Mick Schnelle testet:

East India Company Test

Reichtum und Ruhm lauern im fernen Indien. Als wagemutiger Händler gilt es, immense Reichtümer zu erschachern – allerdings losgelöst von der historischen Wirklichkeit. Mick Schnelle hat sich nach Osten gewagt, um Ruhm und Gold und Ehre zu erlangen. Und um eine faire Wertung zu finden.
Jörg Langer 7. August 2009 - 19:10 — vor 14 Jahren aktualisiert
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Was waren das 17. und 18. Jahrhundert doch für tolle Zeiten. Zumindest für all jene, die durch den Import von Waren aus Übersee, sprich vornehmlich Afrika und Indien, steinreich wurden. Der Handel mit Seide, Porzellan und Gewürzen versprach astronomische Gewinne. Kein Wunder, dass in etlichen Ländern eigene Handelsgesellschaften für diesen Zweck gegründet wurden, meist unter Kontrolle des Staates. In East India Company könnt ihr nun selber die heimische Festplatte mit virtuellen Goldstücken vollschaufeln. Als Chef eines staatlich geförderten Handelskontors schickt ihr eure Schiffe aus, befehdet euch mit Konkurrenten und bekämpft gierige Piraten. Acht Nationen stehen zur Wahl: England, die Niederlande, Frankreich, Dänemark, Portugal, Schweden, Italien und Spanien. Wir entscheiden uns für die Holländer.
 
Kampf am Kap

Gebannt beobachten wir auf einer nett gezeichneten Weltkarte, wie unsere Flotte (bestehend aus vier Schonern) das Kap der guten Hoffnung umrundet. Es ist unsere erste Fahrt von Amsterdam nach Kalkutta. Die niederländische Krone hat uns den Auftrag gegeben, einen der indischen Häfen anzulaufen und den Handel zu eröffnen. Klappt das nicht binnen einer knappen Frist, ist unser Schicksal besiegelt und East India Company endet, bevor es richtig begonnen hat. Vorsichtig nähern wir uns Madagaskar, doch plötzlich erscheint ein Piratenschiff und greift an. Zum Glück ist unsere Flotte gut bewaffnet, sodass wir den Kampf getrost auswürfeln lassen können. Siegreich fahren wir weiter und landen später in Kalkutta. Dort packen den ganzen Laderaum voll mit Seide. Jetzt nur noch heil nach Amsterdam heimsegeln, und unser großes Abenteuer kann beginnen.
 
Der Anfang von East India Company ist schon sehr spannend inszeniert. Kaum daheim, spendiert uns die niederländische Krone gleich fünf Kriegsschiffe, mit deren Hilfe wir (ebenfalls ausgewürfelt) einen indischen Hafen erobern. So lernen wir binnen 15 Minuten die wesentlichen Spielelemente kennen, ohne das langweilige textlastige Tutorial absolvieren zu müssen. 

Warte vor der Karte: Vor der schmucken Übersichtskarte verbringt ihr die meiste Zeit im Spiel.

 
Der Reichtum im Osten

Nach Erfüllung der zweiten Einstiegsmission sind wir die Kriegsschiffe auch schon wieder los, nur die vier Schoner bleiben uns erhalten. Dafür lässt uns die Krone jetzt von der Leine. Es werden uns zwar weiterhin Vorgaben gemacht, wie etwa eine bestimmte Menge Porzellan zu importieren, oder ein gegnerisches Schiff zu versenken. Aber der Zeitrahmen fällt deutlich großzügiger aus, binnen dessen wir die Ziele erreicht haben müssen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse in East India Company ist, dass es grundsätzlich nur zwei Warentypen gibt: Die wichtigen Haupthandelsgüter wie Gewürze, Tee oder Seide, die die großen Profite einbringen. Und die sogenannten generischen Handelsgüter, die vornehmlich dazu dienen, überschüssigen Laderaum zu füllen, damit die Schiffe nicht leer fahren müssen. Zu Beginn sind die Haupthandelsgüter aber in Hülle und Fülle verfügbar und schon bald können wir uns mehrere Flotten (à maximal fünf Schiffe) leisten.

Mit Waren wie Seide lassen sich astronomische Gewinne in den europäischen Heimathäfen erzielen.
Wir beginnen im Jahr 1600, im Laufe der Zeit werden immer größere und effektivere Schiffe verfügbar. So können wir irgendwann mit gut bewaffneten Fregatten herumsegeln, vor denen auch die überall herumlungernden Piraten Respekt haben. Praktischerweise könnt ihr jede dieser Flotten automatisieren. Fortan segeln sie ganz von allein in einen vorgegebenen Hafen und kaufen recht clever selbstständig ein. Sie reparieren sogar unterwegs entstandene Schäden. In Echtzeit, die sich in vier Stufen beschleunigen lässt, gucken wir auf der Karte zu, wie die Schiffchen sich rund ums Kap der guten Hoffnung gen Heimat vorarbeiten, dabei selbstständig Häfen anlaufen, wo sie ihre Vorräte auffrischen und, falls es lohnend ist, weitere Waren handeln.
 
 
Wo ist der Feind?

Doch auch gut bewachte Transporte werden irgendwann von gierigen Piraten angegriffen, die in der Gegend von Madagaskar hausen. Dann habt ihr die Wahl, die Seeschlacht entweder auswürfeln zu lassen, oder selbst einzugreifen. Das Auswürfeln empfiehlt sich nur bei ausreichender Übermacht. Besser ist es, ihr legt selbst Hand an: In 3D befehligt ihr eure Kähne wie in einem Echtzeitstrategiespiel in einer 3D-Umgebung. Per Maus wählt ihr die Pötte an, sucht ihnen einen Gegner aus und legt fest, mit welchem Kugeltyp eure Kanonen feuern. Soll eher der Rumpf beschädigt werden, um den Gegner zu versenken? Oder zerfetzen wir ihm mit Kettenkugeln die Segel und flüchten dann einfach? Wer sich diese Fragen nicht stellen will, überlässt die Kugelwahl der CPU.

Währenddessen entwickelt sich die Seeschlacht wenig spektakulär. Das Ganze gleicht eher einem gemächlichen Elefantenballett, als rasanten Gefechten. Minutenlang umkreisen sich die Kähne, ab und an wird gefeuert und man wir unterdrücken ein gelangweiltes Gähnen und wünschen uns in den spannenden Warenhandel auf der Hauptkarte zurück. Das wird auch nicht anders, wenn man sich in die Egoperspektive an Bord eines der Kähne begibt und den dann per Hand steuert. Nur das dann schnell, trotz Zielanzeige, die Übersicht flöten geht. Also wieder brav zurück zur unspektakulären Schräg-von-oben-Sicht, um den Piraten nicht doch noch zu einem Sieg zu verhelfen.

Die Seeschlachten von Empire Total War -- bei dem sie ja nur ein Aspekt von vielen sind, und sicher nicht der wichtigste --, sind besser gelungen. Von der wesentlich realistischeren Darstellung von Schiffen, Matrosen und vor allem den wogenden Ozeanwellen ganz zu schweigen.

Alles Ansichtssache: Die Egoperspektive (links) wirkt zwar deutlich attraktiver. Doch richtig Übersicht über die Seegefechte habt ihr nur in der deutlich drögeren Schräg-von-oben-Sicht.

 
bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 7. August 2009 - 21:42 #

Schönes Review. Ich werd aber bei Empire bleiben.

Kleines Detail, das mir nicht gefallen hat
"Probehalber haben wir denselben Angriff mehrere Male auswürfeln lassen und festgestellt, dass jeweils in 50 Prozent der Fälle das Ergebnis ein anderes war."
Es wird suggeriert, das Spiel würfle die Schlachten unfair aus, was aber nicht belegt werden kann. Das ist meiner Meinung nach eine ungerechte Unterstellung, die der Qualität des Artikels schadet. Das kann auch Zufall gewesen sein. (Was anderes glaube ich erst nach einer dokumentierten Messreihe über ausreichend viele Einzelfälle. Meldet sich jemand freiwillig?)
;)

Jörg Langer Chefredakteur - P - 468632 - 11. August 2009 - 17:09 #

Wenn die eine Seite um 20% überlegen ist, wie Mick schreibt, und dann ist die Chance dennoch 50:50, ist das sehr wohl ein Kritikpunkt. Nach 10 Versuchen kann man das sagen, da ändert sich nicht viel zu 100 Versuchen.

Hemingway91 12 Trollwächter - 1141 - 6. Januar 2020 - 23:53 #

Der Kritikpunkt ist natürlich Valide - sofern er halt angebracht ist, denn rein von der Statisik kommend ist eine 10er Testreihe eben keinesfalls ausreichend um sowas zu überprüfen. Wenn ichzehnmal würfel habe ich auch nicht zwingend eine Normalverteilung.

Appian 15 Kenner - P - 2735 - 7. August 2009 - 23:01 #

In dem Einleitungstext steht was von Italien. Auf dem Diplomatie Screenie existiert stattdessen ein Empire mit Adler in der Flagge(=Heilige Römisch Reich deutscher Nation ?).

Inko Gnito (unregistriert) 8. August 2009 - 8:53 #

Hört sich nett an! Aber wenn das Spiel schon nicht an Patrizier 2 herankommt, dann bleibe ich wohl besser bei Port Royale 2.

Mick Schnelle Freier Redakteur - 7940 - 8. August 2009 - 13:32 #

@Bolle: Klar kann ich das. Zehn Versuche sind ja wohl mehr als ausreichend! Da braucht man keine statistischen Erhebungen mehr.

Eldest 13 Koop-Gamer - 1718 - 9. August 2009 - 16:36 #

Ich bleibe auch bei Empire. Die Seeschlachten haben mich einfach verzaubert^^.
Guter Test!

Earl iGrey 16 Übertalent - 5093 - 9. August 2009 - 16:59 #

Hey das sieht gut aus. Ich sollte wohl auch mal die anderen genannten Titel anschauen. :)

Porter 05 Spieler - 2981 - 10. August 2009 - 9:19 #

Die Seegefechte wären mir nicht detailiert genug, das ist ja noch schlimmer als ein ein Rennspiel ohne Schadensmodell zu spielen.
das selbe Problem wie das letzte Total War, Seegefechte mit schwachen Schadensdetails...

wenn schon Geschossen wird dann bitte mit mehr Liebe zum Detail, sonst kann ich gleich ANNO Spielen...

Gabriel Engelhardt 06 Bewerter - 72 - 10. August 2009 - 19:15 #

Also ich gehe lieber auf festem Boden in die Schlacht als auf schwankenden Nussschalen.

Oberpanda 09 Triple-Talent - 305 - 16. September 2009 - 7:53 #

Ein schöner Test. Die fehlende Langzeitmotivation ist natürlich ein grober Makel und Ausschlusskriterium. Werde also weiter Empire treu bleiben. Dennoch scheint dieses Spiel auch Potenzial und seinen Reiz zu haben.

Steffi Wegener 21 AAA-Gamer - 26937 - 16. Februar 2017 - 0:00 #

Das als Rundenstrategie und ich hätte meinen inoffiziellen Nachfolger zu "Herrscher der Meere" von 1997...