Klassisches Krimiabenteuer

The Raven Test

Adventure-Freunde schätzen King Art für deren humorvolle Adventures wie The Book of Unwritten Tales. In ihrem neuesten Werk widmen sie sich klassischem Krimistoff im Episodenformat. Wir haben das Abenteuer für euch gespielt und verraten euch in unserem Test, ob die dreiteilige Serie der Bremer Spieleschmiede ihr Geld wert ist.
Benjamin Braun 24. September 2013 - 14:51 — vor 10 Jahren aktualisiert
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Krimis gibt es wie Sand am Meer. Die Glanzzeit der klassischen Kriminalromane liegt allerdings schon länger zurück, und wohl niemand wird so häufig mit dem Begriff "Whodunit" (wer war's?) verbunden wie die britische Schriftstellerin Agatha Christie. Die Bremer Entwicklerschmiede King Art hat sich mit The Raven - Vermächtnis eines Meisterdiebs just diesem traditionellen Krimiansatz verschrieben und schickt euch auf eine Reise durch halb Europa bis nach Ägypten, um zwei Diamanten vor den gierigen Fingern des Meisterdiebs "Der Rabe" zu bewahren. Ob King Art in den drei Episoden einen spannenden Krimi abgeliefert hat oder sich nach den humorvollen Ausflügen in The Book of Unwritten Tales (GG-Test: 9.0) und dem Prequel Die Vieh-Chroniken (GG-Test: 9.0) damit in die Nesseln setzt, wollen wir euch im Folgenden verraten.

Episode 1: Ein lästiger VogelEs sind die 60er Jahre. Der Zweite Weltkrieg ist lange vorbei und der industrielle Fortschritt nicht mehr aufzuhalten. Doch wo Reichtümer schlummern, werden auch zwielichtige Gestalten wie "der Rabe" aktiv. Dieser Dunkelmann stiehlt ein wertvolles Kristall aus dem Britischen Museum. Aber wie war das möglich? Eigentlich hatte der französische Ermittler Legrand den Meisterdieb vor einigen Jahren erschossen und wurde anschließend mit Lob und Auszeichnungen nur so überhäuft.

Legrand ist allerdings überzeugt davon, dass es sich um den echten Raben handeln muss und bewacht deshalb höchstpersönlich die Lieferung eines weiteren Edelsteins, dem Auge der Sphinx, auf dem Weg nach Kairo. Auf der Fahrt durch die Schweiz erhält Legrand auch Unterstützung von den Eidgenossen, die ihm Wachtmeister Anton Jakob Zellner an die Seite stellen; ein ruhiger, älterer Herr, der befürchtet, schon bald zum alten Eisen zu gehören. Schon bald gibt es für ihn eine Chance, sich zu beweisen. Denn selbst Legrand scheint den Schutz der wertvollen Fracht nicht alleine gewährleisten zu können. Und so begleitet Zellner den Transport bis auf ein Kreuzfahrtschiff über das Mittelmeer nach Ägypten. Und kaum scheint die Lage einigermaßen im Griff zu sein, geschieht plötzlich ein Mord...

Episode 1: Klassischer KrimistoffThe Raven versteht sich eindeutig als klassisches Whodunit im Stil der Agatha-Christie-Romane und erinnert gerade im Eröffnungsabschnitt in einem Zug an Mord im Orient-Express. Egal mit wem Zellner es im Spiel zu tun bekommt: Je mehr er mit ihm oder ihr redet, umso verdächtiger macht sich der Gesprächspartner. Beim Einbruch in eines der Abteile hat der Dieb etwa keine Fingerabdrücke, dafür aber zweifellos Schmierspuren von Handschuhen hinterlassen. Doch wo in diesem Fall das Indiz für den deutschen Arzt Dr. Gebhardt spricht, lenken andere den Verdacht auf andere Personen. Durch diese immer neuen, aber nie aufgesetzt wirkenden Hinweise bleibt die Episode durchweg spannend. King Art spart aber auch nicht an dramatischen Momenten, etwa wenn plötzlich ein Feuer ausbricht und Zellner mehr als nur seinen Kopf anstrengen muss.

Besonders gut gefällt uns, dass The Raven auch weitere Elemente wie den unterschwelligen und niemals albernen Humor der Agatha-Christie-Krimis übernimmt. Stellt euch also auf dezent überzeichnete Personen wie einen jungen Geiger aus Österreich ein, der mit seinem Wiener Schmäh – ohne lächerlich zu wirken – immer wieder für einen Schmunzler gut ist.

Dasselbe gilt auch für einen italienischen Schiffskapitän, der mehr mit dem leiblichen Wohl der Gäste beschäftigt ist als mit dem Steuern seines Kahns. Mit Lady Westmacott ist zudem eine britische Schriftstellerin an Bord, die nicht nur eine gute Beobachterin ist, sondern auch gerne feine Spitzen gegen die anderen Gäste verteilt. Auch der ansonsten eher pragmatische und nüchtern analytische Zellner selbst bedient sich hier und dort beiläufigen Humors. Auf dem Hinterdeck entdeckt er beispielsweise ein Handtuch und fragt sich laut, ob er damit wohl eine der Liegen reservieren solle.

Episode 1: Klasse 3D-Grafik
Zellner muss den wohl nicht zufällig an David Garrett erinnernden Geigenspieler ablenken, um einen Blick in dessen Geigenkoffer werfen zu können.
Für The Raven, das neben der von uns gespielten PC-Version auch für Xbox 360 und PlayStation 3 erscheinen wird (auf Konsole allerdings erst etwas später), setzt King Art auf die Unity 3D Engine. Das Ergebnis kann sich mehr als sehen lassen. Einerseits, weil die Charaktere gut ausgestaltet sind, bis hin zu einer relativ feinen Mimik. Und andererseits aufgrund der unzähligen stimmungsvollen Perspektivwechsel und detaillierten Hintergrund-Grafiken.

Dazu kommen ein schöner Soundtrack von Benny Oschmann (Book of Unwritten Tales) und exzellente Sprecher: Mit Frank Glaubrecht (Kevin Costner), Ronald Nitschke (Tommy Lee Jones) oder Stephan Schwartz (Ray McCoy in Westwoods Blade Runner) wirkt das Spiel öfters wie ein "Who is who" der deutschen Synchronsprecher. Mit einer AAA-Produktion kann King Art dennoch nicht ganz mithalten, aber gerade im Vergleich mit vielen Episoden-Adventures von Telltale Games schneidet The Raven in einigen Bereichen besser ab. Zumal die Texturen bei weitem nicht so grob sind wie es oft in The Walking Dead (GG-Test: 8.5) oder etwa im Zeitreiseabenteuer Back to the Future der Fall ist.

Episode 1: FehlerteufelchenGanz ohne Fehler kommt The Raven allerdings auch nicht aus. Ab
Anzeigen/v
und zu gibt es unschöne Sprünge in den Animationen. Wirklich ärgerlich sind aber andere technische Fehler, die vor allem mit klassischer Point-and-Click-Steuerung auftreten. Manchmal passiert es nämlich, dass wir auf einen Punkt klicken, Zellner losläuft, aber an einem Objekt hängenbleibt. Aus dieser Situation könnt ihr euch leider nicht mehr befreien und müsst das Spiel per Task-Manager schließen. Je nachdem, wann ihr zuletzt gespeichert habt, kann das ganz schön auf die Nerven gehen. Bei der direkten Gamepad-Steuerung passiert euch das nicht, wenngleich diese dafür deutlich ungenauer ist und manchmal in Konflikt mit der Inventarbedienung gerät. Prinzipiell funktionieren aber beide Eingabevarianten gut.

Während das Detektiv-Abenteuer audiovisuell und bei der Story keinen Krimifan enttäuschen dürfte, präsentiert sich das erste Kapitel von The Raven spielerisch noch mit Luft nach oben. Zwar hat King Art einige schöne Rätsel eingebaut und versteckt die sehr hohe Linearität meist ziemlich gut. Ein bisschen anspruchsvoller hätten die Aufgaben dann aber schon sein können. Die schwierigste Herausforderung besteht darin, ein Türschloss zu knacken.
Es gibt zwar keine Schenkelklopfer, auf Humor müsst ihr in The Raven deshalb nicht verzichten: Hier überlegt Wachtmeister Zellner zum Beispiel, ob er mit dem Handtuch eine der Liegen reservieren soll.
Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66900 - 24. September 2013 - 15:23 #

Ich freu mich schon auf die letzte Episode. Die ganze Reihe ist nicht frei von Problemen, aber insgesamt haben mich die ersten beiden Episoden schon sehr gut unterhalten. Es ist mir einfach immer angenehm, ein nicht auf hemmungslos witzig getrimmtes Adventure zu spielen. Und augenzwinkernden Humor gibt es bei The Raven ja immer noch.

Mich würde ja interessieren, ob sich Benjamin als Adventure-Experte auch einen Test von Cognition - An Erica Reed Thriller vorstellen könnte. Das hat zwar auch seine Probleme, hat mich aber die letzten Tage richtig gefesselt, so dass ich alle vier Episoden mehr oder weniger am Stück durchgespielt habe. Und mit Jane Jensen als (zumindest beratendes) Aushängeschild ist das sicher für eine Besprechung interessant.

Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 24. September 2013 - 15:45 #

Ich hatte für Cognition bislang leider noch keine Zeit. Aber einen Test auf GG wird es dazu mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht geben. Wenn werde ich das privat spielen.

BruderSamedi 19 Megatalent - P - 13636 - 24. September 2013 - 16:25 #

Ja so sehe ich das auch. Die Stimmung im Spiel ist einfach sehr angenehm und macht Spaß. Ich hatte zum Glück auch mit den Teilen 1 und 2 keine technischen Probleme, vielleicht von Winzigkeiten abgesehen. So ein bisschen fehlen mir die Rätsel schon, vielleicht kann man die ja in einem Nachfolger noch stärker hinzufügen. Allerdings ist es für ein Spiel, das sich ernst nimmt, auch schwer, wirkliche Rätsel zu erstellen, die nicht einfach nur aufgesetzt wirken (so wie das Türrätsel in Episode 2).

Den Hinweis auf The Walking Dead in den Alternativen finde ich ziemlich deplatziert, das ist schon ein völlig anderes Erlebnis und mMn meilenweit entfernt von diesem klassischen Adventure.

Cat Toaster (unregistriert) 24. September 2013 - 17:44 #

Wegen dem Türrätsel habe ich eine Woche Pause gemacht...ich hasse Rätsel!

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83897 - 25. September 2013 - 16:09 #

Und trotzdem spielst du Adventures? Masochist! ;-)

Cat Toaster (unregistriert) 24. September 2013 - 16:15 #

Den "Tonausfall" habe ich auch schon der zweiten Episode mehrfach unangenehm bemerkt. Ich mag "The Raven" wirklich gern aber bei so wenig Umfang wäre es schon sehr schön wenn technisch alles in Butter ist.

Aber wieso spielt man ein Adventure mit einem Gamepad? Und wie kommt man dann darauf dass ein Hotspot aufgrund des Controllers nicht angezeigt wird? Das dürfte ja fast das anspruchsvollste Rätsel des Spiels gewesen sein, dahinter wäre ich nie gekommen. ;-)

Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 24. September 2013 - 17:04 #

Ganz einfach: Ich wollte es vom Sofa aus spielen und habe deshalb das Gamepad benutzt. An der Stelle ging es nicht weiter. Auf Maussteuerung umgestellt und schon ging genau das, was ich mir längst gedacht hatte.

Cat Toaster (unregistriert) 24. September 2013 - 17:43 #

Ja, ich spiele es ja auch auf der Couch, aber eben mit ner Maus. Seitdem die neuerdings nicht mehr diese Kugeln haben sondern dieses rote Licht gehen die auf weichen Schenkeln und beharrten Bäuchen gleichermaßen gut und man hat immer eine Hand frei... :-))

Aber im Ernst, dass das Eingabegerät da zum Spielverderber wird ist schon nervig.

John of Gaunt 27 Spiele-Experte - 78508 - 24. September 2013 - 21:18 #

Werd ich mir auf jeden Fall mal für kleines Geld mitnehmen. Über zu leichte Rätsel kann ich auch mal hinwegsehen, wenn dafür eine gute Geschichte erzählt wird. Und das scheint hier ja der Fall zu sein.

BoNd0o7 15 Kenner - 3606 - 29. September 2013 - 12:35 #

Das Ende ist wirklich sehr gut gelungen und hat mich im Abspann nochmal überrascht. Nach Episode 3 kann ich das Spiel endlich ohne Bedenken weiterempfehlen. :)