Wir sind die Roboter

Primordia Test

Die Schöpfungsgeschichte kennen viele aus der Bibel. Primordia fügt ihr mit seiner Roboterwelt quasi ein neues Kapitel hinzu und beweist, dass die ursprünglich vom Menschen erschaffenen Blechmänner mehr mit ihren Erbauern gemein haben als sie selbst vielleicht glauben.
Benjamin Braun 7. Dezember 2012 - 17:38 — vor 11 Jahren aktualisiert
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Alle Screenshots stammen von GamersGlobal

Indie-Entwickler Dave Gilbert begeisterte uns in der Vergangenheit schon mehrfach mit inhaltlich überzeugenden Retrolook-Adventures wie der Blackwell-Reihe. Mit seiner Firma Wadjet Eye Games tritt der New Yorker Entwickler zudem als Publisher auf und fördert gezielt Independent-Studios und ihre Adventures. Das Ergebnis dieser Förderungen waren erzählerisch und atmosphärisch starke Point-and-Click-Abenteuer wie Joshua Nuernbergers Gemini Rue (GG-Test: 8.0), das episodisch angelegte Resonance, aber auch schwächere Spiele wie Erin Robinsons Puzzle Bots. Mit den Wormwood Studios hat Dave Gilbert einen weiteren talentierten Entwickler gefunden, der in seinem Adventure Primordia ebenfalls einen eher ungewöhnlichen Storyansatz verfolgt.

Im Mittelpunkt steht der Roboter Horatio, der zu Beginn des Abenteuers mit seinem Raumschiff abstürzt. Als wäre das noch nicht genug, taucht an Bord ein anderer Roboter aus der nahegelegenen Stadt Metropol auf und entwendet ihm den existenziellen Energiekern. Horatio und sein von ihm selbst gebauter Begleiter Crispin machen sich nun auf den Weg, den Energiekern zurück zu holen – und decken gleichzeitig auf, was aus den menschlichen Erschaffern der Roboter geworden ist.

Roboter mit menschlichen ProblemenPrimordia führt euch mit sehr gemächlichem Tempo in die Geschichte ein. Der Hintergrund der Spielwelt wird euch überwiegend in teils sehr umfangreichen Dialogen, manchmal aber auch in Form längerer Bildschirmtexte näher gebracht. Es geht nicht zuletzt um gesellschaftliche Themen und so etwas wie Humanismus – Horatio selbst bezeichnet seine Weltanschauung tatsächlich so. Die einen Roboter glauben, dass man sich auf die Lehren der ursprünglichen Erschaffer besinnen sollte, die anderen, dass die Roboter in ihrer mittlerweile etablierten Autonomie weiterleben sollten, in der sie selbst die kommenden Generationen der Roboter erschaffen und den Schaffungsprozess selbst im Griff haben. An diesem Punkt sind Parallelen zu tatsächlichen gesellschaftlichen Fragen, welche Rolle Gott und der Glaube an sich heute noch spielen können oder sollen, deutlich zu erkennen. Gilt es, Demut zu zeigen? Ist die Allmacht Einzelner zu befürworten?

Das ist wohl auch der Grund, weshalb die von Robotern bevölkerte Welt sich im Prinzip nur optisch von der unseren unterscheidet und die Roboter stark menschliche Züge tragen. Sowohl Horatio als auch die meisten anderen Roboter verhalten sich nämlich tatsächlich so wie ihre Erschaffer. Das gilt im Großen (wie dem Streben nach Macht über Andere oder der Überwachung der Bürger durch die Obrigkeit) genauso wie im Kleinen: Der eine Roboter ist neidisch auf seinen Bruder, da ihre Erbauer, also sozusagen ihre Eltern, den Bruder ihm vorgezogen haben. Und so wundert es auch wenig, dass Horatio und Crispin, trotzdem sie beide Maschinenwesen sind, so etwas wie Freundschaft füreinander empfinden. Selbst Verwandtschaft oder Familie spielt hier eine Rolle. Ähnlich wie in manchen skandinavischen Ländern oder auch wie bei den Zwergen in den meisten Fantasy-Romanen und -Filmen, trägt jeder Roboter den Namen seines Erschaffers. So heißt der von Horatio selbstgebaute Begleiter Crispin zum Beispiel vollständig Crispin Horatiobuild, Version 1.

Der Einstieg ist gerade aufgrund der vielen Dialoge vergleichsweise zäh und weckt wenig Spannung. Einen hohen Unterhaltungswert erreicht Primordia im ersten der auf drei Teile aufgespalteten Handlung erst nach und nach, vor allem wegen der Dialoge und Zwischenbemerkungen von Crispin. Der kleine schwebende Roboter im Look eines UFOs hat nämlich ständig einen bissigen Spruch auf den Lippen und veralbert Horatio, wann immer er kann. Auch sonst können wir uns über mangelnden Humor nicht beklagen. Später in Metropol ergeben sich deutlich spannendere Konstellationen als zu Beginn, die euch zudem die Möglichkeit einräumen, den Ausgang der Geschichte nicht unwesentlich zu verändern und in mindestens sieben unterschiedlichen Endsequenzen münden zu lassen.
Links: Die Dialoge könnten oft  knapper ausfallen. Vollgelabert werdet ihr in Primordia aber nicht, die Sprecher sind zudem sehr gut. Rechts: Das Inventar erscheint nur auf Knopfdruck; manche Objektkombis sind nur in eine Richtung möglich.

Mehrere Wege führen zum ZielAuch wenn die Geschichte von Primordia einen linearen Verlauf nimmt, bietet das Adventure doch unterschiedliche Enden und an einigen Stellen mehrere Lösungswege. In Metropol müsst ihr zum Beispiel Zugang zu einem Amtsgebäude erhalten, vor dem sich bereits mehrere Roboter in einer Warteschlange eingereiht haben, die Horatio natürlich auflösen muss. Unter den Wartenden befinden sich unter anderem die Roboter Oswald und Cornelius. Die beiden arroganten Maschinen streiten sich und suchen jemanden, der ihren Zwist entscheidet. Horatio kann sein Ziel nun entweder erreichen, ind
Anzeigen/v
em er jemanden findet, der das für ihn regelt oder er versucht sich selbst in einem kleinen Quiz.

Bei dem Fragespiel geht es um die Roboter zweier Erschaffer und Horatio muss nach dem Ausschlussprinzip die zutreffenden Aussagen über Anzahl oder Ausstattung der Roboter herausfinden. Mehr als zwei falsche Antworten darf sich Horatio allerdings nicht leisten, andernfalls wird dieser Weg dauerhaft gesperrt. Genauso wie hier also die schwierigere der beiden Lösungsvarianten zugunsten einer deutlich leichteren entfällt, ist es auch bei ein paar anderen Aufgaben. Später muss Horatio etwa einen Türcode knacken, für den er zunächst nur Zahlenfragmente findet. Sollte es euch nicht gelingen, selbst auf die Lösung zu kommen, könnt ihr einen anderen Roboter mittels eines Geschenkes dazu bringen, die Entschlüsselung vorzunehmen. Wir würden zwar nicht sagen, dass diese unterschiedlichen Varianten den Wiederspielwert groß erhöhen. Da Einsteigern auf diese Weise das Leben allerdings deutlich erleichtert wird und viele andere Adventures selbst solche Kleinigkeiten scheuen, rechnen wir sie Primordia positiv an.
Horatios Suche führt uns in die Roboterstadt Metropol, die nicht viel anders ist als eine Metropole der Menschen. Wie alle anderen Schauplätze liegt auch diese Szene lediglich in einer Auflösung von 640x400 Pixeln vor.
Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 7. Dezember 2012 - 17:40 #

Viel Spaß beim Lesen!

Dennis Kemna 16 Übertalent - 4121 - 7. Dezember 2012 - 17:45 #

Den hatte ich, Danke für den Test!

SonkHawk 14 Komm-Experte - 2251 - 10. Dezember 2012 - 12:21 #

"Im Mittelpunkt steht der Roboter Horatio, der zu Beginn des Abenteuers mit seinem Raumschiff abstürzt."
Das stimmt so nicht. Es ist ziemlich offensichtlich, dass Horatio und sein Side-Kick schon eine geraume Zeit in dem abgestürzten Raumschiff "hausen". Siehe riesiger Bücherstapel oder einige Bedienelemente des Ramschiffs, welche Horatio nicht versteht.
Ansonsten guter Test, gibt meine Erfahrungen in den ersten 2-3 Stunden wieder.

McSpain 21 AAA-Gamer - 29213 - 7. Dezember 2012 - 17:45 #

Hat mal jemand durchgespielt und kann mir sagen ob ich in den Credit stehe?
Hoffe es gefällt einigen Leuten hier, auch wenn ich immer nur den ersten Akt Beta-Testen konnte hat der mir schon viel Spaß bereitet. :-)

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66900 - 9. Dezember 2012 - 22:02 #

Ich bin gerade durch, aber da ich nicht weiß, wie Du heißt, kann ich Dir die Frage leider nicht beantworten. Zumindest waren drei oder vier vermutlich deutsche Namen dabei.

McSpain 21 AAA-Gamer - 29213 - 12. Dezember 2012 - 10:39 #

Ich dachte mein Nickname wäre dabei ^^

Edit: Grad mal ein Walktrough angeschaut und meinen Namen gefunden. 15 seconds of fame.

bsinned 17 Shapeshifter - 8200 - 7. Dezember 2012 - 18:19 #

Beim Betrachten der Screenshots muss ich dauernd an 'Beneath a Steel Sky' denken.

martiz 17 Shapeshifter - P - 7525 - 7. Dezember 2012 - 21:54 #

Erst recht an die geplante Fortsetzung zu B.a.S.S., wenn die Entwicklung zu den aktuellen Broken-Sword-Projekt abgeschlossen ist :)

LittlePolak 13 Koop-Gamer - 1783 - 7. Dezember 2012 - 18:49 #

Danke für den Test :)

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66900 - 7. Dezember 2012 - 21:28 #

Ich freue mich auf jeden Fall drauf. Ich hab es zwar gleich am ersten Tag bekommen, da ich es vorbestellt habe und sogar mein Steamkey kam gerade an. Aber ich hatte einfach noch keine Zeit. Ich hoffe, mich am Wochenende mehr damit beschäftigen zu können :)

Danke für den Test :)

Sp00kyFox (unregistriert) 7. Dezember 2012 - 22:28 #

wird bestimmt von mir gespielt. seit der blackwell-reihe beobachte ich regelmäßig was für neue titel wadjet eye veröffentlicht. sind tolle retro-adventures.

Anym 16 Übertalent - 4962 - 8. Dezember 2012 - 1:13 #

640x400? Sieht mir eher nach 320x200 aus. Sicher, dass das nicht nur hochskaliert ist?

McSpain 21 AAA-Gamer - 29213 - 8. Dezember 2012 - 9:06 #

Ist es. Gemacht in 320x200 und natürlich wie bei allen Spielen auf der Engine hochskalierbar.

Anym 16 Übertalent - 4962 - 8. Dezember 2012 - 10:34 #

AGS, oder?

McSpain 21 AAA-Gamer - 29213 - 8. Dezember 2012 - 12:23 #

Ja.

Benjamin Braun Freier Redakteur - 440299 - 8. Dezember 2012 - 13:54 #

Es ging eigentlich nur darum, dass es in 640x400 ausgegeben wird, unabhängig von Bildschirmauflösung und Format. Einen gigantischen Unterschied hätte das sicherlich nicht gemacht, aber es hätte die Bildqualität dennoch ein bisschen aufgewertet, wenn es grafikkartenseitig entsprechend hochskaliert würde und das nicht als "Vollbildsignal" vom Monitor übernommen würde.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66900 - 8. Dezember 2012 - 14:39 #

Interessante Bemerkung dazu:
Ich habe es erst direkt von Wadjet Eye runtergeladen und kurz reingeschaut. Dort ist ein Tool dabei, mit dem man es tatsächlich deutlich hochskalieren kann, wobei ich die Werte jetzt nicht im Kopf habe.

Ich hatte dann meinen Steamkey bekommen, hab es dort runtergeladen und heute angefangen, aber da fehlt die Möglichkeit, das Tool zu starten.
Es ist aber da! Im Installationsordner, normalerweise im Steamordner, liegt das Tool winsetup.
Allerdings hat es dann gerade beim Testen erstmal nicht mehr richtig gestartet .. ich muß nachher noch mal damit rumprobieren.
Bei der Nicht-Steam-Version hat es auf Anhieb geklappt.

McSpain 21 AAA-Gamer - 29213 - 8. Dezember 2012 - 16:14 #

Diese WinSetup ist bei allen AGS-Engine Spielen vorhanden und kann neben dem augenschonenenden Fenstermodus auch die Auflösung durch diverse Filter eben hochskalieren.

Xalloc 15 Kenner - 3920 - 8. Dezember 2012 - 20:21 #

Beim Lesen des Tests musste ich an Battlestar Galactica denken.

Red237 18 Doppel-Voter - 12871 - 10. Januar 2013 - 14:12 #

Irgendwie schon.

Ultrabonz 14 Komm-Experte - 2316 - 25. Juli 2013 - 16:39 #

Habe soeben einen ersten Durchgang abgeschlossen.
Sehr gute Geschichte und "Charaktere" bzw. Maschinen. Die Rätsel im zweiten Teil des Spiels waren mir zu hoch, ich musste ständig die Lösung beiziehen. Störte mich aber nicht so sehr, weil die Geschichte mich sehr motivierte (was ist in dieser Welt eigentlich geschehen?).
Gemini Rue hat mir noch ein bisschen besser gefallen, weil dort die Rätsel auf meinem Niveau waren und ich das Spiel ohne Lösung oder wochenlanges Ausprobieren durchspielen konnte.
Für gehören sowohl Primordia als auch Gemini Rue zu den besten Adventures, die ich je gespielt habe. Wer in erster Linie eine spannende Geschichte sucht, der sollte zugreifen.

Faerwynn 20 Gold-Gamer - P - 20268 - 26. September 2016 - 1:05 #

4 Jahre später habe ich das Spiel endlich mal nachgeholt und muss sagen dass mir das Spiel hervorragend gefallen hat. Story, Charaktere und mögliche Enden waren klasse und trafen genau meinen Geschmack. Das Einzige, was ich ein bisschen kritisieren muss ist ein wenig das UI (ich hätte gern bequemer auf die Items zugegriffen), aber das ist eigentlich egal. Wäre für mich locker eine 8.5 gewesen.