Dass sich die „großen“ Parteien im Allgemeinen sowie Politiker und Behörden im Einzelnen hin und wieder mit den umfassenden Themen des Internets und des Computerspielens beschäftigen, ist bekannt und kann durchaus positiv bewertet werden – wenn nicht selten der Eindruck entstehen würde, dass diese Bereiche fern der Realität behandelt werden beziehungsweise entsprechende Äußerungen und Aktionen deutlich machen, welch große Wissenslücken anscheinend zum Teil bei den Verantwortlichen herrschen (müssen), die gern mit inhaltslosen Phrasen um sich werfen. Zudem scheint oft der Glaube zu überwiegen, man könne den Bürgern etwas vorsetzen, das leichtgläubig angenommen wird.
Fehlender Tiefgang als spielerisches Element
Auch das seit einigen Wochen verfügbare Browserspiel Aufbruch Bayern – das auch auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen zur Verfügung gestellt wird – zur gleichnamigen Zukunftsinitiative der Bayerischen Staatsregierung muss in diesem Zusammenhang kritisch betrachtet werden: Zwar mag es nachvollziehbar und die Idee gut sein, wenn in diesem Fall die Bayerische Staatskanzlei mittels verschiedener im Spiel präsentierter Informationen den Freistaat und somit dessen Politik preist, mehr als fragwürdig ist jedoch, dass es sich dabei um sehr vereinfachte und unkritische Informationshäppchen handelt.
Anders formuliert: Die Spielerinnen und Spieler erwarten Prognosen und Halbwahrheiten, die (natürlich) nur das vermeintlich Positive hervorheben und vom User während des Spielens hingenommen werden müssen, da tiefergehende Erläuterungen oder weiterführende Verlinkungen fehlen. So wird im Onlinespiel zum Beispiel ab 2013 ein Etat für den Bereich „Wissenschaft und Kunst“ in Höhe von sechs Milliarden Euro gepriesen – tatsächlich wurden nach Angaben von Spiegel Online die Ausgaben von Kultur seit dem Jahr 2010 um etwa 50 Millionen Euro gekürzt, und auch im kommenden Jahr wird dieser Betrag niedriger sein.
Gegenüber Spiegel Online bezeichnet ein Sprecher der Staatskanzlei diese Vorgehensweise als „spielerisches Instrument, ernsthafte und harte Themen zu vermitteln“. Zudem würde man damit Bürger erreichen, die wenig Interesse an klassischer Kommunikation zeigen: „Die Menschen sind nicht unpolitischer als früher, sie kommunizieren nur anders darüber“.
Online zum „Helden Bayerns“ aufsteigen
Im Spiel selbst begrüßt euch nach der Wahl eines weiblichen oder männlichen Spielcharakters die Schutzpatronin Bayerns, die „Heldinnen und Helden sucht, die mutig in die Zukunft aufbrechen“. Anschließend könnt ihr wählen, in welchem Bereich ihr Punkte sammeln möchtet, zur Auswahl stehen Familie, Bildung und Innovation. Mit den Pfeil- oder WASD-Tasten bewegt ihr euch durch das virtuelle Bayern, begleitet von lieblichem Vogelgezwitscher.
Im Spielverlauf müsst ihr Diamanten einsammeln, die ihr später für Minispiele oder Projekte verwenden könnt und die euch die erwähnten Informationen zu Bayern präsentieren. Euer Ziel ist es, schnell und erfolgreich so viele Punkte wie möglich zu sammeln. Um in die Bestenlisten aufgenommen zu werden, ist eine Registrierung notwendig; zum Ausprobieren könnt ihr auch ohne diese spielen.
„Kein plattes Bierdosen-Tetris“
Verantwortlich für diese völlig unkritische politische Werbemaßnahme ist das Kölner Entwicklungsstudio takomat, das im vergangenen Jahr mit dem Titel E2010 - Power to Energetika den Deutschen Computerspielpreis gewinnen konnte und auf dessen Website unter anderem mit schön klingenden Slogans wie „psycho-pädagogische Erweiterung von Game-Technologien“ geworben wird.
Im unter diesen Zeilen eingefügten Making-of- beziehungsweise Promo-Video äußert sich unter anderem Guido Doublet, Geschäftsführer von takomat, zum Produkt seines Unternehmens – und trotz des Bemühens um Neutralität muss man sich fragen, ob die getätigten Aussagen tatsächlich ernst gemeint sind. Doublet beschreibt das Spiel zum Beispiel mit den Worten:
Hier hast du alle Elemente eines guten Adventurespiels, hier hast du Charaktere, eine gute Spielwelt [...] , eine Aufgabe, du hast ganz klare Achievements [...], du hast alles, was du brauchst, um ein gutes Spiel zu machen.
Gegenüber einem Autoren des Magazins VICE, der vor einiger Zeit über das Spiel berichtete, wollte sich der Entwickler am Telefon nicht zu „Aufbruch Bayern“ äußern; eine E-Mail mit Fragen wurde mit dem Verweis an die Bayerische Staatskanzlei beantwortet. Im offiziellen Vimeo-Kanal von takoma findet sich das erwähnte Video zudem nicht.
Ein Mitarbeiter der Landesbehörde, die Mutmaßungen zufolge um die 100.000 Euro für das Browserspiel bezahlt hat, hält die Aussagen des Zitats „eher als Selbstdarstellung der Firma“. Darüber hinaus zeigt sich der Sprecher der Staatskanzlei optimistisch und machte gegenüber Spiegel Online deutlich, dass es durchaus User gibt, die „Aufbruch Bayern“ gerne spielen:
Ich höre die Spielmusik oft aus den Zimmern [der Bayerischen Staatskanzlei] – natürlich nur in der Mittagspause.
Abschließend bleibt die Frage, ob es einen „Gewinner“ bei diesem Projekt gibt – und wenn ja: wen? Die Spieler können es aufgrund der unkritischen Informationen nicht sein, und auch die bayerische Landesregierung hat sich möglicherweise „für ziemlich dumm verkaufen lassen“, so das Urteil der Vice-Redaktion. Bleibt nur noch das Entwicklungsstudio, das zwar für seine Arbeit bezahlt wurde, sich jedoch inzwischen vom eigenen Produkt distanziert – zumindest entsteht dieser Eindruck.
Unter dem Schlussstrich kann somit festgehalten werden, dass die Idee an sich durchaus nicht verkehrt ist und sicher über Potential verfügt. Wie so oft – wie erwähnten es eingangs – haben jedoch leider auch dieses Mal Politik und Wirklichkeit nicht zusammengefunden
Das Let's Play Video von Daniel Obermaier zu diesem Spiel ist unfassbar lustig. Viel Spaß : ) http://www.youtube.com/watch?v=7IdKmwNZq2M
Hinterher unbedingt das Making of des Spiels ansehen!
Vielen Dank für den Link! Habe mich fast weggeschmissen vor Lachen! :-)
lol :)
"das ist wie im Bierzelt..."
Das Video ist immerhin unterhaltsamer als das Spiel ^^
Oweia, das Making-Off ist ja noch übler als das Let's Play... So krass, das meinen die doch nicht ernst, oder? Die reinste Realsatire...
Das ist nicht eine Person, die das spielt, sondern zwei:
der eine heißt Michael Obermaier, der andere Daniel Faith...
Vielen Dank, da wär ich jetzt nicht selbst draufgekommen.
Danke für den Link.
"Bumpschpaichagraftweak" :D
Ich hab das vor ein paar Tagen mal angespielt und mir das Making-Of angeschaut. Nicht mal den Entwicklern kaufe ich ab, dass die hinter ihrem Produkt stehen und genauso ist auch das Spiel. Total langweilig und öde, kurz: peinlich! Dafür 100k€ hinzulegen ist schon stolz. Ob die Entwickler sich damit einen Gefallen getan haben, man weiß es nicht. :D
Diese Info-Popups, was Bayern so alles verspricht tun ihr übriges. Immerhin ist es kostenlos :>
Du hast dir den Mist wirklich genauer angeschaut? Ich hatte schon darüber gelesen, aber nicht den Mut aufgebracht, es selbst auszuprobieren.
Absurder als die - ja nicht überraschende - mediale Inkompetenz mancher Politiker und ihrer Mitarbeiter, finde ich die hanebüchenen PR-Sprüche der Entwickler. Glauben die das wirklich? Und ist ihnen bewusst, dass sie ohne Namensänderung aus der Nummer nicht mehr rauskommen? :)
Schon irgendwie mehr ein Kommentar als eine News, oder nicht?
Ja, da stimme ich dir durchaus zu. Ursprünglich war geplant, ein "paar Sätze" zu diesem Produkt zu schreiben -- am Ende ist es dann doch länger geworden -- und ganz neutral zu bleiben, war auch recht schwierig ... ;)
Es bleibt ja sachlich ^_^
100000€? muahahahaaaa
Dir ist schon klar, dass das lediglich rund 2-3 Programmierermannjahre sind?
Das sind dann aber relativ billige Mannjahre... Gut bei der Qualität des Endprodukts wohl auch nicht anders zu erwarten ;)
Natürlich nur in der Mittagspause.
Wann gibts den crossover mit dem Landwirtschafts-Simulator?
http://www.youtube.com/watch?v=ztVMib1T4T4
"völlig unkritische politische Werbemaßnahme"
Naja, Werbung ist gegenüber dem eigenen Produkt eigentlich selten kritisch... Oder war mit unkritisch gemeint, dass eh keiner auf den Mist reinfallen wird? ;)
Ouh Mann, wer ist denn die Tante mit dem Schwert da?!
Dann will ich dich mal nicht dumm sterben lassen^^
http://de.wikipedia.org/wiki/Bavaria
Ich wusste tatsächlich nicht, dass Bayern so eine Art WoW-Charakter als "Patronin" hat. Erklärt aber einiges. ;)
WoW-Charakter... Allgemeinbildug FTW und mal wieder raus ausm Keller sag ich da nur! ;-)
Wieso das denn. Es ist doch offensichtlich, dass es sich bei Bayern um ein Land auf einer Stoffkarte handelt.
Ich kann mir unter einer kritischen Werbemaßnahme auch nichts vorstellen. Wenn sich die Regierung schon selbst kritisieren sollte, dann hat die Opposition bzw. die Berichterstattung wohl auf ganzer Linie versagt.
=)
@Autor: Sorry, wollte niemanden in die Pfanne hauen, kam aber lustig. ;)
100000€ für so ein Spiel?
das haben die doch in nem Tag zusammengeschustert, kenne zumindest diverse 24/48 Stunden Projekte die deutlich mehr bieten als das machwerk da....
Wenigstens weiß ich nun für was meine Steuergelder draufgehen....
Mein Gott labern die im Video Müll, muss mich wohl selber davon überzeugen wie schlecht das Spiel nun wirklich ist ;)
Und mit dem Outtake sehen sogar noch alle, dass die *wirklich* Müll labern.
Naja wenigstens machen die Bayern irgendwas^^
zum glück bin ich Franke und kein Bayer.
Naja ... Wer sich freiwillig solche dämlichen Promo-/Marketing-Spiele reinzieht und das für informativ oder realistisch hält, dem ist eh nicht zu helfen. Völlig rausgeschmissenes Geld. Wenn das Privatunternehmen machen, kümmert's mich nicht. Hier wurden aber Steuergelder schön versenkt. Zwar nicht viel, in Kindergärten hätte das Geld mehr bewirkt.
Peinlich, peinlich - wie zu erwarten.
Warum immer Kindergärten? Es gibt sinnvolleres als 100k€ aufgeteilt auf alle bayerischen Kindergärten zu verbraten. So würde auch nichts effektives dabei rauskommen.
Oh Gott, was für ein Müll. Das Making-Of geht ja schon fast als Satire durch. Bei solchen Titeln schäme ich mich fast, mich als Computerspieler zu bezeichen...
Sieht eher wie ein "Die Sims"-Clone aus,auch die die Diamanten und die Gesichter in den Fenstern ab minute 1:43,ob EA Klage gegen Bayern einreicht?;)
100k für ein bisschen Copy&Paste ,mh ob sie mir auch soviel geben werden?;)
irgendwie fehlen mir die Worte
Das Making-of ist aus meiner Sicht grossartige Real-Satire. Die zwei Typen scheinen ja ganz aufgeweckt, intelligent und sympathisch zu sein. Daher können die das, was sie sagen, kaum ernst meinen. Das "Spiel" ist ja völlig offensichtlich abgrund tief schlecht, aber die tun so, als hätten sie eben das neue Portal erfunden. Wie gesagt, ich glaube, die veräppeln uns einfach ganz dicke. Aber ich hätte auch gute Laune, wenn ich es geschafft hätte, eben mal so rasch 100k EUR Steuergelder abzugreifen.
Siehst du ja ganz am Ende, wie "ernst" sie das meinen ;)
Nein, das ist keine Real-Satire. Das mag für Dich so aussehen, aber in Wirklichkeit ist dies ein Lehrfilm darüber, wie man Staatsaufträge erhält.
Ich habe mal die Präsentation des Architekten für das Projekt neue Pinakothek in München erlebt. Letztlich ging es einfach darum die Eitelkeit des Auftraggebers anzustacheln - aber extrem elegant verpackt.
Im Kaufpreis scheint noch nicht mal ein finales Debugging enthalten gewesen zu sein. Denn spielt man dieses schöne „Spiel“ durch ohne Diamanten einzusammeln, dann hängt es sich schlicht auf.
Aber den Internetausdruckern von der CSU kann man anscheinend fast alles verkaufen.
PS:
Bug mit Firefox 15 und Internet Explorer 8 auslösbar.
Vielleicht gibt es ja bald eine kompetentere aber kritische Antwort von ein paar unabhängigen Entwicklern... Viel braucht es sicher nicht um das hier zu übertreffen.
So, jetzt hab ich mir mal das Let's Play und anschließend das Making Of angesehen.
Träume ich? Irgendwie kann ich mir nicht vorstellen, dass Entwickler und Auftraggeber das ernst meinen. Das kann einfach nicht sein. Niemals. (oder wie es Ludwig Thoma in den Lausbubengeschichten sagt: niemals nicht)
Sollte es doch kein Traum sein, gibt es bestimmt bald die Fortsetzung: Aufbruch Bayern II. Und dann Jährlich: Aufbruch Bayern 2013, Aufbruch Bayern 2014, Aufbruch Bayern 2015 usw.
Das Spiel schreit nach einer Fortsetzung. Ist ja logisch: das Spiel läuft super, wenn man den Verantwortlichen glauben schenken darf. Und die müssen es ja wissen.
Ich werde mir dann mal die Collector's Edition vorbestellen. Vielleicht kommt sie ja mit netten Gimmicks (Lederhose, Paulaner-Maßkrug inklusive Inhalt).
Original bayrische Realsatire :)
So. Eben schnell meinen Chef angerufen und für die nächste Woche Urlaub eingereicht, damit ich mich dem Spiel in den kommenden Tagen in Ruhe widmen kann...
Ich bin bereits seit Anfang der Beta dabei und bin froh jetzt endlich richtig loslegen zu können.
Seit Helikopter Mission gab es von keiner Regierung mehr ein gutes Spiel.
Kein Highscore-Eintrag möglich wegen dringenden Wartungsarbeiten. Samstags, 5 Uhr Nachts.
Und ich dachte immer ich erkenne Satire wenn ich sie sehe...
Oh ja, ein Spiel über Korruption, Waffenfabriken und zerfallende Bildung hilfloser Lohnsklaven in und von Bayern ausgehend... das wäre die richtige Antwort.
Komisch, dass das innovative Bayern ein Kölner Entwicklerstudio engagiert
Nun ja, Werbespiele gibt's schon lange und oft sind sie dämlich und plakativ, wie Werbung nunmal ist. Dass da nicht kritisch hinterfragt wird, ist klar.
Aber das Video ist echt der Hammer, das glauben die doch nicht wirklich, was die da sagen.
Des Let´s Play von Gametube ist auch gut: http://www.youtube.com/watch?v=7IdKmwNZq2M&list=UU4exMFDKv2U6TGgi9pLQxPg&index=12&feature=plcp
Ja, das ist es :-) . Und es wurde im allerersten Kommentar schon verlinkt ;-) .
holla. über 'ne seite text, in dem kritisiert wird, dass das von der bayrischen staatskanzlei finanzierte (!) webgame gar nicht ordentlich kritisch der bayrischen politik gegenüber ist. na, wer hätte das gedacht. ;)