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Die ersten Blätter fallen, die Tage werden kürzer – die nahende Herbstdepressions-Saison lädt ein zu allerlei Reue, Wehklagen und Selbstzweifeln. Die Spielebranche, in der das Marketing-Gedöns immer lauter zu werden scheint und jedes Pipifax-Krümelfeature in monatelangen PR-Auswälzungen zum epochalen Geniestreich hochgejubelt wird, erfreut sich eines neuen Trends: Selbstkritische Spielemacher, die ihre Werke in der Öffentlichkeit nicht mit dem Blick des frisch Verliebten glorifizieren, sondern so strenge Worte finden, dass man tröstend auf Schultern klopfen möchte: „So schlimm war’s ja auch wieder nicht“.
Aktuell schüttete
Battlefield-3-Produzent
Patrick Bach von EA DICE gegenüber
Reportern des Wall Street Journals sein Herz aus. Im Interview ging es um die Herausforderungen der Spieleentwicklung im allgemeinen und die damit verbundenen Frustrationen; das Gefühl, dass man jedes Projekt besser machen könnte, wenn man nur mehr Zeit dafür hätte. Patrick entpuppt sich dabei als gemarterter-Künstler-Typ: „Ich schäme mich immer für die Spiele, bei deren Entwicklung ich beteiligt war“, und dabei redet er von durchaus respektablen Titeln: „Ich kann mich nicht mal dazu überwinden, unser letztes Spiel
Battlefield Bad Company 2 zu starten, weil ich mich so schäme. Ich weiß, dass es ein tolles Produkt ist, aber ich sehe immer nur die Dinge, die wir besser hätten machen können“.
Damit grämt sich Patrick Bach in die selbe Leid-Liga wie
Peter Molyneux, der mit seinen offenherzigen Bonmots als liebenswert-schrulliger Onkel der gesamten Branche geschätzt ist. In einem Vortrag über das Lionhead-Action-Rollenspiel
Fable 2 stöhnte er im Juli 2010 während der Develop-Entwicklerkonferenz legendär: Das Spiel hatte „gewaltige Designfehler“, sei „langweilig und nervtötend“, die Grafik ließ alle weiblichen Charaktere „wie russische Kugelstoßerinnen“ aussehen. Diese Selbstkritik hatte mehr Pointen als das eigentliche Spiel.
In der Scham-Kategorie ungeschlagen ist aber nach wie vor das Square-Enix-Management, das wortreich die (in der Tat) unzureichende Qualität des MMORPGs
Final Fantasy 14 lamentierte: „Wir bedauern es zutiefst, dass das Spiel noch nicht den Vergnügungsgrad erreicht hat, wie ihn Final-Fantasy-Fans von der Serie erwarten, und dafür bieten wir unsere aufrichtigsten Entschuldigungen an“. Dafür wurde der Selbstzerfleischungsgrad inzwischen intensiviert, CEO
Yoichi Wada gestand diese Woche ein, dass die verflixte Nr. 14 „der gesamten Marke erheblichen Schaden“ zugefügt habe.
Von so viel Leid mitgerissen möchte ich mich für die enttäuschende Qualität dieser Kolumne aus tiefstem Herzen entschuldigen. Rückblickend hätte ich gerne mehr Zeit dafür gehabt, an geistreicheren Formulierungen zu feilen oder den Text gefälliger zu formatieren. Aber die Abgabe für die Freitagnacht-Schicht auf GamersGlobal rückte unerbittlich näher und der treue Hund wollte ausgeführt werden. Schweißgebadet werde ich aus den Alpträumen erwachen, welche mir dieser Text beschert. Mögen die Leser mir vergeben und ihre Aufmerksamkeit auf meine nächste Kolumne richten, bei der natürlich alles besser sein wird. Bis dahin bitte ich um Anteilnahme durch solidarisches Fremdschämen.
Schön geschrieben! :)
Ja, finde ich auch ;)
Den letzten Absatz kann ich für mich persönlich richtig gut nachempfinden.
(<- auch dieser Beiträg hätte besser sein können. Schande über mich.)
*fremdschäm* ;)
Seht ihr nun wohin ihr unseren Heini getrieben habt? SEHT IHR ES?
Von Selbstzweifeln geplagt, ob der Kritik an seiner letzten Nachtwache, musste er sich doch glatt in der Branche nach Leidensgenossen umsehen um seine Seelenqual mit diesem Text verarbeiten zu können.
Lieber Heinrich, es ist alles in Ordnung! Du als ehrenwertes Spielejournalismusfossil musst wirklich niemandem mehr etwas beweisen. Du hast es immernoch drauf :D
Wenn ich DAS "Spielejournalismusfossil" mal nicht in die nächste Krise stürzt... ;)
Richtig schrecklich! Dabei war die letzte Nachtwache doch gar nicht so schle --- oh, die hab ich ja aus der Erinnerung verdrängt. Mein Fehler. ^^
Schämen Sie Sich Herr Lenhardt, dass ich zu so später Stunde noch diese Kolumne lesen musste!
Ohhmmmmm
Dass das Zeug irgendwann auch mal fertig werden muss, ist an sich nichts Schlechtes. Irgendwann muss man die ausgewachsenen Kinder auch mal ziehen lassen, auch wenn die Plagen nicht ganz nach Wunsch geraten sind. Davon könnte sich zum Beispiel auch mal George Lucas eine Scheibe abschneiden...
Da kommt man frohlockend und alkoholisiert nachhause, und muss diesen beschämenden Artikel lesen. beschämend.
Die armen armen Entwickler, ich empfinde tiefes Mitgefühl...
Warum werfen sie dann solche Spiele auf den Markt ;o)
Schöne Nachtwache!
Bin dafür wir wir stellen ein Carepaket zusammen. So mit Sekt, Taschentücher, usw... und eventuell noch Fühli Den-nimms-nicht-so-schwer Bär :-D
:)
Schämen Sie sich, Herr Lenhardt! Da fallen einem die Haare bei aus!
Hat sich bei EA eigentlich mal irgendjemand für C&C 5 entschuldigt?
Sich für ein Spiel entschuldigen, das es noch nicht einmal gibt? ;-)
Perdon, C&C4 meine ich natürlich ;)
Herrlich! Ich musste mehrmals laut auflachen. Wunderschön geschrieben und ein guter Start in den Tag :)
Wie geeeil! :D
DICE sollte sich mal lieber für die Battlefield 3 XBox Beta schämen. Denn die ist selbst für eine Beta unter aller Kanone.
Noch eine Anregung zur Nachtwache: Wie wäre es, wenn man die Nachtwache auch anhören könnte (quasi als Hörartikel/Podcast)? Das würde dem Ganzen noch die Korne aufsetzen.
Sehr unterhaltsam, dankeschön!
Wunderbare Nachtwache :).
Klasse geschrieben!
Na also, Herr Lenhardt. Nach den missglückten Zeilen der letzten Nachtwache befürchtete ich ja beinahe, dass Sie bereits frühzeitig das Jahr 2011 literarisch zu Ende läuten wollten (um mal bei dieser Papstkiste zu verweilen). Sie können ja doch noch, wenn Sie wollen. Also, Kopf hoch, kein Grund für die ganze Schämerei. ;)
Herrlich geschrieben. Der gute Peter macht das aber finde ich immer noch in einer sehr glaubwürdigen Art. Andererseits könnte das auch daran liegen, dass man ihn einfach mögen muss.
Dasselbe hab ich bei meinen Kommentaren auch immer :P
Und natürlich tolle Nachtwache :)
Ich muß zugeben, dass ich sehr betroffen bin, wenn ein hoch angesehener Spielejournalist sich und seinen Fans eingestehen muss, seine Arbeit erreiche nicht die gewohnte Qualität, und dieser Besserung gelobt.
Trösten sollten Herr Lenhardt sich mit der Tatsache, das nahezu jedes Spiel inzwischen nach dem Release noch mal gepatcht wird... vielleicht sollten wir seinen Mitarbeiter Jörg L. nochmal bitten, hier und da (und bei der letzten Nachtwache vor allem) noch mal kräftig bugfixing zu betreiben!
Abgesehen davon scheint Heinrich L. auf dem Wege der Besserung zu sein; nach der letzten Nachtwache ist die aktuelle jedenfalls um Längen besser geschrieben...
"...dass die verflixte Nr. 14 „der gesamten Marke erheblichen Schaden“ zugefügt habe..." Hat das nicht schon Teil 13 zu genüge? ^^