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Spielemarkt USA Report

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World of Warcraft ist ein reines PC-Spiel und hat trotzdem weltweit rund 11 Millionen monatlich zahlende Spieler.

Vorurteile und Binsenweisheiten

In USA sind ein Viertel der Spieler 50 Jahre oder älter!
Wer glaubt, die US-Amerikaner seien aufgrund der Konsolenlastigkeit ein junges Spielervolk, vergisst die größere gesellschaftliche Akzeptanz der Spiele dort – beide Faktoren gleichen sich aus und machen den Durchschnittsspieler 34 Jahre alt. Fast 50 Prozent bewegen sich im großen Alterssegment 18-49, je ein Viertel liegt darunter oder darüber. Das heißt aber auch: In USA sind ein Viertel (26%, um genau zu sein) der Spieler 50 Jahre oder älter! 67% der amerikanischen Haushalte spielen PC- oder Videospiele – in Deutschland dürften immer noch viele Haushalte Games als unerwünscht abtun.

Eine Binsenweisheit wird scheinbar von einer Studie von Debitte (von Ende 2009) einmal mehr bewiesen: US-Gamer seien zum größten Teil Konsolenspieler. Dank des Siegeszugs der Wii besitzen mittlerweile 60% der Haushalte eine Videospielkonsole, und damit fast 90% der Spiele-Haushalte. 2007 waren es, nach einer anderen Studie, noch 38% gewesen. Nun hängt das Ergebnis einer Studie immer von vielen Faktoren ab, und oft sind unterschiedliche Studien zum selben Sachverhalt nicht direkt vergleichbar, aber dennoch:

John Riccitiello lächelte auf der E3 in unsere Kamera. Er hält nichts von Aussagen, der PC befinde sich im Abschwung.
Bei der Konsolenlastigkeit handelt es sich scheinbar um keinen Trend mehr, sondern um eine Tatsache. Beweisen nicht die oben erwähnten Umsatzverteilungen dasselbe? Nicht unbedingt. Das Studienergebnis bedeutet nicht, dass in keinem dieser Haushalte am PC gespielt würde – gut möglich, dass die Tochter die Wii liebt, die Mutter aber lieber Bejeweled oder ein anderes Casual Game am PC. Vor allem aber hat die Studie einmal mehr nur den Konsolenbesitz abgefragt, nicht aber die gleichzeitige Nutzung von zum Beispiel Browserspielen.

In eine ähnliche Kerbe schlug auch EA-CEO John Riccitiello anlässlich der diesjährigen E3: „Wenn man sich nur die Retail-Zahlen anschaut, ist der PC seit zehn Jahren im Abschwung. Aber, als ich das letzte Mal nachgeschaut habe, machte Playfisch Spiele für den PC. Und macht nicht Zynga Spiele für den PC? Wird World of Warcraft etwa nicht auf dem PC gespielt? Ist Pogo kein PC-Spieleservice? Und Tiger Woods Online? Allein diese Franchises machen doppelt soviel Umsätze wie die Retail-Zahlen, die NPD meldet.“

Mehr Frauen, weniger Blut?

Außerdem spielen „überm Teich“ mehr Frauen, sie stellen 40% der Gamer. In Deutschland sind es immerhin schon 31%. Was gar nicht zum oft bemühten Stereotyp des „Xbox-Teenagers“ in den USA passt: Es spielen mehr volljährige Frauen (33%) als minderjährige Jungen (20%). Wie auch in Deutschland, liegt das Durchschnittsalter der Spielekäufer über dem der eigentlichen Spieler, es beträgt 40 Jahre. Einfach zu erklären: Eltern kaufen für ihre (teils sicher schon volljährigen) Kinder. Immerhin seit durchschnittlich 12 Jahren spielen Erwachsene Computerspiele, wenn sie denn spielen. Im Schnitt haben damit die erwachsenen US-Gamer 1998 mit interaktiver Unterhaltung angefangen – gerade, als der Siegeszug der 3D-Grafikkarten mit der Voodoo 2 so richtig in Schwung kam, Half-Life das Shooter-Genre revolutionierte und es weder Playstation 2 noch GameCube gab.

Nächstes Vorurteil: In USA müssen Spiele besonders blutig sein, um sich zu verkaufen. Falsch: 60% der Spiele haben die ESRB-Altersfreigabe „E“ („Everyone“, ab 6 Jahren), 16% bekommen „E10+“ (ab 10 Jahren geeignet), 18% „T“ („Teens“, ab 13 Jahren) und nur 6% „M“ („Mature“, ab 17). Die härteste Stufe „AO“ („Adults only“, ab 18 Jahren), wurde bislang erst 24 Mal vergeben – da sie im Handel ähnlich wirkt wie bei uns eine Indizierung, versuchen die Publisher, „AO“ um alles in der Welt zu vermeiden, und entschärfen dazu auch mal ihre Spiele. Nun sind die ESRB-Ratings sicherlich weniger rigide als der Stolz jedes deutschen Ordnungspolitikers, die USK-Einstufungen. Aber 83% Umsatzanteil für „ab 13“- oder harmlosere Spiele sprechen eine deutliche Sprache.

Auch bei den Genres spiegelt sich nicht mehr wieder, dass US-Amerikaner vornehmlich zum virtuellen Schießeisen greifen würden: Action war letztes Jahr erstmals nicht mehr das größte Einzelgenre (19,5%) bei den Videospielen, zumal darunter auch jugendfreie Reaktionstests eingeordnet werden. Den ersten Platz belegen die Sportspiele mit 19,6%. Auf Platz 3 tummelt sich bereits die Familienunterhaltung (15,3%). Selbst, wenn man die Genres Action, Shooter (12,2%) und Prügelspiele (4,1%) addiert, liegt der Anteil der „überwiegend friedlichen“ Videospiele-Genres mit 64% fast doppelt so hoch. Bei den im Retail schwachen PC-Spielen – dieses Vorurteil stimmt – machen Shooter sogar nur 10,1% aus, sonstige Action kommt auf 3,2%.

Speziell EAs Markentitel Madden (im Bild), FIFA, NHL, NBA & Co. ist es zu verdanken, dass die Sportspiele im ESRB-Ranking 2009 auf Platz 1 der Einzelgenres kletterten und damit die Actiontitel auf den zweiten Platz verdrängten.
McStroke 14 Komm-Experte - 2276 - 11. September 2010 - 19:56 #

Haben die Publisher auf der Karte im Teaserbild eigentlich wirklich an besagten Stellen ihren Firmensitz (also EA in Kalifornien, Sega in Arizona, id in Texas etc.) oder ist das rein zufällig gewählt?

Rondrer (unregistriert) 11. September 2010 - 20:18 #

Also id ist in Texas und EA in Kalifornien, aber Microsoft an der Ostküste haut nicht so richtig hin (zumindest vom Hauptsitz her).
Von daher würd ich sagen es ist teils richtig, teils zufällig ;)

Rubio The Cruel 12 Trollwächter - 1078 - 11. September 2010 - 20:22 #

seit wann ist microsoft in virgina? d'oh!

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 11. September 2010 - 20:36 #

Nee, die würden sich ganz stark im Westen drängeln.

DELK 16 Übertalent - 5488 - 11. September 2010 - 21:24 #

Wobei man bei den Altersfreigaben auch darauf aufmerksam machen sollte, dass bei Gewalt in Spielen generell lascher als von der USK gewertet wird.

Ketzerfreund 16 Übertalent - 5978 - 12. September 2010 - 4:49 #

"...Umsätze wie die Retail-Zahlen, die NPD meldet." - Ich glaub, da fehlt ein 'wie'.

CrazyChemist 18 Doppel-Voter - - 9005 - 12. September 2010 - 8:39 #

Interessanter Artikel für einen baldigen Auswanderer, danke!

Christoph 18 Doppel-Voter - P - 10236 - 13. September 2010 - 8:30 #

...na dann viel Glück! Wenn Du am PC spielst, geht dann ohne downloads nicht mehr viel; ich hatte in den USA echte Probleme, die PC-Spiele in irgendwelchen Läden überhaupt nur zu finden ;) ...aber Super-Donuts gibt's überall!

Bernd Wener 19 Megatalent - 14832 - 12. September 2010 - 9:11 #

Danke, sehr interessanter Artikel.

Andreas (unregistriert) 12. September 2010 - 20:35 #

Solche Artikel gibt es nur auf Gamer's Global - fantastisch.

Slomo86 06 Bewerter - 95 - 12. September 2010 - 22:28 #

Wirklich interessant, danke.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 83932 - 13. September 2010 - 11:44 #

Höchst interessanter Bericht. Diese Serie ist echt super. Ich hoffe, es geht noch weiter. Schließlich fehlen noch Deutschland und andere europäische Länder.

Anonymous (unregistriert) 14. September 2010 - 1:12 #

Hallo!

Das mit den Preisen kann ich nicht nachvollziehen,
die "UVP"-Dollar-Preise bei amazon sind meistens
günstiger als bei uns die "UVP"-Euro-Preise.
(Ist bei uns vielleicht der Zweitverwertungsmarkt
grösser und drückt den Umsatz pro Spiel?).

Das Gehalt mit 92 000 Dollar ist sehr hoch und
ist ja nur ein Durchschnittswert.
Das klang neulich noch ganz anders:
gamersglobal.de/news/19011
Und das ist ja nur der Durchschnitt.
Das war zwar keine amerikanische Umfrage, aber auch
für die USA habe ich generell niedrigere Zahlen im Kopf:
payscale.com/research/US/Country=United_States/Salary

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469822 - 14. September 2010 - 18:31 #

Hallo Anonymous, das ist etwas anders gemeint:

Pro Dollar bekommst du in Amerika (insbesondere im Elektronikbereich, aber auch im Spielebereich) in vielen Fällen den Gegenwert, den du in Deutschland für einen Euro bekommst -- obwohl der Euro nominell mehr wert ist. Dein Beispiel (Dollarpreise sogar unter Europreisen) unterstreicht das noch, der Dollar ist dann also auf dieses Spiel bezogen sogar noch mehr wert, als dein Euro hier in Deutschland.

Das bedeutet, da es ja um Umsatzzahlen und Marktgröße geht, dass der US-Spielemarkt von USA aus betrachtet sogar noch etwas wichtiger/größer ist in tatsächlicher Kaufkraft, als er, in Euro umgerechnet, von hier aus betrachtet wirkt.

Ist jetzt nicht die Riesenerkenntnis, aber so war das gemeint im Text :-)

Christoph 18 Doppel-Voter - P - 10236 - 16. September 2010 - 16:56 #

Es verdient aber nicht der durchschnittliche computerspielkaufende Amerikaner über 90.000 Dollar im Jahr. Wegen größerer arm-reich-Unterschiede in den USA sagt der Durchschnitt auch nicht so viel aus. Der Median wäre mal interessant, und zwar der Median der Spielekäufer-Einkommen.