Mick Schnelle nerven die...

Abenteuer auf Raten Meinung

Mick Schnelle hat als Games-Veteran Rollenspiele am Computer schon gespielt, als diese noch mit 8x8-Pixel-Sprites auf den Röhrenfernseher gezaubert wurden. Er mag eigentlich auch Dragon Age. Aber er mag es gar nicht, wenn ihm mitten im Spiel Charaktere Zusatzinhalte anbieten, die er nur gegen Registrierung und Geld spielen kann.
Mick Schnelle 11. November 2009 - 10:40 — vor 14 Jahren aktualisiert
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Der Schock kam beim Öffnen des Questjournals.
Für mich gibt es kaum ein schöneres Gefühl im Spielerleben, als wenn ich ein nagelneues Rollenspiel auf die Festplatte geschaufelt habe und mich dann zum allerersten Mal in dessen phantastische Welt begebe. Das ist immer wie der Beginn einer großen Reise in ferne Fantasy-Universen voller Gefahren, Abenteuer und (hoffentlich) einer spannenden Geschichte, die ich von Anfang bis zum Ende miterlebe. Derart gut gelaunt startete ich auch Dragon Age, den legitimen Baldur’s Gate-Nachfolger. Doch der Schock kam beim Öffnen des Questjournals: Prominent platziert überfällt mich Dragon Age mit dem Hinweis, doch gleich zwei Zusatzabenteuer zu kaufen. Und zwar für richtiges Geld. Im Fall von „Wächter der Festung“ zusätzlich zum Kaufpreis, den ich für das Hauptprogramm ja schon bezahlt habe. Ehrlich gesagt war ich erstmal sauer und hatte keine Lust mehr, ins lauschige Ferelden zu reisen.
 
Teurer Stundentarif
 
Inhaltlich sind die neuen Missionen bestenfalls auf Ganz-ordentlich-Level.
Jetzt wird mir die quirlige Marketingabteilung des Herstellers sicher gleich erzählen, dass die Zusatzinhalte ja auch hochwertig, umfangreich und aufwändig produziert wären. Tja, dem kann ich nur widersprechen. Denn die „Wächter der Festung“-Quest -- die ich mir tatsächlich downgeloadet habe, ich will ja für diese Kolumne im Thema sein --, konnte ich ohne große Eile binnen einer Stunde lösen. Eine Stunde für 7 Euro? Da gibt es wesentlich lohnendere Zeitvertreibe. Inhaltlich sind die neuen Missionen bestenfalls auf Ganz-ordentlich-Level, spektakulär sind sie aber keinesfalls. Zugegeben, so dreister Nepp wie die berühmte Pferdedecke in Oblivion sind sie nicht. Doch der zusätzliche Entwicklungsaufwand rechtfertig den hohen Preis auf keinen Fall, eher wirken die neuen Abenteuer, als wären sie zusammen mit den anderen in einem Guss entstanden.
 
Um es mal böse zu formulieren: Würde Bioware keine Zusatzinhalte anbieten und verkaufen wollen, wären die Kaufquests garantiert auch so im Programm enthalten gewesen. Sie passen viel zu nahtlos ins Szenario. Das ganze wirkt eher, als hätte man sie einfach als "kostenpflichtig" umdeklariert und aus dem Spiel entfernt worden, nur um sie für teuer Geld separat an den gutgläubigen Rollenspieler zu bringen.
 
Wie die Billigflieger

Und wer jetzt sagt, "Man muss die Zusatzquests ja nicht kaufen!", der hat natürlich Recht. Nur mag ich es nicht, wenn ich stolze 45 Euro für ein Programm ausgebe (und auf Konsole ja noch mehr), und dann schon beim Start erfahre, was mir alles so entgeht, sofern ich nicht bereit bin weitere 7 Euro zu bezahlen. Und wer weiß, wie teuer es noch wird, denn Bioware plant, die nächsten zwei Jahre ständig neues Zeugs für Dragon Age anzubieten.

Das grenzt für mich schon an moralische Erpressung und erinnert eher an dubiose Visitenkarten-Anbieter im Internet oder Billigfluglinien. Bei ersteren sind die Visitenkarten quasi umsonst, aber wenn man sie nicht erst in 3 Monaten, sondern sofort geliefert haben will, kostet das mächtig Aufpreis. Ach, in Farbe wollten Sie es haben? Ratsching! (das war die Kasse). Und ohne unsere Werbung auf der Rückseite? Ratsching. Und bei den Ryanairs dieser Welt weicht der finale Preis fürs Ticket auch stets auf wundersame Weise vom ursprünglichen Angebot ab.

Ich finde: Bezahlinhalte haben in einem Solospiel absolut nichts verloren. Denn dadurch habe ich nie den Eindruck, das vollständige Spiel zu besitzen, stets glaube ich, es entgeht mir etwas. Und dieses Gefühl zieht sich natürlich bis zum Schluss durch und verdirbt mir letztlich auch das Ende. Also den Moment, in dem man alle Abenteuer gelöst hat und sich entspannt zurücklehnt und seinen wohlverdienten Helden-Ruhestand genießt. Das ist doch der Hauptunterschied zu einem Online-Rollenspiel, das sich ja stets im Fluss befindet. Wo ich das aber auch vorher weiß und keine Alternativen habe. MMOs sind eben so. Normale Rollenspiele sollen so nicht werden!
 
Der Sing-Star-Fluch

Es ist aber auch ein gewaltiger Schritt in die falsche Richtung!
Um nicht zuviel zu meckern: Dragon Age ist ein wirklich tolles Rollenspiel, mit einer exzellenten Atmosphäre, wundervollen Zwischensequenzen, klasse Charakteren und einer Inszenierung, die derzeit ihresgleichen sucht. Es ist aber auch ein gewaltiger Schritt in die falsche Richtung! Eine Richtung des Dauerbezahlens für Solospiele, was bei den Sing Stars und Rock Bands dieser Welt auf den Konsolen leider schon üblich ist. Doch während man da noch argumentieren kann, dass sich so die Fans einer Gruppe auf diese "spezialisieren" können, und wohl auch niemand erwartet, dass ein Musikspiel gleich mit 500 Songs ausgeliefert wird, liegt der Fall bei Rollenspielen anders. In Rollenspiele geht es um Story. Und die will ich als Ganzes, so wie ein gutes Buch, bei dem ich ja auch nicht immer neue Kapitel nachgeschoben bekommen möchte. Ich will ein ganzes Spiel, das für sich selbst steht mit einer Story, die in sich schlüssig und rund und vor allem abgeschlossen ist. Keinen Flickenteppich, den ich alle paar Wochen erweitern muss.

Was meint ihr?

Euer Mick Schnelle

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