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Dead Space 2 User-Artikel

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Sind sie zu stark, bist du zu schwach! Ebenso wie im Vorgänger ist auch hier kein Platz für Feinfühligkeit.
 
Die Kunst des gediegenen Grusels
 
Videospieler neigen zur Selbstüberschätzung! Zumindest falle ich dieser Theorie seit Dead Space 2 anheim, habe ich mir doch vorgenommen, dieses Stück spielerischen Kulturguts „mal eben", ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, durchzuspielen und locker aus dem Hüftgelenk einen Test aufs „World-Wide-Web-Parkett“ zu legen. Schließlich habe ich den Vorgänger nahezu dreimal durchgespielt, war mit der Necromorph-Alien-Brut auf du und du und habe die Struktur der unheimlichen Gänge der USG Ishimura als Nahtmuster in meiner Westentasche verewigt. Was zur sprichwörtlichen Hölle sollte mich also mit Version Zweipunktnull schon erwarten, das mich aus dem Konzept bringen könnte? ... nach 5 Minuten aktiver Spielzeit saß ich jedoch schon wieder mit den Knien unterm Kinn, den Controller weit von mir gestreckt, wimmernd mit mir selbst redend und komplett verkrampft vor dem Bildschirm. Durchspielen ohne mit der Wimper zu zucken? Ich kann wohl froh sein, dass ich ohne einen akuten Herzkoller aus der Nummer rausgekommen bin. Ich werde wohl doch alt ...
Pumpe im Dauereinsatz: Schockmomente erwarten euch in der Sprawl am laufenden Band!

Aber den mitleidigen Schnack Mal beiseite: Visceral Games haben ihr tödliches Weltraumabenteuer wieder außerordentlich packend in Szene gesetzt. Rostig anmutende, in undurchdringliches Dunkel getünchte Gänge, kühle, leere Hallen einer Krankenstation und eine seltsam unwirtlich anmutende, von Leuchtreklamen durchsetzte Flaniermeile sorgen nicht unbedingt dafür, dass sich geistig stabile Menschen hier wie zu Hause fühlen. Licht glänzt auf der Sprawl nahezu komplett mit Abwesenheit, was den unheimlichen Charakter des Spiels nur noch unterstreicht. Das sorgt auch dafür, dass man als Spieler geradezu apathisch an dem dezenten Schein der Gott sei dank vorhandenen Taschenlampe festhält und mit vorgehaltener Waffe langsam und bedächtig die morbide Szenerie erforscht. Auch die widerwärtigen Necromorphs machen in Teil Zwo eine noch etwas abstoßendere Figur. Nicht nur, dass sich unter anderem mit dem Puker, dem Pack und den Crawlern neue Varianten dieser scheußlichen Weggefährten ein Stelldichein geben, nein, auch die bekannten Ekelpakete rauben einem hier mit Leichtigkeit den Schlaf. So haben die am häufigsten vorkommenden Slasher oft noch etwaige Züge der menschlichen Körper, denen sie entwachsen sind, an sich, was deren „Entsorgung“ nicht unbedingt angenehmer macht. Dass die kalifornischen Entwickler am schmalen Grad zur Perversität entlang entwickeln, dürfte hinlänglich bekannt sein, doch hier gipfelt das Ganze in mutierten Säuglingen, brutalem Spielablauf und herben Splatter-Orgien. Ein gewisser Hang zur Grenzwertigkeit lässt sich hierbei nicht verleugnen, doch ist diese Art der Inszenierung eine kohärente Weiterführung, war doch auch der Erstling nicht gerade ein Freund von Feinfühligkeit. Zart besaitete Spielernaturen sollten wissen, worauf sie sich einlassen!
 
Twinkle, Twinkle, little star …
 
Abgesehen davon, dass dieses blutige SciFi-Spektakel etwas pompöser in Szene gesetzt wurde, hat sich spielerisch gar nicht so viel verändert, handelt es sich doch immer noch um den „Über-die-Schulter-Horror-Survival-Shooter“, den wir so lieben und schätzen gelernt haben. Isaac erwehrt sich seiner tollwütigen Häscher immer noch via taktischer Zerstückelung (dem gezielten Abtrennen von Gliedmaßen), doch hat er hierbei einige neue Tricks auf Lager. Waffen wie die Javelin Gun, die elektrisch entladbare Speere verschießt, dem Detonator, der bewegungssensitive Minen an Oberflächen schleudert oder die Seeker Rifle, eine Art Scharfschützengewehr, werten die actionreichen Kämpfe mit ein wenig strategischem Kalkül auf. Die Gegnervarianten fordern oft geschicktes Umdenken von euch. Dabei fällt auf, dass häufiges Waffenwechseln von der Spielmechanik verlangt wird: Bei den im Dutzend auftauchenden Pack schnell die automatische Pulse Rifle gezückt, einen kurz darauf aufkreuzenden Slasher per gutem alten Plasma Cutter um einige Gliedmaßen erleichtert, um final einem sich versteckenden Stalker per Seeker Rifle präventiv den Garaus zu machen – so oder so ähnlich atemlos sehen Kämpfe in Dead Space 2 aus. Außerdem wird häufiger der Einsatz des bereits bekannten Stasis-Moduls, mit dem man Gegner für kurze Zeit verlangsamen kann, von euch gefordert, da eure Gegner an Schnelligkeit gewonnen haben. Die ebenfalls wiederkehrende Kinese, eine Art Telekinesis-Strahl, kommt im neuen Serieneintrag sogar ein wenig verstärkt daher, so dass man die Necromorphs jetzt auch relativ simpel mit „verschossenem“ Rauminventar töten kann.

Abschnitte in Schwerelosigkeit (dank umherschwirrender Wasser- und Staubpartikel plus erstickter Umgebungsgeräusche ein echtes Erlebnis) finden ihr Revival, die dieses Mal sogar in absoluter Bewegungsfreiheit absolviert werden dürfen. Damit  sich die Übersicht nicht komplett in den orbitalen Weiten verabschiedet, hat auch das Wegfindungssystem wieder seinen Platz im Spiel gefunden. Mit einem Druck auf den rechten Analogstick zeigt euch ein blauer Lichtschweif den Weg zu eurem Ziel. Haltet ihr diesen gedrückt, könnt ihr sogar zwischen verschiedenen Routen, zum Beispiel Missionszielen oder Speicherpunkten, wählen. Eine Übersichtskarte wurde aufgrund dieser ausgeklügelten Spielmechanik gleich komplett über Bord geworfen. Außerdem hat es ein kleines Minispiel in Form des Hackens von Computerterminals in die Hallen und Gänge der Sprawl geschafft, das den Spielverlauf zwar ein wenig auflockert, gewiss aber keinen Innovationspreis für sich beanspruchen darf. Außerdem kann Isaac jetzt durch Wartungsschächte kriechen, was einen netten Perspektivenwechsel zur Folge hat, und auf bestimmte Glaswände schießen, um Necromorphs durch den entstandenen Druck ins All zu befördern. Im Vergleich zu all den genannten Kleinigkeiten ist allerdings eine große Änderung viel weniger offensichtlich: Die Entwickler haben ihrer neuesten Horrormär einen ordentlichen Schwierigkeitsgrad auf den Leib geschneidert, was der vorherrschenden unheimlichen Atmosphäre sehr zugute kommt. Munition ist echte Mangelware, Healthpacks sind ebenfalls rar gesät und die verschiedenen Monstren langen kräftig zu. So seid ihr während des Spielens noch sorgsamer, wenn es um euer fragiles Bildschirmleben geht – ein Herzschlag bis zum Hals ist hierbei schon fast vorprogrammiert.
 
 
…how I wonder what you are
 
Grafisch zeigt sich Dead Space 2 extrem stimmig und ist für diese Art von widerwärtigem Horror schon fast erschreckend ansehnlich. Detailreiche Texturen, ein atemberaubendes Spiel aus Licht und Schatten, schöne Animationen und eine absolut ruckelfreie Präsentation auch bei mehreren auf euch zustürmenden Ungetümen zugleich. Das Artdesign ist ebenfalls wieder über alle Zweifel erhaben und trägt die krankhaften Visionen in jedem Bild mit einer gewissen Ästhetik. Gerade die im Vergleich zum Vorgänger etwas abwechslungsreicheren Schauplätze empfand ich persönlich als Bereicherung, auch wenn einige der Abschnitte, wie ein Kindergarten, erst ein wenig Eingewöhnung bedürfen. Schade nur, dass einige Menüs nicht wirklich gut einsehbar sind und die Physikengine wieder zu gutmütig reagiert (Leichen fliegen bei leichtem Dagegenlaufen wild umher, Gliedmaßen fallen bei einem Tritt sofort vom zugehörigen Torso ab), sonst wäre die Präsentation nahezu makellos fürchterlich.
 
Klangteppich und Sprachausgabe geben sich ebenfalls kaum Blöße. Gerade die entfernt wirkenden Schreie, das metallische, atonale Pochen und pulsierend einsetzende, dissonante Streicher verleihen der Angst im Kopf des Spielers Flügel. Die Sprachausgabe ist auf hohem Niveau und lässt den sporadischen Begegnungen mit anderen Charakteren und den auffindbaren Sprachmemos große Glaubwürdigkeit zuteil werden. Der Umstand, dass Isaac dieses Mal spricht (in Dead Space blieb er stumm), mag zu Beginn befremdlich sein, hilft jedoch sehr, dem Protagonisten Charakter zu verleihen. Leider kann der englische Sprecher nicht die Art von Verstörung und Verzweiflung in seiner Stimme mitklingen lassen, die für den bisherigen Leidensweg Isaacs passend gewesen wäre. Oft hört es sich so an, als käme dieser gerade vom Supermarkteinkauf mit seinen Liebsten zurück, obwohl er wenige Sekunden zuvor mit letzter Kraft sechs blutlechzenden Necromorphs und einer großen Explosion entkommen konnte. Musikalisch hält sich dieser Horror-Blockbuster klassisch bedeckt und serviert uns zu rigoros verteiltem roten Lebenssaft und glibberigem Gedärm ab und an durchschimmernde Ambientsounds, die einem gut und gerne einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen können. Alles in allem wirklich eine runde Sache!

Widerwärtig und erschreckend ansehnlich zugleich: Dank der tollen Präsentation, der am Nervenkostüm zerrenden Soundkulisse und einem abstoßenden Artdesign werdet ihr vom Horror von der ersten Minute an gepackt!
Jörg Langer Chefredakteur - P - 469800 - 3. April 2011 - 16:55 #

Schöner Test, HeadMunk!

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 3. April 2011 - 23:40 #

Vielen Dank! :)

ChrisL 30 Pro-Gamer - P - 199512 - 3. April 2011 - 19:51 #

Sehr gut zu lesender Artikel, HeadMunk. Hatte es dir ja schon per PM geschrieben, wiederhole es aber gern noch einmal hier: Besonders Einleitung und Schluss finde ich gelungen.

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 3. April 2011 - 23:42 #

Danke Chris! Auch für deine Hilfe beim Feinschliff und der Fehlerkorrektur. Weiß ja gar nicht, was ich ohne dich hier anstellen sollte! ;)

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 4. April 2011 - 1:45 #

Ja, wirklich gut geschrieben! Dennoch ist Dead Space so eine Kategorie von Spiel die mich so garnicht anspricht... :) [seinen Tee trinkt]

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. April 2011 - 8:07 #

Vielen Dank! Ja, Dead Space ist auch eines der Spiele, die nicht jedermans Geschmack sind. Sich von seinem eigenen Hobby "stressen lassen", gerade dann, wenn man eigentlich relaxed Abends ein bissle was zocken will... Ich kenne das! ;)

uLu_MuLu 14 Komm-Experte - 2109 - 4. April 2011 - 10:27 #

Also ich fand das Spiel (im Vergleich zum genialen Vorgänger) eher enttäuschend.

Ich habe mich entschieden weniger gegruselt als in Dead Space 1. Häufig war es eher Schießbude denn intelligentes Leveldesign und taktisches Vorgehen. Viele Level fand ich relativ eintönig und schlecht aneinander gereiht.

Richtig klasse waren mal wieder die Szenen auf der alten Ishimura. Dort habe ich mich an den selben Stellen wie früher erschreckt, obwohl ich es schlecht finde, dass Visceral dort Recycling vorgenommen hat.

Die meisten neuen Gegner sind richtig schlecht designt, vorallem die Kinder, die einfach nur sinnlos angerannt kommen. Zwei "Zwischenbosse" wiederholen sich zudem noch: Schlecht...^^

Besonders schlecht und nervig empfand ich das Ende des Spiels auf dem Weg zum Finale (30 Minuten). Die Synchronisation (auf deutsch) ist zudem äußerst mieß. Unbedingt auf Englisch spielen. Die Quicktime-Events wirken uninspiriert.

Trotzdem sehr schöner Test, obwohl Du die Fanbrille absetzen solltest. Man merkt doch an manchen Ecken, dass Du sehr euphorisch bist.

Wahrscheinlich gefiel mir Dead Space 2 deshalb nicht so sehr. Meine Erwartungen waren wohl exorbitant hoch. Das kann kein Spiel erfüllen... ;-)

Ich würde dem Spiel eine 82% geben...

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 5. April 2011 - 18:34 #

Deine Einstellung zum Spiel ist absolut legitim, allerdings muss ich mich (für meinen eigenen Seelenfrieden! ^^) von der Beschuldigung der "Fanbrille" freisprechen: Gerade weil ich ein großer Fan des Erstlings bin (so wie du) hat sich ein wenig Ernüchterung über den Nachfolger und seine wenigen Neuerungen zum Ende hin breit gemacht. Trotzdem kann man aber in meinen Augen nicht von einer rigorosen Enttäuschung sprechen:

Das Leveldesign finde ich im Großen und Ganzen sehr gelungen (wie geschrieben). Eintöniger sind die verschiedenen Abschnitte in meinen Augen auch auf keinem Fall, schließlich schlendert man hier durch ein Wohngebiet, Ladenzeilen, eine Unitology-Kirche, einem Abschnitt unter Kontrolle einer künstlichen Intelligenz und noch einigen anderen Szenerien. Gerade der Vorgänger muss sich hier eher etwas Monotonie und Recycling-Attitüden gefallen lassen (auch wenn ich persönlich keinen dieser Punkte als störend empfand). Außerdem gehen die verschiedenen Abschnitte im neuen Teil flüssig ineinander über, wohingegen zuvor immer die Tram als Kapitelende und Anfang herhalten musste. Als Schießbude sehe ich die verschiedenen Level auch nicht gerade, allerhöchstens hat man sich mittlweile daran gewöhnt, an welchen Stellen die Entwickler gescriptete Alienangriffe platziert haben. Überrascht zusammengezuckt bin ich aber trotzdem des öfteren.

Das Ende empfand ich persönlich auch nicht als besonders gelungen, da hat der Erstling auf jeden Fall eine bessere Figur gemacht, genau so wie mit den Boss-Schmarmützeln, die sind im Nachfolger ja nahezu nicht existent.

Mit meinem Test habe ich versucht einen Mittelweg zwischen Fan und Neutrum zu finden: Das Spiel bietet wenig neues, ist aber in meinen Augen fast über die komplette Spielzeit wieder wunderbar gelungen und gerade die erste Hälfte hat mich wirklich umgehauen. Nur auf lange Sicht kann Dead Space 2 nicht mehr ganz so begeistern, wie es der Erstling tat. Im Vergleich dazu hatte Teil Zwo aber auch nie eine wirkliche Chance: Dead Space kam aus dem nichts und hat alle Horror-affinen Zocker einfach nur weggeblasen, auf Dead Space 2 ruhten von vornherein schon so große Erwartungen, dass diese einfach nicht auf ganzer Sicht erfüllt werden konnten. Trotzdem darf man nicht überseehn, dass es einfach ein ziemlich gelungener Titel ist.

Chuppi (unregistriert) 5. April 2011 - 19:21 #

Bietet im Prinzip mehr vom Gleichen in etwas bombastischerer Inszenierung.Von daher keine wirklichen Beschwerden,wenn auch kein Preis für Innovation.
Was mich aber wundert,ist was hier durch die USK ging,ohne beanstandet zu werden.
Ich bin sicher der letzte,der nach Zensur schreit,ich will damit nur sagen,daß die Entscheidungen dieser Stelle mir immer wieder kryptisch und schwer nachvollziehbar erscheinen.

B4ck7p 14 Komm-Experte - 2511 - 4. April 2011 - 12:29 #

@HeadMunk

Du könntest noch in dem Kasten "Versions-Info" angeben das der Singleplayer-DLC 'Severed' inkompatibel mit der deutschen Fassung des Spiels ist, und bis heute auch nicht in Deutschland erschienen ist (Und das wahrscheinlich auch nicht mehr tun wird.).

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 9. April 2011 - 14:04 #

Danke für den Hinweis! Habe ich gleich mal in die Info-Box mit aufgenommen!

Kriegiversum 05 Spieler - 42 - 9. April 2011 - 7:43 #

Schön geschriebener Test. Zum Spiel selbst muss man kaum was sagen: Gutes noch besser zu gestalten und dabei innovativ zu sein ist schwer ohne alte Fans zu riskieren. Daher versuchen dies leider auch nur sehr wenige Entwickler.

HeadMunk 14 Komm-Experte - 1874 - 9. April 2011 - 14:06 #

Danke für das Lob. Stimmt schon, Visceral Games sind einfach auf Nummer Sicher gegangen, was man ihnen bei der enormen Erwartungshaltung auch nicht wirklich übel nehmen kann. Schade ist es trotzdem irgendwie. Aber wir Gamer sind halt auch ein sehr anspruchsvolles Publikum! ;)

McFareless 16 Übertalent - 5567 - 7. August 2011 - 23:58 #

Mir gefällt der Test auch sehr gut :) Wollte ich nur kundtun :D