Bildquelle: Éric Chahi von Dennis Stachel unter CC BY 2.0 (editiert)
Es müssen nicht immer Hits am laufenden Band sein. In den letzten 25 Jahren arbeitete Éric Chahi an lediglich drei Videospielen in leitender Position – darunter aber der Klassiker Another World (eShop-Check). Was macht der neben Michael Ancel und David Cage wohl bekannteste französische Spieledesigner heute?
Aufstieg bei Delphine Software
Éric Chahis Stern am Entwicklerfirmament stieg nahezu ohne Vorankündigung im Jahr 1991 in Paris bei der Firma Delphine Software International auf. Nach zwei Jahren in kompletter Eigenregie (mit Ausnahme der Musik) erschien sein bis heute größter Erfolg: Another World. Ursprünglich auf Amiga und Atari ST veröffentlicht, wurde der Titel schnell für weitere Plattformen wie MS-DOS und Sega Genesis umgesetzt.
Legendär ist die "Endlosfax-Attacke" des Designers auf den Publisher Interplay, der für die SNES-Version in den Vereinigten Staaten die Intro-Musik des Spiels austauschen wollte. Über Nacht sendete der erfinderische Franzose ein an beiden Enden zusammengeklebtes Fax mit der Bitte, die Originalversion beizubehalten. Auch wenn am Ende die Rechtsabteilung von Delphine den Streit beendete, dokumentiert die Episode Chahis charakteristisches Streben nach der eigenen Vision.
Der Erfolg von Another World weckte beim Hersteller natürlich den Wunsch nach einem Nachfolger, aber Chahi war dem abgeneigt. Er verließ das Unternehmen und gründete gemeinsam mit ehemaligen Kollegen 1992 die Amazing Studios für die Umsetzung seiner eigenen Ideen. Nach – für damalige Verhältnisse epischen – sechs Jahren Entwicklungszeit erblickte 1998 schließlich Heart of Darkness das Licht der Welt. Den Konkurs der Firma konnte der für PC und Playstation veröffentlichte Titel aber nicht abwenden.
Die Auszeit des Multitalents
In den Folgejahren nahm der Franzose eine lange, jedoch nicht minder aktive Auszeit von der Videospielbranche. Er entwickelte unter anderen Sympheo, einen grafischen Editor für die musikalische Programmiersprache CSound, malte Landschaftsbilder und pflegte das Erbe von Another World. Als Rechteinhaber autorisierte er weitere Versionen, darunter eine Homebrew-Fassung für den Game Boy Advance und die aufgehübschte Edition zum 15. Jahrestag. Chahi nutzte die Zeit auch für zahlreiche Reisen rund um den Globus, auf denen er seinem Hobby, der Fotografie, intensiv nachkam.
Beeindruckt und inspiriert von der rohen Urgewalt aktiver Vulkane wie dem Ätna, reifte die Idee für sein nächstes Spieleprojekt. Mit einem kleinen Team und im Dienste von Ubisoft kehrte Chahi 2008 nach zehn Jahren Pause zur Spieleentwicklung zurück. Drei Jahre dauerten die Arbeiten an der Göttersimulation From Dust (GG-Test: 8.5), dem vorerst letzten Werk des Franzosen. Angeblich war es der erste Genrebeitrag, den der Populous-Macher Peter Molyneux selber spielte. Nach der Fertigstellung trennten sich die Wege von Ubisoft und Chahi wieder.
Ehrung und aktuelles Schaffen
Im März 2013 wurde dem Designer eine besondere Ehre zuteil. Gemeinsam mit 14 weiteren Titeln, wie Pac-Man, Tetris und Portal, wurde Another World in eine Dauerausstellung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen. Die ausgewählten Exponate seien herausragende Beispiele für interaktives Design, so die Begründung der Kunstgalerie.
In Montpellier teilt sich der französische Kreativkopf heute ein gemeinsames Büro mit den Indie-Studios Swing Swing Submarine (Tetrobot and Co.) und The Game Bakers (Squids-Serie). Dort kann er seinem Wunsch gemäß komplett unabhängig arbeiten und ist nur seinen Ideen unterworfen. Die letzten Informationen über sein aktuelles Projekt verriet Chahi im Sommer 2013 den Kollegen von Gamekult. Seinerzeit befand er sich noch im Recherche- und Prototypenstadium und wollte nichts Konkretes verraten. Allerdings gab er den Hinweis, dass erneut eine Simulation und prozedurale Vorgänge eine Rolle spielen werden. Wir dürfen also gespannt sein, welche Welten das Multitalent dieses Mal ersinnt.
Ja, der alte Chahi! Nachdem er die Videospielbranche verließ, kreierte er eine nach ihm benannte Latte!
Und an der "Chahi Latte" hätten sich dann künftige Videospiele zu messen...?
Was macht eigentlich Lawrence (Larry) Holland?
Er ist President von http://www.totallygames.com/index.shtml
Sieht nach mittelprächtiger Mobiklekost aus. Die Glanzzeiten von X-Wing sind halt vorbei
die Website ist ein Kandidate fürs Gruselkabinet auf designtagebuch.de
Erinnert etwas an die 90er ^^
Danke, die Seite ist ja schon ne Weile unberührt, wie es scheint. Eigentlich war meine Frage auch eher als möglicher Kandidat für einen Artikel zu Holland gedacht ;)
Dennoch, danke für die Mühe.
Danke für die neue Ausgabe der Serie.
Schöner Artikel, vielen Dank dafür!
From Dust ist ein faszinierendes Spiel .. schade dass es so kurz ist. Aus der Engine hätte man mehr machen müssen.
Kann man Heart of Darkness noch auf aktuellen PCs spielen? Hab's hier noch auf Disc rumliegen, aber schon seit einem Jahrzehnt nicht mehr angefasst.
Die Stay Forever-Folge zu Another World kann ich empfehlen.
Großes Lob für die Recherche!
Jep!
Wieder mal eine sehr gelungene Ausgabe des Formats. :)
Chahis Erstlingswerk Another World habe ich auf dem Amiga 500 hoch und runter gespielt. ;)
Muss ehrlich gestehen, dass mir der Name überhaupt nichts sagt...
Habe zwar auch From Dust gespielt und fand das sogar ganz nett... aber so wirklich die Assoziation "Das Spiel ist von einer echten Spieleentwicklerlegende" hatte ich damit jetzt nicht ^^. Wohl wirklich jemand der eher unbekannteren Sorte...
Es ist vor allen Another World, das den Ruf von Chahi begründet hat. Die Vektor-Grafik des Titels (ermögliche bildschirmgroße Animationen), der Verzicht auf Bildschirmanzeigen/Text und der cineastische Ansatz -- 1991 wohlgemerkt -- haben ihn sehr bekannt gemacht. Falls du Podcasts hörst und dich etwas für Videospielgeschichte interessiert, ist die entsprechende Folge von Stay Forever (im Steckbrief ist der Link) sehr zu empfehlen.
Aber so wie ich das rauslese, war das sein einziger echter Hit. Heart of Darkness war nach zu langer Entwicklungszeit ein Flop und From Dust habe ich nun auch nicht als Verkaufsschlager in Erinnerung. Ob man mit der Vita schon als Designerlegende qualifiziert ist? Mir hätte der Name ohne Kontext jetzt auch nichts gesagt, von den Spielen hab ich immerhin gehört...
EDIT: Damit will ich nicht deine Arbeit schlechtmachen, der Artikel ist wieder sehr gut geschrieben und interessant zu lesen. Die Geschichte mit dem Endlos-Fax ist echt witzig. ;-)
Kein Ding, so hätte ich deinen Einwurf auch nicht aufgefasst. Als Legende habe ich ihn aber auch nicht bezeichnet :) From Dust verkaufte sich aber ganz gut. 500.000 Einheiten gingen gleich zu Beginn über die virtuelle Theke.
Macht ja nix, er wird dich auch nicht kennen.
Wer weiß ;).
Ob er irgendwie aktuell Videospiele spielt, und wenn ja, was für welche, sagt dieser Artikel ja nichts darüber aus ;).
Gebe zu, sicherlich wahrscheinlich ist es nicht, dass sich jemand den Namen merkt, der sich für Grafiken oder Modelle verantwortlich zeichnet oder in einer eher unwichtigen Position irgendwo in den Credits auftaucht. Grundsätzlich ausschließen darf man das aber halt nicht :)
Mit Another World konnte ich nie was anfangen. Total undynamisch.
War mir unbekannt, da ich Delphine nur vom Namen her kannte. Gute Serie, die ich weiter verfolgen werde.