Früh am Morgen ist in Shibuya die Welt noch in Ordnung. Will heißen: Nahe der Shibuya Crossing kann man noch problemlos den Erdboden sehen, die Riesenbildschirme sind noch aus und selbst die Pachinko-Hallen verunreinigen noch nicht die Gegend mit ihrem unablässigen Stampf-Plärr-Stampf-Sound.
Wir gut, dass ich geschlafen habe wie ein kleines Baby, nachdem ich kurz nach 3 Uhr morgens die gestrige Galerie endlich fertig hatte. Und damit Willkommen zum zweiten Tag meiner diesjährigen Tokio-Fotoreportage. Auch heute gibt’s für Premium-User und TGS-Spender fünf Exklusivfotos, und natürlich sind das die spannendsten von allen…
Schauen wir noch mal aus meinem Hotelzimmer: So ganz ohne Neonlicht und Menschenmassen sieht die Shibuya Crossing gar nicht mal so super aus. Nun gut, Reklametafeln von hinten sehen, außer vielleicht für Statiker, nie besonders spannend aus.
Aber so gegen 10 oder 11 gehen zumindest die Leuchtbildschirme wieder an und werfen ihre Botschaften und Jingles unters zahlreicher werdende Volk.
Hier habe ich die Kamera ein wenig nach links geschwenkt, vor euch liegt Shibuya. Das hintere der beiden Kanji von Shibuya (渋谷), also das Häuschen mit den beiden Strichlein drauf, heißt übrigens „Tal“. Der Name kommt daher, dass Shibuya in alter Zeit tatsächlich ein Tal in der Nähe von Edo, das dann zur östlichen Hauptstadt, eben Tokio wurde, war.
Heute spricht man wohl nicht mehr vom Tal, sondern umgekehrt vom „Love Hotel Hill“, aber die Orientierung ist wirklich einfach in Shibuya: Lauft nach unten und zu den Lichtern hin, dann kommt ihr des Nachts aus den etwas verwunscheneren oder auch einfach nur menschenleer-dunklen Gassen problemlos wieder Richtung Shibuya Station.
Es ist praktisch, das Hotel direkt an oder in 5-Minuten-Laufweite von einem Bahnhof zu haben, darauf achte ich eigentlich immer in Tokio und Chiba. Wobei man teilweise innerhalb des Bahnhofs eine Viertelstunde läuft, bis man zum richtigen Ausgang findet.
Als kleinen Beweis hier mal eine abfotografierte Tafel, die den Einheimischen dabei helfen soll, den richtigen Ausgang von finden. Und jetzt glaubt mir eines: Das hier ist nichts, aber auch wirklich gar-gar-nichts, im Vergleich zur Shinjuku Station.
Aber um mal wieder in den temporär halbwegs korrekten Erzählablauf zurückzufinden: Nach dem Aufstehen habe ich schnell meinen Riesenkoffer gepackt, denn ich hatte im Zuge der Planüberarbeitung noch eine Nacht drangehängt in diesem Hotel, allerdings mit einer Extrabuchung. Das machte, so sagte mir die Rezeption schon beim Einchecken, einen Zimmertausch nötig.
Als ich dann den Koffer komplett gepackt vor die Tür schob und mein Zimmer leer zurückließ, war ich von lauter LCD-Fernsehern umzingelt: Offenkundig stand heute ein genereller Bildschirm-Austausch an. Und ich hatte gestern ein Foto nicht gebracht, wo ich mich über die altertümliche, riesenhafte DVD-Videorekorder-Kombi unter dem TV lustig hätte machen wollen!
Zurück zum Koffer: An der Lobby teilte man mir dann freudestrahlend mit, dass ich im selben Zimmer bleiben könnte. Also genau das Gegenteil von dem, was mir am Vortag erzählt worden war. Danke für die gute halbe Stunde Zeitverschwendung! Naja, dann noch schnell an der Rezeption ein Hemd zum Reinigen und Bügeln gegeben, aber angeblich geht das nicht mehr, da 5 Minuten nach 10. Obwohl es vor einer halben Stunde noch am Telefon hieß, das Vorbeibringen bis 10:30 sei überhaupt kein Problem. Irgendwie fühle ich mich wie in einem bekannten Film von einer gewissen Sophie Coppola.
Das Frühstück im Hotel kann ich mir nicht leisten (fast 25 Euro), dafür gehe ich ein paar Meter weiter zu einem französisch angehauchten Café. Direkt an der Shibuya-Kreuzung – in welchem Land auf der Erde wäre das *keine* Touristenfalle? Hier aber gibt’s für etwa 15 Euro das wohlschmeckende Menü hier. Man muss ja was für den Cholesterinspiegel tun! Die eigentliche Wucht des Cafés aber ist…
Dann ziehe ich los, ich habe viel vor in Harajuku. Von Shibuya kann man in etwa 15 strammen Minuten nach Harajuku laufen, und dank Google Maps brauche ich auch nicht die Polizei zu bemühen, deren Hauptaufgabe, also zumindest in den kleinen Koban-Wachhäuschen, die es überall gibt, tatsächlich die Wegerklärung zu sein scheint.
Dummerweise ist der Winkel auf diesen „Community Bus“ nicht so glücklich. Er ist nämlich nicht nur süß aufgrund des Hündchens außen drauf oder der Pfötchen. Er hat auch ungefähr die Breite eines deutschen Kleinwagens. Das gilt aber für viele Nutzfahrzeuge in Japan, so gibt es viele „2/3-Breiten-LKWs“ et cetera. Damit die durch die selbst mitten in Tokio teils äußerst engen Gassen kommen.
Ich überspringe mal einige Laufminuten oder meine verzweifelten Bemühungen, mein Ziel zu finden. Trotz Google-Maps, das mir sagt, dass ich genau dort bin, kann ich es einfach nicht finden. Aber was habe ich selbst noch im letzten Tokio-Doku-Video erzählt? „Es lohnt sich, nach oben zu schauen.“
Mein Ziel befindet sich schlicht im vierten Stock eines Gebäudekomplexes, bei dem sich die Rolltreppen außen befinden und erklommen werden wollen. Ich weiß, es wirkt nicht so, aber im Foto komme ich wirklich gerade von unten hochgefahren, nicht etwa von oben runter. Könnt ihr die Schrift lesen?
Das Kawaii Monster Cafe (übersetzt: Süßes Monster-Café) habe ich im Vorfeld vor allem deshalb ausgewählt, weil ich Sorge hatte, nicht genug „buntes Licht“ für die neue Doku zu haben. Das Robot Restaurant gibt’s halt nur einmal…
Das Kawaii Monster Cafe ist aber etwas ganz anderes. Die Show-Einlagen, die es etwa halbstündig zu geben scheint, sind ziemlich lahm (allerdings geht mir die verdammte Ohrwurm-Musik nicht mehr aus dem Kopf. Ernsthaft, ich pfeife sie, während ich dies schreibe. Freut euch aufs Video!). Doch während das Robot Restaurant alles ist, nur kein Restaurant, ist das Kawaii Monster Café tatsächlich ein richtiges Café mit interessanten Speisen.
Ach, eine Parallele gibt es doch zwischen „RR“ und „KMC“: Beide sind kleiner, als man auf Bildern meinen könnte, und setzen geschickt Spiegel ein. Wobei das Monster Café den Größenzweikampf gewinnt.
Wenn die Bayern Mitte September das Oktoberfest feiern, dürfen die Tokioter Mitte September Halloween feiern. Und zwar auch hier, wie in der Münchner First-Class-Lounge, mit einer Extra-Speisekarte. Sieht ja schon mal sehr verheißungsvoll aus!
Und das ist die reguläre Karte. Hmm, Colorful Rainbow Pasta in den Varianten „Painter“ und „Red“, Hühnchen und Waffeln Brooklyn-Style mit Monster-Dip oder ein Candy Salad – da fällt die Auswahl schwer! Beruhigend finde ich, dass zumindest die beiden Hauptspeisen nicht auf monstersüß getrimmt sind.
Dennoch entscheide ich mich für etwas anderes, nämlich ein „Side Dish“ plus ein Dessert (auf dieser Menüseite nicht abgebildet).
Während ich aufs Essen warte, schaue ich, was die Einheimischen so machen im Kawaii Monster Café. Süß, oder? Also die Einheimischen, meine ich natürlich.
Vorwarnung: Jetzt bitte die Sonnenbrille aufsetzen, mein Essen naht!
Man kann wirklich nicht sagen, dass die Beschreibung oder das Speisenkartenfoto darüber hinwegtäuschen würden, was man dann real mit dem Popcorn-Shrimp samt Monster Dip bekommt. Also Popcorn. Und Shrimps. Und etwas Salat. Und fünf Dips, von denen keines wirklich nach Ketchup oder Senf schmeckt, auch wenn das vielleicht so aussehen mag.
Und wisst ihr was? Das hat gar nicht mal so übel geschmeckt.
… muss ich einfach noch ein zweites Foto widmen. Nur in der Seitansicht kommt nämlich rüber, dass er tatsächlich innen drin schmackhaft sein könnte, was er auch war. Wie bei vielen japanischen Speisen scheint der Zuckergehalt ein bisschen geringer zu sein als bei westlichen Pendants, aber vielleicht ist das auch nur ein Ammenmärchen, das ich gerade erfinde. Die zuckrige Kruste dürft ihr dabei allerdings sowieso nicht einberechnen.
Wir werden dem Monster Café auch in der Video-Doku noch einen ausführlichen Besuch abstatten.
Mit diesem Foto verbinde ich keine tiefere Aussage, außer, dass bei jungen männlichen Tokiotern gerade blond in zu sein scheint.
Bei Japanern ist ja normalerweise die Haarfarbe pechschwarz (außer, sie sind alt, dann natürlich grau oder weiß). Und übrigens sind auch ihre Pupillen schwarz. Das heißt, wann immer ihr eine andere Haarfarbe bei einem Japaner seht, gibt es entweder anderweitige Einflüsse im Genpool dieser Familie – oder die Haare sind (und das dürfte zu 90% zutreffen) gefärbt. Da bleiben jetzt noch knapp 10% übrig, was ist mit denen? Die tragen Perücke.
Beim Herumstreunern fiel mir diese Treppe auf: Es wurde für jede Stufe ausgerechnet, wie viele Kalorien ihr durchs Erklimmen verliert. Da habe ich mich zu früh gefreut: Nach näherer Überlegung erkannte ich, dass der Punkt hier als Komma zu verstehen ist. Oben habe ich also nicht mal drei Kalorien verbraucht. Nach etwa 1500 aufgenommenen allein durchs Frühstück. Und noch mal etwa so vielen im Monster-Café.
Apropos Frühstück: Mittlerweile ist einige Zeit vergangen, und ich bekomme Durst. Also ins nächste Café gesetzt und schnell mal GamersGlobal.de gecheckt
Aber eigentlich ist dies nur ein Füllbild: Ich habe neben dem Kawaii Monster Café noch etwas sehr, sehr Spannendes fürs Video realisieren können. Aber ich verrate mit keinem Wort, was das sein könnte. Nur vielleicht geht es um Brüste, Sex und die Degradierung der weiblichen Form zum Lustobjekt. Vielleicht aber auch um etwas ganz anderes. Vielleicht mache ich heute zu viel Werbung für die VIDEO-DOKUS?
Jetzt habe ich sie auch mal aus der Nähe gesehen: Der von Nintendo überhaupt nicht begrüßte, urheberrechtlich bedenkliche, aber offenkundig beliebte MariCar-Service. Fügt nach dem i ein o und nach dem r ein t an.
Jedenfalls fahren diese Karts in der Regel im Gänsemarsch durch die Straße, nur an Ampeln werden sie dann in diesen Pulk verwandelt. Wohlgemerkt, die fahren einfach so durch die Straßen, da ist nichts abgesperrt, das ist nichts Offizielles. Halt einfach Karts, in denen Leute sitzen, die zufälligerweise bekannte Videospielmarken als Kostüme tragen. Die Route geht von Akihabara nach Shibuya und wieder zurück, und es scheint Spaß zu machen.
Die Dämmerung naht, Sonnenuntergang wird heute um 17:41 sein. Darum eile ich ins Hotel zurück. Ich habe nämlich noch einen Ausflug ins Rotlichtmilieu vor. Keine Sorge, bleibt alles jugendfrei. Zumindest für einen Teil von euch.
Mein Hotel ist irgendwie Teil von einem Einkaufskomplex, der irgendwie Teil der Shibuya Station ist. Dort komme ich an dieser Saftbar, auch Juice Bar genannt vorbei. Oder, wie die Japaner sagen: Jus Bar.
Im Hotel hole ich mir ein Bier zum Mutansaufen, hüstel, nein, jetzt mal ehrlich, und zwar in diesem beeindruckenden Beweis, dass niemand den Japanern etwas vormachen kann, wenn es ums Thema Platzausnutzung geht. Der Raum ist etwa 1 Meter 60 breit und 1 Meter tief, und in ihm befinden sich: eine Eismaschine. Ein Mini-Getränkeautomat (der wie üblich auch Bier enthält, und zwar maximal so teuer wie in einem Kombini nebenan), eine Wäschemaschine und ein Trockner.
Übrigens sind japanische Waschmaschinen „Toploader“ und waschen mit kaltem Wasser. Die Japaner mögen’s einfach mühsam, glaube ich manchmal, oder sind in bestimmten Dingen einfach in der Zeit stehengeblieben.
Zum „in der Zeit stehengeblieben“ gehört auch die Vorliebe von vergleichsweise vielen Japanern fürs Rauchen. Darum hat es mich nur wenig überrascht, als ich in einem Hotel-Stockwerk diese mitten vor die Aufzüge gesetzte, halb offene Raucherglocke (natürlich mit Abzug) fand.
Erinnert ihr euch noch an meine Lost-in-Translation-Erlebnisse an der Rezeption am Morgen? Abends lag dieses Schreiben in meinem Zimmer. Plus das Hemd, das ja doch fertig geworden ist am selben Tag (was gut ist, denn morgen Abend bin ich ja nicht mehr im Hotel). Und der von mir zu meinen Ungunsten berechnete Betrag wurde auch noch deutlich nach unten korrigiert. So nett und korrekt, diese Japaner!
Hemd ist gewaschen, große Kirin-Dose ist getrunken, Jörg traut sich endlich, zu seinem abendlichen Höhepunkt aufzubrechen. Habe ich schon gesagt, dass es einfach klasse aussieht hier in der Gegend nachts?
Habe ich außerdem gesagt, dass ich mich echt überwinden muss, das zu tun, was ich im Dienste der Videodoku gleich tun werde?
Wenn ich mich vor Dingen drücken möchte, führe ich Ersatzhandlungen aus, vielleicht sind es sogar Übersprungshandlungen. Hier etwa mache ich noch mal ein Foto der nächtlichen Shibuya-Kreuzung. Richtig meta, oder? Nur als Beweis, dass ich tatsächlich mit mehr als nur meinem Smartphones Aufnahmen mache.
Nein, es ist auch nicht dieser Pachinko-Salon. Aber bei der Gelegenheit kann ich noch mal genauer zeigen, was ich schon vor einigen Jahren mal zum Thema Pachinko in einer Jörg-in-Tokio-Galerie schrieb. Ich glaube, es war 2014.
Pachinko-Hallen sind extrem laut und extrem hart an der Grenze der Legalität. Glücksspiel (also gegen Geld) ist verboten in Japan. Pachinko aber ist okay, denn schließlich tauschen die Kunden ihr Geld gegen harmlose Kügelchen, die dann in einer Art Kreuzung aus Murmelspiel und Flipper nach unten fallen, und wenn sie richtig fallen, glücksabhängig, kommen unten mehr Kugeln raus, als man oben reingesteckt hat, und dann hat man viele Kugeln. Das ist doch toll, oder?
Jetzt passiert folgendes: Seinen Gewinn bekommt man nicht etwa ausgezahlt, aber für die gewonnenen Kugeln gibt’s irgendwelchen Nippes als Sachpreise. Oder Token oder Gutscheine. Und mit denen geht man dann hinten aus der Pachinko-Halle raus…
… wo es nur wenige Meter weiter rein zufällig einen „Shop“ gibt, der aus mehreren auch nachts besetzten (in diesem Fall bis 23:00) Ausgabefenstern besteht. Und wisst ihr was? Dieser Shop gibt einem doch tatsächlich für das wertlose Zeug, das man in der Pachinko-Halle für seinen Gewinn bekommen hat, harte Yen! Wirklich ein glücklicher Zufall!
Noch ein Sex-Shop. Aber noch nicht das Ziel. Obwohl dieser Sex-Shop, wenn ich es richtig kapiere, mit meinem Ziel des Abends zusammenhängt. Klicken wir mal weiter…
Tja, und da ist leider Schluss für alle Nicht-Spender beziehungsweise Nicht-Premium-User. Aber vielleicht erratet ihr ja, wo ich gelandet bin, und was die werten Firstclass-GG-Kunden auf den nächsten Bildern noch zu sehen bekommen werden. Jedenfalls danke fürs Lesen & Foto-Angucken, und bis morgen!
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