Nicht von schlechten Eltern

The Journey Down Test

Philipp Spilker 31. Mai 2012 - 19:00 — vor 11 Jahren aktualisiert
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before
after
Rechts seht ihr das Gegenstück im HD-Remake. Hochauflösende Grafik, viele neu hinzugekommene Details. Wir finden das sehr gelungen.
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Selbstironische, spaßige Rätsel
Die Rätselqualität von The Journey Down rangiert auf einem sehr guten Niveau. Ein Rätsel fügt sich logisch an das nächste, die Hotspots sind trotz einer fehlenden Hotspotanzeige überwiegend gut erkennbar, ohne dass man sich auf Pixeljagd begeben müsste und allzu arges Um-die-Ecke-denken ist nicht nötig, um zum Ziel zu gelangen. Das heißt jedoch nicht, dass die Wege zum Ziel nicht oft äußerst alberne Aktionen erfordern. Denn trotz seiner eher ernsten Hintergrundgeschichte ist The Journey Down im Kern ein sehr humoriges Adventure, in dem der Protagonist eine seiner ersten Aktionen im Spiel schon mal mit dem Satz "Das wirkt gerade albern genug, um klappen zu können" kommentiert. Der humoristische Höhepunkt im Spiel ist ein ganz besonderes Schalterrätsel, das ihr so bisher in noch keinem Adventure erlebt haben werdet und das mit einer genialen Pointe endet, die uns lauthals zum Lachen brachte.
 
Wie kriegen wir es wohl hin, eine ganz besonders exotische Gewürzmischung herzustellen? Ach, klappt schon irgendwie.
Was müsst ihr sonst so tun? Seltsame Gewürzmischungen herstellen, euch als Deckhelfer auf einem Schiff einschleusen, die Phobie eines alten Fischers ausnutzen, euch einen Code zur Benutzung eines Fahrstuhls erschließen, euch für den VIP-Bereich eines Luxusdampfers qualifizieren, Desserts verschlimbessern, Pelikane töten... äh... vertreiben und noch einiges mehr. Dialogrätsel sind ebenso wie traditionelle Inventarrätsel vorhanden, auch ein kurzes, aber nicht störendes Minispiel wurde eingebaut. Wir fanden die Aufgaben sehr abwechslungsreich und nicht an den Haaren herbeigezogen, hätten uns an einigen Stellen aber eine Möglichkeit gewünscht, per Doppelklick schnell von einem Ort zum nächsten wechseln zu können, um Laufwege abzukürzen. Außerdem leistet sich The Journey Down gen Ende leider (wenn auch nur ein einziges Mal) die Adventuresünde, dass man plötzlich einen Hotspot nutzen kann, der einem zuvor immer als nutzlos verkauft wurde.

Alles in allem aber meckern wir hier auf hohem Niveau. Wir haben uns von den Rätseln insgesamt super unterhalten gefühlt und fanden sie vom Schwierigkeitsgrad her angenehm fordernd. Solltet ihr einmal partout nicht weiter wissen, gibt Bwana nach einiger Zeit von selbst Hinweise darauf, was ihr als Nächstes tun solltet. Diese Hinweise stoßen euch erfreulicherweise nicht direkt auf die Lösung des Rätsels, geben aber zumindest einen kleinen Denkanstoß.

Zahlreiche Stärken, kurze Spielzeit
Alternativen
Wer Adventurehistorie nachholen und aus nächster Nähe nachvollziehen möchte, inwiefern sich The Journey Down inspirieren ließ, kommt an dem Adventure-Klassiker Grim Fandango nicht vorbei. Wer es lieber modern und vor allem witzig mag, der ist hingegen mit Die Vieh-Chroniken (GG-Test: 9.0) bestens bedient. Etwas ungewöhnlichere Adventurekost bietet das kürzlich erschienene Memento Mori 2 (GG-Test: 8.0), das Mystery-Geschichte und Krimi auf äußerst spannende Weise miteinander vermischt. Auch Telltale Games geht mit The Walking Dead (GG-Test: [8]) einen innovativen Weg. Das Zombie-Adventure punktet in seiner ersten Episode mit unangenehmen Entscheidungen, die man als Hauptcharakter treffen und mit denen man auch in späteren Episoden zurecht kommen muss. Wen hingegen der Soundtrack von The Journey Down mit Karibik-Feeling zurückgelassen hat, der wird mit der Neuauflage von Monkey Island 2 (GG-Test: 9.5) glücklich: Urlaub mit Guybrush lohnt sich immer.
Den Abspann von The Journey Down - Chapter One werdet ihr nach etwa 4 Stunden zu Gesicht bekommen. Und das ist auch der größte Kritikpunkt, den wir derzeit am Spiel finden können. Eine derart kurze Spielzeit ist zwar in Adventures, die auf Episoden ausgelegt sind, alles andere als selten -- auch die erste Episode von The Walking Dead unterhält höchstens für drei Stunden. Während ein Einzelkauf der ersten Episode des Zombie-Adventures von Telltale Games euch aber etwa 5 € kostet, werdet ihr beim ersten Kapitel von The Journey Down um 12,99 € erleichtert. Kaufen könnt ihr es unter anderem über die Plattformen Desura und Gamersgate. Eine Übersicht über alle Kaufmöglichkeiten gibt es auf der offiziellen Website.

Eine Option, die restlichen Episoden für einen reduzierten Vertrauenspreis direkt im Vorfeld zu kaufen (was auf der PS3 für die gesamte Staffel von The Walking Dead mit 19,99 € zu Buche schlägt), existiert derzeit nicht. Das dürfte auch daran liegen, dass schlicht noch nicht bekannt ist, wie viele Episoden von The Journey Down erscheinen werden. Gehen wir aber von vergleichbaren Episoden-Adventures aus, ist wohl mit vier oder fünf Episoden zu rechnen. Und sollte sich der Einzelpreis der Episoden nicht mit der Zeit verringern, würde das vollständige Spiel schließlich 50-60 € kosten und wäre somit eines der teuersten Adventures der letzten Jahre überhaupt.
 
Es fällt uns daher schwer, The Journey Down trotz seiner vielen und unbestreitbaren Qualitäten vorbehaltlos zu empfehlen. Es fällt uns jedoch mindestens ebenso schwer, von einem Kauf abzuraten, zumal die maskenhaften Gesichtszüge der Charaktere tatsächlich ein kleiner Geniestreich sind und mit sehr ausdrucksstarken Emotionen, wie vom Entwickler beabsichtigt, einige Erinnerungen an Grim Fandango wecken. Und haben wir schon den genialen, zum Mitwippen im Takt anregenden Jazz-Soundtrack von Saxophonist Simon D'souza erwähnt, der auch schon für den Soundtrack der Freeware-Variante des Spiels verantwortlich zeichnete? Unser Tipp: Schaut euch die besagte Freeware-Variante mal als eine Art Demoversion des Spiels an. Wenn euch das dort Gesehene gefällt, stehen die Chancen sehr gut, dass ihr die Investition von 12,99 € nicht bereuen werdet. Denn das HD-Remake ist in einigen wichtigen Punkten noch verbessert. Und im Gegensatz zur Freeware-Variante hat es einen entscheidenden Vorteil: Es wird fortgesetzt werden. Hoffentlich eher früher als später. Wir wünschen uns mehr Abenteuer mit Bwana und Kito.

Autor: Philipp Spilker (GamersGlobal)
Philipp Spilker
Der Qualität von The Journey Down - Chapter One kann ich kaum ein schöneres Kompliment machen als jenes, dass ich vor einiger Zeit bereits einmal die Freeware-Variante durchspielte und mich das jetzige Remake, trotz einiger Déjà-Vu-Momente, nicht ein einziges Mal langweilte, sondern mich ungeachtet dessen wieder von Anfang an fesseln konnte. Die trotz aller unmöglichen Fehlschläge stets optimistisch bleibenden Protagonisten und der oft selbstreferentielle, gelungene Humor haben es mir direkt wieder angetan und die spannende Hintergrundgeschichte dient zwar größtenteils nur als Exposition, unterhält aber gut und macht mich sehr neugierig auf das, was in den weiteren Episoden noch geschehen wird. Besonders beeindruckt hat mich außerdem die sehr gelungene 2D-Grafik, die für ein Indie-Adventure wirklich ungewohnt hochwertig ist und der wunderbar zur Welt des Spiels passende Jazz-Soundtrack, der Ohrwurmqualitäten mit sich bringt.
 
Ein Teil von mir denkt deshalb, dass es gerechtfertigt ist, für eine solch hohe Produktionsqualität einen hohen Kaufpreis anzusetzen. Doch dann rudert ein anderer Teil von mir dagegen und erinnert mich an ähnlich hochwertige Konkurrenzprodukte, die preiswerter sind. Aber ich kann mir eh denken, was ich will: Die Kaufentscheidung werde ich euch nicht abnehmen können. Daher kurz und bündig: The Journey Down ist witzig, charmant, hat einen tollen Soundtrack, ist oft bildhübsch und mit hoher Rätselqualität gesegnet. Was es aber auch hat: Einige misslungene Sprecher, etwas nervige Laufwege und eine sehr kurze Spielzeit. Jetzt seid ihr dran.
 
 The Journey Down
Einstieg/Bedienung
  • Typische, leichte Adventure-Steuerung
  • Hotspots immer gut erkennbar
  • Hauptcharaktere mit ihrem absolut unerschütterlichen Optimismus sorgen von Beginn an für Sympathien
  • Kein Tutorial
  • Aufgrund fehlender Option, zwischen Hintergründen durch Doppelklick schnell zu wechseln, im späteren Spielverlauf etwas weite Laufwege
Spieltiefe/Balance
  • Abwechslungsreiche Hintergründe
  • Einfallsreiche Rätsel mit guter Mischung aus albern und nachvollziehbar
  • Ausgewogener Schwierigkeitsgrad
  • Interessantes Setting
  • Freeware-Spiel sinnvoll erweitert
  • Gelungener Humor, beizeiten mit einem gewissen Hang zur Adventure-Parodie
  • Enorm witziges Schalterrätsel
  • Äußerst kurze Spielzeit trotz relativ hoch angesetztem Kaufpreis der Episode
  • Bisher sind kaum Details zu den weiteren geplanten Episoden bekannt
Grafik/Technik
  • Hochwertige HD-Grafik
  • Inspiration der Gesichtszüge durch afrikanische Stammesmasken sorgt für sehr emotionsstarke Gesichter
  • Viele Details in Hintergründen
  • Sehr gelungene Beleuchtungseffekte
  • Lange, sehr gelungene Renderfilme
  • Insbesondere einigen der Nebencharaktere kann man anmerken, dass in sie nicht so viel Arbeit geflossen ist wie in die Hauptcharaktere
Sound/Sprache
  • Großartiger Jazz-Soundtrack
  • Komplett und meist gut vertont
  • Bisher nur in englischer Sprache mit englischen Untertiteln erhältlich
  • Einige Charaktere sind so stereotyp vertont (chinesischer Koch, Franzose), dass es nur nervig, nicht witzig ist
Multiplayer
Nicht vorhanden  
Userwertung
7.2
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Adventure
12
theowaern
SkyGoblin
18.05.2012
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Philipp Spilker 31. Mai 2012 - 19:00 — vor 11 Jahren aktualisiert
Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66904 - 31. Mai 2012 - 19:44 #

Davon hab ich ja noch gar nichts gehört! Danke für den Test. Allerdings werde ich hier wohl auf ein irgendwann erscheinendes Bundle warten. Einerseits, weil ich das immer so bei Episodenspielen mache und andererseits - das ist echt mal ein gepfefferter Preis für eine einzelne Episode. Aber auf meine Liste kommt es auf jeden Fall.

Wuslon 20 Gold-Gamer - - 21567 - 31. Mai 2012 - 22:25 #

Das Spiel sieht super aus, du hattes davon ja auch schon im Podcast erzählt. Allerdings sind 13 Euro schon nicht so ganz billig. Mal abwarten, wie es mit weiteren Teilen aussieht.

ronnymiller 12 Trollwächter - 1113 - 1. Juni 2012 - 12:26 #

Grim Fandango ist für mich immer noch das beste Adventure aller Zeiten - der Stil von Journey Down hat mich also angesprochen.
Ja, 13 Euro ist nicht billig - aber ich war gestern im Kino und hab 13 Euro für 2 Stunden Avengers ausgegeben. Da kann ich auch 13 Euro für 4 Stunden Journey Down ausgeben, wenn dadurch sichergestellt wird, dass es auch wirklich weitere Episoden gibt.
Danke für den Test - hatte vorher noch nie was von dem Teil gehört und freue mich darauf, Journey Down zu spielen.

icezolation 19 Megatalent - 19280 - 1. Juni 2012 - 18:48 #

Huch, davon hab ich doch mal die pixelige Variante durchgezockt :o

Liest sich alles äußerst erfreulich! Ich werde aber wohl noch abwarten, was da noch weiteres auf uns zukommen mag.

Anonymous (unregistriert) 3. Juni 2012 - 20:59 #

Den Polygonfiguren fehlt es allerdings sowohl an Charme als auch an Proportionen.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83928 - 5. Juni 2012 - 17:06 #

Hm, das witzige Schalterrätsel hast du doch im Indie-Podcast schon mal gespoilert. ;-)
Wie auch immer, klingt interessant, aber doch etwas teuer für ein Episoden-Adventure.