Jörg Langer meint:

Digital-Spielekauf? Mieser als sein Ruf Meinung

Eigentlich sieht sich Jörg Langer als hipper Early Adopter, der sich freudig erregt auf neue Trends einlässt und auch gerne gutes Geld gegen Komfort eintauscht. Eigentlich ist Jörg auch ein Fürsprecher für Digitale Spieledistribution. Eigentlich...
Jörg Langer 27. Mai 2009 - 16:18 — vor 14 Jahren aktualisiert
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Ich weiß noch, wie ich meinen Erstkontakt mit Digitaler Distribution hatte. Steam war gerade "richtig" gelauncht, und ich schob die von Vivendi zugeschickte Half-Life-2-DVD ins Laufwerk. Das Spiel installierte, ich spreche aus der Erinnerung, mehrere Gigabyte, richtete Steam ein, aktualisierte Steam. Und dann aktualisierte Steam die Half-Life-2-Installation. Und das dauerte viele Stunden. Ich hab nicht zugeschaut die ganze Zeit, aber vermutlich aktualisierte danach Half-Life-2 nochmal seinerseits Steam, Steam aktualisierte meinen PC, der PC aktualisierte unsere Küchengeräte, und seitdem weiß Valve, was wir im Kühlschrank haben. Ab und zu schickt mir Doug Lombardi seitdem Einkaufsratschläge oder weist mich auf ein "Milch dieses Wochenende kostenlos"-Angebot hin.

Ab und zu schickt mir Doug Lombardi seitdem Einkaufsratschläge
Vielleicht bin ich ja ein altmodischer Mensch, aber vor Steam glaubte ich, dass ein Produkt zu funktionieren habe, wenn man es auspackt und in Betrieb nimmt. Ich glaubte, dass nach der Installation von einer DVD die wesentlichen Dateien eines Spiels auf dem Rechner sein müssten. Aber das waren ja nur die Anfänge! Jede Technologie benötigt Zeit, um zu reifen, seht euch nur diese Website an. So vergingen also die Jahre, ich vergaß, dass mein Kühlschrank jede Nacht mit seinem Führungsagenten in Bellevue, Washington, telefonierte, und dass Valve seine Energieeffizienz mit der aller anderen Kühlschränke im Steam-Netzwerk verglich. Neue Digitalvertriebe machten auf, Metaboli, Gamesload, Direct2Drive, Impulse, und wie sie alle heißen, und manchmal gingen sie auch wieder ein, Gruß an Triton (Prey). Nicht zu vergessen Virtual Console Games, DLC auf PS3 oder Xbox 360. Und ab und zu mal einen Film, der mir dann gleich auf die Xbox oder den Laptop gestreamt wird.

Und was ist heute?

Und ist es nicht schön, seine Spielebibliothek theoretisch überall dabei zu haben?
Im Jahre 2009 ist Steam nicht mehr das Feindbild der Spieler, die Publisher haben den Faktor "fest eingebauter Kopierschutz" entdeckt, das Angebot ist relativ groß geworden -- darunter Independent-Spiele, die als normale Schachtel wohl nie erschienen wären. Und ist es nicht schön, seine Spielebibliothek theoretisch überall dabei zu haben? So dachte ich lange, mit dieser positiven Grundeinstellung schrieb ich Artikel über den neuen Vertriebsweg. Dann kam der Moment, an dem ich Empire Total War in einer Vorab-Downloadtestversion bekam, sprich: als Code. Rund 15 GByte musste ich downloaden, bis das Spiel endlich startete. Allerdings war die Vorversion, die damals von allen Magazinen zum Testen verwendet wurde, noch wesentlich verbuggter als das, was kurz danach in den Handel kam. Um überhaupt weiter spielen zu können, sah ich mich gezwungen, die deutsche Version durch die englische zu ersetzen. Ratet mal... genau: Die 15 GByte mussten nochmal downgeloadet werden, denn anders ließ sich die Sprache nicht umstellen!

Einige Monate vergingen, und vor ein paar Tagen wollte ich dann Empire Total War erneut installieren. Ich will ja gerüstet sein, wenn der nächste Patch endlich See-Invasionen zu einer erlebbaren Situation macht. Längst habe ich das Spiel als Retailpackung, also schob ich die erste von zwei DVDs ins Laufwerk eines nagelneuen Rechners. Seltsam schnell war die Installation vorüber, und ich musste auch keine DVD nachlegen. Schon wurde Steam aktiv. Und begann, 15 GB downzuloaden. Sorry, was genau war nochmal gleich drauf auf der DVD? Wieso habe ich die eingelegt, wieso liegt die überhaupt in der Packung? Nicht, dass der Download schnell gegangen wäre: "Kann keine Verbindung zum Steam-Service herstellen" oder so ähnlich, beschied mich das kleine grüngraue Steam-Fenster. Erst nach 20 Minuten begann der Download, der viele, viele Stunden dauerte. Zufällig kam ich wieder zum PC, als gerade alles runtergeladen schien. Ich startete das Spiel. "Spielstart wird vorbereitet. Aktualisiere...... 0%" stand dort. Und zwar minutenlang. Dann stand hinten "1%". Und dann ging ich schlafen.

Entschuldigt die ausschweifenden Erklärungen, aber ich will doch das Folgende richtig verstanden wissen: SO GEHT DAS NICHT! Es gibt bereits Technologien, da lädt ein Spiel nur die ersten 10 Prozent runter, und kann dann gestartet werden. Wieso geht das beim Marktführer für Digitalen Vertrieb nicht? Wieso ignoriert Steam völlig, dass ich garantiert 90% der immer noch aktuellen Dateien auf einer DVD liegen habe, und aktualisiert folgerichtig nur die maximal 10%, die seitdem gepatcht wurden? Nicht, dass andere Download-Services keine Probleme hätten. Denkt nur an Demigod und Impulse, bei dem ein verfrühter Laden-Release dazu führte, dass erst die Fachjournalisten nicht die Vorversion spielen konnten und danach die Endkunden nicht reinkamen. Immerhin hat sich Stardock/Impulse bei den Spielern entschuldigt. Steam, so mein aktueller Eindruck, müsste sich bei jedem Programmstart dafür entschuldigen, dass es existiert.

Zur generellen Rüge

Wieso geben sie diesen Kostenvorteil nicht an ihre Kunden weiter?
Aber jetzt weg von meinem persönlichen Frust mit Steam und hin zu einer generellen Rüge: Wieso sind Digitaldistributions-Spiele nicht günstiger als die Retailfassung? Und zwar mindestens 10 Euro günstiger! Wer keine Packung im Regal stehen hat, muss mit Wartezeiten rechnen, vergisst vielleicht mal sein Passwort, er kann das Programm oft nicht weiterverkaufen, und schlimmstenfalls macht der Betreiber dicht, und das Spiel lässt sich gar nicht mehr nutzen. Okay, dafür komme ich auch am Sonntag an ein neues Spiel (wenn ich den Download frühzeitig starte), und in der Regel werden Patches automatisch aufgespielt. Aber das wiegt doch nicht die Nachteile wie ein fehlendes Handbuch auf! Hersteller sowie Digitalplattformbetreiber haben geringere Kosten auf diesem Weg, als wenn sie Packungen, Booklets und Datenträger produzieren und konfektionieren, und danach noch dem Lkw- oder Frachtschiff-Besitzer, dem Großhändler und dem Händler ihre Prozente zahlen. Wieso geben sie diesen Kostenvorteil nicht an ihre Kunden weiter?


Digitalvertriebsspiele sind zu teuer. Denn das Risiko wird auf den User abgewälzt, beziehungsweise diesem werden selbst dann die negativen Aspekte aufgebürdet, wenn er eigentlich die Retail-Version gekauft  hat. 10 Euro weniger, da bliebe immer noch genug für Valve sowie Hersteller und Entwickler über. Und die Digitalkunden würden eine Art eingebautes Schmerzensgeld für die Misshandlung ihrer Freizeit erhalten, die jederzeit eintreten kann. Wie installiere ich nochmal im Urlaub ein Steam-Spiel, wenn ich keinen Internetanschluss habe? 10 Euro weniger, das wäre eine faire Sache. Ich könnte das eine oder andere Eigentlich aus dem Vorspann streichen. Und den Kühlschrank wieder ans Stromnetz anschließen. Was meint ihr?

Euer Jörg Langer









 
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