Test: Metzel- & Rätsel-Tristesse

Saw Test

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Glück im Unglück: Für ihn ist das Spiel vorbei. Ach, dürften doch auch wir Saw bereits beenden!

Stimmungskiller
 
Mit der Harmlosigkeit der Gegner vergibt Saw schon zu Beginn jede realistische Chance, ein Spiel mit gruseliger Atmosphäre und funktionierenden Schockelementen zu sein. Anfangs wandern wir durch die dunklen Gänge, pirschen uns vorsichtig vor – es könnte ja eine gemeine Falle hinter der nächsten Tür auf uns warten. Aber schon nach 20 Minuten hat man alles gesehen, was potenziell gefährlich ist. Ab diesem Zeitpunkt wissen wir, dass Gegner dank Buttonmashing zum Punching Ball verkommen, dass Jigsaw gut sichtbare Drähte auf den Boden gespannt hat, die Selbstschussanlagen auslösen, und dass hinter manchen Türen eine Ladung Schrot auf uns wartet, sofern wir nicht im richtigen Moment die entsprechende Taste drücken. Was bleibt also übrig?
 
Eine erschreckend monotone Umgebung, durch die wir uns systematisch vorarbeiten wie ein Buchhalter, der Tabellen Zeile um Zeile und Spalte um Spalte abarbeitet. Wie dieser bleiben wir dabei von Überraschungen weitgehend verschont. Und so wie ein Excel-Kästchen wie das andere aussieht, sieht auch das Sanatorium in jedem Bereich gleich aus. Abwechslung bringen lediglich einige von Jigsaws aufgebauten Experimenten. Quasi als Reminiszenz an die Filme entdeckt ihr an mehreren Stellen ein paar der tödlichen Fallen, die der Killer schon auf der Leinwand anwendete -- inklusive der zugehörigen Opfer.

Ansonsten geht es hauptsächlich im Dunkeln voran. Wie man an gelungenen Beispielen wie Dead Space sieht, trägt dies unter Umständen zu einer wirklich intensiven Spielerfahrung bei. Bei Saw hingegen wirkt es aufgesetzt. Man weiß, dass Jigsaw ein fieser Typ ist, dass er seine Opfer quält und das generell alles bitterböse zugeht im Saw-Universum. Folglich steht es scheinbar außerfrage, dass so ein Spiel ohne nennenswerte Lichtquellen auskommen muss. Man erwartet das also. Was man nicht erwartet, ist, dass die Gegner auch im Stockfinsteren durch ihre Gesundheitsleisten schon von weitem zu erkennen sind. Kein Witz! Nur, um nicht ständig gegen Wände zu laufen, benötigt ihr überhaupt eine Lichtquelle. Und auch hier gilt die verquere Design-Logik, die wir schon bei den Waffen bewundern durften: Lasst bessere Funzeln wie Taschenlampen oder Fotokameras mit Blitz links liegen, denn am besten funktioniert eure Standardausrüstung, en schlichtes Feuerzeug. Ob das alles ein Statement der Designer ist, eine geheime, spiele- und gesellschaftskritische Botschaft, an Konamis Quality Assurance vorbeigeschmuggelt? Schreit da jemand um Hilfe? "Holt mich hier raus, ich kann jegliche Grundprinzipien spannender Spiele mit Füßen treten, und niemand hindert mich daran"? Wir wissen es nicht.

Geheimnisvoller Helfer: "Schweinemaske" übernimmt die Drecksarbeit für Jigsaw.

Ich möchte gerne mal ein anderes Spiel spielen

Natürlich irren wir nicht einfach planlos durchs Irrenhaus. Das ist zum einen schwer möglich, da die Abschnitte streng linear aufgebaut sind, Zum anderen gibt es ja noch Jigsaw, der Schlimmes mit uns treiben will. Durch zahlreiche Hinweise lotst er uns durch die Bereiche des Sanatoriums, deutet an, wo Schlüssel für Türen versteckt sind oder wie wir Kombinationen für Zahlenschlösser herausfinden. Doch auch dieses vielversprechend nach "Simon says" (siehe Stirb Langsam 3) klingende Element wurde einfallslos-repetitiv umgesetzt.
 
So befinden sich Schlüssel viel zu häufig in mit Spritzen gefüllten Toilettenschüsseln, Kombinationen werden regelmäßig erst im Spiegel oder aus dem richtigen Blickwinkel sichtbar. Oder ihr müsst mal wieder einen Gegner erschlagen, um ihm das gewünschte Objekt zu rauben. Benötigt eine Tür mal keinen Schlüssel, knacken wir kurzerhand den Sicherungskasten und verbinden Drähte in der richtigen Reihenfolge. Dasselbe Mini-Spiel wiederholt sich dann bei Gasleitungen. Das alles ist nicht abwechslungsreich und auch nicht fordernd. Lediglich ein paar unfaire Zeitlimits und ungünstig platzierte Speicherpunkte gegen Ende des Spiels brachten uns beinahe ins Schwitzen. Das ändert aber nichts daran, dass Saw mitnichten ein spannender Horrotrip durch die dunklen Welten des Jigsaw ist, sondern vielmehr ein gemächlicher Spaziergang durch das schlecht beleuchtete Badezimmer eines Psychopathen.  

Selbst die "krönenenden" Rätsel am Ende der Kapitel sind wenig anspruchsvoll. Meist gilt es simple Verschiebereien unter Zeitdruck zu lösen, um die tödlichen Apparate rechtzeitig zu stoppen. Also rückt ihr da ein paar Klötze hin und her, leitet dort das Gegengift ins richtige Ventil. Und fragt euch bald unweigerlich: Wieso baut Jigsaw monströse Tötungsapparate, die uns in Stücke reißen können -- und dann verhindern wir das durch das richtige Anordnen einiger Bauklötze?

Unappettitlich: Um den Schlüssel zu kriegen, müssen wir im präparierten Körper einer Leiche wühlen.

Nichts für zarte Gemüter
 
Bei aller Kritik an Atmosphäre und Spieldesign: Bei seiner exzessiven Gewaltdarstellung geht Saw keinerlei Kompromisse ein -- wir haben uns bei den Screenshots absichtlich zurückgehalten und bringen auch kein Video. Explodierende Köpfe, verbrennende Gegner und tödliche Elektroschocks – all das schaffte es ungeschnitten in die deutsche Version mit USK Freigabe. Eine höchst fragwürdige Entscheidung, wie wir finden. Denn Gewalt in Saw nicht einfach nur ein Nebeneffekt der Handlung, sie ist das einzige Herausstellungsmerkmal. So versuchen wir als Detective Tapp zwar, in jedem Kapitel eine Person vor dem Tod zu retten, haben aber gleichzeitig keine Skrupel, Dutzende andere Gefangene des Jigsaw zu erschlagen, an ihren Körpern befestigte Sprengladungen zu zünden oder in ihren Körpern nach einem Schlüssel zu wühlen. Das ist moralisch nicht nur fragwürdig sondern bei anderen Spielen in der Vergangenheit bislang ein K.O.-Kriterium für die Vergabe eines USK-Siegels gewesen. Wieso ausgerechnet ein plumbes Ekelspiel wie Saw damit durchkommt, können wir nicht verstehen.
 
Fazit: Blutige Monotonie
 
Wir hoffen inständig, dass dieses Spiel keine acht Fortsetzungen nach sich ziehen wird. Saw ist unspannend inszeniert, bietet kaum Herausforderungen, strotzt vor Monotonie und lässt sich überdies noch miserabel steuern. Glühende Verehrer der Filme, die gerne wissen wollen, was aus der Figur von Danny Glover geworden ist, dürfen ohne große Erwartungshaltung einen Blick riskieren. Aber auch sie dürfen sich gewarnt fühlen! Wer hingegen Interesse an einem abwechslunsgreichem Geschehen, einer vernünftigen Steuerung und einer bedrückenden Atmosphäre hat, der sollte die Frage des Jigsaw „Möchtest du ein Spiel spielen?“ gar nicht erst beantworten.

Autor: Alex Hassel (GamersGlobal)
 
Einstieg/Bedienung Simple Steuerung Kampfsystem auf Buttonmashing ausgelegt Sämtliche Waffen dank verzögerter Animationen faktisch unbrauchbar Schlechte Treffererkennung
Spieltiefe/Balance Auch für Einsteiger lösbar Aufgaben wiederholen sich sehr schnell Spätere Zeitlimits und Speicherpunkte unfair gesetzt  Keinerlei Herausforderung bei den Kämpfen Lineare Levels
Grafik/Technik Grafik stellenweise gelungen Hakelige Kamerasteuerung Spielwelt ohne Abwechslung "Beklemmende" Dunkelheit wird durch Lebensbalken der Gegner ad absurdum geführt
Sound/Sprache Gute Synchronsprecher "Industrial"-Musikkulisse
Singleplayer Mehrere Lösungswege Story ergänzt Rahmenhandlung der Filme Schnell durchgespielt (wobei, eigentlich ist das ein Pluspunkt...) Nur 6 Kapitel Moralisch inkonsequent: ein Gefangener muss befreit werden, die anderen werden vom Helden ohne Zögern erschlagen Kein nennenswerter Spannungsbogen
Multiplayer Nicht vorhanden
Alex Hassel 2. Dezember 2009 - 23:50 — vor 14 Jahren aktualisiert
guybrush 07 Dual-Talent - 104 - 5. Dezember 2009 - 0:18 #

Guter Artikel aber Assassin's Creed 2 ist genau wie der Vorgänger ab 16. -.-

Schrumpelpilz 06 Bewerter - 84 - 5. Dezember 2009 - 0:32 #

Dass, das Spiel soooo schlecht ist hätt ich nicht gedacht.:/

bersi (unregistriert) 5. Dezember 2009 - 1:35 #

Naja, warum man auf der einen Seite Personen retten muss, während man "Jigsaws Leute" umhaut, die an den Schlüssel im Brustkorb wollen ist eigentlich leicht beantwortet. Weil das eigene Leben mehr zählt, als das des "Gegners".

Tapp muss halt für "sein" Spiel Leute retten, die anderen für "ihr" Spiel Tapp den Bauch aufschlitzen. Wer würde sich das schon gefallen lassen? Warum Saw mit so einem Gewaltheitsgrad aber ne 18er Freigabe erhalten hat, während andere Spiele en masse geschnitten werden, versteh ich aber auch nicht.

Christoph Licht 25 Platin-Gamer - 55862 - 5. Dezember 2009 - 12:30 #

Die Frage hat Marek Brunner von der USK in unserem Interview (http://www.gamersglobal.de/interview/interview-marek-brunner-usk) beantwortet (Mitte Seite 2):

"Ist ein Spiel hingegen sehr schlecht, bildet sich kein Kanal zwischen dem Spieler und dem Spiel. Es gibt heftiges Clipping, die Gegner rennen immer gegen die Wand, die Levels machen keinen Spaß – auch ein solches Actionspiel wird oft eine Kennzeichnung "ab 18" erhalten statt "keine Kennzeichnung", da es die Spieler schlicht kalt lässt."

General_Kolenga 15 Kenner - 2869 - 5. Dezember 2009 - 11:31 #

Sieht so aus, als fänden sich die Designer auch bald in einer Bärenfalle wieder! :D:D

Nein eigentlich schade, ich hätte mir vom Spiel mehr erhofft.

Dr. Garry 12 Trollwächter - 831 - 5. Dezember 2009 - 14:36 #

Na ja ich hab schon den Film geschmacklos gefunden. Und dass das Spiel schlecht wird kann man sich fast denken.

Gamaxy 19 Megatalent - 14748 - 5. Dezember 2009 - 14:49 #

Sehr unterhaltsame Rezension!

Inhaltlich hatte ich sowas ähnliches schon erwartet, aber dass das Spiel soo schlecht ist, überrascht dann doch.

Dagegen ist ja Avatar nachgerade ein Geheimtipp :-D

grimmi 10 Kommunikator - 516 - 5. Dezember 2009 - 22:51 #

Ich habe mich sowieso gefragt, wie man das eigentliche Problem aus den Filmen in ein Spiel transportieren will. Der Spieler geht keine Gefahr ein oder muss Hürden überwinden, wenn er eine Bildschirmfigur in Spritzen wühlen lässt oder Chirurg spielen muss. Darum ging's doch aber in den Filmen (na gut, jedenfalls im ersten): Wie weit geht ein Mensch, um sein eigenes Leben zu retten?
Wenn ich jetzt aber nichts auf's Spiel setze (allein schon deshalb, weil es eben keine Alternativen gibt), dann ist die Komponente komplett raus, übrig bleibt dann wohl die Spannung - und wenn man die dann auch noch vergeigt, ist's halt aus.

Pro4you 19 Megatalent - 16342 - 6. Dezember 2009 - 2:50 #

Also die Filme finde ich ja ganz gut und interessant gemacht,manchmal schon fast wie ein krimi wo es darum geht heraus zu finden wie man der Falle entkommt. Als Spiel aber nutzlos, dass war mir vorher aber auch schon irgend wie klar. Was einen guten Film ausmacht, muss nicht einen guten Film ausmachen und auch hier wurde wieder meine tthese vertretten, dass Spiele zu Filmen immer nur scheiße sind. Ich sage diesen Satz in letzter Zeit leider viel zu häufig..

Ninfea 05 Spieler - 57 - 6. Dezember 2009 - 6:58 #

Sehr schöner Test. Übles Spiel. :/

Phoenix 16 Übertalent - 4165 - 6. Dezember 2009 - 11:05 #

puh... eine 4.0 Wertung ist scho ziemlich schlecht! Hat das Spiel das wirklich verdient?

Alex Hassel 19 Megatalent - 17995 - 7. Dezember 2009 - 13:13 #

Unserer Ansicht nach ja, unbedingt. Aber ich bin selber überrascht, welches Spektrum an Bewertungen dieses Spiel bei anderen Magazinen eingefahren hat. Insbesondere wenn ich von Wertungen ab 70 aufwärts lese, schlackern mir die Ohren.

BIOCRY 17 Shapeshifter - - 7405 - 7. Dezember 2009 - 15:31 #

Womit wir wieder beim Thema "Vermurkste Filmumsetzungen" angelangt sind!
Ich möchte (k)ein (Saw-)Spiel spielen!

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83933 - 7. Dezember 2009 - 18:29 #

Schade, ich fand, das sah potenziell gut aus. Vor einer Weile hattet ihr ja auch ein video vom Anfang des Spiels, da gab's einige interessante Rätsel, aber laut dem Text scheinen die sich ja ständig zu wiederholen, das ist dann blöd. Da sind den designern wohl schnell die Ideen ausgegangen. Und die Kämpfe haben das Spiel dann endgültig ruiniert. Wirklich schade. Aber wie Alex schon sagte, hat es anderen Testern ja anscheinend besser gefallen. Werd wohl noch in ein paar andere Tests reingucken.

Moriarty1779 19 Megatalent - - 17153 - 8. Dezember 2009 - 10:02 #

Es gibt ja wirklich gute, spielenswerte Games - die verkaufen sich auch gut, und das zurecht.

Dann gibt es grottige Games, die sich zurecht nicht oder nur schlecht verkaufen.

Drittens haben die Hersteller aber mittlerweile offenbar gelernt, welche plumpen Tricks einem eigentlich schlechten Spiel den nötigen "Aufwind" verschaffen können. Sei es Avatar (nicht das zum neuen Film, das ältere...) für die XBox360 - ein absolut schlechtes Spiel - in der Szene trotzdem hochgehandelt, verschafft es doch dem Käufer innerhalb von 3 Minuten alle 1000 Gamerpoints. (Einige Live-Zocker nehmen das mit den "kompletten 1000" sehr ernst und sammeln eifrig komplett durchgespielte Games...).
Ein anderes Mittel, ein schlechtes Spiel zu "pimpen", ist wohl leider auch der hohe Gewaltgrad. In Leichen herumwühlen, Menschen zersprengen, foltern... das kann man nichtmal in USK-18-Militärshootern.

Daher prophezeihe ich dem Spiel "Saw" trotz mieser Qualität und grottigem Spielprinzip einen hohen Kultfaktor als Pausenthema auf deutschen Schulhöfen und auf den Computern pubertierender Gewaltfreaks. Aber gottseidank geben die meist nicht ihr knappes Taschengeld für Spiele aus, sondern "besorgen" sich die anderweitig. Sonst würde der Hersteller nachher noch zu einer Fortsetzung ermutigt...

McFareless 16 Übertalent - 5567 - 9. Dezember 2009 - 6:43 #

Naja, warum sollte ein schlechter Film auch ein gutes Spiel liefern???
War doch klar dass daraus nichts werden würde

GingerGraveCat (unregistriert) 9. Dezember 2009 - 11:14 #

Nach den ersten Videos hegte ich ja noch recht große Hoffnungen in den Titel, aber nach diesem Test sehe ich keinen Grund mehr das Spiel zu kaufen. Die Entwickler sollten für solch ein Machwerk in die Fallen des Jigsaw Killers gehen (Nicht ernst gemeint, dass wünsche ich keinem). Jetzt weiß ich auch warum das Spiel, obwohl es gerade erst erschienen ist, für 44 Euro angeboten wird. Der Preis war schon verdächtig.

Danke für den Test. So belibt einem dieses Machwerk ersparrt.