Lenhardts Nachtwache: Die Deserteure von Call of Duty
Teil der Exklusiv-Serie Lenhardts Nachtwache

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Heinrich Lenhardt 9648 EXP - Freier Redakteur,R8,S3,A1
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5. März 2010 - 22:51 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
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Dass jeder Mitarbeiter ersetzbar ist, predigen gerne Manager, die sich selber für unerhört wichtig halten. Natürlich sind es große Teams und nicht Einzelpersonen, die Blockbuster-Spiele wie Call of Duty: Modern Warfare produzieren. Bobby Kotick, CEO von Activision Blizzard, hatte erst vor zwei Wochen auf dem Spieleindustrie-Branchentreffen DICE sein behagliches Firmen-„Mutterschiff“ verteidigt und kurz in den Personalberater-Modus geschaltet: „Übergroße Egos“ könne man nicht gebrauchen; wer glaube, alles alleine zu können, sei auf dem Holzweg.
 
Nun sind Jason West und Vince Zampella, die gestern sehr plötzlich vom Mutterschiff gegangen wurden, nicht irgendwelche Hanseln im Heer der genügsamen Arbeitsbienen. Jason West hatte die Position des Präsidenten und „Game Directors“ inne, Vince Zampella war CEO und Mitgründer beim Entwicklungsstudio Infinity Ward, das bereits 2003 von Activision gekauft wurde und mit der Call-of-Duty-Spieleserie große Erfolge feierte. Activision Blizzard erweckt nun den Eindruck, man könne die wertvolle Marke relativ beliebig von anderen Entwicklerteams fortführen lassen, ohne dass es Erfolg und Qualität in irgendeiner Weise schade.
 
Das erinnert mich dezent an die grandiose Entscheidung, die Marke Guitar Hero zu erwerben, aber nicht das dazugehörige Spiele-Entwicklungsstudio Harmonix. Das suchte daraufhin bei MTV Unterschlupf und startete die qualitativ überlegene Rock-Band-Serie. Guitar Hero landete derweil bei Activision-Studios wie den Skateboardspiel-Experten von Neversoft – mit bekannten Erfolgen. 2009 erlebten wir eine regelrechte Gitarren-Flut an uninspirierten Produkten dieser Gattung, deren Verkaufszahlen prompt einknickten.
 
Die Geschichte könnte sich bei Call of Duty wiederholen. All die Andeutungen, diese Shooter-Serie auf vielfältige Weise zu monetarisieren, löst bereits erste kalte Schauer aus (und Alpträume, in denen Paletten voller unverkäuflicher Guitar Hero: Van Halen-Exemplare eine tragende Rolle spielen). Es wird über Action-Adventures und MMOs nachgedacht. Ein eigener Call-of-Duty-Geschäftsbereich wird verwaltet. Weitere Entwicklerteams wie Sledgehammer Games (mit Dead-Space-Schöpfer Glen A. Schofield) werden an CoD-Spielen arbeiten. Also mehr Call of Duty denn je, von cleveren Menschen geplant, die sich nur im Excel-Sheet die Welt schön rechnen müssen -- denn Produktbrillanz und Erfolg beim Spieler sind ja zu 100 % planbar.
 
Dass ein paar Kreative aber die schönsten Businesspläne erschüttern können, haben West und Zampella schon mal vorgemacht. Die arbeiteten nämlich einst bei Electronic Arts im Team von Medal of Honor, bevor sie Infinity Ward gründeten und Call of Duty starteten. 2002 war Medal of Honor die dominierende Serie für Kriegsaction-Spiele, eine unerhört wertvolle Marke. Die wurde im Laufe der Jahre durch viele hingeschluderte Mittelmaß-Produkte aber so sehr verwässert, dass sie inzwischen ganz im Schatten von Call of Duty steht. Ich bin mal gespannt, ob sich die Geschichte mit vertauschten Rollen wiederholen wird.
 
 
Invasion der schlechten Filmideen
 
Ich glaube langsam, bei der LA Times sitzt ein Witzbold, der sich die ganzen Geschichten um abstruse Spiele-Oldies, die auf einmal als Vorlagen für neue Kinofilm begehrt sind, in der Mittagspause einfach so ausdenkt. Nach dem Missile-Command-Schenkelklopfer der letzten Woche gerät nun Space Invaders ins Fadenkreuz nach Kreativitätsfunken dürstender Hollywood-Studios. Warner Bros. verhandelt derzeit angeblich mit Taito, der japanischen Firma, welche den Invaders-Spielautomaten 1978 veröffentlichte. Als Produzenten für die Adaption seien gestandene Film-Leute wie Mark Gordon (Saving Private Ryan, The Day after Tomorrow) im Gespräch.
 
Eine Kanone nach links und rechts steuern, während schwarz-weiße Pixel-Aliens in ordentlichen Reihen dem unteren Bildrand entgegen marschieren – das könnte für zwei Stunden etwas zu wenig sein, zumal wir in Sachen Außerirdischen-Invasionen etwas von Spielbergs Krieg der Welten verwöhnt sind. Auch in seinen jüngsten spielerischen Inkarnationen (wie Infinity Gene auf dem iPhone) ist Space Invaders nicht unbedingt durch seine atemberaubende Handlung oder seine komplexen Charaktere aufgefallen; Dialoge beschränken sich im wesentlichen auf „blip!“ und „blop!“. Was zugegebenermaßen in etwa das Niveau ist, welches Kinobesucher von ihren Sommer-Action-Blockbustern inzwischen gewohnt sind.

Katalysator (unregistriert) 4. März 2010 - 1:25 #

Vielen Dank für diesen schönen "Absacker" nach einem harten Spieletag! (Bad Company 2, indirekt halbwegs passender Weise)

CH Guerrilla 11 Forenversteher - 782 - 4. März 2010 - 1:27 #

Nur so zur Info, Hollywood Verfilmt ja sogar "Schiffeversenken"! :-p ......... Amis ;-)

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 4. März 2010 - 1:46 #

Es gab schon eine Verfilmung von Space Invaders, in Futurama!

http://www.gamespot.com/users/Kev_242/video_player?id=JycykGb65b8JuTM

Rechen 19 Megatalent - 16112 - 4. März 2010 - 1:54 #

unter der zweiten überschrift, das doppelte langsam, ist das ein stilmittel oder ein fehler ;)
außerdem glaube ich, das beim "Missile Command-Schenkelklopfer" ein bindestrich fehlt

Tr1nity 28 Party-Gamer - P - 110372 - 4. März 2010 - 2:11 #

Wieder eine schöne Nachtwache. Danke.

Llane (unregistriert) 4. März 2010 - 2:41 #

Daumen hoch, der Herr! Sich die Welt im Excel-Sheet schön träumen... *g*

GamingHorror Game Designer - 968 - 4. März 2010 - 2:57 #

Ja, das war auch mein Gedanke. Ausschlachten der Marke CoD im selben Stil wie GH, zwei Jahre riesigen Reibach machen und dann klagen das die Umsätze einbrechen. Zusammenhänge herstellen? Fehlanzeige. Wir brauchen eine neue IP!

Heinrich Lenhardt Freier Redakteur - P - 9648 - 4. März 2010 - 4:51 #

Danke für den "langsam langsam"-Hinweis, der Fehler ist jetzt gefixt. Ganz SO langsam wollte ich nun auch wieder nicht sein ;)

VanillaMike 14 Komm-Experte - 1875 - 4. März 2010 - 10:02 #

"Dialoge beschränken sich im wesentlichen auf „blip!“ und „blop!“."
:-D HAHAHA großartig

bender79 (unregistriert) 4. März 2010 - 10:08 #

Immer wieder schöne Kolumne ;-)

Man kann sich auch über den ganzen Müll im Fernsehen aufregen, aber scheint ja genug Konsumenten für solch Zeug zu geben...
..und solange produzieren die auch weiter solch Filme etc...

Kai (unregistriert) 4. März 2010 - 10:52 #

Gut gesprochen. Eine Marke lebt letztlich von den Köpfen dahinter. Wahrscheinlich würde Machtmensch Kotick als Musikverleger aber sogar Mick Jagger aus den Rolling Stones hinauswerfen, würde dieser nicht nach seiner Pfeife tanzen wollen. Kreative Leute brauchen aber innere Freiheit und funktioneren nicht mechanisch wie Zahnräder. So etwas dürfte jedoch für den Machtapparat bei Activision unverständlich sein. Mal sehen, wie lange die Aktionäre Kottick noch wüten lassen.

Raven 13 Koop-Gamer - 1576 - 4. März 2010 - 10:59 #

Es gibt doch schon ne gute Space Invaders Verfilmung bei Futurama :D

chris_d (unregistriert) 4. März 2010 - 19:25 #

Zum Thema "das erinnert mich dezent an..."
Mich erinnert die Episode bei Activision an die Ausgründung von Bungie. Die hatten sich ja auch 2000 von Microsoft kaufen lassen, und sind dann während der Entwicklung von Halo 3 auch auf die Idee gekommen, dass man lieber wieder auf eigenen Füssen stehen wolle.
Prompt eine Ausgründung auf die Beine gestellt, und seit Oktober 2007 sind sie mit dem Segen von Microsoft wieder als eigenständiges Unternehmen tätig. Warum geht sowas nicht auch bei Activision?

Man kann Mr. Kotick ja vieles nachsagen - aber er befindet sich ganz offensichtlich nicht auf einer Mission, von möglichst vielen Menschen gemocht zu werden.

Ich bin mal gespannt, ob eine nennenswerte Anzahl von Konsumenten zu der gleichen Schlussfolgerung findet wie ich: Activision-Produkte nicht kaufen.