Review: Durchs Netz gefallen

Spider-Man Edge of Time Test

Die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft ist wieder da! Nach dem grundsoliden Spider-Man Dimensions möchte Peter Parker alias Spider-Man einmal mehr für gute Unterhaltung sorgen. Gelingt das Edge of Time? Steht uns im Umfeld des Superhelden-Spitzenspiels Batman Arkham Asylum gleich das nächste Fest für Cartoon-Freunde ins Haus?
Jörg Langer 16. Oktober 2011 - 21:04 — vor 12 Jahren aktualisiert
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Seit 1962 schwingt sich Peter Parker durch die Häuserschluchten von New York, krabbelt an Wänden, reißt zynische Sprüche am laufenden Band und bewahrt die Welt vor Schurken wie dem Green Goblin, Doc Octavius oder Venom. Spider-Man läutete anno 2001 die bis heute andauernde Welle der Comicverfilmungen ein – und ebnete so den Weg für Meilensteine wie der Batman-Verfilmung The Dark Knight (2008). Ein Jahr vor dem Neustart des Spider-Man-Franchises auf der großen Leinwand möchte Spider-Man Edge of Time an die guten Kritiken des Vorgängers  anschließen.
 
Der hieß Spider-Man Dimensions (GG-Test: 7.5), bot gleich vier Inkarnationen des Spider-Man und hatte eine etwa sieben Stunden lange, spaßige Solokampagne. Allerdings wartete die Story mit einigen Logiklücken auf, und selbst Fans kapierten nicht immer, wie sich jetzt genau die vier Dimensionen gegenseitig beeinflussen. Trotz der spielerischen Abwechslung konnte Dimensions auch langweilen, da man immer wieder dieselben Klongegner verprügelte, auf der Habenseite waren die Bosskämpfe packend inszeniert. Edge of Time reduziert die vier Zeitdimensionen auf die Hälfte: Ihr übernehmt nur noch die Rollen des Spider-Mans der 1970er und seines Alter Egos aus dem Jahr 2099. Storytechnisch ergeben sich daraus ganz neue Erzählmöglichkeiten.
 
Im Hier und Jetzt und in der Zukunft
Als Angestellter bei Alchemax lebt Peter Parker in einem trostlosen Trott und arbeitet sich den Buckel krumm. Zwar schlüpft er ab und an in die Rolle des Spider-Man, dennoch beherrscht überwiegend Langeweile sein Leben. Moment! Alchemax? Peter Parker arbeitete doch eigentlich als Fotograf des Daily Bugle, oder? Alles richtig, wäre da nicht der verrückte Wissenschaftler Walker Sloan, der 2099 ein Zeitportal nutzt, um die Vergangenheit zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Und so wird Alchemax nicht erst im 21. Jahrhundert, sondern schon Mitte der 1970er zu einem führenden Weltkonzern, der sich die Welt untertan machen möchte. Um seine Allmachtsfantasien komplett ausleben zu können, muss Sloan aber auch Spider-Man beziehungsweise Peter Parker ausschalten. Und ohne Spider-Man der Gegenwart kein Spider-Man in der Zukunft.
 
Der Plan wäre genial, hätte ihn nicht Miguel O'Hara bemerkt, der Spider-Man der Zukunft. Doch obwohl er im rechten Moment auftaucht und Walker Sloan durch das Portal folgt, bleibt er zwischen den beiden Welten gefangen und sieht schreckliche Visionen – etwa den Tod von Parker durch die Hand Venoms. Mit allerlei biochemischem Hokuspokus schafft es die Zukunftsspinne, Peter Parker in dessen Gedanken zu kontaktieren. Mit seiner Hilfe möchte er das Zeit-Raum-Kontinuum wieder zurecht rücken und die Utopie eines friedlichen, gerechten 21. Jahrhunderts garantieren. Das klingt doch wie der Aufhänger zu einem epochalen Kampf, der die Grenzen der Zeit überschreitet, oder? Vielleicht in einer anderen Dimension. In der unsrigen hat der Entwickler viel, sehr viel falsch gemacht.
 
Die Logik des Schmetterlings
Der Chef von Peter Parker und zugleich Bösewicht des Spiels: Walker Sloan. Im Hintergrund Doc Ock – mal wieder.
Der schon oft in Science-Fiction-Werken bemühte Effekt (oder aus der Wetterforschung bekannte, ihr wisst schon, der "Schmetterling, der in China mit den Flügeln schlägt" und angeblich das weltweite Wetter beeinflusst), dass selbst kleinste Veränderungen der Gegenwart gigantische Auswirkungen auf die Zukunft haben, kann für lustige Szenarien herhalten. Beispiel gefällig?

Wir verrücken in der Redaktion einen Kaffeebecher, der fällt dem Chefredakteur auf den Fuß, der verbannt den Autoren – und der Test, den ihr gerade lest, erscheint nicht. Der Autor verarmt und verbittert, wandert in der Folge nach Afrika aus, fasst dort neuen Mut und industrialisiert sowie demokratisiert binnen 20 Jahren den kompletten Kontinent, indem er den effizienzsteigernden Mitmachgedanken von GamersGlobal auf komplette Länder überträgt. Die EU geht davon unabhängig endgültig den Bach runter, während die USA einen guten Teil ihrer fähigsten Bürger verlieren, die zurück in die Länder ihrer Ahnen wollen, also auf den nun prosperierenden Kontinent Afrika. Da dort die chinesischen Ausbeuter-Betriebe von demokratischen Regierungen massenhaft aus dem Land geworfen wurden, fehlt es der Volksrepublik bald an Rohstoffen für den weiteren wirtschaftlichen Aufschwung, sodass sie schließlich in teils autoritäre, teils demokratische Einzelstaaten zerfällt. Ihr seht also: Aufgrund einer unachtsam hingestellten Kaffeetasse in der GamersGlobal-Redaktion hat sich wenige Jahrzehnte später das internationale Machtgefüge komplett verschoben. Schmetterlingseffekt eben.
 
Genauso chaotisch, unwahrscheinlich und faszinierend verhält es sich auf den ersten Blick mit der Story von Edge of Time: Peter Parker zerstört in der Gegenwart einen frühen Prototypen eines Kampfroboters, und schon ist sein Nachfolger O'Hara gut ein Jahrhundert später einen Kontrahenten los, da die Killermaschine nie gebaut wurde. In einem Spiel klingt das doch nach einem famosen Grundstein für ungemein gute Action – doch leider sind die Veränderungen immer absehbar und fest vorgegeben. Wie genial wäre es doch, als Spider-Man in unserer Zeit Lüftungsschächte zu demolieren, um Gegnern in der Zukunft einen Weg zu blockieren oder etwas nieder zu reißen, was O'Hara dereinst nutzen kann, um feindliche Stellungen zu umgehen. Doch das sind Gedankenspiele, keine Spiel-Features. Hier und da gilt es, das Zukunfts-Ich aus der Klemme zu befreien, was unter Zeitdruck tatsächlich Spannung aufbauen kann. Davon abgesehen, plätschert das Geschehen vor sich hin. Im Verlauf des Spiels tauschen Parker und O'Hara ihre Realitäten – spielerische Auswirkungen sind trotzdem kaum vorhanden, da die Spinnenmänner sich fast identisch spielen. Beide beherrschen schwache und starke Angriffe, können ihren Spinnensinn einsetzen oder Gegner aus der Luft holen. Peter vervielfacht sich für eine Zeitlang und kann Gegner schneller über den Jordan schicken, O'Hara projiziert ein holografisches Abbild, das Feinde irritiert, während die Zukunftsspinne eine andere Position zum Angriff sucht.
 
Spinne in der Einbahnstraße
Im Spielverlauf "pimpt" ihr beide Spinnen.
Das Spieldesign von Spider-Man Edge of Time lässt sich mit „Krabbeln und Prügeln“ kompakt zusammenfassen. Ihr lauft durch einen fast immer gleich aussehenden Gebäudekomplex, zerlegt dann Roboter oder menschliche Kontrahenten und wiederholt das gut sieben Stunden lang, bis euch der Abspann glücklicherweise unterbricht. Schade? Nö, denn selbst die Bossfights können den Titel nicht aus dem Spielspaßtief herausheben und wirken nur wie Lückenbüßer. Auch die Upgrades der Spinne, die ihr durch Sammeln blauer Orbs und goldener Spinnensymbole im Kampf freischaltet, gestalten das Spiel nur unwesentlich abwechslungsreicher. Scheinbar wollten die Entwickler denn auch ein paar zusätzliche Akzente setzen und etwas mehr Varianz einbringen – so saust O'Hara kilometerlange Schächte hinab und darf Hindernissen ausweichen. Spielerischer und dramaturgischer Sinn? Gleich null.
 
Peter Parker geriert sich als Zyniker wie eh und je: Auch in den ausweglosesten Situationen hat er einen flotten Spruch auf den Lippen – wobei ihm dann O'Hara gerne Kontra aus dem Off gibt. Doch auch dieses hin und her konnte uns nicht begeistern: Obwohl Dialoge und Story aus der Feder von Peter
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David stammen, der zuvor einige X-Men- und Aquaman-Comics zeichnete, sind die Wortduelle oft mehr als peinlich. Während sich die Spinne aus der Zukunft als bierernster Vertreter der Superheldenzunft sieht, ist Peter Parker mehr das Sorglosmännchen, das auch den eigenen Tod ungemein amüsant finden kann und von der ganzen Zeitreiseproblematik keinen blassen Schimmer besitzt – als hochqualifizierter Wissenschaftler von Alchemax, wohlgemerkt. Dass auch die Story klaffende Logiklücken aufweist, erstaunt uns da nicht mehr.
 
Nun war Spider-Man noch nie als dauergrübelnder Superheld im kollektiven Gedächtnis verankert. Etwas mehr Zeit für die Helden hätten sich die Entwickler jedoch nehmen können. Für Nichtkenner der Materie bleiben sie blass und zweidimensional, da ihre Hintergrundgeschichten nicht ausreichend erklärt werden. Die KI fügt sich nahtlos in das trostlose Bild ein – Intelligenzbestien sind Kontrahenten wahrlich nicht, es ist eher die Masse der Gegner, die euch zu schaffen macht. Ausnahme: Die Bossgegner, allen voran Venom, agieren taktisch klüger, können aber mit ein wenig Geduld problemlos zur Strecke gebracht werden. 
Im Spiel ein gewohntes Bild: Ein gutes Dutzend Gegner, die darauf warten, von euch vermöbelt zu werden.
Karsten Scholz Freier Redakteur - 15195 - 16. Oktober 2011 - 21:25 #

Das Spiel leidet natürlich doppelt darunter, dass die Batman-Arkham-Reihe gerade zeigt, wo der Frosch die Locken hat. Schade, jeder bekannte und beliebte Comic-Held würde in der Qualität von Batman wohl zum Namensgeber eines "geilen Games" werden...ich nehm es positiv: wer hätte denn schon Zeit für all die tollen Spiele...das geht jetzt doch schon auf keine Kuhhaut :-P

mpa 17 Shapeshifter - P - 6071 - 16. Oktober 2011 - 21:36 #

Grandioses Beispiel für den Schmetterlingseffekt :D

Wuslon 20 Gold-Gamer - - 21562 - 16. Oktober 2011 - 21:53 #

Schade um Spidy...

Das Beispiel zum Schmetterlingseffekt ist grandios. Würde ich gern als Hollywood-Blockbuster sehen :-)

. 21 AAA-Gamer - 28253 - 16. Oktober 2011 - 21:54 #

Kaufs mir trotzdem, weil Spidey der Gott der Comichelden ist. Who the F... Is Batman?

Tr1nity 28 Party-Gamer - P - 110364 - 16. Oktober 2011 - 21:56 #

Kann es sein, daß es hier das Layout zerschossen hat? Ich habe die Kommentare im Firefox hier rechts neben dem Test stehen und sie sind alle gefettet.

Edit: Vermutlich Aufgrund eines Restcodes der Werbeanzeige von Seite 1, 2. Absatz unter "Spinne in der Einbahnstraße". Auf Seite 2 vom Test ist es normal.

Larnak 22 Motivator - 37541 - 16. Oktober 2011 - 22:49 #

Jup, ist bei mir auch.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 468612 - 16. Oktober 2011 - 22:58 #

Ist jetzt korrigiert. Es war die Fettung des Namens David in Verbindung mit der eingepasteten Anzeige. Fragt mich nicht, wieso...

Pestilence (unregistriert) 16. Oktober 2011 - 22:22 #

So ein Spiel hat Spider-Man nicht verdient...
Aber die Leser der Comics wissen eh, dass es in Spider-Man primär die Schwierigkeiten des privaten Lebens von Peter Parker geht, anstatt immer nur Bösewichte zu vermöbeln. So etwas lässt sich schlecht in ein Spiel packen.

Falls mal jemand mit Spider-Man anfangen möchte, habe ich eine Liste der Trade Paperbacks gemacht. In dieser Reihenfolge sollte man heutzutage anfangen zu lesen.
http://www.amazon.de/registry/wishlist/1NS20NCULJLEX

McGressive 19 Megatalent - 14300 - 17. Oktober 2011 - 8:57 #

Perfekt! Danke dafür =)

Henke 15 Kenner - 3636 - 16. Oktober 2011 - 22:43 #

Schade! Nach dem meiner Meinung nach verkannten Web Of Shadows hier nun wohl der Tiefpunkt der Spidey-Spiele... hoffen wir mal, das nächste Spiel "The Amazing Spider-Man" wird besser...

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36173 - 16. Oktober 2011 - 22:57 #

So mies wie jedes Jahr, da greif ich lieber zu Batman Arkham City.

Imhotep 12 Trollwächter - 1145 - 17. Oktober 2011 - 16:01 #

Ich finds echt schade, weil ich generell Marvel-Comics den DC Comics bevorzuge (ok, mit Ausnahmen :D) aber die bekommen einfach kein gescheites Game auf die Reihe ... könnte man nicht Naughty Dog mal nen Spidey-Teil machen lassen bitte? oder id Software ... ._.

Deadpool 17 Shapeshifter - - 6224 - 17. Oktober 2011 - 19:45 #

Geht mir ähnlich, bin nicht der riesen Comic Fan, aber wenn dann doch eher Marvel als DC, aber deren Helden haben doch nun auch nicht so viele gescheite Spiele abbekommen. Abgesehen von Arkham Asylum und Arkham City fällt mir spontan kein DC Spiel ein, dass wirklich überragend war.

skelethor 14 Komm-Experte - 2375 - 19. Oktober 2011 - 18:45 #

außer den beiden fällt mir überhaupt kein DC Spiel ein ;)

DJHolzbank 10 Kommunikator - 389 - 26. Oktober 2011 - 14:17 #

Irgendwie passen Testbericht und Note nicht zusammen. Wenn man den Test liest, hat man den Eindruck, es handle sich um ein Gurkenspiel. Und dann bekommt das Spiel mit 5,5 trotzdem noch eine überdurchschnittliche Note. Merkwürdig.

NeXt 06 Bewerter - 55 - 2. November 2011 - 12:39 #

Gurkenspiel wäre wohl passend zu dem Spieltitel. Spiele die verfilmt wurden gehen absolut garnicht(Ausnahmen bestätigen die Regel!)