Willkommen zum 4. Teil von Jörg in Tokio. Heute war der 2. Business-Tag auf der TGS, es war aber auch ein Tag der Missverständnisse für den Japanonauten vom Dienst. Außerdem belohne ich mich auf einer Vergnügungsinsel, schaue in ein Leisureland, traue mich aber nicht in das "Joypolis", stelle einen Original-und-Fälschung-Test an und treffe den nussigen Bayern.
Der heutige Freitag sollte eigentlich der erste Tag seit Montag sein, an dem ich mal auf mehr als vier Stunden Schlaf komme. Den Wecker also auf 10:00 Uhr gestellt, und was passiert? Punkt 6:55 fängt direkt vor meiner Zimmertür eine chinesische Großfamilie zu schnattern an. Das Schnattern, Klopfen, Bohren und Schreien geht bis exakt 7:55, woraufhin ich beschließe, nun auch nicht mehr auf den Wecker zu warten. Vermutlich sollte ich den Nerv-Chinesen aber dankbar sein, denn ...
... so bemerke ich beim Herumkramen nach den Kopfschmerztabletten eine unter der Tür durchgeschobene Notiz, die besagt, dass "irgendwann heute zwischen 10 und 17 Uhr" meine Fenster geputzt werden. Das wiederum ruft mir ein anderes Notizblatt in Erinnerung zurück (links zu sehen), das ich erstmals bewusst lese: Meine Fenster verfügen über keine Privatsphärenschutz-Folien! BITTE WAS? Ich hätte also nicht die letzten Tage in jeder freien Minute komplett NACKT auf dem Fenstersims herumtanzen sollen und dabei OBSZÖNE GESTEN machen? Das konnte tatsächlich jeder sehen, der in einem benachbarten Hochhaus aus dem Fenster schaute?
Und da ich nachts tatsächlich gerne die Jalousien oben lasse, weil ich das einfach nett finde (siehe meine Ausführungen zum Zimmer aus Tag 1, 2 und 3), bin ich wohl haarscharf einem perversen Fensterputzer entgangen, der mich sonst sicher kurz nach 10 im Badezimmer überrascht hätte.
Zum Beweis: Die Festerputzer rücken tatsächlich an. Mich aber quälen längst andere Sorgen: Soll ich zur Messe gehen oder doch weiterschlafen, jetzt, wo ich die Rollos runtergemacht habe (geschlossene Rollos helfen übrigens auch dabei, dass die Pockys nicht schmelzen, die man in der Nacht zuvor auf dem Fenstersims vergessen hat). Natürlich entscheide ich mich für die Pflicht!
Dieses Bild zeigt nur einen Teil des Tokioter Bahnnetzes (diverse Linien fehlen). Ich muss von A (Tokyo Station) nach B (Kaihimmakuhari). Die Strecke führt erst unterirdisch aus der Innenstadt heraus und dann bis zur Messe direkt an der Tokyo Bay entlang. So auch heute: Wir fahren an der Küste entlang und biegen dann nach links ab, weg von der Küste. Entdeckt ihr den Fehler?
Schlagartig fällt es mir wieder ein, weil mir das vor Jahren schon mal passiert ist: Es fahren zwei Linien zur Makuhari-Messe, eine abwechselnd als "Rapid" und dann wieder langsam, jede Station abklappernd. Und die andere fährt mal zur Messe, mal ganz woanders hin. Ratet mal, für welche dieser vier Optionen ich mich instinktiv entschiede habe heute! Das Ausrufezeichen im Bild markiert den Point of Return, denn...
... von der nächsten Haltestelle, Nishi-Funabashi (im vorigen Bild: C), aus, dauert das Zurückfahren, Umsteigen, und Richtigweiterfahren rund eine Stunde, sagt meine trains.jp-App. Und die hat immer Recht!
Also muss ich erstmals auf der Reise selbst auf den Streckenplan schauen und erreiche, ich bin sehr, sehr stolz auf mich, irgendwie Makuharihongo, von wo ich zur Nachbarstation Keisei-Makuharihongo (D) wechsle, wo mal so richtig was los ist, siehe Foto. Dort steige ich dann in einen Bus zur Messe, wo die nächste unschöne Überraschung auf mich wartet ...
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Meine erste Busreise in Japan! Aufgeregt betrete ich das Gefährt und patsche meine Suisa-N'EX-Karte auf die Kontaktstelle. Dann zuckelt der Bus so pfeilschnell durchs städtische Nirgendwo, wie das Busse nun mal tun. Trotzdem kommt schneller als befürchtet das Ziel in Sicht. Beim Aussteigen verlasse ich dort, wo ich gesessen habe, ganz hinten, den Bus. Komischerweise bin ich der Einzige, alle anderen steigen ganz vorn beim Fahrer aus. Nur, wieso? Und schauen da nicht zwei japanische Omas eher abfällig in meine Richtung, in etwa so, wie man einen Kirschendieb anschaut?
Da wird mir klar: Natürlich muss man auch beim Aussteigen die Karte zücken, damit der Betrag abgebucht werden kann. Und das geht wohl nur vorne, sodass Nicht-Karten-Besitzer gleich beim Fahrer bezahlen können. Ich drängele mich nun also von außen vor die weiteren noch Aussteigenden, um meinen Fehler wiedergutzumachen. Das aber will nun aber der Busfahrer unterbinden. Nicht mein Tag!
Zum Glück ist die Tokyo Game Show noch da, auch wenn die Anreise nun doch etwas länger als gedacht gedauert hat. Erkennt ihr einen der beiden Herren im Foto?
Aber noch mal zum Thema "Nicht mein Tag": Ich will heute als Erstes Deep Down probespielen, was so eine Art Dark Souls werden dürfte (meine Probespielversuche schildere ich anderswo irgendwann). Ich gehe also an den Sony-Stand, dort zu PS4, schiebe mich ein wenig an den vielen Leuten vorbei, die auch Deep Down sehen wollen, sich aber irgendwie nicht rantrauen.
Als ich bereits direkt hinter dem gerade Spielenden der von mir ausgewählten Station stehe, werde ich eher bestimmt von der Seite angesprochen. Nur, was will der aufgeregte Mensch? Um es kurz zu machen: Man hat sich auf japanischen Messen auch als Journalist brav anzustellen, oder aber einen Press Pass des jeweiligen Herstellers (!) abzuholen, und sich dann in die VIP-Schlange einzureihen, aber auf jeden Fall muss man in eine Schlange. Eine Schlange jedoch, die Nicht-Japaner nicht unbedingt als solche erkennen. Aber als Ausländer hat man wohl Narrenfreiheit, ich darf bleiben...
Diesen Dreien habe ich ein paar Minuten zugeschaut, als ich in einen leeren, kaum beleuchteten Teil von Halle 8 gelaufen bin. Offensichtlich eine Generalprobe. Nachdem ich genug Schulmädchen-Synchrontanzen gesehen hatte und gerade wieder gehen wollte, kam ein halbes Dutzend Hallenarbeiter und begann, den Bereich abzusperren. Mag Zufall gewesen sein, aber vielleicht hatte das vor meinem Besuch niemand für nötig gehalten, weil japanische Fachbesucher nicht einfach in leere, kaum beleuchtete Hallenteile marschieren.
Ich muss mal wieder zu einem Hotel, und nutze die Gelegenheit, euch etwas sehr Praktisches zu zeigen: Die Fußgänger-Überführungen, die sich quasi flächendeckend zwischen der Makuhari-Messe und den umliegenden Hotels erstrecken. Man kommt fast überall hin, ohne eine Straße überqueren zu müssen. Das spart Zeit, zumal Japaner die besseren Deutschen sind und nicht nur wie wir im Auto an roten Ampeln warten, auch wenn weit und breit kein Lebewesen oder Auto zu sehen ist. Nein, sie warten auch an Fußgänger-Ampeln, wenn weit und breit kein Auto zu sehen ist.
Zurück auf der Messe wird es spannend für mich. Seit gestern freue ich mich auf diesen Moment (wenngleich auch nicht aufs unweigerliche Anstehen. Als Journalist dauernd anzustehen, bin ich einfach nicht gewohnt). Wo war ich? Ach ja, ich bin aufgeregt ...
Damit man Besucherinnen (im Foto: links) und Hostessen (im Foto: rechts) erkennt, hat Sony letzteren sicherheitshalber "Xperia" auf die Wange und über den Busen geschrieben. So, und jetzt atmet noch mal tief durch, den nach dem nächsten Klick seht ihr...
Nachdem die nette Hostess merkte, dass ich kein Japanisch kann, fragte sie mich übrigens auf Englisch "Which game? Easy game or hard game?", und beschloss dann, ohne meine Antwort abzuwarten: "Easy Game!". So durfte ich ich die tolle 3D-Superbrille mit einem 2D-Runner ausprobieren, wobei mir noch, das ist jetzt die reine Wahrheit, abwechselnd Daumen und Zeigefinger behutsam zu den richtigen Tasten geführt wurden. Wer kein Japanisch kann, ist nämlich vielleicht doof! (Ich durfte nach leisem Protest dann auch noch was anderes ausprobieren). Hat sich die Stunde Anstellen, vom sanften Fingerkontakt mit einer Messehostess natürlich mal ganz abgesehen, gelohnt? Verrate ich ein andermal.
Eigentlich müsste ich jetzt die Messe verlassen, denn der Sony-Computer-Entertainment-Chef Andrew House wartet in der Sony City (siehe Tag 2) auf mich. Naja, auf mich und zehn andere, aber immerhin. Ein kurzer Blick auf die Uhr: Könnte noch reichen! Aber wird knapp! Zur Erklärung: Nachdem ich gestern mein Priority-Armbändchen für Battlefield 4 verloren habe, mir ein neues holte, dann nicht mehr zum Spielen kam und schließlich extra das Ding über Nacht drangelassen habe (ich verweise auf unser E3-Tagebuch), musste ich es einfach nutzen...
... und mich an der BF4-Schlange vorbei drücken, diesmal ganz offiziell. Ich bin in Team Blau, einer von 16 unerschrockenen Kämpfern. Und so weiter, aber um es kurz zu machen: Ich habe noch auf dem Weg zur Bahnstation realisiert, dass ich es unmöglich zum Andrew-House-Interview schaffen werde. Schade, dabei hatte ich ihn am Vortag zweimal zufällig getroffen, und er hat mir gesagt, dass er sich auf mich freut. War bestimmt ganz enttäuscht, der Arme!
... mit der Beobachtung meiner Mitreisenden. Die Japaner pennen ja gerne im Zug, was bleibt ihnen anderes übrig, bei gerne mal 3 bis 4 Stunden Pendelzeit pro Tag. Bei ihm hier frage ich mich, ob er es schaffen wird, wachzubleiben. Was meint ihr?
Und noch einer. Ihr könnt zwei Dinge erkennen: Die Preise sind wirklich okay, und es gibt keine benutzte Mädchenhöschen zu kaufen. Auch bei den 200 anderen Vending Machines nicht, die ich bislang gesehen habe. Etwas anderes gibt es auch nicht in japanischen Münzautomaten zu kaufen: Snacks. Es gibt alles mögliche, aber keine Snickers oder so etwas, wieso auch immer. Das ist schade, denn bis auf einen winzigen Hühnchenspieß habe ich den ganzen Tag über noch nichts gegessen.
Erinnert ihr euch an eines meiner "Nachtfotos mit h" aus dem Hotelzimmerfenster, auf dem ein Riesenrad in der Ferne zu sehen war? Das ist es aus der Nähe, ich bin auf der künstlichen Insel Odaiba angekommen.
... und komische Begrüßungen. Wie überhaupt das von Japanern benutzte Englisch eine Sache für sich ist, über die sich viele, viele Fotoreportagen (die es auch längst im Internet gibt) füllen ließen.
Odaiba ist offenbar für Japaner ein begehrtes Reiseziel, der ganze Ort ist so ein wenig nach amerikanischem Strandleben, oder was sich Japaner drunter vorstellen, aufgemacht. Es gibt riesige Malls, Vergnügungsparks, mehr Restaurants als sonst in Tokio üblich (und das will was heißen!), und eine riesenhafte, mehrstöckige Strandpromenade. Nur den Strand, den finde ich nicht. Aber was fotografieren die Touris hier denn so angestrengt?
Habe ich es nicht gesagt: "Amerikanisches Strandleben, oder was sich Japaner drunter vorstellen." Die Brücke dahinter ist übrigens echt, sie heißt Rainbow Bridge und verbindet Odaiba mit dem Festland.
Aber trotz Bärenhunger habe ich den "Nutty Bavarian" dann doch lieber rechts liegen gelassen. Da seht ihr, liebe Mitbürger in Bayern, was 100 Jahre CSU-Herrschaft anrichten! Wollt ihr weiter als "verrückte" oder "nussige" Bayern gelten im Ausland? Wollt ihr das? Warum habt ihr dann bei der Landtagswahl letzte Woche diesen Seehofer gewählt?
Ihr kennt das: Zu viel Auswahl kann auch nicht gut sein. Und das ist nur die Auflistung aller Restaurants in einer der, keine Ahnung, vielen Malls auf der Promenade.
Ich habe mich dann schließlich für ein authentisches japanisches Restaurant entschlossen, Hula Burger oder so ähnlich, wo ich mit dem typisch japanischen Gruß "Aloha" begrüßt wurde. Und jetzt extra für euch: SO sieht das von mir bestellte Essen in Plastik aus, und ...
... so auf meinem Teller. Schon erstaunlich, oder? (Ich vergebe trotzdem nur 9 von 10 Punkten, denn die Zwiebelringe waren in der Plastikversion nicht enthalten). Übrigens der beste Burger, den ich in einer langen Zeit gegessen habe, auf der anderen Seite war ich ausgehungert.
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