Test: Fährt ein Zug nach Siegen

Train Simulator 2012 Test

Benjamin Braun 5. Oktober 2011 - 16:50 — vor 12 Jahren aktualisiert
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Macht doch viel mehr Spaß als einfach geradeaus fahren: das An- und Abkoppeln und Rangieren.
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Eine Fahrt durch die HeimatEs geht los am Hauptbahnhof, von einem Gleis außerhalb der Doppelhalle. Da steigt in der Realität zwar niemand ein und aus, der Personenverkehr findet nämlich innerhalb der Halle statt, aber wir wollen nicht kleinlich sein. Nun warten wir drei Minuten lang, bis alle Fahrgäste  ein- und ausgestiegen sind. Eine kleine rote Uhr links zeigt den heruntertickenden Timer im transparenten Display. Dann schlägt das Signal auf grün um. Wir lösen die Bremse, betätigen den Fahrtregler und schieben den Beschleunigungsregler (Motorkontrolle) nach vorn. Der Zug rollt aus dem Bahnhof und neben der Strecke erhebt sich ein Panorama aus zehnstöckigen Gebäuden. Die sehen zwar noch aus wie generisches Ruhrgebiets-Paläste, blöd ist nur, dass es sie in der Realität gar nicht gibt. Erfreulicher wäre es, wenn Hagens schönstes, größtes und, nebenbei bemerkt, auch einziges Hochhaus, das Arbeitsamt, zu sehen wäre. Das gibt es dort allerdings nicht.

Die Zugfahrt geht weiter: Finnentrop ist das Ziel, die Reise geht über Hohenlimburg, und bis dorthin kennt sich das Hagener Urgestein von Autor sehr gut aus -- dort befand sich doch lange Zeit der einzige Elektrogroßmarkt in der Nähe. Die saubere Streckenführung gefällt, sogar der Hallerkopp (ein Berg, na ja, eher ein Hügel) ist zu sehen. Der Personenzug passiert die Fuhrparkbrücke in Eckesey, die zwar ihre charakteristischen Bögen hat, leider aber auf merkwürdigen Stelzen steht. Es folgt ein Überholvorgang, bei dem wir einen Güterzug hinter uns lassen. Wir sind nahe der erlaubten Höchstgeschwindigkeit. Also regeln wir die Motorkontrolle flugs auf nur wenige Prozent runter – das reicht für die weitere Fahrt. Ein Blick auf den Gleisplan zeigt an: Alle Signale stehen auf grün. Wir beschleunigen wieder, denn die horizontale Anzeige des Streckenverlaufs der nächsten paar Kilometer im Display signalisiert, dass die zulässige Höchgeschwindigkeit nun bei 100 km/h liegt. Für die DB 101 kein Problem, es hängen ja nur drei Waggons an ihr.


Letzte Ausfahrt rechtsNun führt die Strecke nach rechts, was schade ist – nach links würde es Richtung Wetter über Vorhalle gehen, den Heimatort der Schnelles und zeitweiligen Rekordhalter für Europas größten Güterbahnhof. Leider fehlt dieser Teil. Ebenso die Möglichkeit, in Hagen nach Süden zu fahren, um in dieser Richtung nach Wehringhausen zu kommen – auch hier befinden sich eine Menge Gleise im Hagener Güterbahnhof, bis nach Haspe. Noch eine Anekdote am Rande: Im Größenwahn hatten der Autor und ein Freund mal vor, das Ding in Spur N nachzubauen. Den Gleisplan hatten sie sich bereits besorgt, den Plan aber letztlich nie in die Tat umgesetzt.

Der Zug ist mittlerweile an der großen Schleife längs des Hengsteysees angekommen. Doch oh Schreck – der See ist gar nicht da! Ebensowenig die Ruhr, die durch den See fließt! Die bisherigen Beschwerden über die falschen oder fehlenden Streckendetails mögen kleinkariert gewesen sein, das Fehlen eines Gewässers ist es allerdings nicht. Es muss nicht jedes Haus an der richtigen Stelle stehen, aber in Zeiten von Google Maps, sollte die Eruierung von Landschaftsdetails wie Gewässern problemlos und schnell möglich sein. Im weiteren Verlauf kommen wir an einer Brücke vorbei. Auch hier fehlt ein weiteres markantes Streckendetail, nämlich die imposante Autobahnbrücke der A45. Die Lennetalbrücke ist mit rund 25 Metern Höhe und einem Kilometer Länge nicht gerade zu übersehen.

Der Bahnhof Hohenlimburg kommt in Sicht, wir nehmen die Motorleistung komplett weg, sodass der Zug langsam ausrollt. Mit dosiertem Bremsen bringen wir ihn am Gleis zum Stillstand. Mit einem Knopfdruck geben wir die Türen sind frei – nun können die Fahrgäste ein- und aussteigen -- der kleine rote Balken der Uhr läuft von Neuem. So geht es dann weiter, bis wir Finnentrop pünktlich nach 50 Minuten Fahrt erreichen. Wäre die Bahn nur in Wirklichkeit immer so zuverlässig.


Etwas mehr ins Detail, bitte!Machen wir doch gern. Nach der Testfahrt ins Sauerland schauen wir uns mal an, was die Software überhaupt so alles bietet. Nach dem Start bietet uns das Programm an, die möglichen Szenarien nach Loks oder Strecken zu sortieren. Die Szenarien gliedern sich wiederum in drei Gruppen: In "Standard" sucht ihr euch eine bestimmte Mission aus, die ihr erfüllen sollt. Davon gibt es rund 60 Stück. Dazu kommen zwölf "Karriere"-Aufgaben, in denen ihr bewertet werdet und eure Leistungen über Steam mit anderen Lokführern messt. Jede Strecke bietet darüber hinaus noch die Möglichkeit des "Free Roaming" an. Das heißt, ihr fahrt nach Gutdünken durch die Gegend, während das Spiel die Züge anzeigt, die ihr übernehmen könnt.

Im Prinzip lassen sich die Szenarien wiederum in zwei Gruppen unterteilen. In den einen steuert ihr einen Passagierzug, müsst den Fahrplan einhalten und aufpassen, kein Signal zu überfahren. Zudem gilt es ordnungsgemäß an den Bahnsteigen zu halten, damit alle ein- und aussteigen können. In den Güterzugmissionen müsst ihr außerdem häufig rangieren. Dazu lässt sich eine schematische Übersicht der Gleise einblenden, auf denen auch diejenigen Weichen markiert sind, die ihr selbst umstellt. Nach dem Start zeigt F1 an, was zu erledigen ist und ob das schon gemacht wurde.

Wie sieht das dann aus?
Hat ebenfalls ein dreidimensionales Cockpit: diese schöne Dampflok vom Typ 7F 2-8-0.
Die größte Veränderung seit Railworks 2 betrifft die Grafik: Dynamische Schatten und Lichteffekte machen die Optik realistischer, die Züge bewegen sich in den Gleisbetten und neigen sich. Dafür sorgt eine realistischere Fahrphysik, die es ermöglicht, den Schwerpunkt so hoch zu setzen, wie er in der Realität ist. Bisher mussten die Programmierer das Gewicht weiter nach unten verteilen, damit die Züge nicht zu leicht entgleisen.
Von den Mankos auf der Strecke Hagen-Siegen einmal abgesehen: die Designer schaffen es problemlos, genau die richtigen Arten Gebäude in die wirklich schöne Landschaft zu stellen. In England haben wir die kleinen Arbeiterhäuschen, Wohnsiedlungen und Sträßchen, Hagen sieht zwar nicht wirklich wie Hagen aus, aber wie eine typische Ruhrgebietsstadt. Und Richtung Sauerland verwandelt sich die Gegend, wird genau so ländlich, wie das Sauerland eben ist. Auch der Stil der Bauwerke und Häuser ändert sich, ebenso die ganzen Nutzgebäude. An den Bahnsteigen laufen Fahrgäste herum, die aus- und einsteigen, sie sind jedoch etwas zombieartig animiert. Naja, nicht so wichtig, wir wollen ja Zug fahren.

Die Wettereffekte, die sich auch auf den Zug auswirken, geraten den Designern hübsch, doch auch hier vermissen wir schmerzlich, dass diese nur im Editor geändert werden können. Liebes Railsimulator.com-Team, nehmt Euch doch einfach mal den "Microsoft Flight Simulator" als Vorbild, da kann man das alles innerhalb des Spiels ratzfatz einstellen. Da fällt mir ein, es wäre auch toll, an einem beliebigen Bahnhof losfahren zu können, Aber nein, Ihr wisst schon, nur per Editor … Die Loks und das Fahren mit der Bahn warten mit der typischen Geräuschkulisse auf, auch wenn teils die Sounds etwas dünn erscheinen, etwa, wenn ihr den Dieselmotor einer riesigen F-7-Güterlokomotive aufheulen lasst. Der Mix scheint auch zuweilen etwas übertrieben, so sind in einer DB 151 die im Führerhaus hörbaren Geräusche recht stark gedämmt, was sich aber beim Überfahren einer Brücke schlagartig ändert.
Wie, ihr wart noch nie in Plettenberg? Für Besitzer des Train Simulator 2012 gibt es dafür keine Entschuldigung mehr.
dis is dis (unregistriert) 5. Oktober 2011 - 17:30 #

Tja,
danke für den guten Test und natürlich schade, denn das ist schon ein wenig ernüchternd.

Johannes 24 Trolljäger - 53700 - 5. Oktober 2011 - 17:36 #

Der Martin Schnelle ist niht zufällig ein Verwandter vom Mick? :-)

Martin Schnelle (unregistriert) 5. Oktober 2011 - 17:45 #

Der Bruder. :)

Mick Schnelle Freier Redakteur - 7940 - 5. Oktober 2011 - 17:47 #

Isser! Leider nicht zufällig... :-)

Johannes 24 Trolljäger - 53700 - 5. Oktober 2011 - 17:59 #

Alright, danke für die Info ;-)

El Cid 13 Koop-Gamer - 1784 - 5. Oktober 2011 - 17:47 #

Pro Train Perfect 2 auf Basis von Trainz 2010 ist auch noch ein sehr interessantes Spiel, behandelt nur deutsche Strecken. :)

Mick Schnelle Freier Redakteur - 7940 - 5. Oktober 2011 - 17:49 #

Schönerr Test, werter Bruder. Hurra, die alte Heimat auf dem PC. Vielleicht fahre ich auch mal mit dem Dingen los, allein schon um den alten Güterbahnhof meiner Kindheit mal wieder zu sehen...

Christoph 18 Doppel-Voter - P - 10234 - 5. Oktober 2011 - 18:08 #

Ich hatte mir letztens bei Steam ernsthaft mal überlegt, ob ich das spielen will. Habe außer vor 10 Jahren und früher Flugsimulatoren nie irgend etwas vergleichbares angefaßt. Aber dieser Simulator scheint ja - zusammen mit dem Flight Simulator - das hochwertigste Simulationsprodukt zu sein, das aus der "XY Simulator 20xy"-Ecke kommt.

Danke für den aussagekräftigen Test!

firstdeathmaker 18 Doppel-Voter - 9333 - 5. Oktober 2011 - 18:09 #

Danke für den detaillierten und interessant geschriebenen Test! Da sieht man den grossen Vorteil von GG: Man hat manchmal wirklich extreme Experten dabei die einen Titel auch gut einordnen können.

Zaunpfahl 19 Megatalent - 17564 - 5. Oktober 2011 - 21:05 #

Schön geschriebener Test, der auf die vielen Stärken und Schwächen des Programms eingeht. Ich möchte dennoch ein paar Anmerkungen loswerden:
- der "TestTrack" basiert auf dem Testgelände von Siemens in Wildenrath (NRW), hier die Vergleichsansicht: http://g.co/maps/u6zcm
- ein Addon namens "German Railroads" von Aerosoft wäre mir neu, wohl gibt es aber einen Addon-Hersteller gleichen Namens, der einige RW Addons produziert hat, sich aber seit dem Update auf TS2012 wieder ausschließlich auf den MSTS konzentriert.
- "keine neuen Inhalte" stimmt so auch nicht ganz, es gibt einen neuen Zug (Hitachi Super Express, ein Konzept Design aus UK, der ab 2016 als britische Version des ICE fahren soll), die neue Strecke "Horseshoe Curve" die an sich in den Box Versionen enthalten sein sollte. Eine neue Strecke für den deutschen ICE habt ihr hiermit irgendwie komplett exklusiv enthüllt, davon ist in der Szene noch nichts bekannt.
- außer den den ganzen Addons auf Steam gibt es auch eine rege Freeware Szene, die schon für RW2 dutzende neue Strecken und Loks produziert hat, plus noch ein gutes Dutzend Hersteller die ebenfalls Payware Addons anbieten, die nicht auf Steam auftauchen.

Ansonsten kann ich das Ding aber allen Leuten weiter empfehlen, die ein ernsthaftes Interesse an Simulationen haben und sich für Züge generell begeistern können.

Martin Schnelle (unregistriert) 5. Oktober 2011 - 21:21 #

Danke für die TestTrack-Info, das war mir unklar - ich hatte die Info, sie sei nicht real.
Und ja, das ICE-Add-on ist von German Railroads - ist in der deutschen Box-Version enthalten, so die Info von aerosoft.
Neue Züge hatte ich ja erwähnt. :)
Die "Horseshoe Curve" bekommen Neukäufer, wer vom "Railroad Sim 2" updated, bekommt sie aber nicht - meine Testversion hatte sie nicht.

Zaunpfahl 19 Megatalent - 17564 - 5. Oktober 2011 - 23:50 #

Scheint als wäre nicht nur bei der normalen Version so manches durcheinander geraten, schade das auch eure Testversion anscheinend nicht alles enthält. Und ok, wenn in der Box nur der ICE Zug drin ist, ist die "Enthüllung" doch nicht soo groß ;)

DomKing 18 Doppel-Voter - 9954 - 6. Oktober 2011 - 1:36 #

Schöner Test. Nur mit der "Grafikwertung" stimme ich gar nicht überein. Bei solch einem Spiel frage ich mich heutzutage, wie die Umgebung aussieht. Und die sieht sowohl im Video, wie auch auf den Screenshots schlicht und einfach scheiße aus. Gerade wenn man weiß, wozu Grafikkarten imstande sind. Ein großartige Veränderung außer der Auflösung erkenne ich zum Original Train Simulator von 2001 nicht.

Ehrlich finde ich, dass heutige Spiele schon recht wahrheitsgetreu bleiben sollten. Natürlich kann z.B. ein Flight Simulator nicht alles bieten, aber bei einem Spiel, wo eh nur bestimmte Strecken vorhanden sind, sollte es mehr Realitätsnähe sein, als nur die Landschaft. Und vor allem schöner!

Ich verstehe den Spaß, den man haben kann an so einem Spiel. Nur nachdem ich Train Simulator vor langer Zeit gespielt habe, fehlt mir doch eher die Aussicht auf tolle Landschaften, die ich in der Realität nicht haben kann. Wozu sollte ich mir also das Spiel kaufen, selbst wenn ich Züge mag, aber nicht auf S-Bahn fahren?

PS: Ist natürlich nur meine Meinung.

Zaunpfahl 19 Megatalent - 17564 - 6. Oktober 2011 - 3:22 #

Ähm, ok vergleiche die Bilder auf der MSTS Homepage (die witzigerweise immer noch online ist) hier: https://www.microsoft.com/games/trainsimulator/screenshots.aspx
nochmal mit den Screenshots aus dem Test und der Galerie hier und sag mir das die gleich aussehen... Und vergiss nicht: die Führerstände im MSTS waren 2D, so nett sie auch heutzutage noch aussehen. Wo ich dir zustimme ist, dass aktuelle Hardware zu mehr fähig wäre, wobei die neue "TSX-Engine" auch so schon genug Probleme auf vielen Rechnern bereitet.

Martin Schnelle (unregistriert) 6. Oktober 2011 - 17:42 #

Also, der "MSTS" sieht schon deutlich schwächer aus. Dan wurden ja schon 100 Meter vor dem Zug (wenn nicht 50 Meter) die Bahnschwellen in Brei gefiltert.

Der TS 2012 hat ja gerade den deutlichen Vorteil, auch auf schwächeren Maschinen zu laufen. Ich finde außerdem den Grafikstil gut gelungen - wie gesagt, schau Dir die Häuschen an der Strecke an.

anonymer Onkel (unregistriert) 6. Oktober 2011 - 23:44 #

Mich erinnert die Grafik spontan an Operation Flashpoint. Nur: Das galt vor 10 Jahren mal als gut aussehend.

Gigi d'Angostura 11 Forenversteher - 592 - 6. Oktober 2011 - 12:36 #

Toller Test, danke!

Hab mir mal bei einem Steam-Sale Railworks gekauft für glaub ich unter 10 Euro. Damals hiess es Train Simulator 2010. Der wurde dann gratis auf 2011 gepatcht und jetzt auf 2012. Find ich echt spitze, dass das bei Steam kostenlos ist.

Labrador Nelson 31 Gamer-Veteran - P - 266645 - 6. Oktober 2011 - 22:18 #

Tutuuuut!

uLu_MuLu 14 Komm-Experte - 2109 - 5. November 2011 - 23:11 #

Habe mir den Test zwar nur zum Teil durchgelesen, aber ich komme aus Siegen. Bin per Zufall durch die Überschrift auf den Artikel gestoßen... *GG*