Bernd Wener klagt an:

Die Mär vom Wiederspielwert Meinung

In vielen Tests, auch bei GamersGlobal, findet sich der Kritikpunkt "geringer Wiederspielwert". Einige Spiele versuchen euch mit Entscheidungen, die den Verlauf der Story beeinflussen, zu weiteren Durchläufen zu animieren. Aber sind mehrere Spielenden gleichbedeutend mit mehr Spaß? Lohnt es sich, zum Wiederholungstäter zu werden?
Bernd Wener 9. Juli 2011 - 19:58
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Ich lese immer wieder über ihn, habe ihn vermutlich selbst schon des öfteren beschrieben, und doch kann ich ihm persönlich nicht viel abgewinnen. Die Rede ist vom Wiederspielwert. Ein nicht ganz einfach messbarer Indikator dafür, ob es sich lohnt, ein Spiel mehrfach zu spielen. Hat ein Titel nur einen geringen Wiederspielwert, wird es oft dafür belächelt, eventuell sogar abgewertet. Doch handelt es sich hierbei wirklich um ein so wichtiges Kriterium, dass mich ein Spiel zum Wiederholungstäter machen möchte?

Wiederspielwert, was ist gemeint?
Paradebeispiele für Vertreter mit einem vermutet hohen Wiederspielwert sind in jüngerer Zeit die Spiele aus den Mass Effect- oder Dragon Age-Universen, Fallout 3 und New Vegas, The Witcher 2, aber auch Nicht-Rollenspiele wie beispielsweise Heavy Rain oder Infamous 2. Deren Wiederspielwert resultiert, so meine Wahrnehmung des allgemeinen Konsens, vor allem aus einer Reihe sich auf den Verlauf der Geschichte auswirkender Entscheidungen im Laufe des Spiels. Traditionell storylastige Titel wie Rollenspiele sind deshalb natürlich prädestiniert für einen verzweigten Entscheidungsbaum und unterschiedliche Storystränge.
Mit Wiederspielwert meine ich den unterschiedlichen Verlauf einer Geschichte

Selbstverständlich gibt es auch Spiele anderer Genres, die aus anderen Gründen über einen tatsächlich oder vermeintlich hohen Wiederspielwert verfügen. Sei es nun die Jagd nach sämtlichen Trophäen und versteckten Gegenständen in einem Zelda oder Darksiders, das Verwenden eines anderen Charaktertyps in Diablo, das Spiel mit Gut oder Böse in Fable 3 oder das Ausprobieren alternativer Strategien und Taktiken bei Starcraft 2. Vermutlich -- ich bin kein Sportspiel-Fan -- birgt auch der Verlauf einer simulierten Bundesliga-Saison einen entsprechenden Reiz. Doch davon rede ich hier gar nicht, und auch nicht davon, dass Globalstrategiespiele mit vielen (Shogun 2) oder unendlich vielen (Civilization 5) Ausgangssituationen wiederspielprädestiniert sind. Mit Wiederspielwert meine ich in diesem Fall vielmehr den unterschiedlichen Verlauf einer Geschichte. Ich möchte mir dazu zwei aktuelle Beispiele herauspicken: Infamous 2 (GG-Wertung: 8.5) und The Witcher 2 (GG-Wertung ebenfalls 8.5).

Cole MacGrath gegen Geralt von Riva
In Cole MacGraths Abenteuer steckt das Gut oder Böse schon im Titel: famous (berühmt) oder infamous (berüchtigt). Folglich entwickelt sich die Geschichte anders, je nachdem ob ich den netten oder den bösen Cole mime. Klingt doch super! Naja, vor allem auf dem Papier. In Wahrheit beschränken sich die Unterschiede auf einige wenige alternativ verlaufende Missionen und Zwischensequenzen, und andere verfügbare Waffen. Doch ob ich jetzt mit Haftgranaten oder zweifach explodierenden Doppelgranaten um mich werfen kann, ist mir verhältnismäßig egal. Das ändert nämlich nichts an der Tatsache, dass ich in weiten Teilen exakt das gleiche Spiel erlebe, durch dieselbe Stadt laufe und nur marginal unterschiedliche Nebenmissionen bestreite. Wäre es nicht für unseren Test gewesen, hätte mich Infamous 2 sicherlich zu keinem zweiten Durchlauf animieren können, obwohl es wirklich ein gutes Spiel ist.

Besser gelöst ist das schon in der Geschichte um den Hexer Geralt in The Witcher 2. An einer bestimmten Stelle im Spiel bereise ich abhängig von meiner Entscheidung zwei völlig unterschiedliche Spielgebiete, in anderer Begleitung. Und zum Schluss warten 16 unterschiedliche Enden. Doch andererseits: Wer bitte soll die alle erspielen? So gut ich das Spiel finde, ich verspüre schon jetzt wenig Lust, einen zweiten, dritten oder gar sechzehnten Durchgang zu wagen, um dann trotzdem in weiten Teilen wieder die gleiche Geschichte zu erleben, und nur ein geringfügig anderes Finale. Dazu fehlt mir nicht nur die Zeit, sondern auch die Lust: Es kommen so viele neue Titel auf den Markt, dass ich bei ihnen eine gänzlich andere Geschichte erleben kann.

Am Großteil der Spieler vorbei?
Gehen unterschiedliche Storystränge nicht an einem Großteil der Spieler vorbei?
Versteht mich nicht falsch, ich ziehe meinen Hut vor so viel Leistung in Sachen Story-Design, wie sie etwa die Mass-Effect-Serie bietet. Ich möchte auch Witcher 2 nicht schlecht reden. Mir ist außerdem bewusst, dass es sich wirtschaftlich nicht rentiert, quasi zwei Spiele in einem zu veröffentlichen. Doch gehen unterschiedliche Storystränge nicht an einem Großteil der Spieler vorbei? Ich vermute, dass die wenigsten Leute ein Spiel überhaupt auch nur beim ersten Mal komplett absolvieren, geschweige denn mehrfach. Wäre also die Leistung und Arbeitszeit der Entwickler nicht besser in einem weiteren Teil der Serie oder zumindest in einem ausführlichen Addon gewürdigt, das eine eigenständige, lineare Geschichte erzählt? Was bringen mir Dialoge, die ich nie höre, Cutscenes, die ich nie sehe, Levels, die ich nie erlebe? Oder soll gerade daraus, aus dem Wissen also, dass mein Spiel auch anders ablaufen könnte, wenn ich nur wollte, Spielspaß entstehen. Vielleicht funktioniert das bei euch (lasst es mich wissen!), aber bei mir will sich dieses Gefühl nicht so recht einstellen.

Wiederholter Karibik-UrlaubOder die Wahl vom Gut oder Böse spielen, die unter anderem Peter Molyneux in jedes seiner Spiele einzubauen versucht, seit er Spiele macht. Aber will ich das, böse sein? Wie vermutlich viele Spieler ertappe ich mich dabei, dann doch meistens "gut" zu Spielen, Leuten zu helfen statt sie abzuschlachten. Für mich könnte also der böse Part auch gerne einfach fehlen. Noch mal Fable 3 durchspielen, nur
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um am Ende als König einige andere A-oder-B-Entscheidungen zu treffen? Nicht mit mir.

Aber will ich das, böse sein?
Eines der wenigen Spiele, die ich überhaupt mehrfach gespielt habe, war das erste Crysis. Sicherlich nicht wegen einer übermäßig mitreißenden Geschichte, sondern vermutlich einfach wegen dem Karibikflair, dem zumindest stellenweise nicht-linearen Vorgehen innerhalb der Levels (dagegen habe ich nämlich nichts!), und einfach dem Spiel selbst. Vielleicht bin ich aber auch nur zu sehr Opfer unserer schnelllebigen Zeit: Ziel erfüllt, abgehakt, nächstes Spiel. Wie geht es euch? Seid ihr Wiederholungstäter oder auch ständig auf der Suche nach etwas Neuem? Ich freue mich auf eure Kommentare.

Euer Bernd Wener


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Bernd Wener 9. Juli 2011 - 19:58
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