Weltkriegs-Taktik der alten Schule

Blitzkrieg 3 Test

Rüdiger Steidle 17. Juli 2017 - 16:49 — vor 6 Jahren aktualisiert
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Infanterie kann Panzern nur im Nahkampf gefährlich werden – so nah lassen wir die KI aber erst gar nicht heran.
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Mann gegen Mann statt Armee gegen Armee

Wie bei den nächsten Genreverwandten gibt es in Blitzkrieg 3 keinen Basisbau. Vielmehr suchen wir uns vor dem Einsatz aus, welche Truppen wir an die Front schicken wollen. Der Rest bleibt in Reserve und kann während des Gefechts herbeigerufen werden, wenn wir bestimmte Einsatzziele erfüllen und damit Nachschubpunkte verdienen. Stehen Straßenkämpfe an, empfiehlt sich Infanterie, die sich in Gebäuden verschanzen darf. Durchqueren wir dagegen die Wüsten Nordafrikas, spielen Panzerfahrzeuge und Geschütze ihre Stärken aus. Mehr als ein Dutzend Fahrzeuge und Verbände gleichzeitig kontrollieren wir selten; Blitzkrieg 3 inszeniert kleine Scharmützel, keine epischen Massenschlachten.

In den meisten Begegnungen bekommen wir zusätzliche Unterstützung in Form von Bomberangriffen, Luftlandetruppen oder Artilleriesperrfeuer. Diese „Superwaffen“ sind zwar kostspielig, aber auch (über-) mächtig, weil wir sie zu jedem beliebigen Punkt der Karte dirigieren dürfen. Genügend Nachschubpunkte vorausgesetzt, können wir auf diese Weise viele Aufträge absolvieren, ohne unsere eigenen Truppen in Gefahr zu bringen. Ein Artillerieschlag auf die Flak-Stellungen, gefolgt von einem Luftangriff, schon liegen die feindlichen Stellungen in Trümmern. Zumindest, wenn der Computergegner nicht mit einem Abfangjäger kontert.
 

Futter für die Kanonen

Infanterie kann Schützengräben buddeln, die vor Panzern und Artillerie schützen.
Unsere Befehlsgewalt beschränkt sich größtenteils auf Bewegungs- und Angriffsorder; wir hätten uns mehr Freiheiten wie Formationen oder Verhaltensregeln gewünscht. Immerhin lassen sich Panzer einbuddeln und sind damit besser vor Angriffen von vorn und den Seiten (aber nicht von hinten) geschützt. Fußtruppen können Schützengräben ausheben, Häuser stürmen, Hindernisse räumen und (meist stationäre) Geschütze übernehmen.

Auch das Deckungs- und Sichtsystem ist etwas halbherzig umgesetzt. Statt dass sich unsere Soldaten automatisch zu Boden werfen wie etwa in Company of Heroes 2 (im Test: Note 9.0), müssen wir sie manuell dazu auffordern. So beißen sie unter Feindfeuer oft schon ins Gras, bevor wie sie in Sicherheit bringen können. Bis auf die erwähnten Gräben und Häuser gibt es nirgendwo Schutz und auch Stellen, an denen sich unsere Jungs wenigstens verstecken können, sind rar gesät. Wie die Tarnung genau funktioniert haben wir auch nach Dutzenden Gefechten nicht durchschaut. Immerhin können unsere Grenadiere etwas weiter gucken als die meisten Vehikel. So verwenden wir sie häufig dazu, die gegnerischen Stellungen auszukundschaften, bevor wir unsere Panzer vorschicken.

Freilich sind auch die gegnerischen Stoppelhopser kaum mehr als Kanonenfutter. Entweder sie kauern in ihren Gräben oder Häusern und lassen sich widerstandslos aus der Ferne zusammenschießen, wobei die meisten Gebäude zwar nicht zerstörbar sind, aber die dort verschanzten Einheiten unter Feuer trotzdem Schaden nehmen. Oder sie stürmen unter Beschuss todesmutig auf unsere Panzer zu – die dann den Rückwärtsgang einlegen und sie in aller Seelenruhe niedermähen, bevor die Infanterie in Reichweite für einen Nahkampfangriff kommt. Dass die Wegfindung gelegentlich hakt und die Jungs Umwege nehmen, hilft nicht gerade.
 

Hochgeschwindigkeitskrieg

Funktioniert selten: Im Dickicht kann Infanterie getarnt im Hinterhalt liegen.
Auffällig ist die vergleichsweise hohe Spielgeschwindigkeit – Blitzkrieg 3 macht seinem Ruf wirklich alle Ehre. Wie erwähnt, überleben Infanteristen unter Feuer oft nur Sekunden (mit entsprechenden Upgrades später etwas länger) und auch Panzer halten nur wenigen Treffern stand, wenn sie in einen Hinterhalt geraten. Zum Glück gibt es eine Pausenfunktion, die wir im Solo-, aber nicht im Mehrspielermodus nutzen können, um in aller Ruhe Befehle zu geben. An mehreren Fronten gleichzeitig präsent zu sein, erfordert dennoch unsere ganze Aufmerksamkeit.

Darin liegt der große Vorteil des Computergenerals, der damit keine Schwierigkeiten hat. Besonders pfiffig stellt er sich freilich trotzdem nicht an. Und das, obwohl Nival ganze Videos veröffentlicht hat, in der es um die Klugheit des KI-Generals geht, dem sogar ein russischer Männername verpasst wurde.

Er lässt sich allzu oft von seinen Stellungen in vorbereitete Hinterhalte locken und gibt in Skirmish-Gefechten zu wenig Acht auf die Schlüsselpunkte, um deren Eroberung sich alles dreht. Den Zugang zu diesen Matches und den Multiplayer-Konfrontationen (Duelle und Teamgefechte für bis zu sechs Teilnehmer) müssen wir uns erst im Einzelspielerfeldzug verdienen, lange dauert das aber nicht. Mit gerade mal einer Handvoll Karten bietet der Mehrspielermodus überraschend wenig Abwechslung, zumal darauf doch mal der Fokus von Blitzkrieg 3 liegen sollte.
Panzer können sich eingraben. Von hinten ist dieses deutsche Sturmgeschütz aber verwundbar.
Jörg Langer Chefredakteur - P - 469794 - 17. Juli 2017 - 16:49 #

Viel Spaß beim Lesen!

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24311 - 17. Juli 2017 - 17:01 #

"der Panzer IV des Genres" Sehr schön :)

Schöner Test, der dann eigentlich doch Lust auf das Spiel macht.
Ist denn mit Addons zu rechnen?

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 17. Juli 2017 - 18:09 #

Der Test sollte Genrekennern auch durchaus Lust machen. Blitzkrieg 3 ist ein wirklich sehr gefälliges Echtzeit-Taktikspiel, aus dem eben mit etwas mehr Arbeit und Innovationskraft nur sehr viel mehr hätte werden können. Dass Addons kommen, glaube ich weniger. Der Titel ist jetzt schon sehr umfangreich und deckt mit seinen drei Kampagnen und Hunderten Einheiten das europäische Szenario weitgehend ab. Eine Pazifik-Erweiterung wäre denkbar, halte ich aber für unwahrscheinlich.

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24311 - 17. Juli 2017 - 18:28 #

Das mit dem großen Umfang hatte ich vor der kritisierten Variationsarmut gar nicht so realisiert. Danke für die Einschätzung!

Q-Bert 25 Platin-Gamer - P - 56357 - 17. Juli 2017 - 18:06 #

Woran liegt es nur, dass bei der doch recht großen Vielzahl an neuen Strategietiteln seit langem kein Titel mehr vollends überzeugen konnte? Mangelt es an Budget, Ideen, begabten Designern?

xthtgek (unregistriert) 17. Juli 2017 - 18:45 #

Alles 3.
Wobei mir recht stark auffällt, dass in der letzten Zeit auch Teams als Heilsbringer hochgefeiert wurden, die schon zur Hochzeit der Echtzeitstrategie nur Mittelmaß hervorbrachten.

Für mich sind weder die Macher von Act of War ein Qualitätssignal, noch Entwickler, die an den späten C&Cs mitgearbeitet haben.

Hanseat 14 Komm-Experte - 1884 - 17. Juli 2017 - 18:07 #

Schöner Test. Das bei den Strategiespielen nach wie vor die KI vernachlässigt wird, verstehe wer wolle. Ich meine grundsätzlich ist das Genre ausgeschöpft, die eigentlich Herausforderung besteht doch darin, zu den bekannten und bewährten Mechaniken eine vernünftige KI zu entwickeln.

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 17. Juli 2017 - 18:11 #

Es gab ja schon durchaus Echtzeit-Strategiespiele mit brauchbarer KI. Erinnert sich noch jemand an Conflict Zone? Ist mir ebenfalls schleierhaft, warum modernere Titel da nicht zumindest aufschließen.

Hanseat 14 Komm-Experte - 1884 - 17. Juli 2017 - 18:52 #

Ne Conflict Zone sagt mit gar nix. Muss ich mal suchen.

Namen (unregistriert) 18. Juli 2017 - 9:14 #

Ene wirklich gute KI würde einen großen Teil der potentiellen Spieler überfordern.
Eine gute KI hat schon damals einen großen Teil der Spieler überfordert. Nur sind heute Gedult und Lernwille wesentlich weniger stark ausgeprägt.

Warum sollten die Entwickler sich also selbst ihr Grab schaufeln.

Michel07 (unregistriert) 17. Juli 2017 - 18:16 #

Schön zu lesen, aber kleiner Fehler:
"Mit unserer Trupp durch Dick und Dünn" hört sisch hessisch an.

Rüdiger Steidle Freier Redakteur - P - 17268 - 17. Juli 2017 - 18:24 #

Ei guude, wie?

Hyperlord 18 Doppel-Voter - 12024 - 17. Juli 2017 - 22:43 #

Wo meschstn hie?

Danke für den Test! Geht da was mit Modding?

Michel07 (unregistriert) 17. Juli 2017 - 18:35 #

Gruss aus Rüdesheim an den Rodgau Monotones Kenner!

Tasmanius 21 AAA-Gamer - - 28817 - 17. Juli 2017 - 20:09 #

Super Test, danke!

xan 18 Doppel-Voter - P - 11651 - 17. Juli 2017 - 20:35 #

Schöner Test, langweiliges Spiel.

malkovic (unregistriert) 18. Juli 2017 - 11:32 #

Ich schließe mich an. Wieder mal ein sehr gut lesbarer Test von Rüdiger, der mir allerdings diesmal ein wenig ratlos scheint, was die Quali des Spiels betrifft. Daraus ergibt sich für mich die Meta-Botschaft: Todlangweiliges Game von der Stange, Finger weg :)

Titus-X 18 Doppel-Voter - 11227 - 18. Juli 2017 - 14:10 #

Gut ausgedrückt.

anthraxsn 06 Bewerter - 54 - 17. Juli 2017 - 20:58 #

schöner test

Aladan 25 Platin-Gamer - P - 57121 - 18. Juli 2017 - 6:39 #

Klingt gar nicht mal so schlecht. Vielleicht.. Irgendwann in der Zukunft.. Wer weiß.. ;-)

Jadiger 16 Übertalent - 5509 - 18. Juli 2017 - 23:10 #

Bis jetzt habe ich noch kein Echtzeitstrategie Spiel gesehen das an Men of war 2 rankommt.
Das ist leider immer noch der Maß aller WW2 Spiele. Voll Zerstörbare Umgebung, Panzer mit wirklichen Panzerung Modellen, Modul schäden, Soldaten haben ein Inventar sowie Fahrzeuge mit Munition und Sprit.

Wer sowas sucht sollte sich das unbedingt ansehen.

Harry67 20 Gold-Gamer - - 24311 - 19. Juli 2017 - 7:46 #

Wenn man die Fummelei mag, warum nicht?

Nagrach 14 Komm-Experte - 2677 - 19. Juli 2017 - 10:07 #

Fehler auf Seite 2: "Bevor wie sie in Sicherheit bringen"
Sollte wohl eher "wir" heißen.