Die Zukunft des Gaming: Spiel dein Leben?

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Name 0 EXP - Neuling
26. Februar 2010 - 22:45 — vor 14 Jahren zuletzt aktualisiert
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Innovation ist im Bereich der Computer- und Videospiele schwer vorhersagbar. Zumindest kann man diesen Eindruck gewinnen, wenn man den Durchbruch des Social Gamings, den Erfolg der Wii und von zugehörigen Titeln wie Wii Fit, oder auch die Beliebtheit der Xbox Achievements betrachtet. Wenn man Jesse Schell glauben will, sind dies allesamt überraschende Entwicklungen, die bei genauerer Betrachtung jedoch Gemeinsamkeiten zeigen. Schell ist unter anderem als Assistenzprofessor im Bereich Unterhaltungstechnologie an der Carnegie Mellon Universität in Pittsburgh (USA) tätig und forscht dabei zum Thema Innovation in Computer- und Videospielen. Auf der Industriekonferenz DICE hielt er letzte Woche einen aufsehenerregenden und nun im Internet die Runde machenden Vortrag darüber, was den Erfolg der neuen Ansätze ausmacht und welche weiteren Entwicklungen in Zukunft zu erwarten sind.

Schell zufolge sind Authentizität und Realismus wesentliche Bestandteile des Erfolgsrezepts. Unter Realismus ist dabei nicht der grafische Aspekt zu verstehen, sondern die Beziehung zur Realität des Alltagslebens. Das heißt, dass Spiele zum Beispiel durch die Vergleichbarkeit von Achievements und reale Belohnungen für das Sammeln von Punkten sichtbare Auswirkungen haben, oder im realen Leben zu bewältigende Aufgaben stellen. Nach Schells Meinung ist dieser Trend auch in anderen Medien zu beobachten, in denen anscheinend in der sozialen Wirklichkeit verankerte Formate an Bedeutung gewinnen. Seiner Ansicht nach handelt es sich dabei möglicherweise um eine Gegenreaktion auf die zunehmende technologische Abschottung des Individuums von seiner Umwelt. Eine wichtige Rolle für den Erfolg der neuen Konzepte spielen zudem psychologische Tricks, insbesondere Belohnungen und Anreize.

Für die Zukunft erwartet Schell, dass derartige Systeme praktisch den gesamten Alltag beeinflussen werden. Es gäbe dank des technologischen Fortschritts - Schell denkt hier vor allem an überall vorhandene Sensoren - kaum eine Handlung, die nicht protokolliert und "belohnt" werden könne. So könnten z.B. Zahnpastahersteller Punkte für das Zähneputzen vergeben. Es sei aber auch denkbar und wahrscheinlich, dass man so Anreize für eine "bessere Lebensführung" geben würde, beispielsweise gesundheitsbewusstes Verhalten. In Schells Augen wäre dies eine positive Entwicklung, es käme nur darauf an, diese Spielsysteme richtig zu gestalten.

Insbesondere Schells Zukunftsvisionen sind mit Sicherheit kontrovers. So dürfte kaum Konsens bezüglich der Wünschbarkeit einer umfassenden Überwachung sämtlicher Alltagsaktivitäten bestehen. Und Schells Ansicht, dass es schließlich nur darauf ankäme, dass die Spielsysteme den richtigen Zwecken dienen, zeugt zumindest von einem sehr optimistischen Vertrauen in deren Entwickler und Betreiber. Dennoch bieten seine Ideen zumindest Stoff für Diskussionen über unsere digitale (Spiele-)Zukunft.

Wer mehr wissen will und über gutes Englisch verfügt, findet den gesamten Vortrag (der von vielen Spielern mit dem Attribut "mind-blowing" versehen wird), anbei als Video (drei Teile, ca. 29 Minuten).

Video:

Vidar 19 Megatalent - 15012 - 24. Februar 2010 - 22:05 #

"Es sei aber auch denkbar und wahrscheinlich, dass man so Anreize für eine "bessere Lebensführung" geben würde, beispielsweise gesundheitsbewusstes Verhalten.

oh ein visionär -.-

"punkte" für besseres leben gibt es heute (seit jahren) schon von gesundheitskassen zumindest hier in DE! was in duzenden Bonusprogrammen verankert ist wenn man regelmäßig zum arzt geht/sport betreibt usw

Uebelkraehe (unregistriert) 24. Februar 2010 - 22:10 #

Bisher kann deine Krankenkasse aber zumindest nicht überprüfen ob du dich jenseits solcher besonderen Aktivitäten im Alltag "vernünftig" verhältst. Aber klar, Ansätze für so etwas gibt es schon längst...

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 24. Februar 2010 - 23:20 #

Juhuu, ich sehs schon kommen, bald haben wir den Roboter aus "Moon" in der Wohnung.
"Hast du wieder Kopfweh? Naja, trink nicht so viel, das ist ungesund!"
Da kann man sich dann die Ehefrau sparen '_'

Wenns soweit kommt zieh ich in die Mongolei und mach ne Autowerkstatt auf, oder n Wasserflugzeugtaxi in Bangladesh, was weiß ich :)

Uebelkraehe (unregistriert) 24. Februar 2010 - 23:24 #

Du siehst das eindeutig zu negativ - dafür kriegst du dann auch für jede korrekt ausgeführte Anweisung Punkte für deinen Konsumenten-Untertanen-Score und vielleicht einen Rabatt auf den nächsten Roboter... ;)

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 24. Februar 2010 - 23:27 #

"Du kriegst keine Pizza, du warst nicht brav, heute gibts Haferschleim."

Und dann muss man sich heimlich aus der Wohnung schleichen und hinter der Tanke illegales Fastfood vom Dealer holen

Philipp Spilker 21 AAA-Gamer - P - 25137 - 24. Februar 2010 - 23:29 #

Ich mache das mal zur Top-News. Für jeden, der einigermaßen gut Englisch kann, ist das nämlich wirklich ein äußerst sehenswerter und spannender Vortrag, der mir auch schon aufgefallen ist und den man sich möglichst nicht entgehen lassen sollte.

BiGLo0seR 21 AAA-Gamer - 29336 - 24. Februar 2010 - 23:57 #

Dann werde ich mir das ganze doch mal anschauen :) und bin schon gespannt.

Lokke 11 Forenversteher - 709 - 24. Februar 2010 - 23:51 #

Im Hinblick auf die Achievements (sei es Xbox o.ä.), empfinde ich diese eher als störend und unter anderem auch äußerst belanglos.

BiGLo0seR 21 AAA-Gamer - 29336 - 24. Februar 2010 - 23:58 #

Damit zählst du aber sicherlich zu einer Minderheit (denke ich zumindest), denn es gibt genug Leute die das als Anreiz sehen bestimmte Dinge im Spiel zu machen, um die Punkte dafür zu bekommen oder ein Spiel mehrmals durchzuspielen.

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 25. Februar 2010 - 0:18 #

Ich fand sie belanglos bis ich gemerkt hab dass meine Freunde auf Steam das sehen.

Sephix 13 Koop-Gamer - 1452 - 25. Februar 2010 - 0:43 #

Aber irgendwie doch peinlich, wenn ein Spiel ohne so etwas einen nicht mehr dazu verführt, es auszureizen bzw. mehrmals zu spielen ;)

BiGLo0seR 21 AAA-Gamer - 29336 - 25. Februar 2010 - 2:18 #

Das stimmt wohl, denn ein richtig gutes Spiel sollte es auch so schaffen und ich persönlich bräuchte auch keine Punkte, aber so nehme ich sie halt als kleiner Bonus einfach mit.

Lokke 11 Forenversteher - 709 - 25. Februar 2010 - 10:18 #

Also nur um irgendein Achievement zu erreichen, würde ich kein Spiel der Welt noch einmal durchspielen. Auch nicht wenn es noch so gut wäre. In dem Fall wäre das Erreichen dann wohl eher Zufall. Wenn diese Achievements jedoch direkte Auswirkung auf das Spiel, bzw. den Spielverlauf hätten, oder mir einfach nur einen Vorteil verschaffen würden, ja dann sehe die Sache schon ganz anders aus.

Sephix 13 Koop-Gamer - 1452 - 25. Februar 2010 - 12:14 #

Ja, nur irgendwie sterben solche Leute wie du aus. Ich persönlich kann auch völlig auf so was verzichten und da ich momentan eh nur die Wii als aktuelle Konsole habe, bleib ich von Achievements sowieso zum Großteil verschont. Wenn ich so durchs Internet surfe, lese ich aber von immer mehr Leuten, ganz andere Dinge. Die sammeln Archievements und GamerScore und zocken dafür selbst die schlechtesten Games bis zum letzten Prozentpünktchen.
Früher hätte man solche Games einfach nicht beachtet und heute spielt man sie, um seinen E-Penis zu verlängern...

Larnak 22 Motivator - 37541 - 25. Februar 2010 - 1:04 #

Geht mir genauso. Aber wir müssen uns wohl der Mehrheit beugen. Der Mensch kann eben nicht gegen seine Biologie. Und wenn die sagt "Yeah, da blinkt was auf, los, freu dich!" - dann ist man schon gefangen.

bolle 17 Shapeshifter - 7789 - 25. Februar 2010 - 1:43 #

Wieso hat das nur 700 views? Der Vortrag ist sehr cool.

Spartan117 13 Koop-Gamer - 1479 - 25. Februar 2010 - 2:47 #

vllt ist der Vortrag noch nicht lang auf Youtube?

Alric 10 Kommunikator - 445 - 25. Februar 2010 - 3:25 #

jo schon lange auf kotaku gesehen, aber ja, geiler lustiger professor (besser als so mancher stand up comedian... bzw. besser als jeder dt. comedian überhaupt).. und auch so sehr interessante punkte (und richtige dazu).

melone 06 Bewerter - 1512 - 25. Februar 2010 - 11:08 #

Es gibt SF-Literatur, die solcherlei Themen behandelt.

Trotzdem ein interessanter Vortrag, aber ich sehe beim Realistätsbezug nicht, daß einen dies Back to the Roots bringt, noch fühle ich mich durch solcherlei Punktesysteme motiviert - das klappt in seiner primitiveren Form ja auch schon nicht hier bei GG. Im Gegenteil, ich denke es geht einem ziemlich schnell auf die Nerven.

Es gibt aber sicherlich auch Menschen, die auf sowas positiv anspringen. Offensichtlich entfremdet und entmündigt es einen aber auch einen Schritt weiter von einem ursprünglichereren Leben - eigenes Thema für sich.

Nur noch kurz zu den Spielen: Was mit in der heutigen Zeit fehlt, sind Spiele und Designer, die sich weniger Gedanken um die Verpackung und die Darreichungsform, sondern um den Inhalt machen. Das ist für mich schlußendlich das wesentlich bessere Produkt und irgendwie scheinen sich viele vor diesem ganz zentralen Thema zu drücken und werkeln lieber an anderen Aspekten drumherum.

Ich habe gerne meine Realität und ein Teil dieser Realität sind unrealistische Videospiele. Meine Realität mit solcherlei Tand zu verstopfen, sehe ich nicht als Verbesserung meiner Lebensqualität an.

Uebelkraehe (unregistriert) 25. Februar 2010 - 12:13 #

Zumindest, dass die Hoffnung, durch Technologie die von ihr verursachte Entfremdung von der natürlichen Umwelt auch wieder überwinden zu können, praktisch ein Paradox ist, spricht Schell ja auch an. Wobei ich auch den Eindruck habe, dass der Teil des Vortrags, in welchem er den Drang zu Authenzität und Realismus begründet, nicht unbedingt solide fundiert ist.

melone 06 Bewerter - 1512 - 25. Februar 2010 - 16:21 #

Is halt auch a bisserl Mode. Auf der GDC gab's auch mal Solcherlei: Ernster Hintergrund, locker und flockig aufbereitet, damit die Leut halt auch net wegnicken. Diskussionen und Tiefe gibt's abseits solcher Vorträge, aber es kann halt Impulse geben.

Tenshidoru 09 Triple-Talent - 323 - 25. Februar 2010 - 12:52 #

Mir sind die Archievements in Spielen zumeist wurscht. Wenn ich keinen Spass am Spiel habe, spiel ichs doch auch nicht, um mich im Nachhinein an den Symbolen z. B. auf meinen Steamprofil zu erfreuen. Die reine Protokollierung der Spielzeit dagegen, wie bei Xfire, raptr oder blasc, find ich dagegen eine gute Sache, um sich ab und zu vor Augen zu führen, wieviel Zeit man doch mit machen Sachen verbringt...;)
Die Ansätze, die es zur Zeit gibt, durch diverse Belohnungssysteme erscheinen mir derzeit aber noch nicht wirklich reizvoll. Gut bei den KK bekommt man eine Ermäßigung auf den Beitrag oder Bonuspunkte und diverse Payback-, Happydigits- und webmiles- wie sie alle heißen Bonusprogramme gibt es auch, aber die Prämien find ich lachhaft. Da lohnt es sich nicht wirklich einen Verbraucherstrip seiner Person hinzulegen für. Die Ermäßigungen auf Einkäufe oder Auszahlungen aufs Konto finde ich ja ganz nett, aber reine Prämienprogramme mit Sachprämien sind doch meist fürn...:p

Nobiag 04 Talent - 37 - 25. Februar 2010 - 17:02 #

GamersGlobal funktioniert doch quasi nach einem ähnlichen Prinzip. Ich mag Achievements eigentlich und schon seit Pokemon dachte ich dass sich die Spiele wahrscheinlich mal stärker in diese Richtung bewegen werden: Erfolge sammeln.
Ist nur die Frage ob es noch funtkioniert wenn man das Prinzip auf alles anwendet. Da sticht ja nichts mehr hervor, wenn man für alles Punkte bekommt oder so ists ja nichts besonderes mehr.

Florian Pfeffer 21 AAA-Gamer - 30267 - 25. Februar 2010 - 23:41 #

Sehr sehr guter Vortrag! Ich habe ihn mir gerade angesehen und erlaube mir mal, den zweiten und dritten Teil des Videos zu verlinken.

Mitarbeit