edge schlau machen. Denn das kannte ich bisher nur vom Namen her. Danke fuer den Tipp.

McSpain 21 AAA-Gamer - 29213 - 16. Mai 2013 - 15:00 #

Liest eigentlich noch jemand außer mir immer Abendbrot?
Ging mir bei dem Twilight-Buch in den Bestsellerlisten auch schon immer so.

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 16. Mai 2013 - 15:22 #

Kenn ich. Iss erst mal was Ordentliches, dann legt sich das wieder. ;)

lolaldanee 14 Komm-Experte - 1949 - 17. Mai 2013 - 1:08 #

sehr guter artikel
es sind tatsächlich oft solche momente die ein gutes spiel zu einem großartigem machen :)

IhrName (unregistriert) 17. Mai 2013 - 15:09 #

Ich kauf' mir jetzt bei Marktkauf Nutella und Jacobs Kaffee ... Und dann zock ich noch 'ne Runde.
Ich denke ich bin auch so ein Exemplar von Zocker der 10 Stunden braucht, für etwas was andere in 20 Minuten abfeiern. Wenn andere in Skyrim schon das Ende sehen, dann bin ich meistens so langsam bereit Riverwood zu verlassen, weil ich mich da tagelang von den Geschehenissen in Helgen erholen musste ... ^^

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 17. Mai 2013 - 15:46 #

"Ich kauf' mir jetzt bei Marktkauf Nutella und Jacobs Kaffee ..."
Mein Kompliment, du liest wirklich sehr genau. --- Zum Langstrecken-Zocken: Hihi, mir geht's ganz genauso. Riverwood war ja auch wie das reinste Ferienziel, davon konnte ich mich auch kaum trennen.

Labrador Nelson 31 Gamer-Veteran - P - 266645 - 18. Mai 2013 - 21:24 #

Achja, wie oft hab ich mich bei Mondschein auf die Dächer des Hafenviertels von Khorinis zurückgezogen um gemütlich einen Sumpfkrautstängel zu paffen... :)

Nv42L84cake 08 Versteher - 180 - 18. Mai 2013 - 22:12 #

Remember, long ago in Duke Nukem 3D , when the bulwark of the ship opened up and the view of the Earth loomed large down below? It was a simple image but for a moment it captured the feeling of looking at Earth from space.

Freylis 20 Gold-Gamer - 23164 - 20. Mai 2013 - 2:35 #

Oh yeah right, I remember that one. It was romantic, too. Duke Nukem sure had its moments ;p

Mario Donick 15 Kenner - 3219 - 28. Mai 2013 - 14:52 #

Sehr guter Artikel und ich kann das "romantische" Gefühl gut nachvollziehen.

Du endest ja mit der Witcher-Szene quasi bei DER Klischee-Vorstellung von Romantik (also Zweisamkeit, Liebe, o.ä.), und die ist uns im Alltag sicherlich noch am nähesten --

-- aber interessant wäre es noch gewesen, wenn du ein bisschen darüber hinausgegangen wärst und z.B. auch kurz erwähnt hättest, wo der Begriff "romantisch" eigentlich herkommt (aus der Epoche der Romantik eben) und ob Computerspiele auch aus dieser Sicht etwas hergeben (und eben nicht nur im Sinne des Alltagsbegriffs).

Das war aber keine Kritik, nur eine Anregung.

Sascha Müller 09 Triple-Talent - 283 - 26. Juni 2013 - 10:26 #

Der Ansatz des Artikels gefällt mir sehr - denn wer kennt es nicht, irgendwo mit seinem Alter Ego zu stehen und die Szenerie auf sich wirken zu lassen. Ein Computerspiel ist manchmal doch etwas mehr als die Summe seine (technischen) Einzelteile. Für mich sind Atmosphäre und Stil sehr wichtige Elemente des Spiels.