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Einer der allerletzten Vorträge auf der GDC 2016 war gleichzeitig ein sehr gut besuchter – kein Wunder, jährt sich am 31. Dezember 2016 doch der Release von
Diablo zum 20. Mal, weshalb Blizzard-Chef
Rob Pardo den ehemaligen Präsidenten von Blizzard North (und Diablo-Erfinder)
David Brevik gebeten hatte, die Games Developers Conference mit einem Rückerinnerungsvortrag zu beglücken. Post Mortem nennt sich so etwas bei den Amis, und wenn ein Spiel schon Jahrzehnte zurückliegt, Classic Post Mortem. Jedenfalls lässt sich so einen Vortrag kein Spieldesigner entgehen, der nicht bereits auf dem Weg zum Flughafen ist, und entsprechend voll war es in der Halle.
In diesem Kurzreport wollen wir euch nicht mit Infos zu dem Action-Rollenspiel langweilen, die eh jeder kennt, sondern die aus unserer Sicht neuen oder zumindest kaum bekannten Erinnerungen und Ankedoten aufgreifen. Zunächst einmal zu David Brevik: Der stand zwar mit dem Zusatz Gazillion Entertainment im GDC-Programmheft, hat aber seinen CEO-Job dort just im Januar 2016 aufgegeben; insgesamt gut sechs Jahre hatte er für die Firma gearbeitet, vor allem am MMO
Marvel Heroes. Von 1993 bis 2003 hatte er Blizzard North geführt, dann Blizzard verlassen und die Flagship Studios mitbegründet, zusammen mit drei anderen Blizzard-VIPs. Flagship, deren einziges Produkt
Hellgate: London unter keinem guten Stern stand, schloss bekanntlich 2008. Aktuell firmiert Brevik mit einem Indie-Studio als Greybeard Games, also Graubart-Spiele.
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David Brevik auf der GDC 2016 in San Francisco. |
Rundenbasiert & Permadeath
Die erste Vorarbeit zu Diablo geschah laut Brevik zu einer Zeit, als es Blizzard noch gar nicht gab. Seine damalige eigene Firma hieß Condor, und als alter RPG-, Taktik- und Roguelike-Fan wollte er Diablo ungefähr so designen: ein Solospiel für DOS mit rundenbasiertem Ablauf sowie Permadeath. Zu dem noch namenlosen Spiel sollten Expansion-Packs verkauft werden, die jeweils auf einer Extra-Disk Platz finden sollten. Schon damals schwebte ihm der Name Diablo vor, aber nicht etwa, weil er Spanisch konnte und wusste, was in dieser Sprache „Teufel“ heißt. Sondern weil er damals am Fuße der Diablo Range wohnte (östlich von San Francisco), deren höchster Punkt Mount Diablo mit 1.160 Metern ist.
Übrigens veröffentlichte David Brevik mittlerweile das Original-Designdokument zu Diablo, das er bei dem Vortrag kurz in die Luft gehalten hatte.
Zu dieser Zeit erledigte Condor Auftragsarbeiten für den Spielepublisher Acclaim, nämlich die Konvertierung einiger American-Football-Spiele sowie von
Justice League Task Force. Ohne, dass Condor das wusste, vergab Acclaim eine weitere Portierung desselben Spiels an ein Studio namens Silicon & Synapse – die Firma, aus der bald Blizzard werden sollte. So kam man ins Gespräch. Denn Brevik fand keinen Publisher, der Diablo veröffentlichen wollte. Als ihm Blizzard auf einer CES WarCraft vorführte, fragte er sie, ob sie nicht Betatester für das Spiel brauchten. Und als das Spiel im Januar 1995 erschien, bot er ihnen Diablo an. Der Vertrag wurde unterschrieben, aber Condor musste vorher noch Justice League für das Sega Genesis fertigmachen und je ein Sportspiel für den Game Boy und das Game Gear.
Nur 300.000 Dollar von Blizzard
“Ich war ein lausiger Geschäftsmann”, bekennt Brevik: Die Summe, für die Condor das Spiel laut Vertrag für Blizzard entwickeln würde, betrug 300.000 Dollar. „Das bedeutete etwa 1000 Dollar pro Person und Monat. Also brauchten wir mehr Geld!” Brevik gelang es, einen Vertrag mit 3DO zu schließen, um ein Sportspiel für das M2 zu entwickeln – es war ursprünglich als Addon-Chip für das 3DO geplant, wurde dann aber als eigenständige Hardware an Matsushita (heute Panasonic) verkauft. „Wir bekamen für den Auftrag etwa eine Million Dollar, und 3DO bekam für die M2-Technologie 100 Millionen Dollar. Obwohl das Gerät nie erschien, hat jeder etwas davon gehabt.“
Jedenfalls war die Entwicklung von Diablo mit der Millionenspritze gesichert. Brevik verrät, dass es das erste Spiel war, das er in der Programmiersprache C schrieb, auch wenn er immer noch für viele Routinen auf Assembler (also Maschinencode) auswich. Dann verrät er, woher Diablo eigentlich sein Dungeon-Layout hat: Als Vorlage nahm er einen Screenshot von
X-Com, und übertrug eines der rautenförmigen Felder nebst 3D-Auswahlcursor (der gefiel ihm besonders gut) 1:1 in seinen Prototypen. Die einzelnen Felder von Diablo entsprechen also exakt den Maßen, die Look hat, also die
Julian Gollop für sein Rundentaktikspiel ersonnen hatte!
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Wie aus X-Com Diablo wurde, zumindest was die Feldgrößen anbelangt. |
Von Turnbased zu RTS
Wir erinnern uns:
Diablo war ja ebenfalls als Rundenspiel geplant. Wann und wie wurde es zu einem Action-RPG? Zunächst zum Wann: etwa fünf Monate nach Beginn der Entwicklung. Und nun zum Wie, in David Breviks Worten: „Ich liebte das Rundensystem von Diablo, das ich bereits programmiert hatte. Rob Pardo lief allerdings rum und sprach zu den Anderen in unserem Studio: ‚Macht das doch in Echtzeit, das wäre viel besser!‘. Schließlich führten wir eine Abstimmung durch – und alle außer mir waren für ein Echtzeit-System. Also rief ich Blizzard an und sagte ihnen: ‚Das ist eine komplette Umstellung unseres Spiels, es wird sehr lange dauern, und wir brauchen eine weitere Meilenstein-Zahlung!“
Blizzard stimmte zu, David Brevik setzte sich an einem Freitagabend hin, und binnen weniger Stunden hatte er das Runden- auf ein Echtzeit-System umgestrickt. Alles, was er machte, war, die Rundenzeit massiv zu beschleunigen, auf etwa 20 Runden pro Sekunde. „Dann probierte ich es aus, lief zum nächsten Skelett und haute es um. Und wisst ihr was? Das war großartig! Und dann ging draußen die Sonne auf, ein neuer Tag brach an und die Zukunft schien mir ins Gesicht…” – Gelächter im Saal. Wenn die Schilderung stimmt, und wieso sollte sie es nicht, wurde also an einem Freitagabend mal eben kurz das Action-Rollenspiel-Genre geboren.
Condor wird zu Blizzard North
Im Dezember 1995 boten Davidson Associates (die Eigentümer von Blizzard zu jener Zeit) Condor an, zu einem Teil von Blizzard zu werden. „Wir dachten nur: Gottseidank!“, denn die finanziellen Sorgen waren immer noch da. Auch 3DO habe für Condor geboten und hätte sogar den doppelten Preis gezahlt – doch laut Brevik „fühlten wir uns Blizzard so nah, in Sachen Spielphilosophie und Firmenwerten, dass wir das bessere Angebot ausschlugen.“ So wurde Condor zu Blizzard North.
Bei dieser Gelegenheit fällt Brevik noch eine andere Anekdote ein: Nicht etwa der ursprüngliche Blizzard-Deal über 300.000 Dollar für Diablo oder die eben geschilderte Episode sei seine schlimmste Business-Entscheidung gewesen. Sondern, als er das Angebot eines gewissen Sabeer Bhatia ausschlug. Der hatte eine Geschäftsidee, E-Mail-Konten via Internet anzubieten, und wollte Brevik 10 Prozent seiner Firma geben, wenn er ihm nur ein Büro in den Condor-Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. „Der Raum war nicht mal genutzt, aber ich dachte nur, ich habe schon E-Mail, was für eine idiotische Idee!“ Bathia kam anderswo unter und gründete Hotmail ohne Brevik. 14 Monate später wurde das Unternehmen für 400 Millionen Dollar verkauft, seufzt Brevik. „Das wären 40 Millionen für mich gewesen, oder nach heutigem Wert 280 Millionen!“
Entwicklungssünden
Auch bei Diablo lief nicht alles rund. Einer der größten Fehler war es, wie die Dungeons auf dem Bildschirm gezeichnet wurden, nämlich von hinten nach vorne und von links nach rechts. Dabei waren programmtechnisch die Wände fest mit den Bodenfeldern verbunden. Das führte dazu, dass bei Bewegungen der Gegner oder des Helden das Sprite unten abgeschnitten wurde. Statt das System von grundauf zu verbessern (das wurde dann für
Diablo 2 getan), steckten die Entwickler viel Zeit in Workarounds, damit der Spieler das Problem nicht sehen konnte.
Noch heute bereut er zudem den Multiplayer-Code von Diablo. „Wir hatten schlicht keinen Multiplayer-Code, doch Blizzard wollte Multiplayer im Spiel haben. Also kamen drei Blizzard-Typen und programmierten die Routinen bei uns im Büro.“ Allerdings war der Netzwerk-Code Client-basiert, alle Daten wurden also lokal bei jedem Spieler gespeichert. Das öffnete Cheatern Tür und Angel. Erst mit Diablo 2 wurde ein Client-Server-System eingeführt.
Beleuchtung und andere Glücksgriffe
Zufrieden ist David Brevik hingegen heute noch mit der Beleuchtung: Die 256 Farben, die VGA bot, hatte er in 128 für den Hintergrund und 128 für alles andere eingeteilt, wobei diese Farben dann noch mal auf wenige Grundfarben reduziert wurden – die dafür aber in feinen Abstufungen, von Dunkel nach Hell, dargestellt werden konnten. Das führte zwar zu einer gewissen Farbarmut, aber gleichzeitig war die Beleuchtung extrem atmosphärisch. "Dabei war meine Unterteilung völlig willkürlich, und aus heutiger Sicht wäre es vielleicht besser gewesen, nur 64 für den Hintergrund zu reservieren und den Rest den Gegnern, Objekten und so weiter zuzuteilen." Jedenfalls hat auch so die Beleuchtung viel zum Gesamteindruck von Diablo beigetragen.
Vor allem ins Interface steckten die Entwickler viel Denkarbeit. „Ich fragte mich immer: Würde meine Mutter das spielen können?“ Interessanterweise kam die Hotkey-Leiste erst spät in der Entwicklung dazu. „Ein ‚Strike Team‘ des Publishers mochte den Rechtsklick nicht, aus ihrer Sicht hätte man das Charaktermenü aufrufen und ein Icon klicken müssen, um etwa einen Heiltrank einzuwerfen. Außerdem wollten sie Nahrung und Kochen im Spiel“, amüsiert sich Brevik. Auch die Entscheidung, von einer RPG-typischen „Pergament-Karte“, die den ganzen Bildschirm ausgefüllt hätte, zu der von
Dark Forces verwendeten Überblendungs-Karte sei eine gute gewesen.
Die Crunch Time
An die letzten acht oder neun Monate vor Veröffentlichung erinnert sich David Brevik so: „Ich stand um 4 Uhr auf und arbeitete bis Mitternacht. Jeden Tag. Damals erwarteten meine Frau und ich unser erstes Baby, die Niederkunft lag laut Prognose im Dezember. Etwa am 10. Dezember rief mich meine Frau an, sie hätte Wehen, und ich dachte: ‚Nein, nicht jetzt!‘. Aber es war ein falscher Alarm, tatsächlich war die Geburt dann am 3. Januar.“ Als ob es Papa Brevik erst das Spiel veröffentlichen lassen wollte, das ja vier Tage vorher kam.
Eine letzte Anektdote hat Brevik noch auf Lager: „Als das Spiel kurz vor der Fertigstellung war, setzten wir [unter den Betatestern] einen Preis von 100 Dollar aus für die erste Person, der es gelingen würde, Diablo zu töten.“ Damals war noch ein Skill im Spiel namens „Blood Exchange“ (Blut-Tausch), hierbei konnte man die eigene Hitpoint-Zahl mit der eines Gegners tauschen. „Also ging einer her, rannte halbtot zum kerngesunden Diablo, und tauschte die Hitpoints mit ihm." Zwei, drei Schläge später war Diablo auch schon besiegt. Besagten Skill hat Blizzard North dann schnell noch vor Veröffentlichung rausgeworfen…
Nice.
Bei der Newsdichte um Diablo in letzter Zeit kann man nur hoffen Blizzard kündigt endlich das zweite Add-On für Teil 3 an.
Oder - man wird ja noch träumen dürfen - direkt Teil 4 :D
Darf ruhig noch eine Erweiterung sein. Und nach dem Warcraft Film lieber später im Jahr Warcraft 4 ankündigen. :)
Da kannste lange von träumen.
Ich denke mittlerweile eher sie machen direkt ein neues Spiel. Allein wie die Story von RoS ausging zielt eher darauf ab, ein Addon wäre entweder zu groß oder hätte überhaupt keinen Bezug, sind ja keine der großen Übel mehr übrig. Dazu die Seasons und die kleinen Erweiterungen für den Adventure Mode, das dürfte die Hardcore Fans noch einige Zeit bei der Stange halten.
Bei den Seasons ist bei mir aber mittlerweile die Luft raus. Bis einschließlich Season 5 habe ich noch fleißig wenigstens nach Season-Start für ein paar Wochen gezockt. In Season 5 waren es dann nur noch ein paar Tage. Vor allem, da es keine Season-exklusiven Items mehr gibt, ist der Reiz auch weg...
Wird also definitiv Zeit für was wirklich neues.
Die gute alte Zeit ^^ Ich liebe diese Anekdoten. Sie zeigen das viel dem Zufall und der Gelegenheit überlassen ist und nicht Genie artigen Planungen die dann zum perfekten Ergebnis führen. Wie das Leben so spielt ;D
Die letzte Anekdote (Blood Exchange) ist ja mal großsrtig! Wie konnten die Programmierer nur auf so eine Idee kommen?
Die Idee wurde in Mobas wieder aufgegriffen XD
Ernsthaft? Ich spiele die nicht, deshalb ist meine Frage ernst gemeint.
Das war bestimmt ein hörenswerter Vortrag. :)
Und es macht auch heute noch Spaß - mir jedenfalls. Neulich erst habe ich die alten CDs (Diablo + Hellfire Addon) rausgesucht und bin wieder die alte Kathedrale hinabgestiegen. Läuft zumindest mit der Erweiterung problemlos unter Windows 10 und dank eines im Internet gefunden Patches sogar im Fenstermodus. Dabei hieß es jahrelang, dass dies nur in einer VM möglich wäre.
Das Video zur GDC findest hier http://www.gdcvault.com/play/1023469/Classic-Game-Postmortem .
Super, danke!
Danke! :)
Wunderbar! Danke für den Link!
Gleich angesehen, danke für den Link!
Diablo 1 ist mein Lieblings-ARPG!
Hauptsache die heruntergeladene mp4 hat 666MB! Oo
Sehr interessanter Bericht, danke dafür!
Ach, was habe ich an Stunden in Diablo versenkt...
Und jede war es wert!
It's a cow.
Oh ja. :-)
Sehr schöner Artikel. Wirklich viele Sachen, die man (ich) bisher nicht wusste. Gleich ncohmal D3 auf die Platte geschmissen.
Schöner ausführlicher Artikel zu den Anfangsstunden in der Entwicklung von Diablo. Würde von mir extrem "gesuchtet" - nun ja es verband und verbindet halt auch immer (noch) so perfekte Ablaufeigenschaften, dass man gar nicht anders möchte als jeden der dicken drei abzutöten (das Ende jeden Aktes).
Übrigens eine kleine Aussage zum Artikel: Jede gute Idee passt auf einen Bierdeckel, wie mir in "jungen" Jahren erzählt worden ist =).
Schöner Bericht, und wirklich nen paar tolle Anekdoten dabei.
Schöner Artikel. Danke. Gute alte Zeiten ;)
Sehr interessanter Artikel :-)
Das "(oder Italienisch)" kann man übrigens streichen. Auf Italienisch heißt Teufel "diavolo". Wie die Pizza ;-)
Danke für den Hinweis, ändere ich.
die pizza heißt "diavola", weil weiblich ;)
Also ich hab noch in keiner Pizzeria eine Diavola gesehen, Diavolo dagegen schon.
Interessanter Artikel. Mit Diablo hatte ich meine längste Gamesession ever. 17 Stunden an einem Stück, dann war Diablo besiegt. Heute würde ich das nicht mehr schaffen. :)
Ich hatte mit Diablo 2 die längste Session, 50 Stunden am Stück, hat sich aber gelohnt, danach war ich in der Top 10 der Ladder Weltweit :)
Ach ja, den "Plan" hatte ich auch...dann wurde das andere Geschlecht interessant XD
Da hattest du "Glück" mit einigen Jahren Vorsprung ;p
Edith: Wer diesen Artikel interessant fand den könnte auch das hier interessieren und amüsieren. Jaja Quake sollte mal ein "Top-down-RPG" werden.
http://www.1up.com/features/why-quake-changed-games-forever