Unsere Menschen-Stoßtruppen überrennen eine Beta-Basis, unten das extrem platzeffiiziente, gelungene Interface.

Gefräßiger SchleimWährend Menschen und Beta also in der Tradition bekannter Genrefraktionen wie der Protoss aus Starcraft oder der GDI aus Command & Conquer stehen, zeigen sich die Goo erfrischend anders. Ihr „Hauptquartier“ ist der „Mother Goo“, der Mutterschleim – kein stationäres Bauwerk, sondern eine bewegliche graue Masse, aus der sich neue Einheiten formen lassen, einschließlich weiterer Brutstätten. Um dafür Energie zu generieren, macht es sich Mutti in einer Catalyst-Pfütze gemütlich, wo sie die sogenannten Proteans gebiert, ebenfalls amorphe Ansammlungen von Nanobots, allerdings kleiner. Sie taugen als Aufklärer oder billige Stoßtruppen, können sich aber teilen, um kräftigere Kampftruppen zu bilden. Aus einem Protean entstehen beispielsweise zwei Strider, vierbeinige Tentakelwesen mit einer Splitterkanone, die Panzer zu Altmetall verarbeiten. Oder aber vier Drover, schnelle Nahkämpfer mit einer Art Schrotflinte als Gesicht. Das Morphen selbst geht schnell, nach der Teilung bleiben die Neugeborenen allerdings für einige Sekunden verwundbar, bis sie ihre volle Kampfkraft erreichen. Manche Goo-Einheiten können sich auch zurück in Proteans verwandeln. Der Dweller beispielsweise ist eine Art mobile Sprengmine, die getarnt auf Gegner lauert und bei Kontakt explodiert – übrig bleibt ein Protean, aus dem sich wieder neue Truppen bilden lassen.
 

In Wäldern sind Einheiten getarnt (grüne Schemen) und nur nach Kontakt oder für spezielle Scout-Einheiten sichtbar.

Die Goo verfügen anders als Menschen und Beta über keine Luftwaffe, dafür dürfen viele ihrer Einheiten inklusive der Mother Goos steile Abhänge erklimmen, was den anderen Fraktionen verwehrt bleibt. Bei Gefahr können wir die komplette „Basis“ auf diese Weise verlegen. Unsere Schleimklumpen können außerdem Feindtruppen und Gebäude regelrecht verschlingen, wenn sie nahe genug herankommen, und damit Energie sammeln. Hat eine große Goo-Formation erst mal die gegnerische Verteidigung durchbrochen, ist sie dadurch nur noch schwer zu stoppen.
 
Ein handfester Nachteil der Naniten: Sie erfordern einige Eingewöhnung. Nicht nur weil sie sich anders spielen als die übrigen Konfliktparteien, sondern auch weil sich ihre Einheiten schwer unterscheiden lassen. Die Tentakelwesen gleichen sich wie eine Krake der anderen, uns ist es anfangs ständig passiert, dass wir Artillerie mit Luftabwehr verwechselt oder Scouts statt Panzer in die vorderste Kampflinie geschickt haben. Weil wir mehrere Produktionsstätten (also Mother Goos) verwalten müssen, die alle unterschiedlich viel Energie generieren, statt Rekruten zentral auszubilden, ist es außerdem schwieriger, den Überblick zu behalten. Dem trägt das Spiel insofern Rechnung, als auch das Hauptmenü bei den Goo etwas anders gestaltet ist als bei den anderen Völkern: Eine Leiste am unteren Bildschirmrand zeigt permanent den Status unserer Brutstätten an.

Multiplayer-Tauglichkeit Drei asymmetrische Rassen haben schon bei StarCraft 1 und 2 für langanhaltende Multiplayer-Faszination gesorgt, genau darauf spekuliert auch Grey Goo. Für Multiplayer-Fans hält das Petroglyph-Werk eine Rangliste, ein Matchmaking auf ELO-Basis sowie drei verschiedene Siegbedingungen bereit. Dank Client-Server-Architektur sollten Cheater keine Chance haben. Allerdings konnten wir den Modus mangels Mitspielern im Vorfeld der Veröffentlichung nur unzureichend testen.
 
Spannend werden in Multiplayer-Scharmützeln vor allem auch die epischen Einheiten, von denen jede Fraktion ein Modell ihr Eigen nennt. Die Beta setzen auf die Hand of Rok, eine fliegende Festung mit Atomhaubitze und Bunkern für Unterstützungstruppen, die Menschen auf den Alpha, einen riesigen Cyborg, und die Goo auf den Purger, einen gigantischen Schleimbatzen mit Tentakeln und durchschlagendem Fernangriff, der allerdings erst mal Proteans futtern muss, um zu wachsen. Wir stellen die drei Obermotze im Extrakasten vor. Zwar lassen sich theoretisch mehrere davon konstruieren, ganze Armeen sind aber nicht zu befürchten, da es für alle Parteien ein festes Kräftelimit gibt; je dicker die Einheit, desto weniger lassen sich davon bauen.

Tastenzauber und MissionsmagieSteuerung und Interface von Grey Goo lassen sich nur als rundum gelungen bezeichnen. Baumenü, Minikarte und Befehlsleiste nehmen nicht zu viel Platz ein, halten aber dennoch alle wichtigen Informationen wie Konstruktionszeiten oder Ressourcenfluss und sogar Kurzbeschreibungen von Einheiten und Spielfunktionen bereit. Einzig, dass das Baumenü nach jedem Auftrag wieder einklappt, ist etwas lästig. Dafür gibt es nützliche Schnellzugriffsmenüs für Einsatzgruppen und Verhaltensmuster sowie Tastenkürzel für alle Befehle; so können wir in Sekundenschnelle Gebäude in Auftrag geben, Forschungsprojekte starten oder Truppen ausbilden. Dreimal auf Q gehämmert, schon freuen sich die Beta über eine Raffinerie, die Folge Q-W-Q errichtet eine Fabrik am ausgewählten Knoten, W-W produziert einen Stalker, der flugs zum Sammelpunkt marschiert. Und natürlich können wir auch unsere Soldaten wunderbar mittels Tastatur herumkommandieren und etwa Patrouillenrouten festlegen. Allein, bis man das alles intus hat, vergeht eine Weile, denn die Einführung gehört zu den wenigen Schwachpunkten von Grey Goo.
 

Die Beta bemannen ihre Mauern mangels automatischer Abwehrtürme mit Infanteristen und Kampfrobotern.

In der Kampagne starten wir mit den Beta, wechseln ab Mission 6 zu den Menschen und übernehmen schließlich die Nanoroboter. Allerdings prasseln in den ersten Missionen derart viele Hinweise auf uns ein – fast ausschließlich als Textfenster –, dass es uns schwer fällt, alles zu verarbeiten – zumal wir ja nebenbei auch noch Aufträge zu erledigen haben. Diese Aufträge gestalten sich durchweg aufregend. Mal sollen wir die Stellung gegen eine feindliche Übermacht halten, mal das gegnerische Hauptquartier ausfindig machen, mal eine Zweifrontenschlacht schlagen. Stets gibt es neben den Hauptzielen auch optionale Nebenaufgaben, die meist besondere Belohnungen versprechen, etwa in Form zusätzlicher Rekruten oder neuer Technologien.

Gute Skripts, tolle CutscenesSkripts erhöhen die Spannung. Beispielsweise provozieren wir auf einer Aufklärungsmission der Menschen ungewollt einen feindlichen Großangriff, dem wir mit unserer kaum ausgebauten Infrastruktur nur mit knapper Not Herr werden. Ein andermal dürfen wir nach einem nervenaufreibenden Abwehrkampf mit den Beta mit frischen Verstärkungen endlich zur Attacke übergehen, nur um festzustellen, dass wir direkt in einen Hinterhalt rennen. Durchschnittlich eine Stunde sollte man jeweils für die Schlachten mit langsam steigenden Schwierigkeitsgrad einplanen, was die Gesamtspieldauer im Solomodus rechnerisch auf 15 Stunden bringt. Zu Ende führen konnten wir den Feldzug im Test leider nicht, da ein Update kurz vor Release unsere Savegames schredderte. Begleitet werden die Einsätze von kurzen Funksprüchen und Videodurchsagen, die die Story weiterspinnen und für Atmosphäre sorgen.
 
Zwischen den Aufträgen ergötzen wir uns an Videosequenzen, die zwar nicht ganz das Niveau von Blizzard-Produktionen erreichen, aber mit Abstand zum Besten gehören, was wir nicht nur in diesem Genre in jüngster Zeit sehen durften. Kein Wunder, zeichnet für die Kurzfilme doch der neuseeländische Weta Workshop verantwortlich, der auch Computereffekte für die Hobbit-Trilogie, Hercules und den neuen Mad Max-Streifen ausgetüftelt hat. Zum vollkommenen Glück fehlen uns allerdings Identifikationsfiguren. Die wenigen Figuren, die die Drehbuchschreiber einführen, lassen Charakter vermissen, die Story überraschende Wendungen.

Das Stein-Schere-Papier-Prinzip ist präsent, aber nicht so extrem ausgeprägt wie bei manchem Genrekollegen.