Live aus Vancouver für GamersGlobal: Während Deutschland friedlich schläft, grummelt Heinrich Lenhardt an der fernen Westküste in seine Tastatur und kommentiert aktuelle Spielegeschehnisse. „Lenhardts Nachtwache“ erscheint (fast) jeden Samstagmorgen und ist die heitere Gute-Nacht-Geschichte für Rotaugen beziehungsweise der Muntermacher für Frühaufsteher.
Abt. „Liebesdienst“:
Der Vault Boy fürs Leben
Liebe und Spiele gehören einfach zusammen. Das sieht man nicht nur an der Leidenschaft, mit der wir unsere interaktiven Lieblinge verehren, mitunter werden auch andere Teilbereiche des Hormonspektrums involviert. Zu den Evergreens unter den „Hach, wie nett!“ -Meldungen gehören die Berichte von Heiratsanträgen, die liebestrunkene Menschen im spielerischen Rahmen aussprechen, mitunter assistiert von mitfühlenden Programmierern.
Eine ganz andere Art von Software-Romanze hat uns Bethesda beschwert: Einige amerikanische Anwender der Verkupplungs-App Tinder sind über das Dating-Profil eines gewissen Vault Boy gestolpert. Der ist 25 Jahre alt, mag Kaffeepausen und Nuka-Cola, sammelt Kronkorken und meint „Lass uns zusammen eine strahlende Zukunft schaffen... unterirdisch!“.
Nach Tinder-Maßstäben also ein verdächtig eloquenter User, in der Tat handelt es sich hier um Werbung für das Mobilspiel Fallout Shelter. Da wird die Bevölkerungszahl durch die Zusammenführung von Charakteren mit möglichst hohem Charisma-Wert erhöht, also alles sehr passend – wenngleich Fortpflanzungsgedanken bei der Tinder-Zielgruppe eine eher untergeordnete Rolle spielen dürften.
Diese Marketing-Idee ist lustig und clever, schließlich wird hier für ein schnell mal kostenlos downloadbares Casual-Spiel geworben, das Massenmarkt-Qualitäten hat. Und wenn man lange genug an der Online-Dating-Szene verzweifelt ist, weiß man die zuverlässige Befriedigung durch ein Spiel umso mehr zu schätzen. Obendrein hat die überschaubare Komplexität von Fallout Shelter eine Tinder-gerechte Quickie-Anmutung.
Vielleicht macht das Beispiel Schule: Es gäbe ja noch eine ganze Reihe von anderen Spielen, die sich durch Online-Dating-Profile vermarkten ließen. Da wäre zum Beispiel Snake, Bartträger, Raucher und ein leiser Typ, der nicht so gerne im Scheinwerferlicht steht - bei Interesse an dem Mauerblümchen geht's zum Trailer für Metal Gear Solid V. Ein gewisser Max bastelt dagegen wahnsinnig gerne an seinem Auto herum und fühlt sich im sonnigen Wüstenklima wohl, während Lara einen Aktivpartner für gemeinsame Klettertouren und Höhlenwanderungen sucht.
Doch bislang bleibt der Vault-Kuschler eine Ausnahmeerscheinung und natürlich entbehren Gerüchte über eine GamersGlobal-Kampagne auf Tinder jeglicher Grundlage. Obwohl ich mir das nett vorstellen könnte: Jörg L. liebt Reisen (zu Spielemessen) und gemeinsame Unternehmungen (im Koop-Modus), verbringt aber auch gerne gemütliche Video-Abende zuhause (mit einem „Stunde der Kritiker“-Marathon) – wer wischt sich bei solchen Aussichten nicht freudig einem Abo entgegen?
Abt. „Strafvollzug“:
Knacki-Server, lebenslänglich
In die Jahre kommende Online-Rollenspiele haben ihre liebe Mühe damit, frisch und originell zu wirken. Nur bei den Bestrafungsmethoden für sozialunverträgliche Spieler herrscht scheinbar kein Mangel an Kreativität. Letztes Frühjahr inszenierte ein genervter Community Manager von Guild Wars 2 die Löschung eines betrügerischen Charakters als öffentliche Hinrichtung. Da wirkt das jüngste Bestrafungsexperiment beim altgedienten MMO EverQuest 2 relativ gnädig: Wer als Schummler oder Störenfried überführt wird, dem blüht die Zwangsverlegung all seiner Account-Charaktere auf einen „Gefängnis-Server“ namens Drunder, wie Produzentin Holly Longdale erklärt.
Das darf man sich nicht als speziellen Zellenblock-Level vorstellen, in dem neue NPCs und Herausforderungen warten. Der Drunder-Server enthält anscheinend die übliche Welt von EverQuest 2, nur wird er halt von Spielern bevölkert, die in der Community unangenehm aufgefallen sind. Dazu gesellen sich vielleicht Umsiedler mit Sozialarbeiter-Syndrom, denn man darf sich auch freiwillig in die Strafkolonie begeben. Wer einmal auf Drunder gelandet ist, für den gibt es aber kein Entkommen: Wegziehen ist nicht möglich; um auf anderen Servern zu spielen, müsste man mit einem neuen Account wieder ganz von vorne anfangen.
Das klingt nach einem interessanten Sozialexperiment irgendwo zwischen John Carpenters Klapperschlange und Big Brother. Empfinden die auf Drunder verbannten Spieler das Exil als Bestrafung oder Auszeichnung? So eine Verurteilung als schwerer Junge sorgt in gewissen Kreisen sicher für reichlich Street Cred. Entpuppt sich die zweifelhafte Gesellschaft gar als Attraktion für Spieler, die eine besondere Herausforderung suchen? Wird dann auf Drunder mehr gecheatet und gehackt, lässt Daybreak Games seinen Strafserver verlottern? Der übliche Kunden-Support soll hier jedenfalls nicht gewährleistet werden, die Missetäter bleiben sich selbst überlassen.
Die Verbannung ins Server-Ghetto mag humaner sein als der Avatar-Tod durch Account-Löschung, aber es mangelt an einem Weg zurück in die Gesellschaft. Der geläuterte Drunder-Insasse, der Noobs hilfsbereit über die Straße hilft und im Chat allenfalls durch seine betonte Höflichkeit auffällt, wird nicht für gute Führung belohnt. Es wäre wohl etwas aufwendig, Spielcharaktere von digitalen Bewährungshelfern betreuen zu lassen, die sich gegebenenfalls für eine Entlassung stark machen. Vielleicht lässt sich daraus ein Premium-Feature machen, schließlich ist EverQuest 2 ein Free-to-play-Spiel, das wohl kaum eine Monetarisierungsmöglichkeit verschmähen würde.
Holly Longdale selber bezeichnet den Knacki-Server als „Experiment“ und so dürfen wir gespannt sein, ob und wann der virtuelle Strafvollzug reformiert wird. Was ist zum Beispiel mit Verbannten, die ihre Unschuld beteuern oder wegen Bagatellen lebenslänglich abgeschoben wurden? Bei den User-Kommentaren zu diesen Plänen geht es entsprechend Drunder und drüber, auf nunmehr 27 Forum-Seiten liest man „geschieht ihnen recht“-Zustimmung ebenso wie kritische Stimmen. Es ist offensichtlich nicht leicht, es beim Thema Gerechtigkeit allen recht zu machen.
Sdk und Nachtwache, also quasi ein Doppelheini. Schöner Start ins Wochenende.
Heinrich ist in letzter Zeit extrem präsent. Bei der nicht weiter nenenenswerten Konkurrenz ist auch noch ein Retro-Video über einen Teil seiner Vergangenheit als Redakteur aufgetaucht.
So ein Drunder in WOW wäre auch nicht schlecht, der Trade-Chat ist oft unerträglich. Danke für die unterhaltsame Nachtwache!
jau, finde die sache mit dem strafserver auch interessant...
Erinnert mich irgendwie an die Strafkolonie im ersten Gothic. Auf Drunder herrscht bestimmt ein ähnlich rüder Umgangston.^^
"Willkommen im Lager...!" *Faust-ins-Gesicht*
Ich würde auf dem Knastserver noch PvP-Zwang einführen, dann gibt's ständig volles Pfund aufs Maul. :D
Auch ohne Nutzer von Tinder oder EQ2 zu sein:
Mir gefallen beide neue Wege, die beschritten werden. Der EQ2-Server für Knackis hätte auch in anderen MMOs seine Daseinsberechtigung. Ja, ich schaue auf dich, WoW!
Immerhin besser als das Debakel von letzter Woche.
Last Ninja Fan? ;)
Auch hier wieder richtig. Womit habe ich mich verraten?
Jetzt wo ich die Kommentare in der letzten Wache gelesen habe ist es ja offensichtlich. Hatte ich aber gar nicht, habe mich nur an die letzte Nachtwache erinnert, und daran dass ich das für sehr "diskussionswürdig" hielt.
Mecker, mecker...
Last Ninja war halt Mist. Wenn es Dir gefallen hat auch gut.
Mal abwarten, bis jemand auf die Idee kommt, ein HD-Remake von Defender of the Crown zu machen. Das wäre dann das Selbe in grün... ;)
Gibt es doch schon ewig. Sogar mehrere. Etwa Defender of the Crown: Heroes Live Forever oder Robin Hood: Defender of the Crown.
Jep... wobei die aktuelle Cinemaware-Inkarnation mit den von Dir genannten Remakes nichts zu tun hat. War aber auch mehr als imaginäres Beispiel gedacht (denke aber, nicht ganz unrealistisch), da es zu PowerPlay Zeiten eine ähnliche Situation gab, wie beim letzten Ninja. Eigentlich war der Abstand zu anderen Tests da sogar noch extremer.
Als nächstes kommt erstmal ein SD Remake von Defender of the Crown auf dem Mattel Intellivsion.
Immer her damit! :)
okay, das mit der Hinrichtung und dem Strafserver war mir gänzlich unbekannt. Interessant worauf die so kommen bei den MMOs...
Wäre interssant zu wissen, wie das mit dem Strafserver bei EQ 2 weitergeht. ;)
Leute - schaut mal in die Einleitung. Bei mir ist erst Samstag.
;-)
Und schon isses korrigiert...
Vielen Dank für den unterhaltsamen Start in das Wochenende. Wir brauchen mehr Hinrichtungen ;-)
Samstagmogen, Kaffee und die Nachtwache lesen, das gehört einfach zusammen.
Wie immer eine sehr treffende Nachtwache ;-)
Wie immer eine wunderbar lakonische Nachtwache. Danke!
(Herr Lenhardt wird jetz5t auch noch auf der GS Seite abgefeiert. Hoffentlich steigt dem werten Herrn das nicht alles zu Kopf.)
neulich erst zum thema tinder gelesen:
http://worst-online-dater.tumblr.com/post/114619524524/tinder-experiments-ii-guys-unless-you-are
tl;dr: wenn man tinder als wirtschaftssystem betrachtet bei der der wohlstand in likes gemessen wird, dann handelt es sich dabei im vergleich zu realen staaten um eines der unfairsten systeme überhaupt. gemessen am gini-koeffizienten (statistischer wert für ungleichheit) sind nur länder wie angola, namibia oder südafrika schlimmer.
Oh schön, eine Nachtwache an meinem Geburtstag :) Gleich mal nachholen.