Vom Springen und Rennen

Die Geschichte der Jump-and-runs User-Artikel

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Kritiker lieben den bunten Hüpfspiel-Trip Psychonauts von Monkey-Island-Erfinder Tim Schafer. Leider verschmäht die Masse der Käufer den abgedrehten Titel und lässt US-Publisher Majesco in arge Probleme stürzen.

Der Untergang

Ende der Neunziger stand mal wieder eine neue Konsolengeneration vor der Tür. Erneut machte Sega den Anfang. Endlich hatte man sich mit der Dreamcast auch Software-technisch von Beginn an gerüstet: Sonic Adventure erschien als Launchtitel und war für alle Sega-Fans eine Offenbarung: Sie mussten am längsten warten, bis sich ihr Maskottchen in die dritte Dimension wagte. Zwar kam zwei Jahre später noch ein Nachfolger, aber es hatte keinen Zweck mehr: Obwohl sich beide Titel (für Dreamcast-Verhältnisse) großartig verkauften und auch Kritikerlieblinge waren, begrub Sega 2001 die Dreamcast und verkündete, von jetzt an die Konkurrenzplattformen mit Spielen zu versorgen.

Für Sega übernahm Microsoft im Konsolen-Triumvirat: 2001 erschien die Xbox mit dem Launchtitel Halo. Obwohl es bereits vorher Ego-Shooter für Konsolen gab, sorgte Halo dafür, dass dieses Genre auf Konsolen zu einem der wichtigsten Genres wurde. Auch andere Genres waren im Aufwind. Final Fantasy 7 brachte Konsolen-Rollenspielen endlich auch den lang verdienten Durchbruch im Westen. Action-Adventures wie Metal Gear Solid oder Prince of Persia verkauften sich millionenfach. Was keiner mehr wollte, waren Jump-and-runs. Urplötzlich veränderte sich die Bedeutung des Genres. Während boomende Genres wie Ego-Shooter oder Action-Adventures plötzlich deutliche Jump-and-run-Anleihen zeigten, fiel die Popularität reiner Hüpfspiele stark ab. Unter anderem wurde der Vorwurf laut, Jump-and-runs könnten im Vergleich mit anderen Genres keine richtige Geschichte erzählen. Gute Titel für Xbox, Gamecube oder PlayStation 2 muss man mit der Lupe suchen. Selbst Lieblinge der Kritiker wie Psychonauts blieben wie Blei in den Regalen liegen. Lediglich Veteranen konnten in dieser rauen Zeit überleben. Doch selbst Super Mario Sunshine bekam nicht die Spitzenkritiken wie sonst. Für Sony hielten die Jump-and-run-Experten Insomniac und Naughty Dog weiter am Ball fest: Ihre Neuentwicklungen Jak & Daxter sowie Racket & Clank schlugen voll ein, auch wenn besonders erstgenannte Reihe sich mit jedem Teil weiter in Richtung Sandboxgame orientierte. Die alten PlayStation-Helden Crash und Spyro hingegen schafften den Sprung auf die nächste Generation nicht unbeschadet. Microsoft versuchte mit Blinx ein familienfreundliches Maskottchen zum massenmordenen Master Chief aufzubauen, doch seine zwei Auftritte waren nicht gerade Kritikerlieblinge und verkauften sich auch eher verhalten.

Das Comeback

Ehrenrettung: Alteingesessende Serien wie Mario beweisen, dass man mit Jump-and-runs auch in der siebten Konsolengeneration Erfolg haben kann.
Die Geschichte könnte hier zu Ende sein. Plattformer lagen am Boden, andere Genres waren mit der Zeit deutlich populärer geworden. Die siebte Konsolengeneration stand Mitte der 2000er an. Schneller, besser, realistischer lautete das Motto bei Sony und Microsoft, nur Nintendo hielt sich diesmal aus dem Bodybuildinggeschäft raus und ging mit der Wii neue Wege in der Bedienung. Doch Mario ließ sich auch dieses Mal zum Launch nicht blicken. Erst 2007 erschien Super Mario Galaxy, erhielt dafür aber überwältigende Kritiken. Tatsächlich wurde Super Mario Galaxy zu einem der meistverkauften Spiele für Nintendos Fuchtel-Plattform und zeigte, dass Jump-and-runs noch immer nicht zum alten Eisen gehören. Auch der Nachfolger hielt die ausgezeichnete Qualität der Reihe, GamersGlobal etwa zückte zum ersten Mal in seiner Geschichte die Höchstwertung 10.0

Doch abseits des Nintendo-Aushängeschildes blieb die Auswahl fad. Für die PlayStation 3 erschien die Ratchet & Clank: Future-Reihe. Zwar verkaufte die sich gewohnt gut, Kritiker attestierten der Reihe aber ersten Schimmel am Gameplay. Innovativer war Little Big Planet, 2008 von Sony veröffentlicht. Durch die Möglichkeit, in einem Baukasten eigene Areale zu kreieren, entstand in der PlayStation-Szene schnell ein großer Hype um das Spiel, das Anfang 2011 mit einem Nachfolger gewürdigt wurde (GG-Wertung: 8.5).

Doch wer glaubt, Jump-and-runs seien abseits dieser Massenphänomene tot, der täuscht sich. Tatsächlich war die siebte Konsolengeneration ein kleiner Segen für das Genre, wenn man weiß, wo man sich umzuschauen hat. Zum einen sind das die Downloadplattformen. Steam, Xbox Live Arcade, WiiWare und PlayStation Network bieten kleine Titel für wenig Geld. Die neu entstandene Situation kam besonders dem gebeutelten Jump-and-run-Genre zugute. Indie-Entwickler kitzelten frisches Gameplay und innovative Konzepte aus festgefahrenen Bahnen (Braid, Splosion Man). Marken, die die Umstellung auf 3D schwer angeschlagen hatte, kamen plötzlich mit Comebacks wieder zurück (Mega Man 9, Contra ReBirth, Sonic the Hedgehog 4).

Auch tragbare Konsolen konnten sich zu einer Domäne der Plattformer mausern. Auf Game Boy Advance, Nintendo DS und PSP gaben sich altbekannte Hüpfspielhelden die Klinke in die Hand. Fast alles, was es in groß zu spielen gab, konnte man auch in der Hosentasche mitnehmen. Doch hier waren nicht nur Innovationen entscheidend. Der bisher meistverkaufte Titel für den Nintendo DS heißt New Super Mario Bros., ausgerechnet ein 2.5D-Jump-and-run, welches das mittlerweile fast 30 Jahre alte Rezept des Ur-Originals mit ein paar witzigen Elementen wie Multiplayer würzt. Der Titel wurde so populär, dass Nintendo sich entschied, das Prinzip auch für den großen Bruder Wii anzubieten, und zwar als Retailprodukt. New Super Mario Bros. Wii erschien im November 2009, bekam Spitzennoten (GG-Wertung: 9.0) und mauserte sich ebenso zu einer der erfolgreichsten Titel für Nintendos neueste Kiste.

Diese Beispiele demonstrieren: Jump-and-runs sind noch lange nicht am Ende. Im Laufe der Zeit hat sich durchaus der Genre-Fokus verschoben: Hüpfspiele sind kein Leadgenre mehr, technische Brillanz präsentiert man heutzutage auch auf der Konsole mit Shootern. Doch sei es im kleinen Maßstab auf Handhelds oder Downloadplattformen oder als Revival im Oldschool-2D-Gewand: Jump-and-runs werden unser Zockerleben noch lange begleiten und uns das ein oder andere Gamepad zertrümmern lassen, weil wir schon wieder diesen verdammten Abgrund nicht geschafft haben. Verflucht sollst du sein, Abgrund! 

Daeif 5. Oktober 2011 - 16:03 — vor 12 Jahren zuletzt aktualisiert
Keksus 21 AAA-Gamer - 25149 - 5. Oktober 2011 - 17:11 #

Irgendwie fehlt mir hier der Prinz von Persien, der 1989 das Genre revolutionierte.

SirCartman 14 Komm-Experte - 2298 - 5. Oktober 2011 - 21:22 #

Ich hab jetzt nicht dran gedacht, aber jetzt wo du es sagst, fehlt mir der Prinz ebenso.
Aber trotzdem eine schöner Artikel!

Daeif 19 Megatalent - 13820 - 6. Oktober 2011 - 14:11 #

Yikes! Nun ja, der Artikel ist halt nicht perfekt. Da kann man noch so viele Seiten schreiben, irgendwas geht einen immer durch die Lappen. Seht PoP als ersten Titel der Cinematic Plattformer an, ich glaube, das trifft es am besten.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66879 - 5. Oktober 2011 - 18:26 #

Schöner Artikel. Aber so sehr ich die Mario-Jump&Runs und viele andere auch liebe ... für mich bleibt die Donkey Kong Country - Trilogie auf dem SNES die beste Reihe in dem Genre. Ich spiele die noch heute immer mal wieder. Perfekt.

Desotho 18 Doppel-Voter - 9372 - 5. Oktober 2011 - 19:04 #

Schöner Artikel in dem sicher einiges an Arbeit steckt.

Goh 17 Shapeshifter - P - 6181 - 5. Oktober 2011 - 21:24 #

Sehr schöner Artikel!
Ich schätze mal, da hat viel Recherche dahinter gesteckt^^
Mein Favoriten sind immernoch Super Mario Bros. und die ersten Castlevanias

hoschi 13 Koop-Gamer - 1631 - 5. Oktober 2011 - 23:06 #

wo ist Commander Keen?

Daeif 19 Megatalent - 13820 - 6. Oktober 2011 - 14:12 #

Vierte Seite, vorletzter Absatz :)

Lord Helmchen 12 Trollwächter - 905 - 6. Oktober 2011 - 7:25 #

Schöner Artikel. Ein Meilenstein fehlt aber noch: Jumpman und Jumpman Junior.

partykiller 17 Shapeshifter - 7408 - 3. November 2011 - 22:53 #

interessant ist doch, dass die Jumpman Titel damals noch von Epyx rausgebracht wurden.
Vielleicht ging Nintendo deswegen nicht gegen Epyx vor, weil sie den Begriff "Jumpman" nicht als Marke geschützt hatten?
Nintendo war mit Donkey Kong und Jumpman eindeutig früher auf dem Markt, Epyx nutzte Donkey Kong als Vorlage.

Also, entweder haben sie beim Copyright geschlampt, oder sie fanden den Namen nicht schützenswert. Epyx hat tatsächlich das Trademark an dem Namen Jumpman gehabt.
Naja, im Endeffekt auch egal, dafür hat Nintendo das Mario Franchise.

Ich vermisse die Jak&Daxter Reihe, die kann man in etwa parallel zu Ratchet & Clank nennen, außerdem waren die Sly Raccoon Titel eine echte Bereicherung. Das zumindest im Zusammenhang mit der PS2.

Aus dem Bereich der Heimcomputer könnte man noch die Rick Dangerous Titel nennen. Und vielleicht noch Fire & Ice. Nebulus (Tower Toppler) war auch ein schöner Titel.

Und kann man Impossible Mission nicht irgendwie auch als "Jump & Run" einordnen? :-)

Schöner Artikel auf jeden Fall, danke für den kleinen Ausflug in die Geschichte.

Spiritogre 19 Megatalent - 13401 - 6. Oktober 2011 - 19:15 #

Wieso ist eigentlich Pong nicht das älteste Spiel? Effektiv ist doch Tennis for Two das erste bekannte Videospiel, wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, erschaffen irgendwann in den 50ern für einen Tag der offenen Tür in einem Kernforschungslabor. Und Pong ist das gleiche "in grün" nur mit anderem Namen.

Ansonsten sehr schöner Artikel, um mal wieder in Erinnerungen zu schwelgen. Die paar sprachlichen "Holprigkeiten" kann man gut verschmerzen.

Anonymous (unregistriert) 6. Oktober 2011 - 22:02 #

Voller Lücken...

Henke 15 Kenner - 3636 - 7. Oktober 2011 - 0:59 #

Ich finde, Däif hat seine Sache mehr als gut gemacht, als er diesen Artikel recherchiert hat; da kann ich ein simples "Voller Lücken..." von irgendsoeinem dahergelaufenen anonymen Proll beim besten Willen nicht nachvollziehen...

Klar vermisst man das ein oder andere Spiel, und klar, es gab wirklich tolle Spiele damals (und heute), aber all diese würden den Umfang dieses Artikels hier wohl mehr als sprengen...

Guter Artikel...Kudos dafür!

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 7. Oktober 2011 - 8:26 #

Hübscher Artikel, keine Frage. Aber Däif, ganz ehrlich: Du solltest dringend nochmal auf Fehlerjagd gehen. ;)

Anonymous (unregistriert) 3. November 2011 - 21:38 #

Für mich ist Mirrors Edge, das bedeutendste Jump and Run seit Mario. Leider von der Masse nicht so gut aufgenommen, weil das Umsehen, in einem Raum um den Weg zu finden die Fähigkeiten der meisten leider übersteigt. Vielleicht liegt es auch am Controller, mit Maus hatte ich keine Probleme mal für ne Sekunde die Beine runter zu schauen, um richtig zu springen.