Test: Amy hasst dich!

AMY Test

Ihr wünscht euch Survival-Horror mit Anleihen bei ICO? Mit glaubwürdigen Charakteren, die euch ans Herz wachsen und mit denen ihr mitfiebert? Mit guten Rätseln, die das Zusammenspiel der Charaktere erforderlich machen? AMY hätte ein solches Spiel werden können. Stattdessen ist es purer Horror geworden.
Philipp Spilker 21. Januar 2012 - 16:35 — vor 11 Jahren aktualisiert
Dieser Inhalt wäre ohne die Premium-User nicht finanzierbar. Doch wir brauchen dringend mehr Unterstützer: Hilf auch du mit!
Alle Screenshots stammen von uns

Und dann war da plötzlich doch das, wonach wir uns verzehrt, worauf wir nicht mehr zu hoffen gewagt hatten. Ein Checkpoint. Ungeheure Erleichterung brach sich Bahn, ein zentnerschwerer Stein fiel uns von der Seele. Der verkrampft-schweißige Griff, mit dem wir das Gamepad in der Hand hielten, lockerte sich. Wir verfassten aus Freude ein kurzes Gedicht:
Kontrollpunkt, oh Kontrollpunkt mein
Ich will nicht ohne dich mehr sein
Im Griff von Dunkelheit und Tod
Hilfst du stets sicher aus der Not.

Und wandle ich auch im finstren Tal
Empfinde nichts als tiefste Qual
Reicht ein Gedanke schon an dich
Und plötzlich ist da wieder Licht.

Dein ganzes Wesen ein Gewinn
Wo käm ich ohne dich nur hin
Es wäre alles eine Last
Weil AMY mich so innig hasst!

Wir waren mit der Welt versöhnt. Einen kurzen, kleinen, flüchtigen Augenblick lang. Aber ach! Kurz darauf verkrampften sich unsere Finger auch schon aufs Neue, wüste Worte wurden dem Fernseher entgegengeworfen, Füße stampften sauer auf den Boden und sämtliche gute Laune wich. Weil der für 360 und PS3 erschienene Downloadtitel AMY, entwickelt von Vector Cell und produziert von Lexis Numerique, leider nicht dem entspricht, was wir uns davon erhofft haben. Es hasst seine Spieler. Es hasst sie mit Inbrunst. Und wir? Wir mögen Amy deswegen auch nicht mehr. Im Test begründen wir, wieso es sich das Spiel so außerordentlich mit uns verscherzt hat. Und erklären außerdem unseren Hang zur Checkpoint-Poesie.

Leere Versprechen
Dass wir in unserem Gamescom-Notizbuch nach der AMY-Präsentation das Wort "Geheimtipp" notierten, wirkt im Nachhinein schon fast wie bittere Ironie. Aber wir haben das aus bestem Gewissen heraus getan, weil das Konzept von AMY in der Theorie ganz ausgezeichnet klingt. Mit der erwachsenen Lana und dem schutzbefohlenen kleinen Mädchen Amy sind wir im Umfeld der Stadt Silver City unterwegs, die von einem Moment auf den anderen von einer Zombie-Plage heimgesucht wird. Um zu überleben, spielt Kooperation eine sehr wichtige Rolle. Das autistische Mädchen, das nie auch nur einen einzigen Ton von sich gibt, hat besondere Fähigkeiten: Halten wir etwa Amys Hand, kann uns die kontaminierte Umgebung, die ansonsten auch uns zum Zombie machen würde, nichts anhaben. Kämpfen können wir zwar im Notfall, aber ratsam ist das nicht. Verstecken steht auf der Tagesordnung. Wegrennen auch. Und dabei immer wieder Amy im Auge behalten. Ihr helfen und sich im Gegenzug von ihr helfen lassen.
 
Soviel zur vielversprechenden Theorie, die einem im Vorfeld durchaus den Mund wässrig machen kann. Das Handholding-Prinzip aus dem Klassiker ICO, gepaart mit old-schooligem Survival-Horror, der weniger auf dynamische Kämpfe und mehr auf Rätsel, Ausweichen und Verstecken setzt? Und dazu dann noch eine Story, die uns mit den Charakteren mitfühlen lässt? Natürlich wollen wir das spielen! Doch zwischen Theorie und Praxis liegen manchmal Welten. Eine derart krasse Diskrepanz zwischen beiden wie in Amy haben wir aber lange nicht mehr erlebt. Daran ist eines ganz besonders dramatisch: Wir sind uns ziemlich sicher, dass Vector Cell mit vielem, was wir jetzt an Amy kritisieren, nur Gutes im Sinn hatte. Es programmiert ja schließlich niemand absichtlich ein schlechtes Spiel. Das, was dabei letzlich herausgekommen ist, kann man allerdings fast schon als Kunststück bezeichnen. Denn derart konsequent aus eigentlich guten Absichten heraus durchweg miese Designsünden zu entwickeln: Das ist schon fast ein Talent für sich.
 
Die Sache mit den Checkpoints
Im bockschweren fünften Kapitel lenken wir Gegner durch einen Autoalarm ab. Zumindest die sind wir erstmal los.
In die Kategorie "Gut gemeint, schlecht gemacht" fällt in AMY zuallererst das weiter oben besungene Checkpoint-System. Zu behaupten, dass die Kontrollpunkte in den sechs Kapiteln von AMY rar gesät sind, wäre noch eine deutliche Untertreibung. Ihr werdet euch nach ihnen sehnen, wie ihr euch schon lange nicht mehr nach einem Checkpoint gesehnt habt. Und das ist an sich nichts Schlechtes. Weil guter Survival-Horror schließlich nicht zuletzt auch darauf baut, dass der Tod hinter jeder Ecke warten kann. Ein Checkpoint aber ist der Inbegriff von Sicherheit. Wir verstehen also das Prinzip, diese Häfen rar zu machen. Das Problem ist nur: In Amy wartet der Tod nicht nur möglicherweise, sondern garantiert hinter jeder Ecke. Sei es, weil Amy mal wieder nicht auf uns reagiert und seelenruhig in einem Gang stehen bleibt, von dem wir wissen, dass in zwei Sekunden ein Zombie um die Ecke torkeln wird. Sei es, weil wir mal wieder von einem Söldner gehört werden, obwohl er uns, da wir uns schleichend vorwärts bewegen, gar nicht hören dürfte. Sei es, weil wir, obwohl wir uns derart langsam durch ein Feld von Elektrominen bewegen, dass uns selbst eine Schnecke überholen könnte, trotzdem einen tödlichen Stromschlag erleiden. Oder sei es, weil wir mal wieder im furchtbar umgesetzten Nahkampf scheitern.
 
Allein im zweiten von sechs Kapiteln des Spiels haben wir unzählige Male immer und immer wieder am selben Checkpoint starten müssen, um immer und immer wieder mehrere Minuten lang ein- und dieselbe Abfolge von Aktionen durchzuführen, um immer und immer wieder dabei zu sterben. Wobei wir uns für das "Sterben" in den seltensten Fällen selber die Schuld in die Schuhe schieben können. Nein, nicht wir sind schuld daran, wenn ein eigentlich harmloser Gegner uns plötzlich viermal hintereinander trifft, obwohl wir eindeutig rechtzeitig den "Ausweichen"-Knopf gedrückt haben. Das ist die Schuld des Programms, das in viel zu vielen Momenten zu einem reinen Glücksspiel verkommt. Was aber nicht nur an der Steuerung und an den KI-Macken liegt, sondern auch daran, dass AMY zu 80 Prozent aus Trial and Error besteht. Wehe, ihr versucht etwas in einer auch nur etwas anderen Sequenz oder Herangehensweise zu tun, als die Entwickler es eingeplant haben. Das Sprichwort "Probieren geht über Studieren" hat lange nicht mehr auf ein Spiel so gut gepasst wie auf AMY. Das führt zwar tatsächlich dazu, dass wir uns niemals wirklich sicher fühlen. Aber guter Survival-Horror geht trotzdem anders. Zumal wir den absolut größten Fauxpas noch gar nicht erwähnt haben: Wenn ihr das Spiel zwischendrin ausschalten solltet,
Anzeigen/v
um einfach mal Luft zu schnappen, wird euch das Erreichen eines Checkpoints überhaupt nichts bringen. Schaltet ihr die Konsole wieder an, startet ihr ganz am Anfang des aktuellen Kapitels. Vector Cell würde das vielleicht "herausfordernd" nennen. Wir bevorzugen das Wortpaar "unfair und unbarmherzig".
 
Schon nach kurzer Spielzeit werdet ihr das Checkpoint-System von AMY für ähnlich spannungsfördernd halten, wie wenn sich dieser Satz hier ständig wiederholen würde. Schon nach kurzer Spielzeit werdet ihr das Checkpoint-System von AMY für ähnlich spannungsfördernd halten, wie wenn sich dieser Satz hier ständig wiederholen würde. Schon nach kurzer Spielzeit werdet ihr das Checkpoint-System von AMY für ähnlich spannungsfördernd halten, wie wenn sich dieser Satz hier ständig wiederholen würde. Schon nach kurzer Spielzeit werdet ihr das Checkpoint-System von AMY für ähnlich spannungsfördernd halten, wie wenn sich dieser Satz hier ständig wiederholen würde. Schon nach kurzer Spielzeit werdet ihr das Checkpoint-System von AMY für ähnlich spannungsfördernd halten, wie wenn sich dieser Satz hier ständig wiederholen würde.
before
after
Ohne die heilende Aura von Amy bricht sich das Virus Bahn, Adern treten hervor, der Bildschirm färbt sich rot. Letztlich führt das zu Lanas Tod.
McGressive 19 Megatalent - 14300 - 21. Januar 2012 - 16:45 #

Da bekommt der Begriff "Grusel-Spiel" gleich eine ganz andere Bedeutung :P

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66879 - 21. Januar 2012 - 16:54 #

Das klang so vielversprechend. Umso entsetzter sind sämtliche Redaktionen, von denen ich bisher Tests dazu gelesen habe. Schade.

spooky74 16 Übertalent - P - 4067 - 21. Januar 2012 - 17:01 #

Ich habe es mir leider gleich gekauft auf XBL... der Anfang und die Intros sehen ja gut aus.. aber das man die Kapitel zu Enden spielen muß, damit man nicht von vorne Anfangen muß... oh graus

Vidar 19 Megatalent - 15012 - 21. Januar 2012 - 17:02 #

Tja bestätigt sich mit andren Tests schade.

Mal eine frage an GG testet ihr eigentlich RE:R fürn 3DS?

Jörg Langer Chefredakteur - P - 468612 - 21. Januar 2012 - 23:48 #

Ja, das haben wir vor.

McGressive 19 Megatalent - 14300 - 22. Januar 2012 - 18:59 #

Top!!

Tr1nity 28 Party-Gamer - P - 110364 - 21. Januar 2012 - 17:06 #

Schade, daß das Potential vom Spiel so schlecht ungesetzt wurde. Ich hatte echt Interesse an dem Spiel, wenn es für PC dann gekommen wäre, aber so nicht.

Butcherybutch 14 Komm-Experte - 2558 - 21. Januar 2012 - 17:18 #

Hm erinnert mich an eXperience 112 welches ja auch von Lexis Numérique ist, das war auch irgendwie "Gut gemeint, aber schlecht umgesetzt" schade drum.

Olphas 26 Spiele-Kenner - - 66879 - 21. Januar 2012 - 17:35 #

Ach das waren die Leute? eXperience 112 war auf der einen Seite wirklich faszinierend, aber es war einfach sooo bockig, dass ich schnell keine Lust mehr hatte. Fand ich damals auch sehr schade. Dann hat das ja Tradition bei dem Studio.

Makariel 19 Megatalent - P - 18310 - 21. Januar 2012 - 17:29 #

für das Gedicht allein Kudos :D

Hagen Gehritz Redakteur - P - 171869 - 21. Januar 2012 - 17:33 #

Kann den Test gut nachvollziehen.

Hab mich sehr drauf gefreut, am Releasetag schon 800 MP besorgt. Dann hab ich aber wegen diversen negativen Gerüchten erst die Demo besorgt. Trotz des flauen Gefühls bin ich noch frohen Mutes ran, man soll sich ja nicht alles kaputtreden lassen.

Der Anfang war noch echt mitreisend, das Schleichen durch den entgleisten Zug sehr spannend. Das erste Mal...

Dann kamen Gegner angerannt, obwohl ich schleiche. Der NPC humpelt seelenruhig in einen Gegner von dem das Tutorial vorher meinte ich soll ihm aus den Weg gehen und während er schreiend weghumpelt tritt er auf seinen Trigger für die Story und fängt an ruhig nach Amy zu rufen während ich um mein Leben kämpfe. Tot. Wieder der Zug, ich will der Atmo willen wieder langsam durchgehen. Kampf läuft nicht wie geplant. Wieder Tot, so wie die Atmo. Ich sprinte zur Waffe im Zug, gehe raus, buttonsmashe die ersten Gegner in Grund und Boden. Verdammt.

Es war am Anfang so schön, dann fühlte ich mich aber wie Bill Murray in "Und täglich grüßt das Murmeltier"

Darth Spengler 18 Doppel-Voter - 9372 - 21. Januar 2012 - 18:14 #

3.0 ^^ Der arme Kerl. Tja da bewehrt sich wieder:

Nichts ist schlimmer als gut gemeint.

Johannes 24 Trolljäger - 53700 - 21. Januar 2012 - 18:26 #

Schönes Gedicht, schöne Anspielung in der 2. Strophe (erinnert fast schon ein bisschen an Rammstein, die dieselbe Anspielung bekanntlich auch schon genutzt haben)

Schöner Test, vom Spiel hatte ich mir mehr erhofft, wenn ich die Review so lese.

Faerwynn 20 Gold-Gamer - P - 20220 - 21. Januar 2012 - 18:29 #

Schade schade :(

Politician 13 Koop-Gamer - 1286 - 21. Januar 2012 - 18:33 #

Schade drum.....der Trailer hatte Hoffnung gemacht, dass das Spiel spannend wird. Die grundsätzliche idee fand ich gut, aber leider gehen alle Tests in die selbe Richtung.
Jedenfalls freue ich mich, dass ihr mal wieder ein Arcade Spiel komplett testet. Weiter so, gern auch bei besseren Titeln :)

Callet 12 Trollwächter - 1153 - 21. Januar 2012 - 18:36 #

Hmmm, Trial and Error gilt wohl auch für das Entwicklerstudio...

Dragon Ninja 13 Koop-Gamer - 1292 - 21. Januar 2012 - 21:25 #

Dem Test ist nichts hinzuzufügen. Ich habe mich sehr auf dieses Spiel gefreut, wurde aber von der Demo schon arg enttäuscht. Das ist wirklich sehr schade! Es gibt einfach viel zuwenig gute Survival Horror Games in der heutigen Zeit...

raumich 16 Übertalent - 4673 - 21. Januar 2012 - 22:13 #

Danke für den Warn-Test. Mein Download Finger hatte schon zweimal blind gezuckt. Zum Glück (offensichtlich) konnte ich mich bisher beherschen.

Tassadar 17 Shapeshifter - 8161 - 22. Januar 2012 - 6:03 #

Toll geschriebener Test zu einem offensichtlich massiv gescheiterten Spiel. Es gehört schon große Schreibkunst dazu aus dem Test eines solchen Spiel noch etwas Lesenswertes zu machen :).

Sciron 20 Gold-Gamer - 24181 - 22. Januar 2012 - 12:37 #

Als großer Fan des Genres, trauere ich natürlich um jeden gescheiterten Versuch, dem Survival-Horror neue Impulse zu geben. Eigentlich könnte ich mit ein paar Gameplay-Macken durchaus leben, aber hier scheint die Grenze wohl deutlich überschritten worden zu sein.

Etomi 16 Übertalent - 5349 - 22. Januar 2012 - 13:35 #

Wenigstens ein Gutes hat das Spiel. Es hat mir einen lesenswerten und unterhaltsamen Test beschert.

Spartan117 13 Koop-Gamer - 1479 - 24. Januar 2012 - 22:52 #

autsch...

Rebbot 11 Forenversteher - 582 - 25. Januar 2012 - 10:38 #

Auf meiner Xbox ruckelt das Intro so stark, dass es zu einigen Soundaussetzern kommt. Keine Ahnung, wie man sowas dermaßen verbocken kann, immerhin ist das doch das erste, was man vom Spiel sieht.

Ansonsten hatte ich viel Spaß mit der Demo. Klar, die Checkpoints könnten zahlreicher sein, aber bis auf einen Kampf habe ich alle auf Anhieb geschafft (auf normal), gerade die ersten sind doch echt einfach. Die Wartezeiten bei den Aktionen haben aber schon nach kurzer Spielzeit genervt. Wenn die Story dann noch (wie im Test geschrieben) nicht abgeschlossen ist, kann man sich den Kauf wohl sparen.

Taris 17 Shapeshifter - 6004 - 6. Februar 2012 - 19:14 #

Danke für den Test. Da lass ich lieber die Finger davon. Hätts mir neulich fast gekauft.

joker0222 29 Meinungsführer - 114702 - 24. Oktober 2013 - 20:49 #

Schade, das gibt es gerade für 0,74 € im PSN. Aber nachdem ich das hier gelesen habe müsste man mir eher nochwas zahlen, damit ich das spiele.