Roland Austinat orakelt:

Spielspaß-Killer 2011 Meinung

Nach Top Ten und Flop Ten und neun Toptens toppen wir bei Gamersglobal jetzt einfach alles und bringen bereits Anfang Januar die Top Five 2011. Und zwar über die fünf potenziellen Spielspaß-Killer-Trends aus Sicht des Spiele-Veteranen Roland Austinat, der aus San Francisco für uns schreibt. Viel Spaß beim Lesen!
Roland Austinat 4. Januar 2011 - 0:17 — vor 13 Jahren aktualisiert
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Da ist es also, das erste Jahr des nächsten Jahrzehnts. 365 Tage, an denen uns feine neue Spiele ins Haus stehen. Wenn, ja wenn es nicht 2010 ein paar Tendenzen gegeben hätte, die zumindest mir den Spaß am Spielen etwas verleidet hätten -- und es sieht nicht danach aus, als würde sich daran mittelfristig etwas ändern. Doch wer weiß, Wunder gibt es immer wieder, und vielleicht liest ja der eine oder andere Hersteller hier mit? Vorhang auf!
 
1. Spielspaß-Killer: Entfernte Erweiterungen
 
Wenn vor gar nicht allzu langer Zeit ein Rollenspiel oder ein Action-Adventure auf den Markt kam, konnten wir sicher sein, auch wirklich alles zu bekommen, was die Entwickler sich für diesen Titel ausgedacht hatten.Und während ein Teil des Teams mit den Konzeptarbeiten für den Nachfolger oder das nächste Spiel begann, reichten die übrigen Designer oft ein halbes Jahr oder Jahr später noch eine Erweiterung nach, die den beziehungsweise die Helden in neue Gefilde führte und möglicherweise Bedienkomfort, Grafik und andere Elemente leicht verbesserte.

Heute sieht das anders aus, nicht zuletzt dank der Online-Dienste von Xbox 360 und PlayStation 3. Nicht selten kappen die Designer, von Produzenten mit Dollarzeichen in den Augen dazu getrieben, ganze Levels und Gebiete eines Titels aus der laufenden Produktion, um sie uns dann ein paar Wochen später als herunterladbare Inhalte nachzuliefern. Gegen Gebühr, versteht sich. Das wäre so, als wenn ein Filmstudio zehn, 20 Minuten eines Kinostreifens für zwei, drei Euro nachliefern würde. Daraufhin würde ein Aufschrei ohne Beispiel durchs Land gehen, doch wir Spieler haben scheinbar nichts dagegen -- sonst würden selbst renommierte Firmen wie Bioware nicht auf diesen Zug aufspringen.

Ich gebe Geld für eine richtige Erweiterung aus, nicht aber auf Kosten eines gekürzten Hauptspiels
Liebe Entwickler: Ich gebe gerne Geld für eine richtige Erweiterung aus, nicht aber auf Kosten eines gekürzten Hauptspiels. Der Kracher sind dann noch solche Spiele, bei denen "herunterladbare" Inhalte bereits mit auf die DVD gepresst worden sind, die lediglich mit einem klitzekleinen Code frei geschaltet werden. Oder Inhalte wie exklusive Autos, die man nur dann bekommt, wenn man einen Titel bei einem bestimmten Händler vorbestellt -- und die sich noch von Händler zu Händler voneinander unterscheiden können. Das macht keinen Spaß. Vor allem behindert es das Spieldesign: Denn sicherheitshalber darf in den rausgeschnittenen Bereichen ja nichts wirklich spielentscheidendes passieren -- sonst wären die DLC-Verweigerer nicht in der Lage, bis zum Ende zu spielen. Darum wirken viele DLCs seltsam losgelöst vom Rest, aus dem sie doch geschnitten wurden -- und kompensieren diesen Mangel oft durch extratolle Ausrüstung, die sich nur in und mit ihnen finden lässt.
 
2. Spielspaß-Killer: Absurde Achievements
 
Eigentlich sind Achievements, die von Microsoft mit der Xbox 360 ins Leben gerufenen Spielerfolge, ja eine schöne Sache: Man sieht, welche Titel die Freunde im Laufwerk haben, wie weit sie schon sind. Und kann sich gegenenfalls daran ergötzen, die meisten Punkte gesammelt zu haben. Theoretisch. Praktisch sieht es so aus, dass man nach dem einmaligen Durchspielen oft nur einen Bruchteil aller Punkte erreicht. Will man alle, locken so aufregende Herausforderungen wie 100 frei geschaltete Autos, 1000 gewonnene Mehrspielerpartien oder 10,000 per Kopfschuss erledigte Feinde. Ganz ehrlich? Ich würde die Zeit, die ich zum Sammeln solch obskurer Erfolge verbraten muss, lieber damit verwenden, ein neues Spiel auszuprobieren!

Bei den olympischen Spielen gibt es schließlich immer Edelmetall, wenn man als einer der ersten drei ins Ziel kommt -- da sagt niemand, dass man etwa den Marathon auf einem Bein hüpfen, die 100 Meter rückwärts rennen oder das Zehn-Kilometer-Schwimmen mit geschlossenen Augen überstehen muss, bevor es eine Medaille gibt. Oh, und dass ich jetzt Erfolge auf mindestens fünf Plattformen (Xbox Live, PSN, Games for Windows Live, Steam, Battle.net) sammeln darf, erinnert mich an das Wirrwarr um Boxweltmeister und Schönheitswettbewerbe. Da kann man sich auch nie sicher sein, welcher Preis wirklich zählt. Und auch das macht keinen Spaß.
 
3.Spielspaß-Killer: Nachfolger-Nirwana
 
Was waren die meistverkauften Spiele des Jahres 2010? Richtig, solche mit einer Zahl am Ende des Namens. Manche stehen dazu. Etwa die Fifa-Serie, andere sind noch mit niedrigen Zahlen gesegnet (Mass Effect 2, Super Mario Galaxy 2). Andere verschleiern ihre Vorfahren mehr oder weniger geschickt: Call of Duty: Black Ops ist eigentlich der siebte Ausflug ins Kriegsgeschehen, Need for Speed: Hot Pursuit der sage und schreibe 16. Teil der Rennspielserie und Halo Reach klingt vermutlich einfach besser als Halo 5. Da muss man schon froh und dankbar sein, dass es noch immer Querdenker wie David Cage gibt, der mit Heavy Rain ein seiner damaligen Meinung nach so großes Risiko einging, dass er von nicht mehr als 200.000 bis 300.000 verkauften Exemplaren ausging. Mitte 2010 hatten allerdings schon 1,5 Millionen Käufer zum düsteren Adventure-Thriller gegriffen -- das sollte doch Entwicklungsstudios und Publishern gleichermaßen zeigen, dass kreative Ideen noch belohnt werden.

Sind komplette Neu-Entwicklungen nur noch für Facebook oder iPhone möglich?
Oder sind komplette Neuentwicklungen heute nur noch für Facebook oder das iPhone möglich? Das kann es doch nicht sein. In dem Zusammenhang: Wenn ich auch 2011 wieder in Entwicklerinterviews lesen muss, wie sehr sie sich wünschen, dass uns beim Spielen die Tränen kommen, platzt mir der Kragen. Vielleicht muss ein Designer ja weinen, wenn er in den letzten Entwicklungswochen und -monaten die Außenwelt nie bei Sonnenlicht sieht, aber es gibt doch noch so viel mehr Emotionen. Würde Hollywood hauptsächlich auf Action, nicht aber auf Komödien, Dramen und Liebesfilme setzen, wären die meisten Filmstudios schon lange pleite. Auch in Spielen sind Emotionen möglich. Heute schon. Aber vielleicht eben nicht mit Facebook-Grafik oder in iPhone-Bildschirmgröße...
 
 
4. Spielspaß-Killer: Draufzahl-Dramen
 
Gebrauchte Spiele sind günstiger als neue -- und bis auf eine möglicherweise verkratzte DVD oder verknitterte Anleitung spielen sie sich wie ein druckfrisches Produkt. Eine schon seit rund drei Jahrzehnten gültige Binsenweisheit! Prompt erklärten im letzten Jahr zahlreiche Hersteller immer und immer wieder, dass der Gebrauchtmarkt scheinbar eine Idee des Teufels selbst sei, um damit ihre Verluste zu schmälern.

Auf die Idee, dass die Mehrzahl der Spiele einfach nicht gut genug sein könnte, um hohe Verkaufszahlen einzufahren, scheint niemand gekommen zu sein. Stattdessen kontert beispielsweise Electronic Arts mit dem tendenziell hirnrissigen "Projekt zehn Dollar". Soll heißen: Wer ein Spiel wie Dragon Age oder Bad Company 2 kauft, bekommt einen Code mitgeliefert, mit dem sich Spielinhalte frei schalten lassen -- ob das nun spezielle Waffen sind oder ein Multiplayer-Modus. Wer das Spiel dann gebraucht kauft, muss sich einen solchen Code für zehn Dollar nachkaufen oder auf die Inhalte und Services verzichten. Eine Idee, die in keiner anderen Branche funktionieren würde. Ein Gebrauchtwagen mit nur drei Reifen? Ein gebrauchter Fernseher, der nur drei Programme abspeichern kann? Das "Projekt Zehn Dollar" treibt noch absurdere Stilblüten. Wer beispielsweise einem Familienmitglied, das im gleichen Haus wohnt, ein Spiel ausleiht, weist dieses besser darauf hin, zehn Dollar für uneingeschränkten Spielspaß bereitzuhalten.
 
5. Spielspaß-Killer: 
Krude Konsolenumsetzungen
 
Aber müssen PC-Spieler immer noch das Nachsehen haben, wenn es um Umsetzungen geht?
Klar, liebe Hersteller außerhalb des MMO-Bereichs, die ihr nicht Blizzard heißt: Weltweit verkauft ihr nun mal seit Jahren die meisten Spiele für Konsolen wie Xbox 360, Playstation 3 und Wii. Aber müssen deshalb die PC-Spieler immer noch das Nachsehen haben, wenn es um eine Umsetzung eines erfolgreichen Konsolentitels geht? Mal ehrlich: Dass man überall speichern kann, sollte sich mit den Jahrzehnten eigentlich als selbstverständlich herauskristallisiert haben. Von lausig hoch skalierten Charakteren und Umgebungen wollen wir gar nicht erst anfangen zu reden. Und dass ein PC über etwas differenziertere Eingabemöglichkeiten als ein GamePad verfügt, ebenfalls -- es kann doch nicht so schwer sein, eine optimal für den PC ausgelegte Steuerung ins Entwicklungsbudget aufzunehmen, oder? Immerhin: Gerade hieß es, Battlefield 3 werde zwar nicht PC-exklusiv, aber auch keine "reine Konsolenportierung". Wirklich schön bei einer Serie, die als PC-Schwergewicht gestartet ist.

Zum Glück kapieren es manche Studios inzwischen,und stellen extra Designer dafür ab. Positivbeispiel: Dragon Age: Origins, das sich am PC tatsächlich besser als auf der Konsole steuert. Negativbeispiel: Final Fantasy 14, das bei seiner Veröffentlichung im letzten Herbst demonstrierte, wie egal den Entwicklern die Tatsache war, dass Maus und Tastatur ganz hervorragende Eingabeinstrumente sind. Nach einem weltweiten Aufschrei versprach Mutterfirma Square Enix Nachbesserung, strich die monatlichen Gebühren auf unbestimmte Zeit und zog zahlreiche Designer aus dem Entwicklerteam für diesen Zwecks ab. Ob denen gelingt, mehr Spaß ins Spiel zu bringen?
 
Genug geschimpft - jetzt seid ihr an der Reihe. Welche meiner Punkte sind auch eure Spielspaßkiller? Vielleicht habt ihr ja ganz eigene, die mir noch gar nicht aufgefallen sind? Ich freue mich auf eure Kommentare und wünsche euch ein möglichst dramafreies, gutes neues Jahr 2011.
 
Euer Roland Austinat
Abfuehrung
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