Harald Fränkel denkt positiv:

Der Kunde ist König! Meinung

Ärgert ihr euch über Kopierschutzmaßnahmen, teure Downloadcontents oder aktuelle Hype-Themen wie Bewegungssteuerung und 3D? Kurz: Ihr seid erbost, dass Publisher null kratzt, was ihre Kunden WIRKLICH interessiert? Das muss nicht sein! Der berühmte Freizeitpsychologe Harald Fränkel erklärt, wie die Spiele-Welt wieder lebenswert wird.
Harald Fränkel 11. Juli 2010 - 23:40 — vor 13 Jahren aktualisiert
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Elf von zehn Deutschen sind notorische Nörgler – und unter Computer- und Videospielern ist die Quote noch deutlich höher. Das hat jetzt eine Studie ergeben, die ich in meinem Auftrag mit mir selbst durchgeführt habe, indem ich mich zu drei unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten anonym und repräsentativ befragte. So läuft das nämlich bei Studien, man sucht sich Probanden, von denen bekannt ist, dass sie das gewünschte Ergebnis liefern! Schnell drei 108-jährige Parkinsonpatienten vor einen PC geschnallt, auf dem ein indizierter Horror-Shooter läuft, und geguckt, ob die Herren danach beim Ankreuzen eines Fragebogens zittern – schon ist es Gesetz, dass Actionspiele die Nerven belasten und folglich negative Auswirkung haben. Politiker können dann entsprechend Bullshit labern.         
 
Die BITKOM-Studie enthüllt, dass Internetnutzer häufig E-Mails senden
Ja, Studien sind eine ganz tolle Sache, weil man irgendwie das gute Gefühl hat, es steckt eine Menge Wissenschaft und Knoff-hoff dahinter. Wenn ich mir etwa eine Untersuchung des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Neue Medien (BITKOM) vom vergangenen Jahr anschaue, kann ich einfach nur anerkennend nicken: Sie enthüllte nämlich: 85 Prozent aller Menschen mit Online-Zugang verschicken Post übers Netz. Hallo? Ist das nicht verblüffend? Die BITKOM-Studie kommt zu dem sensationellen Schluss, dass Internetnutzer häufig E-Mails versenden! Hölle, Hölle, Hölle, da wäre ich nie drauf gekommen. Doch ich schweife ab.
 
Immer nur Buhhh!-Rufe
 
Also, Computer- und Videospieler sind notorische Nörgler. Darum soll's in dieser Kolumne gehen. Und vor allem, wie wahnsinnig mir das auf den Sack geht. Schauen wir uns nur mal die Kommentare zu drei Meldungen dieser Woche an: Yves Guillemot verteidigt den Kopierschutz von Ubisoft, unter anderem anhand der Beispiele Assassin's Creed 2 und Silent Hunter 5. Reaktion: BUHHH! Zu Die Siedler 7 erscheinen drei neue Karten, die man für knapp vier Euro herunterladen kann. Reaktion: BUHHH! Blizzard wollte, dass Nutzer der Starcraft- und World of Warcraft-Foren demnächst nur noch unter ihrem echten Namen posten. Reaktion: TRIPLEBUHHH! Als die Jungs die Entscheidung dann zurücknahmen, wollte wieder keiner glauben, dass dies wegen der vielen Proteste aus Kundenfreundlichkeit geschah – sogar der Idiot, der bei GamersGlobal immer den Wochenrückblick für Lesefaule macht, hackte ganz fies darauf rum. BUHHH, kann ICH da nur grölen!
 
Zauberworte: positiv und denken
 
Also bitte Leute, wollt ihr denn nicht begreifen, dass Spielehersteller immer nur euer Bestes wollen? Zugegeben, mir ist auch erst in jüngster Zeit bewusst geworden, wie bemüht die mutterteresahaften Spielspaßunternehmen sind, ihre Kundschaft glücklich zu machen. Jetzt weiß ich: Die tun alles, was wir als Kunden uns wünschen! So. Und damit wir das alles auch fein glauben können, wenden wir eine kognitive Therapieform an. Die Zauberworte lauten „positiv“ und „denken“. Lasst es uns doch mal gemeinsam versuchen! 
Also: Wer wünscht sich schon frischen Download-Content für das grandiose Heavy Rain? Zum Glück wissen die Hersteller, was uns als hyperaktiven Aufmerksamkeitsdefizitstörung-Opfern wirklich wichtig ist, nämlich diesen exzellenten Titel noch einmal mit Bewegungssteuerung durchspielen zu können! Dafür stellt man folgerichtig die Entwicklung zweier geplanter Download-Episoden ein, was alle frohlocken lässt. Alle bis auf euch Meckerheinis natürlich, die das intellektuell nicht überreißen. Strengt euch halt mal ein bisschen an, holt tief Luft – und sagt euch, wie spitze es wird, wild zuckend und kalorienverbrennend vor dem Fernseher abzuspacken, als hättet ihr die Epilepsiewarnung im Handbuch nicht gelesen. Hängt vielleicht noch den motivierenden Ausruf „Tschaka!“ an.
 
Dass der Kunde König ist, beweisen auch die Macher des bald erscheinenden Starcraft 2: Für dieses Werk kommen nämlich per Patch Antialiasing und, noch viel wichtiger, ein lebensnotwendiger 3D-Modus nach, während der Forderung einiger weniger Irrer, die auch im lokalen Netzwerk daddeln wollen, eine Absage erteilt wurde. Lasst es uns gemeinsam sagen: Das finden wir voll toll! Vielleicht fügt ihr ja zur Wirkungsverstärkung noch ein geschmettertes „Juchee!“ an. Na, geht es euch nicht schon viel besser? 
 
Rundum-Service
 
Kundenfreundlich war ferner der Vorstoß von Electronic Arts, sogenannte Online-Pässe einzuführen. Ihr Doofies checkt das bloß nicht! Dabei hat es EA-Obermotz John Riccitiello doch selbst für Minderbemittelte sooo toll erklärt: Wenn Gebrauchtkäufer künftig noch mal 10 Euro extra abdrücken, um in den Genuss der Mehrspielermodi zu kommen, mindert das den Wert der Games nämlich keinesfalls, es steigert ihn sogar! „Vor Jahren haben wir Spiele produziert und das Entwicklerteam hat sich nicht weiter darum gekümmert. Heute verbessert es die Titel ständig, bietet nachträglich neue Inhalte“, stellte John-Boy fest, und schloss mit den selbstbewussten Worten „Wir verkaufen Service!“ Das war jetzt der Kern der Aussagen auf Deutsch. Weil euch Forentrollen das natürlich wieder nicht reicht, hier Riccitiellos Weisheit in einer nuhr für euch verständlichen Sprache: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal Fresse halten. 
 
Bei Steam zahle ich gern 59,99 Euro, statt woanders weniger als die Hälfte
Wenn ich euch all diese guten Taten geballt vor Augen führe und ihr euch ganz dolle einredet, dass alles gut wird, stellt ihr doch sicher auch fest: Die Publisher hören in letzter Zeit immer mehr darauf, was Spieler wirklich wollen! Noch ein paar Wohltätigkeitsbeispiele in Kurzform: Handbücher wegzulassen schützt die Umwelt, unsere Kinder und damit auch unsere Rente … sowie Analphabeten vor peinlichen Situationen. Die Lieferung von Spielen via Online-Plattform Steam geht derart schneller, dass ich für Modern Warfare 2 gern mal 59,99 Euro zahle, statt woanders weniger als die Hälfte davon – weil Zeit ja auch Geld ist. Und die Lüge, der Ego-Shooter von Infinity Ward sei in Deutschland nicht geschnitten, bewahrt mich vor Gräueltaten in einem virtuellen Flughafen, sodass ich nicht mit Kinderschändern gleichstellt werde.
 
So wirst du Millionär
 
Jetzt aber kommen erst die richtigen Knüller: Wenn ich für Siedler 7 drei neue Karten für 3,99 Euro kaufe, dann spare ich gegenüber der gleichen Zahl neuer Modern Warfare 2-Maps fette 10 Euro. Ich muss das preisgünstigere Ubisoft-Paket also lediglich hunderttausendmal herunterladen, um so viel zu sparen, dass ich plötzlich Millionär bin. Fallen die für den Einzelspielermodus nötigen Silent Hunter 5-Internetserver aus, ärgere ich mich a) nicht wegen der vielen blöden Bugs im Spiel herum und habe b) mehr Zeit für Geschlechtsverkehr. Jahaaa, ich bin eben ein unverbesserlicher Optimist. Für alle, die so sein wollen wie ich, drei letzte Ratschläge: Psilocybe semilanceata heißt der Pilz, der alles noch viel leichter macht, man sollte ihn rauchen, und ein guter Pilz dauert sieben Minuten. Danach habt ihr Activision, Electronic Arts & Co so dolle lieb wie die spanische Nationalelf. In diesem Sinne: Schönes Leben noch!
 
Euer Harald Fränkel
 
PS: Wer seine Meinung über diese Kolumne im Kommentarbereich kundtun möchte, darf dies nur unter Angabe seines Realnamens und seiner Adresse tun. Damit ich ihn mal besuchen kommen kann. Besonders, falls die Kritik negativ ausfällt, ist ein gegenseitiges Kennenlernen nicht ausgeschlossen. 
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