Pathologic 2

Pathologic 2 Test+

Einfach nur krank

Hagen Gehritz / 3. Juni 2019 - 13:39 — vor 4 Jahren aktualisiert
Steckbrief
LinuxMacOSPCPS4XOne
Adventure
Detektivspiel
Ice-Pick Lodge
tinyBuild
23.05.2019
Link

Teaser

Zwölf Tage lang kämpfen wir in einem Dorf gegen eine grauenhafte Seuche, die einen eigenen Willen zu besitzen scheint. Können wir ihr Geheimnis entschlüsseln, ehe sie das ganze Dorf dahinrafft?
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Alle Screenshots und Videoszenen stammen von GamersGlobal

Pathologic 2 ist, anders als der Titel vermuten lässt, keine Fortsetzung des Erstlingswerks des russischen Entwicklers Ice-Pick Lodge. Die Jungs und Mädels aus Moskau sammelten über 300.000 US-Dollar auf Kickstarter für ein Remake von Pathologic, das wegen seiner unheimlichen Atmosphäre und der ambitionierten Geschichte in verschiedenen Quellen als übersehenes Juwel besungen wurde, dem seine bescheidene Technik und ein ebenso schwer zugängliches wie bockschweres Gameplay im Weg standen.

Das Studio entschied sich bald nach dem Ende der Kampagne gegen ein zu originalgetreues Remake, sondern veränderte abseits des grundsätzlichen Plots Spielmechanik, Welt und Handlungsstränge so weit, dass Pathologic 2 nun eine Neuinterpretation der ursprünglichen Vision bieten soll. Bringen die Änderungen den sperrigen Geheimtipp nun zu später Blüte?
Der Polyhedron: Ein Fiebertraum aus Stahl und Papier. Ein Ding der Unmöglichkeit – jedoch nicht das einzige in dem Ort.
 

Ein Landarzt

Ein Brief seines Vaters ruft Artemy zurück in seinen Heimatort. Der Sohn studierte in der Ferne Chirurgie, doch eigentlich ist seine Bestimmung, ein Menkhu zu werden wie sein alter Herr – ein Schamane des spirituellen Steppenvolks. Am Bahnhof erwarten Artemy jedoch weder Familie noch alte Freunde, sondern bewaffnete Männer, die er in Notwehr umbringt. Artemy muss erfahren, dass sein Vater und eines der drei Familienoberhäupter des Ortes ermordet wurden und für die abergläubische Gemeinde kommen nur ein Steppendämon oder ein Außenseiter als Täter infrage.

Doch nachdem Artemy Bürgen für seine Unschuld gefunden hat, gehen die Probleme erst wirklich los. Nach wenigen Tagen zeigen sich Anzeichen der Sandpest. Eine schreckliche Seuche, die Fleisch an Wänden wachsen lässt und als schwarzer Schwarm neue Opfer jagt. Artemy lernt im Labor seines Vaters, wie er mit besonderen Kräutern Infektionsherde entdeckt und arbeitet mit den Würdenträgern des Dorfes, alten Freunden und anderen Heilern an einer Medizin. Besonders muss er auf sieben Kinder und eine unbekannte achte Person achtgeben, da sie laut den Aufzeichnungen seines Vater entscheidend für die Zukunft des Ortes sind. Doch die maskierten Pantomimen und Vogelmasken lassen wenig Zweifel daran, dass der Kampf ein verzweifelter werden wird.
Die Mindmap zeigt alle aktuellen Hinweise und laufenden Aufgaben. So habt ihr stets alle Informationen parat.
 

Ein Hungerkünstler

In den meisten Fällen erwartet Artemy bei einem der zahlreichen auf seiner Karte markierten Aufträgen ein Dialog mit einem der interessanten Bewohner. Aus Gesprächen ergeben sich aber auch manchmal Bitten, die nicht in der übersichtlichen Mindmap aufgezeichnet werden, sondern sich bei einer späteren Begegnung mit der Person weiter entwickeln. Aber nicht alles lässt sich allein mit Worten lösen. Schon früh fragt etwa der Gauner Grief, ob wir nicht einem seiner Jungs eine abgebrochene Klinge aus der Bauchgegend entfernen können. Bevor Artemy daran denkt, anderen zu helfen ist jedoch erst Mal das eigene Wohl zu sichern. Sein Bedarf an Nahrung und Schlaf sind aufgrund der seltsamen Wirkung örtlicher Kräuter absurd hoch und Lebensmittel dank ausbleibender Versorgungszüge teuer.

Der Tauschhandel mit den Anwohnern ist eine mögliche Lösung. Oder ich breche in Häuser ein. In infizierten Vierteln treffe ich dabei jedoch oft auf Gruppen von Plünderern. Dann lieber doch einen einzelnen Räuber verprügeln, die in der Nacht in den Straßen lauern. Das ist mit dem unpräzisen Kampfsystem beherrschbarer. Wenn sich der Lump ergibt kann ich ihn sogar ausrauben, ohne ihm den Todesstoß zu versetzen. Hilft mir dagegen eine Nachtwache, muss ich den Leichnam schneller plündern als er. Solche dynamischen Elemente sind aber recht selten im Vergleich zu mysteriös inszenierten Skript-Ereignissen.
Durch Konzentration erkenne ich mit einem Tastendruck, welche Figuren neue Gespräche bereit halten.
 

Weniger sperrig als der Vorgänger

Pathologic 2 hat von seinem Vorgänger durchaus einige Eigenheiten übernommen. Noch immer gilt es Figuren mehrfach anzusprechen, um alle Dialogoptionen auszuschöpfen. Die sind weiter unvertont, stattdessen geben die Personen nur vereinzelte Sätze von sich. Texte und gesprochene Dialoge gibt es nur auf Englisch, eine deutsche Übersetzung fehlt. Der Figur fehlt es meist an Körperlichkeit und so entsteht das Gefühl, eine fliegende Kamera zu manövrieren. Artemy kann springen, die meisten Hindernisse muss er trotzdem umrunden. Dafür braucht es wegen der verwinkelten Straßenführung den ständigen Blick auf die Karte – besonders um schnell aus infizierten Gebieten heraus zu kommen. Auch ist die Zahl der Charaktermodelle für generische NPCs zwar deutlich höher als im ersten Teil, aber dennoch überschaubar. Die ständig gleichen Gesichter nagen neben einigen anderen Logikproblemen etwas an der inneren Glaubwürdigkeit der Spielwelt, beispielsweise sind abseits von Passanten viele NPCs immun gegen Angriffe. Händler zucken nicht einmal, wenn Artemy den Revolver auf sie richtet.

Dennoch ist das Spielgefühl um Welten komfortabler als bei der HD-Neuauflage von Pathologic. Der geführte Einstieg sorgt dafür, dass Grundsteuerung und Menüführung nicht obskur bleiben. Dazu weisen in der Spielwelt verteilte Pantomimen theatralisch, doch deutlich auf die Mechaniken hin. Per Knopfdruck werden alle ansprechbaren NPCs und die ungefähre Richtung zu Aufträgen eingeblendet. Schnellreisepunkte sind verfügbar, aber sinnvoll durch die Fahrtkosten in Form einer separaten Währung limitiert. Geblieben ist der gnadenlose Schwierigkeitsgrad. Die Moskauer Entwickler haben aber bereits einen künftigen Patch mit einer leichteren Option in Aussicht gestellt. Der Controller als Steuerungs-Option wird ebenfalls später nachgeliefert. Auch sind die aus dem Erstling bekannten spielbaren Figuren des Mediziners und der Heilerin für einen späteren Zeitpunkt als DLC angedacht.

Das Test-Video geht noch genauer auf die starke Atmosphäre und die fiesen Gameplay-Hürden ein.

Text: Hagen Gehritz; Redaktion: Dennis Hilla (GamersGlobal)

 
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Meinung: Hagen Gehritz

Pathologic 2 hat mich in seinen Bann geschlagen. Der zermürbende Wettlauf gegen die Zeit ist einfach spannend. Dabei schreckt die Design-Philosophie des Mix aus Adventure und Survival-Horror nicht davor zurück, mich zu überfordern: Vom ersten Tag an dreht sich die Schraube der Verzweiflung immer tiefer, weil mir die belastenden Mechaniken überwiegend erfolgreich einen perfekten Durchgang versagen.

Diese Philosophie kann nur polarisieren. Bei mir kommt Pathologic 2 damit durch, weil ich darin keine durchweg schlechte Balance oder Sadismus als Selbstzweck sehe, sondern die Absicht spüre, Motive und Atmosphäre auf die Spielmechanik zu spiegeln. Dieser Ansatz funktioniert insoweit, dass Pathologic 2 mich erfolgreich ständig zum Abgrund drängt, mich zwingt, Risiken abzuwägen, mir emotionale Tiefschläge verpasst und dennoch motiviert, weiterzumachen. Und diese Motivation speist sich aus der spannenden und durchdachten Erzählung, den interessanten Figuren, dem wunderbar kafkaesken Szenario, der mysteriösen Inszenierung, einer dichten Atmosphäre und dem effektvollen Soundtrack.

Kritisch fallen bei der Umsetzung des spannenden Konzepts die Spielfortschritts-Bugs, technische Schwächen und manch fehlende mechanische Feinjustierung ins Gewicht. Auch bin ich nicht recht überzeugt, dass die Bedürfnis-Balken für die gewünschte Atmosphäre dermaßen penetrant gestaltet werden mussten. Das macht Pathologic 2 insgesamt für mich zu einer besonderen Spielerfahrung mit spürbaren Ecken und Kanten – manche gewollt, manche ungewollt.
Pathologic 2 PC
Einstieg/Bedienung
  • Starke Einstiegsszene
  • Geführter Einstieg gepaart mit dynamischen Tutorial-Dialogen
  • Inventarverwaltung teils unnötig fummelig
  • Schleichen wird nicht erklärt
  • Controller-Steuerung noch nicht implementiert
Spieltiefe/Balance
  • Story trumpft mit vielschichtigen Motiven und Figuren auf
  • Dichte, surreale Atmosphäre der offenen Spielwelt
  • Interessante Dialoge
  • Mysteriöse Inszenierung
  • Spannendes Rennen gegen die Zeit, bei dem zwangsweise ein Teil der Aufgaben scheitert
  • Ruf-System beeinflusst Handlungsoptionen
  • Tag-Nacht-Wechsel mit Auswirkungen
  • Begrenzte Schnellreise-Funktion
  • Frustrierender Schwierigkeitsgrad
  • Inkonsequentes Rufsystem und weitere Risse in der Glaubwürdigkeit
  • Ständiger Hunger und Schlafmangel sind belastend
  • Schon halb kaputte Waffen kaum zu gebrauchen
  • Oberflächliche, recht mächtige Schleich-Mechanik
Grafik/Technik
  • Hübsche Grafik mit passend trostloser Farbpalette
  • Tolles Art-Design
  • Gestaltung der Spielwelt reich an Bildsprache
  • Hin und wieder Bugs beim Spielfortschritt
  • Bildfrequenz oft instabil
  • Viele Straßen sehen sich zum Verwechseln ähnlich
Sound/Sprache
  • Stimmiger Soundtrack mit Tribal-Elementen
  • Effektvolle Geräuschkulisse mit streunenden Tieren, Husten, Wehklagen
  • Keine deutsche Übersetzung
  • Nur wenige vertonte Sätze
Multiplayer

Nicht vorhanden
7.5
Userwertung0.0
Mikrotransaktionen
Hardware-Info
Minimum: Win7 64Bit, i3 3Ghz/ Ryzen 5, 8 GB RAM, Geforce GTX 660, 25 GB HDD
Maximum: Win10 64Bit, i7 3Ghz/ Ryzen 7, 16 GB RAM, Geforce GTX 970, 25 GB HDD
Eingabegeräte
  • Maus/Tastatur
  • Gamepad
  • Lenkrad
  • Anderes
Virtual Reality
  • Oculus Rift
  • HTC Vive
  • Playstation VR
  • Anderes
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Hagen Gehritz 3. Juni 2019 - 13:39 — vor 4 Jahren aktualisiert
Hagen Gehritz Redakteur - P - 175541 - 3. Juni 2019 - 0:24 #

Viel Spaß beim Lesen, Anschauen und Anhören! Garantiert ohne Ansteckungsgefahr. ;)

Gorkon 21 AAA-Gamer - - 30193 - 3. Juni 2019 - 14:26 #

Danke für den Test. Werde ihn mir heute Abend zu Gemüte führen.

vgamer85 (unregistriert) 3. Juni 2019 - 15:51 #

Ist Zeitfaktor sehr entscheidend?Also man spielt unter Zeitdruck oder. Das wäre kein Spiel für mich :-)

PraetorCreech 18 Doppel-Voter - P - 12881 - 3. Juni 2019 - 16:03 #

Viel Dank für den Test, als Freund des ersten Teils wurde ich hier direkt Kickstarter-Backer, das Spiel wartet also schon in meiner digitalen Bibliothek. Obwohl ich keine Kaufempfehlung mehr brauche, freue ich mich trotzdem sehr auf das Testvideo.

Gorkon 21 AAA-Gamer - - 30193 - 3. Juni 2019 - 21:58 #

@Hagen Gehritz: Liegt es am Video oder ruckelt das Spiel in einer Tour?

Hagen Gehritz Redakteur - P - 175541 - 3. Juni 2019 - 22:32 #

Das Spiel ruckelte bei mir ziemlich (auf den empfohlenen Grafikeinstellungen; installiert auf HDD).

Gorkon 21 AAA-Gamer - - 30193 - 4. Juni 2019 - 7:59 #

Das ist bitter. Sieht ja nicht nach einer Grafikgranate aus. Dann mal lieber noch abwarten, bis sich dort etwas tut.

Dennis Hilla 30 Pro-Gamer - P - 172474 - 4. Juni 2019 - 10:03 #

Ich dachte es mir im Schnitt zuerst auch, liegt aber am Spiel. Sagt Hagen ja auch im Video.

rammmses 22 Motivator - P - 32653 - 3. Juni 2019 - 23:31 #

Hui, das ist jetzt das Remake? Sieht ja auch nicht viel besser als Morrowind aus. Aber die Faszination aus dem Testvideo könnte auch mich ein Stück weit packen, warte aber auf eine hoffentlich rundere Konsolenversion, das wirkt alles schon sehr unpolished.

Zup 15 Kenner - P - 2891 - 4. Juni 2019 - 10:41 #

Danke für den stimmungsvollen Test. Ich warte dann auf die X1 Version. Vielleicht sind bis dahin auch schon einige Kinderkrankheiten behoben.

Drapondur 30 Pro-Gamer - - 161785 - 4. Juni 2019 - 13:09 #

Interessantes Setting aber Spiele auf Zeit und Survivalelemente sind nicht so meins.

bluemax71 18 Doppel-Voter - - 10015 - 4. Juni 2019 - 14:22 #

dem kann ich mich nur anschließen. Hört sich für mich zu frustierend an.

Elfant 25 Platin-Gamer - 63208 - 4. Juni 2019 - 22:47 #

Hmm also ich sehe keinen Grund, warum man den "neuen" Teil kaufen sollte, wenn man den alten Teil schon hat.

Hagen Gehritz Redakteur - P - 175541 - 5. Juni 2019 - 1:27 #

Wenn du schon die Geschichte komplett kennst ist der Anreiz wohl geringer, sich nochmal gegen die Sandpest abzukämpfen.
Ansonsten ist Pathologic 2 die deutlich angenehmere Spielerfahrung, wenn man Pahtologic HD schon mal aus Interesse angefangen, aber nicht bis zum Ende durchgestanden hat. Den Haruspex hab ich in Pathologic HD nicht wirklich weit gespielt, aber mir sind dennoch einige Änderungen abgesehen vom neuen Spieleinstieg und den überarbeiteten Dialogen aufgefallen.

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40317 - 5. Juni 2019 - 23:17 #

Das klingt unheimlich spannend, aber ich bin definitiv nicht frustresistent genug dafür :(

xan 18 Doppel-Voter - P - 11651 - 6. Juni 2019 - 0:31 #

Hagen, ich wollte dir mal sagen, dass ich es wirklich beeindruckend und vorbildlich finde wie du dich weiterentwickelst. Egal ob deine Texte, deine Stimme als auch die Videos, du entwickelst dich kontinuierlich weiter.

Auch, wenn ich ehrlich bin, du nicht meine Spieleecke bedienst, freue ich mich auf mehr Inhalt von dir.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83933 - 18. Juni 2019 - 22:58 #

Hui, das Szenario sieht richtig spannend und schön gruselig aus. Aber Survival-Elemente und Zeitlimit verhageln mir leider den Spaß. Da muss ich wohl Abstand nehmen.