... und mich von hier wegbringen, das waren so ungefähr meine nur leicht verwirrten Gedanken heute morgen um 4:30 Uhr Ortszeit. Und damit herzlich willkommen zum dritten Tag meiner Foto-Reportage Jörg in Tokio 2015, für die ich wieder allerhand Seltsames oder Erheiterndes aufgetan habe. Plus die harte Realität des modernen Spielejournalistenlebens, natürlich.
Die übrigen Folgen seht ihr unten verlinkt, und wer TGS-Spender ist oder Premium-Abonnent, erhält wie üblich fünf Extra-Fotos. Und zwar ganz besondere heute...
Jetzt aber erst mal die Aufklärung, wieso ich um 4:30 Uhr noch wach war. Gut, das Kissen mit der Bleikugel-Füllung mag auch eine Rolle gespielt haben oder das ich bis 2:50 an der letzten Galerie+ gesessen bin. Aber ebenfalls ein wichtiges Element war um kurz vor 3 Uhr nachts, als ich mich gerade hinlegen wollte ...
... das Geheul von Sirenen und eine aus diversen Lautsprechern alarmistisch tönende Frauenstimme. Ich dachte erst an einen Feueralarm (wäre nicht mein erster in einem Hotel), doch die Geräusche kamen von außen. Etwa zehn Minuten lang blieb ich doch noch auf, man will ja nicht verbrennen oder sonstwie zu Schaden kommen, nur weil man in den letzten 48 Stunden keine acht geschlafen hat!
Aber nachdem sonst nichts weiter passierte, auf der Schnellstraße unten auch keine Feuerwehr oder Polizei auftauchte und stattdessen einige einsame Lieferwagen fuhren, legte ich mich doch hin. Ich mache das Licht aus und platziere das auf 8:00 Uhr Weckzeit gestellte Smartphone neben mir. Und in exakt diesem Moment gibt es eine kurze Tonfolge aus, die es noch nie ausgegeben hat. Und auf dem Sperrbildschirm erscheint obige Warnmeldung, von der ich selbstverständlich kein Wort verstehe.
Dazu muss man wissen, dass Japan sowohl unter extremen Wetterbedingungen als auch häufigen Vulkanausbrüchen als auch fast ständigen Erdbeben und den sporadischen (aber am meisten gefürchtet) Tsunamis leidet. Wobei ich noch kein größeres Erdbeben miterlebt habe hier, nur einige kleinere. Jedenfalls habe ich mir vor Reisebeginn eine offizielle App der japanischen Regierung installiert – wobei die Warn-SMS wohl vom Mobilfunk-Betreiber verschickt wird, die kommt auf jeden Fall. Was also war los? Gehen wir doch mal, irgendwann nachts, in besagte App...
... und tatsächlich: Aufgrund eines sehr schweren Erdbebens vor der Küste von Chile, also fast den gesamten Pazifik von Japan entfernt, wurde für etwa 50 Prozent der Küstenregionen Japans Katastrophenwarnung gegeben. Tsunamis sind extrem gefährlich, weil man schon ab einer Wasserhöhe von etwa 60 Zentimerter kaum noch eine Chance hat, gegen eine solche Welle mit Menschenkraft anzukommen. In Japan gilt auch nicht die mehrfache Kernschmelze von Fukushima als die große 2011er Katastrophe, sondern nur als Begleiterscheinung des sie auslösenden Tsunamis, der viel mehr Menschenleben forderte.
Es ist dann nichts weiter passiert, aber beim Einschlafen hat das nicht geholfen.
Ich muss für den zweiten Tag neu einchecken, wobei ich diese hochmoderne Art der Informationsweitergabe (es geht um die Fachbesucherzahl des Vortags) bewundere.
Doch bald rappele ich mich wieder auf, es gibt ja Arbeit zu tun. Babes fotografieren und so. Aber irgendwie fühle ich mich verfolgt. Ach, ist ja nur der Claas Paletta von Square Enix, der will mir bestimmt nichts Böses!
Aber dennoch habe ich das Gefühl, dass mir jemand im Nacken setzt. Da ich mehrmals pro Minute ein Selfie meines Haupthaares mache, um die fortschreitende Verödung meiner Kopfhaut zu begutachten, fällt mir nach einer Weile ein Japaner in Tarnfarben auf, der ständig zehn Schritte hinter mir läuft.
Ach, das ist der Kameramann, den wir mit einem Teil der TGS-Spendenüberschüsse finanzieren konnten! Er heißt Kotaro. Er wird mich heute acht Stunden lang begleiten und trotz meines Messe-Kampfschritts und Größenvorteils (ich finde die kleinste Lücke zwischen Menschengruppen!) nur einmal verloren gehen.
Aus seinem Rohmaterial wird unser User direx dann einen etwa 45minütigen Reportagefilm schneiden, den ihr hoffentlich Ende September zu sehen bekommt: Ein Tag im Leben eines Spielejournalisten.
Überhaupt, die Japanerinnen! Wieso etwa schauen die hier fast alle gebannt in eine Richtung und schieben sich höflich aber bestimmt immer weiter in selbige?
Weil da irgendwelche schwächlich gebauten Jüngelchen aufmarschiert sind, die für Fake-Hochzeitsfotos (seit wann heiraten eigentlich zwei Männer eine Frau?) oder ähnliches bereitstehen.
Derweil folgt mir der Kameramann (der sonst vor allem Börsenkonzerne als Auftraggeber hat, kein Witz) auf Schritt und Tritt und filmt mich beim Spielen (Resident Evil Zero Remastered) ...
... und beim Kräftemessen (hier am Stand von KOEI, mit dem Produzenten von Samurai Warriors 4 Empires). Er filmt übrigens auch praktisch jedes Ansprechen und Fotografieren der diversen Standdamen durch mich, und das waren rund 100 heute.
Wir hatten eigentlich vereinbart, dass er pro Stunde nur etwa zehn Minuten Material beisteuert, aber das ist halt die japanische Arbeitsethik.
Die gestern abgebildete Wetterprognose scheint sich nur teilweise zu bestätigen: Es fehlt das Gewitter, dafür klart es erwartungsgemäß im Tagesverlauf langsam auf. Hoffnung fürs Wochenende!
Als kleine Belohnung für alle, die sich noch an die entsprechenden beiden Fotos von gestern erinnern können: Was glaubt ihr, warum ich hier mit so getrübter Sicht fotografiere? Freut euch aufs Behind-the-Scenes-Video...
Ich suche derweil die EA-Meeting-Booth, wo ich mir ein VIP-Ticket (auch Fastpass genannt) für Star Wars Battlefront abholen möchte, außerdem habe ich da später noch ein Interview mit dem Producer. Doch da, wo ich ihn vermute, finde ich ihn nicht, stattdessen wird dort bereits umgebaut für eine Abendveranstaltung.
Also gehe ich in das zufälligerweise direkt benachbarte Büro der Meseverwaltung. Meine einfache Frage danach, wo Electronic Arts ("elekoturonikarutusu" oder so, das Japanische kann keine Konsonanten aneinanderreihen, es gibt einfach einige Variationen von a, e, i, o, u mit jeweils anderen Anlauten) , löst hektische Betriebsamkeit von drei Damen sowie einen Telefonanruf aus. Aber die Damen können mir nicht weiterhelfen.
Nach einigem Hin- und her führt mich eine in eine andere Halle, wo mir weitere hilfsbereite Japaner nicht weiterhelfen können. Freut euch auf das Video, kann ich da nur sagen.
Da wir tatsächlich mal eine halbe Stunde Luft haben, gibt's ein Mittagessen heute. Ziemlich überteuert, wie sich das für ein Messe-Schnellrestaurant gehört. Manche Dinge sind international genormt.
Wen's interessiert, ich hatte Hamuburugu und Tempura, Kotaro auch irgendwas mit Fleisch. Wir essen beide mit Messer und Gabel. So gestärkt, bin ich bereit für ein Training in Sachen...
Aus dem Leben gegriffen: Ihr seid in einem unterirdischen Labyrinth unterwegs, als plötzlich ein wütender gehörnter weißhaariger Dämon von hinten auf euch zu springt. Euch bleibt nicht viel Zeit, aber zum Glück habt ihr ein Schwert dabei, bei dem aber die richtige Halte- und Schwungtechnik entscheidend ist.
Dann bin ich dran: Wie halte ich das Schwert, wenn von hinten plötzlich ein wütender gehörnter weißhaariger Dämon auf mich zu springt? Da gibt's nur eine richtige Vorgehensweise...
In Japan bekommt man an U-Bahn-Stationen gerne Taschentücher in die Hand gedrückt, was praktisch ist, da es in öffentlichen Toiletten nicht immer Klopapier gibt und man außerdem häufig schwitzt. Nur als Ausländer bekommt man die Dinger nicht, vermutlich, weil man ja als Ausländer nicht für die Werbebotschaften auf der Packung empfänglich ist.
Umso mehr freue ich mich, als mir jemand Taschentücher in die Hand drückt, die... Werbung für Kacke machen?!
Wer bitteschön drückt einem denn sowas in die Hand?
Hier stehe ich, wir haben einige Erlebnisse übersprungen (sagte ich schon, dass es bald ein Reportage-Video geben wird?), gegen Ende des Messetages vor dem Yakuza Kiwami-Stand und schaue entzückt. Trotz Schlafmangel und Dauergelaufe und so. Wie kann das sein?
Übrigens hat mich dieses Foto zur heutigen Abo- und TGS-Spender-Zugabe inspiriert, die fünf zusätzlichen Bilder stehen unter dem Motto "Schulterperspektive".
Aber irgendwann muss ich mich dann doch umdrehen und die Yakuza-Präsentationsbox betreten. Da wir hier in Japan sind, wird fein säuberlich erst bis auf den letzten Platz die hinterste der fünf Sitzreihen besetzt, dann die zweithinterste und so weiter.
Von diesem Ordnungssinn und Wohlverhalten schwer beeindruckt, wage ich es während der Präsentation kaum, auch nur zu atmen. Außerdem sitze ich kerzengerade und ziehe den Bauch ein.
Und auch beim Rausgehen, das ist alles kein Witz, darf sich zunächst nur die letzte Reihe erheben und rausgehen, dann die nächste und so weiter.
Ich glaube, wenn ich jemals eine Evakuierung aus einer Halle oder einem Flugzeug erleben müsste, dann würde ich das gerne mit Japanern als Publikum oder Passagiere tun.
Aber auch sonst muss Ordnung sein, beispielsweise stehen mir und dem ukrainischen Koop-Partner Pavel Alpeyev (der ist für Bloomberg auf der TGS) für unsere Battlefront-Partie exakt zehn Minuten zur Verfügung, und das wird gestoppt, und die freundlichen Damen lassen sich auch nicht erweichen.
Aber da wir in Japan sind, ist die Stoppuhr zumindest kawaii (süß).
Anfängerfehler: Ich habe den geliehenen Mobil-Router natürlich längst mit meinem Smartphone gekoppelt, aber als das Internet plötzlich nicht mehr geht und ich das Ding resetten muss, findet das Smartphone unter den rund 40 offenen WLAN-Netzen den Access Point nicht mehr.
Kein Problem, das Passwort weiß ich. Äh, aber wie war noch mal die SSID? Irgendetwas mit G oder H...
Schaut euch mal diese Damen an. Gut, die beiden äußeren bemühen sich wenigstens noch, aber ihr anderen beiden: Glaubt ihr ernsthaft, dass ihr so eine Chance habt, in meine Superduper-Babes-Galerie aufgenommen zu werden am Dienstag? Da nehme ich ja noch lieber irgendwelche deplatziert wirkenden ...
Der zweite Business-Tag ist vorüber, die Messe-Arbeiter sind schon damit beschäftigt, die Hallen und Zugänge auf den morgigen Public-Day-Ansturm vorzubereiten.
Ich haste ein letztes Mal mit dem Kameramann Kotaro durch den Hauptgang, um im Hotel...
... das Finanzielle zu klären und mir die Barzahlung selbstverständlich quittieren zu lassen. Ich habe keine Ahnung, wie das Material geworden ist (hat ein etwas seltsames Rohformat), aber Kotaro wirkte nicht nur sympathisch, sondern auch kompetent, ich mache mir da keine Sorgen.
Jedenfalls ist besagtes Rohmaterial 39 GB groß und 3 Stunden lang, hier übertrage ich gerade die zweite SD-Card auf meinen Laptop, damit wir eine Sicherheitskopie haben (und danach von der wearwn noch auf eine zweite Festplatte).
Nachdem wir uns verabschiedet haben, Kotaro hat noch etwa zwei Stunden Rückweg vor sich, bin ich auf besonderer Mission im Hotel unterwegs. Vielleicht fragt ihr euch ja, warum diese Reisegruppe wahlweise irritiert in meine Richtung oder aber bemüht ganz woanders hin blickt.
Ich möchte lebend nach Deutschland zurückkehren, und dazu muss ich schlafen. Also bin ich erst dann wieder von der Rezeption weggegangen, als mir ein weiches Kissen ausgehändigt wurde. Die gibt es nämlich allen Beteuerungen zum Trotz durchaus, wie ihr es hier fotodokumentarisch bewiesen seht!
Mittlerweile habe ich eine nette Sammlung aus Kissen. Wobei ich nur eines davon (das oberste, größte, geradezu kuschelig weiche) überhaupt als Kissen bezeichnen möchte.
Im Hotelzimmer angekommen, noch der übliche Blick aus dem Fenster: Ich glaube, das wird ein schönes Wochenende, wettertechnisch!
Danach will ich, so kurz vor 19:00 Uhr, in den 50. Stock, in die SkyLounge, aber die ist voll und leider sagt mir die Angestellte, die mich aufhält, nicht, wann wieder ein Platz frei wird. Nicht, weil sie nicht möchte, sondern weil sie kein Englisch kann und ich kein Japanisch spreche.
Aber ich ertrage es nicht, noch einen Abend mit einem Convenience-Sandwich-Dinner in einem winzigen Hotelzimmer zu verbringen, und suche mir deswegen ein anderes Restaurant. Gibt ja einige im Hotel.
Ich erwische ein Buffet-Restaurant, was eigentlich von Vorteil ist, weil ich am Verhungern bin. Ich bin häufig am Verhungern, müsst ihr wissen, die ungewohnte Bewegung und so. Aber bis auf einzelne positiven Ausreißer ist das heute leider mal ein Fall, wo mir das Essen in Japan nicht sonderlich gut geschmeckt hat. Das Buffet kostet übrigens 2500 Yen, etwa 20 Euro, was halbwegs okay ist. Nicht okay ist dagegen der ...
... Preis für die Flasche einheimisches Bier: 1000 Yen. Also wirklich, Leute! Oder wisst ihr, dass in Deutschland morgen das Oktoberfest losgeht?
Apropos "Leute": Was sich wohl die Familien und Paare gedacht haben, wenn sie hinter mir vorbeigegangen sind? Denn bis zur Schließung des Restaurants (ich bin um 22 Uhr tatsächlich der letzte Gast) sortiere ich fleißig Fotos, und die stammen heute nun mal grroßteils von hübschen jungen Frauen.
Und hier noch der heutige Leistungsnachweis: Ihr seht, ich steigere mich, und habe außerdem 9,5 Kilometer zurückgelegt laut Fitness-Armband.
Liebe geschätzte Normal-User, ihr müsst jetzt tapfer sein: Ihr erfahrt nämlich nicht, was es mit der "Schulterperspektive" der fünf Zusatzfotos für Premium-Abonnenten sowie TGS-Spender auf sich hat. Doch während der TGS-Spendenzug schon längst abgefahren ist, könnt ihr auf den Premium-Abo-Zug jederzeit aufspringen. Na, wäre dafür nicht jetzt der ideale Moment?
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