Frische Brise bei den Piraten?

Ghost Pirates of Vooju Island Test

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Malerische Landschaften... da macht das Imkern gleich noch mehr Spaß.

Bambus eignet sich für fast alles...
 
Da eure Kameraden als ernsthafte Hilfe bei den Rätseln häufig unbrauchbar sind, seid ihr meist auf euch und wenige Hinweise aus den Zwischensequenzen angewiesen. Das ist noch kein Holzbeinbruch, simples Ausprobieren aller möglichen Gegenstände ist schließlich keine Erfindung von Ghost Pirates of Vooju Island. Was uns beim Testen aber ein ums andere Mal beinahe um den Verstand gebracht hat: Das Spiel erlaubt euch nicht, Dialoge in Zwischensequenzen oder überhaupt gesprochene Sätze abzubrechen und damit zu beschleunigen. Nur in den seltenen Fällen, in denen ihr mal eine Konversation mit mehreren Antwortmöglichkeiten habt, lassen sich Texte per Mausklick abbrechen. Wenn der dicke Blue Belly bei jeder ungültigen Aktionen mit den Bambusstöcken im Inventar, auf nervtötend, langatmige Weise den Satz „Bambus eignet sich für fast alles... außer dafür!“ von sich gibt, dann würdet ihr den Schiffskoch am liebsten eigenhändig Kiel holen lassen. Alternativ dreht man für eine Weile den Ton ab.
 
Erschwerend kommt hinzu, dass viele Rätsel erst gelöst werden können, wenn ihr bestimmte Aktionen in anderen Räumen ausgeführt habt. Hier fehlt es dem Spiel oft an Logik, sprich: der Spieler weiß zwar schon die Lösung für das Rätsel, darf sie aber nicht anwenden. Als wäre das nicht schon frustrierend genug, „belohnt“ euch das Spiel eventuell mit Floskeln wie dem Bambusspruch bei einer Aktion, die zu einem späteren Zeitpunkt richtig ist. Ein durchdachtes und cleveres Spieldesign sieht jedenfalls anders aus, in Verbund mit den nervenden Kommentaren wirkt das schnell als Motivationsbremse.

Orientierungslos auf dem Ozean. Man(n) genießt derweil die Aussicht.
 
Piraten? In der Karibik? Wie originell!
 
Mal den Piratenhaken aufs Herz: Voodoo (was hier Vooju heißt), Geisterpiraten, Untote, fliegende Schiffe, Gefängnishunde mit Schlüssel im Maul, Hochzeit des Gouverneurs -- wer das heutzutage noch in einem Adventure verbrät, der sollte dies lieber direkt mit einer offiziellen Monkey-Island-Lizenz machen. Oder sollte zumindest dafür sorgen, dass das Ergebnis weniger wie eine schlechte Kopie wirkt. Beides ist hier leider nicht der Fall. Die Ghost Pirates von Vooju Island kommen etwas uninspiriert daher und schippern spielerisch im Brackwasser des Adventure-Klassikers.
 
Das fängt bei den drei Hauptfiguren an, die auch im Kollektiv nie das Charisma eines Guybrush oder Jack Sparrow erreichen. Nehmen wir nur mal Papa Doc, der sich im Spiel als bekennender Chauvinist entpuppt. Aufgrund bemüht wirkender Sprecher wirkt das Ganze so bierernst, dass wir gar nicht erst in Versuchung kommen, eine Form der Sympathie für den Charakter aufzubauen. Blue Belly ist nicht nur optisch deplatziert. Seine Motivation zieht er daraus, das Geld für die Zahnspange seiner kleinen Schwester zu besorgen. Niedlich, nett und tut niemanden weh. In der nächsten Szene hüpft uns dann schon Starling mit einer Oberweite entgegen, die Lara Croft die Schamröte ins Gesicht treibt.
 
Hier vermissen wir oft einen roten Faden, an welche Zielgruppe sich das Spiel eigentlich richten will. Die Witze reichen von plump bis anzüglich, Kommentare rangieren zwischen kindisch und vulgär und die Darstellung deckt alles zwischen niedlich und gezeichnetem Softporno ab. Das Resultat ergibt einen undefinierbaren Cocktail.
 
Ein Gefängnis und der Schlüssel befindet sich im Maul des Hundes! So originell, man könnte glatt eine Attraktion im Freizeitpark daraus machen.

Fazit: Für eingefleischte Adventure-Fans
 
Natürlich ist es nicht ganz fair, immer wieder Monkey Island als Beispiel heranzuziehen. Der Vergleich drängt sich beim Spielen von Ghost Pirates of Vooju Island aber förmlich auf. Nicht nur, weil das Ganze stellenweise wie eine misslungene Kopie wirkt, sondern auch, weil man sich dann besonders gerne an die Stärken des LucasArts-Klassikers erinnert: witzige Dialoge (die man schon anno 1990 abbrechen konnte!), ausgefeilte Charaktere und ein gelungenes Rätseldesign. Das heißt nun nicht, dass es nie wieder ein Piraten-Adventure geben darf. Aber wenn schon, dann bitte eines, das eigene Themen entwickelt und sich nur ein paar humorvolle Anspielungen an Guybrush & Co leistet. Vielleicht sogar eines, dass die Erwartungshaltung daran, "wie ein Piraten-Adventure zu sein hat", bewusst konterkariert.

Im Falle von Ghost Pirates of Vooju Island kam dabei zwar ein Adventure mit fordernden Rätseln heraus, aber viele kleinere Mängel verschandeln das Gesamtbild. Mehr Feinschliff bei den Rätseln, ausgefeiltere Charaktere und mehr Eigenständigkeit beim Setting, die Geschichte der Geisterpiraten hätte nicht nur das Zeug zu einem schönen, sondern auch einem guten Spiel gehabt. So richtet sich der Titel vorzugsweise an Adventure- und Piratenfans, die bereits jeden Quadratpixel auf Melee-, Monkey Island und so weiter kennen.

Autor: Alex Hassel (GamersGlobal)

Einstieg/Bedienung Simple Steuerung Abkürzen von Wegen möglich Hotspot Anzeige Kein Abbrechen von Dialogen möglich   Hotspots verschwinden nicht, auch wenn ein Gegenstand bereits "mitgenommen" wurde
Spieltiefe/Balance Anspruchsvolle Rätsel Spieler kann Hinweise von Kameraden erhalten Oft ist stupides Ausprobieren nötig Rätsel müssen in der vom Programm festgelegten Reihenfolge gelöst werden
Grafik/Technik Handgezeichnete, stimmungsvolle Hintergründe Niedrige Hardwareanforderungen Zwischensequenzen mit unscharfer Grafik
Sound/Sprache Komplett auf Deutsch Stimmungsvolle Piratenmusik  Sprecher wirken bemüht Wenig hilfreiche und zu lange Erklärungen
Singleplayer 10 bis 15 Stunden Spielzeit Drei spielbare Charaktere Charaktere als Geist spielbar Wenig originelles Setting und Story
Multiplayer Nicht vorhanden
Alex Hassel 9. November 2009 - 19:37 — vor 14 Jahren aktualisiert
Anonymous (unregistriert) 13. November 2009 - 6:03 #

[quote]...darunter just ein gelungenes Remake von Monkey Island 2, The Secret of Monkey Island...[/quote]

Monkey Island 1, nicht 2.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469805 - 13. November 2009 - 14:06 #

Aua, den Fehler habe ich beim Redigieren reingebracht. Danke!

ronnymiller 12 Trollwächter - 1113 - 13. November 2009 - 11:47 #

Man merkt leider an vielen Stellen, dass das Spiel relativ zügig fertig gestellt wurde. Am deutlich kürzeren, aber logischeren "Vampire Story" wurde länger geschraubt. Es hat weniger Fehler, ist stimmiger. Nur hat man auch das bisher nicht wirklich fertig programmiert. Da hat man nach 2 Kapiteln damals wohl die Lust verloren und wollte wieder Piraten segeln lassen. Die sind jetzt ganz ok - endlich mal wieder ein Spiel mit drei spielbaren Figuren. Leider wird das im Gegensatz zum Klassiker Day of the Tentacle nicht für geniale Rätsel genutzt sondern nur für teils dermaßen flache Witze, dass jede Schaluppe sofort auf Grund laufen würde.
Der Wertung stimme ich zu.

Inko Gnito (unregistriert) 13. November 2009 - 12:21 #

"witzige Dialoge (die man schon anno 1990 abbrechen konnte!)"

Vielleicht habe ich mich auch nur saudumm angestellt, aber anno 2009 konnte ich in der SE von Monkey Island keine Dialoge mehr abbrechen, was mich etwa bei Stan spontan zu dem einen oder anderen Schreikampf veranlasst hat. Mich beschleicht langsam das Gefühl, dass die Nichtabrechbarkeit von Dialogen ein "Feature" aktueller Adventures ist.

Fabian Knopf Dev - P - 19534 - 14. November 2009 - 15:26 #

Da konnte man immerhin noch in die Urversion wechseln und mit "." die Sätze überspringen.