Schon vier Tage "Jörg in Tokio", und ich habe euch noch nicht mit etwas unerträglich Süßen zugeworfen. Na gut, bitteschön. Und damit willkommen zu Tag 5 meiner Foto-Story anlässlich der Tokyo Game Show, die heute nachmittag mit dem zweiten Public Day zu Ende gegangen ist. Die vorigen vier Teile könnt ihr bequem unten anklicken.
Noch mal zum Bild: Ihr erkennt unschwer, dass es sich um einen Hello-Kitty-Spezialladen handelt, und auf solche speziellen Shops stehen die Japaner wohl noch mehr als Europäer und Amerikaner. So gab's dann auch zwei Läden weiter einen Shop, in dem es...
... ebenfalls nur Kätzchen-Sachen gab, dieses Mal aber für richtige Vierbeiner. Wieso die Schaufenster so wenig einladend aussehen, weiß ich übrigens nicht, normalerweise sind Japaner bei Ladendekos und auch Verpackungen absolute Weltmeister. Euch fallen allerdings sicher die Katzenpfoten- und Katzenkörpergroßen Aussparungen in der gelben Folie auf, durch die man in den Laden hineinsehen kann, wo es dann etwa Kratzbäume gibt. Soll wohl die Neugier anstacheln.
... hier gibt's wider Erwarten keine Lilliput-Kinder zu kaufen, sondern es handelt sich um ein von mir von schräg oben, durch eine Glasscheibe hindurch fotografiertes Fenster in einem Hochhaus gegenüber, das den Blick auf einen Kindergarten freigibt. Also mir wäre es als Vater nicht so Recht, wenn meine Kleine(n) so für jeden vorbeilaufenden Passanten (ich stand auf einer Art über die Straße gezogene Fußgängerzone) ausspähbar sind. Und etwas mulmig wurde mir auch, die Kleinen so direkt am Fenster kleben zu sehen. Aber immerhin können sie sich schon mal früh an das gewöhnen, was sie zumindest in Tokio sowieso erwartet: Menschenströme und Wolkenkratzer.
Wer nun aber denkt, süßer geht es nicht mehr, der blättere weiter.
Wer schon vor einem Jahr dabei war bei meinem TGS-Fotoroman, der kennt sicherlich meine Vorliebe für Pockys. Bei uns heißen ähnliche mit Schoko überzogene dünne Kekssticks Mikado (falls es sie noch gibt), aber bei Pocky handelt es sich um eine ganz andere Dimension. Ihr seht ihr eine kleine Auswahl (ehrlich!) der Pocky-Sorten, da ich nur in einem kleinen Convencie-Store war, um das Foto zu machen (aber selbst im allerallerkleinsten Famima, Family Mart, gibt es noch mehrere Sorten-Pocky, darauf kann man wetten). Der neueste Schrei scheinen die Packungen in der Bildmitte zu sein, die rötliche beziehungsweise weiße mit dem grünen Rechteck vorne drauf. Das ist dazu gedacht, selber was draufzuschreiben. Wie kreativ!
Wen nun aber interessiert, für welche dieser vielen Sorten ich mich als fortgeschrittener Pocky-Kenner entschieden habe, der bekommt exklusiv als Abonnent nachher die Auflösung. Ihr könnt ja mal raten. Ja, und ich weiß, dass dieser Cliffhanger uns Tausende neuer Abonnenten hereinspülen wird, ist ja gut.
Wo wir gerade beim Essen sind. Es darf einfach keinen Jahrgang "Jörg in Tokio" geben, ohne dass ich mindestgens zwei Automaten-Bilder bringe. Ihr wisst wahrscheinlich schon, dass es in Japan überall Automaten gibt, aus denen man sich insbesondere Getränke, aber auch Elektronik, frische Erzeugnisse der örtlichen Bauern, Ramen-Nudeltöpfe und was weiß ich noch holt. Für Touristen wie mich immer wieder eine Überraschung: Kaffee in Dosen wird hier von vielen Automaten direkt nach dem Bezahlen in Sekundenschnelle erhitzt. Wobei es natürlich auch dediziert kalten Kaffee gibt. Vorsicht aber bei "Ice(d) Coffee", das ist wirklich Kaffee mit Eiswürfeln drin, nicht etwa Vanille-Eis mit Kaffee. Wer das wiederum will, muss in eines der italienischen Restaurants gehen und das Glück haben, dort einen Affogato serviert zu bekommen: Eiskugeln, über die man sich einen frischen Espresso kippen darf.
Aber wir schweifen ab, denn ich will euch jetzt einen linguistisch wirklich lustigen Automateninhalt vorstellen.
Diese (übrigens gar nicht mal schlecht schmeckenden, da wie viele Essen- und Trinkendinge in Japan nur spärlich gesüßten) Limonadenflaschen enthalten doch tatsächlich den Aufruf: "Let's vitamin".
Es wurde also einem Nomen oder auch Hauptwort die grammatikalische Rolle des Verbs gegeben. Wie es dazu gekommen ist? Mal abgesehen davon, dass in Japan Englisch zwar mit ungeheurer Vehemenz an den Schulen und auch privat geleert wird -- schätzungsweise 33% aller längere Zeit in Japan lebender Ausländer dürften Sprachlehrer sein oder zumindest als Sprachlehrer ins Land gekommen sein --, aber eher schlecht als recht gesprochen wird? Keine Ahnung. Vielleicht sollte es mal heißen "Let us all drink a lot of vitamins" oder "Let's have our daily dose of vitamin", und das wurde dann verkürzt. Aber eigentlich ist das egal, denn mir hat sich damit schlagartig eine ganze Ebene nie gekannter Sprachvielfalt eröffnet. Einige Beispiele gefällig?
Let's fat (Bei McDonald's essen)
Let's puppy (Sich auf süß herausputzen)
Let's bed (schlafen gehen)
Let's Messebabe (auf der TGS Frauen fotografieren)
Let's plane (von Tokio wieder nach Hause fliegen, schnief)
Ich schlage außerdem noch vor: Let's play (Ein Theaterstück besuchen, statt etwa beim Konsum schlecht moderierter Spielemitschnitte zu verdummen).
Okay, der Herdentrieb ist gerade uns Deutschen sicher nicht unbekannt, aber ob diese vier (4) Japaner wirklich einen Guide mit Flagge brauchen, um auf einer relativ menschenleeren Bahnhofsstation am frühen Abend nicht verloren zu gehen?
Ich jedenfalls beschloss, keiner Flagge und auch keinem schriftlichen Reiseführer nachzulaufen, sondern auf eigene Faust ein wenig Nachtleben zu erleben. Freut euch nicht zu früh, für mich heißt Nachtleben nicht etwa Feiern, Frauen und Fusel, sondern in der (fremden) Gegend herumzulaufen und dann irgendwo Essen zu gehen. Let's dinner, sozusagen!
Und so beschloss ich, einen in meinem Reiseführer mit ungefähr vier Zeilen als "beliebter Einkaufs- und Restaurantbezirk" vorgestellter, mir aber bislang unbekannten "Ko" Tokios zu besuchen, Kagurazaka. Und nein, ich habe nicht gelogen unter dem letzten Bild, schließlich habe ich den Reiseführer im Hotel gelassen, statt ihn vor mir herzutragen.
Das Foto entstand übrigens kurz nach 18:00 Uhr, was mal wieder beweist: Die Japaner sollten ihre Uhren generell mal umstellen, denn hell wird es gegen 4:30 Uhr morgens. Let's sun!
Kagurazaka war mir auf Anhieb sympathisch. Man läuft von der unscheinbar zwischen zwei Häusern befindlichen U-Bahn-Eingang einen kleinen Hügel runter, die Straße ist relativ eng und es fahren auch nicht viele Autos, und links und rechts reiht sich ein kleiner Laden oder ein kleines Restaurant an den / das andere. Ich beschloss dann aber nach einer Weile, die Hauptstraße zu verlassen, und einfach mal in die Nebenstraßen auszuweichen. Wohlgemerkt, nicht in die Nebengassen, das sind teils nur zwei Meter breite Wege Marke Hinterhof, die dann aber doch immer wieder an Kneipen oder ähnlichem vorbeiführen, so mutig fühlte ich mich dann doch (noch) nicht. Anders formuliert: Let's chicken!
Völlig durch Zufall schaute ich beim Vorbeigehen auf ein unscheinbares Mietwohnungenhaus (nach dem, was ich von unten sehen konnte), und siehe da: Hier hat wohl Hama, ein nun wirklich nicht kleiner deutscher Peripherie- und-was-weiß-ich-Anbieter, anscheinend seine Japan- oder zumindest Tokio-Niederlassung. Vermutlich eher ein Vertriebsbüro.
Weiter ging's, und so langsam bekam ich Hunger und beschloss, einfach mal in irgendeines der vielen kleinen Restaurants (die hier aber, ein paar Querstraßen vom Trubel entfernt, nicht mehr gar so zahlreich waren) zu gehen. Und mit "klein" meine ich im konkreten Fall: Vier Tische und ein Tresen mit noch mal etwa fünf Sitzplätzen. Dafür aber dann mindestens zwei Bedienungen plus zwei Köche.
Ich bin nachträglich sehr stolz auf mich, denn während es in fast allen Restaurants, in denen ich in Japan bislang gewesen bin, eine englische Speisekarte gab, war das hier nicht der Fall. Ich habe euch mal markiert, an was ich mich dennoch auf der handschriftlich angefertigten Karte (übrigens im DIN/A6-Format) so orientierte.
Linke Seite, links oben: Oh Gott, lass das nicht ein Icon für "Hundekacke" sein. Sollte aber wohl einfach "Favorit" bedeuten.
Linke Seite, rechts oben: Oh nein, es gibt hier Katzenfleisch! Aber bei der Vorliebe der Japaner für Kawaii heißt das wohl auch einfach: "Alles gut hier".
Linke Seite, Mitte: Ein Fisch! Fisch mag ich, also kann ich beruhigt etwas bestellen.
Rechte Seite, rechts: Das einzige Englisch im Restaurant. Ich schlussfolgerte, dass es wohl um Sushi oder Sashimi ging, von denen "jede Portion 500 Yen" kostet.
Also, alles kein Problem, und schließlich kann ich ja ein paar japanische Wortfetzen wie "Hiervon noch eins!" (sehr praktisch! Spricht sich wie "Muo chtotze kudasei") oder "Bitte kalkulieren" (okaike onigaishimasu, so fragt man nach der Rechnung. Und nach dem Klo fragen kann ich auch). Also noch schnell "Sake" bestellt (heißt auf Japanisch aber einfach "Alkohol") und das Beste hoffen. Habe ich erwähnt, dass die sehr nette Bedienung sehr wenig Englisch sprach? Na dann lassen wir uns mal überraschen!
Ziel übererfüllt: Statt eines Gläschens Sake erhielt ich eine Art Sake-Verköstigung, aus drei riesigen Flaschen wurden mir drei, ja doch, Wassergläser voll eingeschenkt. Die Erklärungen zu den Sake-Flaschen habe ich natürlich nicht verstanden.
Ich hatte gehofft, dass es Sashimi sein würde, und es war Sashimi. Allerdings eine Ladung, die für drei Gäste gereicht hätte. Da ich das alles lecker fan, aber beim Aal (oder was das in der Nähe der Blatt-Verzierungen ist, mit dem blutigen Teil in der Mitte) dankend abwinkte, habe ich trotzdem alles runterbekommen. Was heißt runterbekommen? Es war ausnhemend lecker, passte perfekt zum Sake, und ich war pappvoll und zufrieden...
Relativ aufgekratzt, mit meinem Schuss ins Blaue so ein Glück gehabt zu haben, ging ich Richtung der Bahnstation zurück, kam aber leicht vom Weg ab und an einer Art Straßenfest vorbei. Da es erst gegen 21 Uhr war, wanderte ich dort hinein, eine Treppe hoch...
Und stand vor einem Tempel, oder genau genommen (habe mich nachträglich informiert), vor einem Schrein. Schreine haben mit der älteren Shinto-Religion zu tun, ihr wisst schon, Götter überall, mindestens in jedem Bach und jedem zweiten Felsen, während Tempel in Japan buddhistisch sind, ganz andere Baustelle, also.
Der Tempel war direkt zwischen zwei Mietskasernen geklatscht, oder besser gesagt, die Mietskasernen sind irgendwann in die Höhe gewachsen, nehme ich mal stark an.
Jedenfalls sah ich geraume Zeit fasziniert zu, wie vom Fest unten Leute hochkamen, sich vor den Schrein stellten, sich zweimal verbeugten, dann zweimal in die Hände klatschten, dann nochmal eine Verbeugung machten, und dann ein paar Münzen hineinwarfen. Manche verbeugten sich dann nochmal, andere drehten sich gleich wieder um.
Wieder zurück auf der Hauptstraße und bergauf (so konnte ich die U-Bahn nicht verfehlen), kam ich an einem Laden vorbei, dessen Spezialität (auch auf Englisch geschrieben) Fugu-Fische sind. Ihr wisst schon, die, die man nur von Meisterhand zerlegen und zubereiten lassen sollte, weil sie hochgiftig sind. Ich vermute mal ganz stark, dass die im von außen sichtbaren Aquarium herumschwimmenden beiden Fische also Kugelfische sind. Wusste nicht, dass die dermaßen hässlich aussehen.
Nachdem ich durch Zufall einen Shinto-Schrein besucht hatte, kam ich dann noch an einem buddhistischen Tempel vorbei, nicht weit entfernt. Der aber war verschlossen, so mit eisernem Tor und so. Beim Shinto-Tempel gab's erst gar kein Tor, wenn ich das nicht übersehen habe.
Und dann, es war erst um die 22 Uhr, habe ich mich doch noch in eine der Minigässchen getraut. Und ein französisches Restaurant (dem Namen nach, drinnen saßen Japaner und wurden von Japanern bekocht und bedient) gefunden. Es hat schon was, in Japan ein auf Keltisch getrimmtes (und auch nach Guiness schmeckendes) Starkbier einer bretonischen Brauerei ... hab's gegoogelt ... zu trinken!
Der heutige Sonntag begann für mich mit einer Variation meines Standardfrühstücks: Grüner Tee in der Literflasche, leckerer Sandwhich vom Convenience Store und, Neuentdeckung, Matcha Latte von Starbucks aus der Dose, sozusagen!
Vor allem auf Odaiba habe ich mich herumgetrieben, dieser künstlichen Halbinsel, die ein beliebter Ausflugsort ist (und auch mir sehr gut gefällt, ganz offensichtlich). Diese beiden Fritzen heißen wohl übersetzt Himmelsbären. Wieso sie so traurig sind und einen so nach Hundeexkrement aussehenden Schal tragen müssen, erschließt sich mir jedoch nicht.
Ebenfalls erschließt sich mir nicht die Logik hinter folgender Idee (die ich genauso auch schon bei Starbucks in Japan erlebt habe): Da bietet ein Einkaufszentrum "Free WiFi" an, man registriert sich und bekommt das Passwort ... an seine E-Mail-Adresse geschickt. Aber die E-Mail kann ich doch nur abrufen, wenn ich schon einen WiFi-Zugang oder Datenfunk habe!
Kleine Pointe: Stunden später habe ich noch mal versucht, mich einzuloggen, mittlerweile hatte ich die E-Mail über ein anderes WLan-Netz (Docomo, die bieten für 7 Euro einen 7-Tages-Zugang an gerade, und sind relativ weit verbreitet, aber doch schlechter, als ich dachte). Ging nun mein kostenloser Odaiba-WiFi? Nein, logischerweise war mittlerweile die Zeit abgelaufen.
Aus den ungefähr 50 Restaurants in drei direkt nebeneinander liegenden EInkaufszentren habe ich mir heute abend ein japanisches ausgesucht, also mal ganz was Neues. Und die hatten für etwa 40 Euro ein Mehrgänge-Menü, hier der sehr reichliche Vorspeisenteller (wohlgemerkt, für eine Person).
Dazu bestellt habe ich mir ein "Redeye". Das ist keine japanische Erfindung, sondern schlicht Bier und Tomatensaft gemischt. Habe ich glaube ich vor 20 Jahren mal im Flugzeug getrunken, seitdem nie wieder. Und ich weiß nun, weshalb nicht mehr ...
Hier dann fünf Köstlichkeiten oder so, von denen die Garnele links das leckerste und die speckummantelte Zucchini-Scheibe (2. von rechts) die zweitleckerste war. Allerdings war das ganze Essen bis hierhin ziemlich ölig, was ich für Japan eher ungewöhnlich finde.
Als Hauptgang vor der einen (1) Kugel Vanilleeis gab es dann etwas, was ich schon immer mal essen wollte: Wagyū-Rindfleisch. Ob es das jetzt tatsächlich war (eigentlich sind dafür 40 Euro für ein Menü viel zu billig), sei dahingestellt, vielleicht mag mir einer der Japanischkundigen hier das kleine rote Schildchen übersetzen, worauf vermutlich "Haha, reingelegt, Langnase" steht.
Aber das nur zart angebratene Fleisch war das Highlight des Menüs, etwas fett (so soll es aber wohl sein) und grob gesalzen, und auch sehr reichlich auf den Teller gelegt. Naja, insgesamt würde ich dem gestrigen Restaurant deutlich mehr Punkte geben, aber ich habe schon schlechter gegessen.
Bitte schaut euch diese Aufnahme, die ich in der Nähe "meines" Restaurants gemacht habe, in Großaufnahme und in Ruhe an. Die Sätze darauf sind auf so vielen Ebenen falsch oder auch einfach nur saukomisch ("castmer" heißt z.B. Customer), dass ich euch an meiner Freude durch Selbstentdecken teilhaben lassen will.
Und damit endet diese Reisereportage für die meisten von euch, whrend die Abonnenten noch drei Odaiba-Fotos, das Gegenstück zum ekligsten Burger der Welt (nämlich den ekligsten Trank der Welt) sowie die Auflösung des Pocky-Rätsels von weiter vorne erhalten.
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