Nippon-News #24: "Street Fighter" Inafune geht wieder zur Uni
Teil der Exklusiv-Serie Nippon-News

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4. Mai 2014 - 17:37 — vor 9 Jahren zuletzt aktualisiert
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Jede Woche sonntags lest ihr bei GamersGlobal die Nippon-News von Mathias Dietrich. Darin geht es um kuriose Spiele, Spielenahes, bekannte Animes und Idols oder auch einfach Kurioses aus Japan.

Keiji Inafune (Foto: Gamerscoreblog, Wikipedia, CC-BY-SA-2.0-Lizenz)
Keiji Inafune begann seine Karriere als Videospieldesigner mit Street Fighter bei Capcom, nachdem er 1987 die Uni abgeschlossen hatte. Danach war er für das Figurendesign in MegaMan zuständig. Auch an Breath of Fire, Onimusha 3 und Dead Rising arbeitete er mit. 2010 schließlich verließ er Capcom, was das rechtsstehende Foto als leicht veraltet entlarvt (es stammt von 2007). Zuletzt machte er Schlagzeilen mit seinem Kickstarter-Projekt Mighty No. 9 - einem spirituellen Nachfolger zu MegaMan, der fast 4 Millionen US-Dollar einnehmen konnte.

Die Arbeiten an diesem Crowdfunding-Titel scheinen ihn jedoch nicht ganz auzulasten. Und was ein echter Japaner ist, der arbeitet bis zum Umfallen!

[Lernen mit GamersGlobal: Tragischerweise ist das"Arbeiten bis zum Umfallen" in einigen Fällen sprichwörtlich zu verstehen. Der Tod durch Überarbeitung ist eine offiziell anerkannte Todesursache und hat einen eigenen Namen, Karōshi. Für viele Sararymen (Salarymen, also Gehaltsempfänger, gemeint sind männliche Angestellte – die weiblichen heißen Office Ladies) beginnt nach der offiziellen Arbeitszeit die freiwillige, meist nicht bezahlte Arbeit, die oft bis 22 oder 23 Uhr gehen kann. In Verbindung mit den berüchtigten Umtrünken nach Feierabend sehen viele Angestellten ihre Familie wochentags gar nicht oder nur für wenige Minuten, und auch am Wochenende wird oft mindestens einen halben Tag gearbeitet.

Die Umtrünke im Kollegenkreis oder mit Geschäftspartnern sind übrigens Berichten zufolge weniger ein Ausdruck von Feierwillen – wobei sicher der Aspekt "Dampf ablassen" eine Rolle spielt – sondern mehr ein "Ich will dazugehören"-Beweis in Richtung Kollegen und Vorgesetzte. Zudem dienen sie als eine Art Berufsversicherung: Anscheinend werden Arbeitskräfte ab 35 Jahren in Japan so gut wie nicht mehr von privaten Job-Agenturen vermittelt, sodass die einzige richtige Chance ist, nach 35 noch einen neuen Job zu finden, wenn man ein Netzwerk von Kontakten in anderen Firmen aufgebaut hat, die einem dann einen neuen vermitteln können.]


Zurück zu Herrn Inafune: Da dieser offensichtlich noch Stunden an jedem Tag hat, die er noch nicht mit Arbeit ausfüllt, geht er jetzt eben im Alter von 49 Jahren zusätzlich noch zurück an die Universität.

Professor Dr. Inafune
Unterricht unter Palmen. An dieser Uni könnt ihr aktuell Keiji Inafune des öfteren antreffen.
Warum sollte ein erfolgreicher Entwickler wie Keiji Inafune nun wieder an die Uni gehen? Nachholbedarf vielleicht? Oder Selbstzweifel, noch auf dem aktuellen Stand zu sein? Keineswegs! Wir haben ein wenig geschummelt bei der Formulierung oben, denn Inafune geht nicht als Student zurück: Er hat vor, sein Wissen an eine neue Generation potentieller Designer weiterzugeben.

Und davon hat er einiges: Inafune ist seit 1987 in der Branche tätig. Erste Berufserfahrungen sammelte er mit Street Fighter, für das er die Charakterportraits entworfen und gezeichnet hat. Zudem designte er den Charakter Adon komplett selbst. Das Team, das an MegaMan arbeitete, bestand nur aus sechs Personen. Aufgrund dessen musste jeder Entwickler verschiedenste Aufgaben erfüllen. So durfte Keiji Inafune nicht nur die Charaktere für MegaMan designen, sondern auch das Cover des Spiels, die Bedienungsanleitung und das Logo. Auch die Übertragung der Designs in die Spriteform war seine Aufgabe.
Der erste von Keiji Inafune designte Charakter: Adon aus Street Fighter.

Kleines Trivia-Faktum am Rande: MegaMan erhielt seine charakteristische blaue Farbe, weil das NES nur 56 Farben unterstützte und Blau die Farbe mit den meisten Schattierungen war, wodurch sie sich gut eignete, um den Hauptcharakter detailliert zu gestalten.

Am 22. April startete nun also die erste Vorlesung am Institut für Informationsdesign mit Inafune als Gastdozent an der Seikei Universität in Osaka. Hier spricht der japanische Designer unter anderem darüber, wie neue Spiele geplant, entwickelt und produziert werden, und veranschaulicht dies anhand von Beispielen aus dem echten Leben. Das geplante Ziel ist es Fans von Werken wie MegaMan zu professionellen Spieldesignern zu machen. Dass dabei viele Erfahrungen aus dem Crowdfunding und der Projektplanung zu Mighty No. 9 einfließen, darf als sicher gelten.
Jörg Langer Chefredakteur - P - 469803 - 4. Mai 2014 - 17:45 #

Viel Spaß beim Lesen!

immerwütend 22 Motivator - 31893 - 4. Mai 2014 - 18:17 #

"sehen viele Angestellten ihre Familie wochentags gar nicht oder nur für wenige Minuten"
Das hat ja nun durchaus etwas für sich... :-)

. 21 AAA-Gamer - 28253 - 4. Mai 2014 - 18:22 #

Sehr interessante Ausgabe der Nippon News und wenn ich das so lese über die Arbeitsgewohnheiten in Japan bin ich froh als Tourist hinreisen zu können. Ach ja und ich freu mich auf Mighty No. 9 :-)

Sp00kyFox (unregistriert) 4. Mai 2014 - 19:18 #

da sind wir ja in deutschland auch schon aufn guten weg hin, wenn man sich mal die arbeitsstatistiken anschaut. man sagt ja nicht umsonst in vielen bereichen, dass es in deutschland in 50 jahren so aussieht wie jetzt in japan.

Fabowski 13 Koop-Gamer - 1754 - 4. Mai 2014 - 20:33 #

gibts in Japan überhaupt Betriebsräte? Wenn ich das so lese bezweifel ich es irgendwie.

Keksus 21 AAA-Gamer - 25149 - 4. Mai 2014 - 20:47 #

Japaner arbeiten freiwillig so lange. Prinzipiell könnten die vorm Chef - der praktisch in der Firma lebt - nach Hause gehen... aber sie machen es halt nicht. Weil niemand das macht. Wie sieht man denn da auch aus?

Sp00kyFox (unregistriert) 4. Mai 2014 - 20:59 #

und wie sieht erst der chef aus, wenn er vor seinen mitarbeiten geht?
das geht auch überhaupt nicht.

Keksus 21 AAA-Gamer - 25149 - 4. Mai 2014 - 21:08 #

Der Chef kann tun und lassen was er will. Der will nur meist nicht nach Hause.

Sp00kyFox (unregistriert) 4. Mai 2014 - 21:11 #

klar und der mitarbeiter muss auch nur so lange arbeiten wie vertraglich festgelegt. in der praktischen arbeitswelt siehts dann oftmals für beide seiten anders aus.

Maestro84 19 Megatalent - - 18467 - 4. Mai 2014 - 21:11 #

Andere Länder, andere Sitten. Das liegt aber auch an der Mentalität in Ostasien, sich für andere (Nation, Familie, Firma) aufzuopfern. Etwas, was uns im Westen eher fremdartig vorkommt, wie kämpfen mit Müh und Not, die Reste der ehemals Sozialen Marktwirtschaft zu erhalten. Wer da keinen Festvertrag mit ordentlicher Bezahlung hat, fällt ziemlich hart von der Mittel- zur Unterschicht.

Green Yoshi 22 Motivator - P - 36258 - 4. Mai 2014 - 21:34 #

Auf Dauer kann das aber nicht gesund sein für eine Wirtschaft wenn alle bis zur Belastungsgrenze schuften. Die Produktivität sinkt, wenn die Arbeitnehmer keine Erholungsphasen haben. Das Land ist ja bereits hoffnungslos überschuldet, selbst im Vergleich mit den USA. Die Zahl der krankheitsbedingten Ausfälle steigt und die Menschen haben keine Zeit mehr zum konsumieren. Wer braucht eine PS4 wenn er Abends nur noch ins Bett fallen möchte? Mit den Handhelds kann man ja die meist auch nicht gerade kurze Pendelzeit überbrücken.

Außerdem grenzt man so Frauen aus der Arbeitswelt aus, wer möchte als Mutter schon eine 60-Stunden Woche?

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469803 - 4. Mai 2014 - 21:52 #

Exakt: Die Produktivität pro Stunde sinkt, mir kann keiner erzählen, dass er länger als ein oder zwei Wochen von 8 bis 23 Uhr irgendwie volle Leistung bringen kann, bei voller Konzentration wäre. Es kann aber dennoch sein, dass die Produktivität insgesamt über der eines 38-Stunden-Arbeiters liegt -- nur, zu welchen Kosten?

Und ja, das grenzt die Frauen automatisch aus vielen Bereichen aus.

Der Deal ist aber grundsätzlich nach traditionellem Rollenverständnis folgender (ich hab mir das natürlich nur angelesen, aber aus vielen Quellen, und immer wieder): Frau wird nach Hochzeit oder spätestens erstem Kind Hausfrau und sorgt fortan dafür, dass der Mann abends sein kaltes, aber leckeres Essen vorfindet und sich nicht um Haushalt, gebügelte Wäsche, Rechnungen und Co. kümmern muss. Dafür überweist er sein Gehalt aufs von der Frau geführte Konto und erhält von der sein monatliches Taschengeld, mit dem er dann seinen wöchentlichen Umtrunk finanziert. Gilt sicher nicht für 100% der Japaner, aber es scheint wirklich die Regel so zu sein.

Mit dem "hoffnungslos überschuldet" musst du allerdings aufpassen: Das Land und seine Bewohner sind nicht deckungsgleich, die Privatvermögen in Japan (ohne, dass ich Zahlen nachgeschlagen hätte) dürften beträchtlich sein. Das verfügbare Einkommen auch -- gerade, weil aus verschiedenen Gründen die Heirats- und Eltern-Quote immer weiter absinkt. Wer nur für sich selbst sorgen muss, hat mehr Geld zum Ausgeben und kann auch mehr Geld verdienen, weil er länger (oder als Frau: überhaupt und nicht nur bis 25) arbeiten kann.

Maestro84 19 Megatalent - - 18467 - 4. Mai 2014 - 21:58 #

Dass Thema Rollenverständnis ist in Japan noch problematischer als bei uns, da mittlerweile viele junge Frauen gar keine Lust mehr auf auf Familie haben, eben weil dies für die bedeutet, zu Hause Kinder zu hüten und sich vom Mann ernähren zu lassen. Ein ganz heißes Eisen in Japan, die Gesellschaft altert doch noch rapider als unsere, auch weil Japan kein klassisches Einwanderungsland ist. Im Gegenteil, viele Japaner sind zumindest hinter ihrer Fassade nicht gerade ausländerfreundlich. Auch da wird so mancher naiver Manga-/Animefan überrascht, wenn er oder sie mitbekommt, dass Japaner nicht so locker und leicht sind wie in manchen Serien oder Comics.

Fabowski 13 Koop-Gamer - 1754 - 4. Mai 2014 - 22:37 #

Das ist allerdings sehr abhängig von der Nationalität der Einwanderer. Generell sind dort islamisch gläubige nicht gern gesehen, wohingegen man als blonder Deutscher, der auch noch japanisch kann förmlich vergöttert wird.

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469803 - 4. Mai 2014 - 23:54 #

Das geht glaube ich nicht nur jungen Frauen so: Junge Japaner haben heute weniger gute Chancen, einen ordentlich bezahlten Job zu bekommen (Generation Praktikum gibt's auch dort...), und die Lebenszeitanstellung bei der ersten Firma, bei der sie landen, kann ihnen auch keiner mehr garantieren. Und dann noch diese selbstbewussten jungen Frauen, die sich lieber selbst versorgen...

Von der latenten Ausländerablehnung habe ich auch schon viel gelesen, aber als Tourist bin ich immer sehr zuvorkommend behandelt worden. Mich erschreckt eher, dass ich auf dem Weg zu einer Messe meinen Pass dabei haben muss, weil ich eingesperrt werden kann, wenn mich aus irgendwelchen Gründen ein Polizist oder Bahnbeamter danach fragt, und ich ihn im Hotel liegen habe.

Maestro84 19 Megatalent - - 18467 - 5. Mai 2014 - 5:47 #

Sieh es mal so: So freundlich, wie in Japan, wird dich kein Russe oder Ami ins Gefängnis befördernd. Vielleicht sogar von Politessen Marke You're under Arrest ;) .

Ja, aber das Problem der Gleichberechtigung ist wirklich ein Ärgernis. Ich habe wenigstens eine Partnerin, die meine Partei wählt, aber bei dem Rest muss ich mich noch mit herumärgern. Danke, Alice.

Wunderheiler 21 AAA-Gamer - 30620 - 5. Mai 2014 - 12:59 #

Ich hatte lustigerweise mal meinen Pass vergessen. Mein Vorschlag ihn eben zu holen (in deren Begleitung) wurde mit dem Hinweis auf ein erst auszufüllendes Dokument abgelehnt. Leider reichten dafür weder meine Japanisch-Kentnisse, noch die Englisch-Kentnisse der anwesenden (zum Ende hin mindestens 6) Polizisten. Nach gut einer Stunde konnte ich dann endlich alle Angaben machen (glaube im Endeffekt war da nicht mehr gefragt als persönlich Daten und wo ich gerade hin wollte). Danach hatte ich dann die Ehre in mitten von 4Polizisten und per Blaulicht meine Pass zu holen...

Da war ein anderer Polizist deutlich lockerer. Bin einmal in einer Geschwindigkeitskontrolle hängen geblieben (außerorts, Tempolimit 40...) und hatte auch weder Pass noch Führerschein dabei. Einen der Polizisten (gefühlt noch weniger englisch, ich definitiv noch weniger japanisch) könnte ich ganz unbürokratisch davon überzeugen eben mit zum Apartment zu fahren und ihm die Sachen holen. Lustigerweise ist mir selbst da erst auf dem Rückweg aufgefallen, dass ich deutlich schneller als 40 gefahren bin (ihm glaub ich eher, zumindest hat er geschmunzelt als ich kurz vorm Ziel mein Tempo auf 40 gedrosselt habe). Als er mir dann den Bußgeldbescheid gegeben hat und gemerkt hat, dass ich keinen Plan habe was und wo ich damit anzustellen habe (wollte erst direkt bezahlen, aber dass ging natürlich garnicht), ist er mit mir zum Post Office gefahren und hat alles geregelt, dass ich nur noch das Geld auf den Tisch legen musste.

Im Endeffekt eine witzige Erfahrung. Trotzdem hab ich mittlerweile eigentlich immer sowohl Pass als auch Führerschein am Mann ;)

Wunderheiler 21 AAA-Gamer - 30620 - 5. Mai 2014 - 13:16 #

Als ich noch regelmäßig in Japan (und mit Japanern) gearbeitet habe, war neben der Produktivität, die extreme Ineffizienz der Japaner noch das viel größere Problem. Jeder hat genau seinen Arbeitsbereich und/oder -auftrag. Anstatt verschiedene Dinge zu kombinieren oder die Kräfte zu bündeln, wurde jeder Schritt, wenn auch mit Wartezeit oder Extraarbeit verbunden, seperat gemacht...

boomslang (unregistriert) 4. Mai 2014 - 23:24 #

Das geht theoretisch. Man muss nur selbst selbstbewusst wirken, und so als wäre es wichtig, oder eben als wäre gar nichts dabei, und man sein Leben so gestaltet (wie es ja das Recht von einem ist). Ehrlich gesagt, glaube ich nicht, dass das so völlig homogen ist, oder jedenfalls nicht ohne andere Faktoren als "wie man aussieht".

ocean2076 16 Übertalent - 5566 - 4. Mai 2014 - 21:39 #

Wenn ich mir die Arbeitsbedingungen für Angestellte so ansehe, müsste sich doch die Anzahl der Spieler mit dem Eintritt in Berufsleben dramatisch verringern, denn wer hat da noch Zeit für Games ?

Jörg Langer Chefredakteur - P - 469803 - 4. Mai 2014 - 21:57 #

Das ist mit ein Grund, wieso Mobilspiele so einen hohen Stellenwert haben in Japan: Die kannst du auch auf der Fahrt ins Büro nutzen.

Labrador Nelson 31 Gamer-Veteran - P - 266641 - 5. Mai 2014 - 1:40 #

Sicher sehr interessant, nur ein wenig weit weg. ;)