Benjamin Braun zum "Risen-Nachfolger"

Warum ich ELEX hasse Meinung

Mit ELEX haben die Piranhas kürzlich ihr neues Action-Rollenspiel angekündigt. Diesmal hat das Szenario nichts mit Mittelalter-Fantasy oder Piraten zu tun. Stattdessen geht's in ein postapokalyptisches Science-Fiction-Universum. Können die Gothic-Macher so was überhaupt? Benjamin verrät, was er jetzt bereits an diesem Spiel hasst.
Benjamin Braun 3. Juli 2015 - 17:47 — vor 8 Jahren aktualisiert
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CD Projekt arbeitet im Anschluss an The Witcher 3 - Wild Hunt (GG-Test: 9.0) am Science-Fiction-Rollenspiel Cyberpunk 2077. Der Lords of the Fallen-Entwickler Deck13 kopiert als nächstes nicht dreist (wenn auch mehr als ordentlich) Dark Souls, sondern probiert sich an einem weiteren Rollenspiel – in einem Science-Fiction-Universum. Und es gibt noch einen Rollenspiel-Entwickler, der sich an ein neues RPG-Projekt heranwagt...

Erfahren sind sie, keine Frage. Immerhin veröffentlichten sie mit Gothic bereits im Jahr 2001 ein actionlastiges Rollenspiel und später einen in jeder Hinsicht vergrößerten Nachfolger, aber auch das nicht unbedingt von jedem heißgeliebte Gothic 3. Und dann gab es da noch Risen. Der Erstling war, abgesehen von den fehlenden Orks, quasi ein Gothic mit neuem namenslosen Helden und ein paar wenigen Augenklappen und Holzbeinen. Der zweite war ein Piraten-RPG mit starken Fantasy-Einflüssen. Und Risen 3 war schließlich ein Mix aus beiden.

Aber ein Science-Fiction-Universum (oder Science-Fantasy, wie die Piranhas es nennen)? Da lautet die Frage gar nicht "Dürfen die das?", sondern viel mehr "Können die das überhaupt?" Als Piranha-Bytes-Fan der ersten Stunde bin ich skeptisch – aber eines hasse ich an diesem Spiel definitiv bereits jetzt!

Schuster bleib bei deinem Leisten!Als Piranha Bytes ELEX ankündigte und ich etwas von einem Science-Fiction-Setting las, schoss mir als erstes genau das durch den Kopf, was sich auch einigen GamersGlobal-Usern durch die überraschten Synapsen quetschte, nämlich der Satz „Komm', lass uns Cyberwildschweine jagen“. Denn auch wenn ich insbesondere den ersten Gothic-Teil liebe wie kaum ein anderer, wollte mir nicht in den Kopf, wie dieser für die Piranha-RPGs typische Ruhrpott-Charme und der allgemeine Stil ihrer Spiele auf eine, wie es heißt, „postapokalyptische Science-Fiction-Welt“ übertragen werden könnte. Gut, One-Liner wie „Der letzt Scheiß“ kann man sicherlich auch dort mühelos einbauen. Selbst einem aufdringlichen Charakter namens Mudd-2035 (lies: Mudd zwanzig, drei, fünf) ein genervtes „Verpiss dich!“ entgegenzuschleudern, kann ich mir gut vorstellen. Aber ansonsten?

Großartige Momente, selbst beim x-ten Durchspielen
Die ungläubige Erstreaktion legte sich dann doch ziemlich schnell. Dann schossen mir ganz andere Dinge durch den Kopf, zum Beispiel wie dumm ich seinerzeit aus der Wäsche guckte, als ich nach dem Einsturz der Mine des Alten Lagers plötzlich vor verschlossenen Toren stand und mich die Wachen des größten Lagers in Gothic 1 auf einmal angriffen, wenn ich mich dem Eingang näherte. Und ich dachte an die Rückkehr ins Minental im zweiten Kapitel von Gothic 2, bei der ich nicht bloß aufgrund von Kai Rosenkranz' fantastischem Soundtrack eine Gänsehaut bekam. Mensch, waren das großartige Momente, die ich selbst beim x-ten Durchspielen noch als intensiv empfunden habe!

Weshalb sollte das nicht auch in einem Science-Fiction-Szenario möglich sein? Außerdem traut sich Piranha Bytes offenbar mal wirklich an etwas Neues. Klar kann das auch in die Hose gehen. Allerdings musste man doch bei den Risen-Spielen immer auch den Eindruck haben, dass die Piranhas sich eh nicht von gewissen Leib-und-Magen-Features trennen können. Ich rechne darum nicht damit, dass sie die Anhänger ihrer bisherigen Spiele aus den Augen verlieren werden. Aber zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dass sich die Essener durch Auswahl dieses Szenarios nicht im Sinne der Fans von vornherein selbst so stark in ihrer kreativen Freiheit beschneiden lassen, wie das fraglos bei Risen der Fall war. Ich jedenfalls bin dazu bereit, mich auf etwas ganz Neues einzulassen. Es muss nur gut sein, weshalb und warum genau, das ist mir völlig egal. Und dennoch hasse ich ELEX...

Zu viel Freiheit ist selten gut!Ein bisschen Bammel habe ich. Nicht, weil Gothic 3 oder die drei Risen-Teile mir keinen Spaß gemacht hätten. Aber trotzdem ist den Piranhas seit Gothic 2 kein wirklich großartiges Spiel mehr gelungen. Fast schon alarmierend bei den wenigen Informationen, die der Entwicker bekanntgegeben hat, finde ich den Begriff „Open World“. Klar, mittlerweile heftet sich jedes zweite Spiel dieses Schildchen ans Revers, als wenn das auch nur im Geringsten etwas über Qualität aussagen würde. Von daher heißt das gar nichts, weder im Positiven, noch im Negativen. Aber es kommen doch böse Erinnerungen an die „Finde Xardas“-Quest aus Gothic 3 hoch. Allzu große spielerische Freiheiten sind, wenigstens für ein so storylastiges Genre wie Rollenspiele, eben alles andere als automatisch ein Vorzug. Und: Es ist schwer, eine offene Welt sinnvoll und abwechslungsreich zu füllen.

Auch die angepriesenen moralischen Entscheidungen machen mich skeptisch. Die wenigsten Spiele haben es bisher geschafft, solche Elemente bis zum Ende und darüber hinaus in befriedigender Form umzusetzen. Die unterschiedlichen Enden mehrerer  Piranha-Bytes-Spiele waren diesbezüglich doch eher enttäuschend. Aber wer kann jetzt schon wissen, was die Entwickler am Ende daraus machen? Doch das alles ist nicht der Grund, warum ich ELEX hasse.

Alte Engine, neues Glück?
... auch wenn die Fäustlingswurzeln immer noch zu erkennen sind.
Gewiss, es gibt viele Dinge, die man an der von Piranha Bytes selbst gebastelter Technik aussetzen kann. Aber da hat sich so viel mit dem letzten Teil von Risen getan, insbesondere was die Qualität und Vielfalt der Gestik und Mimik angeht – auch wenn die Fäustlingswurzeln immer noch zu erkennen sind. Die Piranhas wissen all diese Dinge schließlich selbst und vor allem auch, dass sie international einmal mehr mit ihrem neuen Spiel nicht so gut ankommen werden, wie das bei uns oder in Osteuropa der Fall ist. Also zumindest, wenn sie nicht extrem viel an Machart und auch Präsentation ändern.

Trotzdem frage ich mich, ob die Essener erneut die alte Engine verwenden wollen. Das deutet der Umstand an, dass Risen 3 demnächst auch noch für die PlayStation 4 veröffentlicht wird, was man durchaus als Testlauf verstehen kann, wie gut (oder schlecht) die Engine auf der aktuellen Sony-Konsole performt. Ich wünsche mir vor allem mehr Vielfalt für die NPCs, denn auch wenn die Entwickler in Risen 3 schon viel dafür taten, kam mir das doch immer noch zu klonig vor. Dann lieber ei
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n Dutzend Charaktere weniger im Spiel und eine etwas kleinere Welt, als dass ich allein aufgrund des äußerlichen Erscheinungsbilds ständig den Eindruck habe, mit den immerselben Charakteren zu sprechen!

Ich hasse euch!Ich habe eingangs bereits keinen Hehl daraus gemacht, dass „Piranha-Bytes-Fanboy“ für mich keine gänzlich falsche Beschreibung ist. Ich liebe die Spiele der Essener, und das gilt nicht nur für die Sternstunden namens Gothic und Gothic 2 oder Die Nacht des Raben, das gilt auch für Risen 1 bis 3 und selbst für den dritten Teil der Gothic-Reihe. Aber wie Tim Schafer erst kürzlich schmerzlich in meinem Test zu Broken Age (GG-Test: 7.0) erfahren musste, würde mich das nicht daran hindern, ELEX als schlechtes Spiel zu bezeichnen, wenn es das am Ende sein sollte.

Aktuell muss ich hingegen sagen, gibt es genau eine Sache, für die ich das Science-Fiction-RPG von Piranha-Bytes abgrundtief hasse. Und das ist die Tatsache, dass ich womöglich erst im Winter 2016/2017 selbst Hand daran werde legen können.

Euer
Benjamin
Abfuehrung
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7.9
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Open-World-RPG
16
Piranha Bytes
Nordic Games
17.10.2017
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Benjamin Braun 3. Juli 2015 - 17:47 — vor 8 Jahren aktualisiert
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