Interview: Gameskonzerte-Pionier

Thomas Böcker zu Symphonic Odysseys Interview

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Die Abendvorstellung von Symphonic Odysseys war so begehrt, dass sie bereits nach zwölf Stunden ausverkauft war. Foto: Philippe Ramakers

GamersGlobal: Was waren die größten Hürden?
 
Thomas Böcker: Ich habe angerufen und E-Mails geschrieben, doch die Publisher wussten nicht so wirklich, was ich überhaupt wollte. Niemand konnte sich vorstellen, dass da jemand ihre Musik in einer Konzerthalle aufführen möchte.Dann mussten Ansprechpartner gefunden werden. Man musste überlegen: „ Ist das jetzt PR, ist es Promotion, ist es jetzt eher etwas mit Lizenzen?“ Das ist alles eben ein bisschen damit verbunden.
 
Eine weitere Hürde: Wir dachten, dass bei Titeln wie etwa Shenmue Noten vorhanden sein müssten. Denn es war bereits Musik mit einem Orchester aufgenommen worden, für die Orchester-CD. Es stellte sich dann aber dabei heraus, dass die Noten irgendwie verloren gegangen sind. Shenmue war keine Ausnahme, das gab es bei vielen Projekten. Also  mussten wir dann viele MP3s anhören und irgendwelche Fragmente verbinden, die sie dann doch noch irgendwo gefunden hatten, und diese neu orchestrieren. Dieser Prozess war nicht unmöglich, aber es hat dann doch viel Extra-Arbeit gekostet.
 
GamersGlobal: Also ist scheinbar sehr viel Detektivarbeit dabei gewesen.
 
Thomas Böcker: Ja, sehr viel. Man muss ja auch immer bedenken, dass diese Partituren für unterschiedliche Orchester geschrieben wurden. Manchmal für 90 Musiker, dann wieder für 60. Wir mussten das alles irgendwie miteinander abstimmen und eine Balance finden. Bei den Leipzig-Konzerten haben wir sehr viele Dinge ausgeliehen oder Originalpartituren benutzt, wenn es sie denn noch gab. Da gab es eben diese verschiedenen Setups der Orchester. Heute ist es dann mehr so: Wenn etwa Jonne Valtonen etwas arrangiert,dann ist das wirklich maßgeschneidert für eine bestimmte Orchestergröße und eine bestimmte Zahl von Sängern. Das macht dann qualitativ auch noch mal sehr viel aus.  
 
Uematsus frühe Werke: King's Knight (NES, 1986), Final Fantasy (NES, 1987) und Chrono Trigger (SNES, 1995)

GamersGlobal: Wie haben sich Videospiele in den letzten 20 Jahren verändert?

Thomas Böcker:
Sie sind auf jeden Fall sehr viel kommerzieller geworden. Früher haben ein, zwei Leute an einem Spiel gearbeitet und alles gemacht, die Grafik, die Programmierung und eben auch noch die Musik.
Heute sind Videospiele ein Millionengeschäft, da wird anders draufgeschaut. Mir fehlt aber heutzutage häufig das Herzblut. Insofern ist jetzt nicht alles besser geworden, aber auch nicht alles schlechter. Es ist halt größer geworden. 
 
In der 8- oder 16-Bit-Zeit mussten die Komponisten wirklich ganz genau nachdenken
Grafisch ist natürlich alles schicker. Aber besser? Es geht mir bei der Musik auch so: Nur weil sie heute oft mit Orchestern aufgenommen wird, muss sie nicht zwangsläufig besser sein. In der 8- oder 16-Bit-Zeit mussten die Komponisten wirklich ganz genau nachdenken: „Ich hab nur drei, vier Stimmen zu Verfügung, ich kann nicht einfach irgendwo mal so ein Sample einbauen.“ Sie mussten also noch genau nachdenken, wie die Melodien aufgebaut werden mussten, das war in sich schon eine Kunst. Das sind dann genau die Dinge, die wir bei uns im Arrangement mit einfließen lassen, wenn wir heute 8- oder 16-Bit-Soundtracks orchestrieren. Wir überlegen dann: „Der Komponist hatte damals diese limitierten Möglichkeiten. Wie können wir am besten umsetzen, was er damals vermutlich gefühlt hat und ausdrücken wollte? Welche Inspirationen hatte er vielleicht?“

GamersGlobal: Wie sieht der Alltag eines Produzenten für Videospielmusik-Konzerte aus?

Thomas Böcker:  Zunächst einmal muss man die Idee haben. Dann bespricht man das Konzept mit den ganzen Geldgebern, mit den Arrangeuren und wie die dazu stehen. Wenn dann irgendwann die Richtung klar ist, beginnen die Gespräche mit den Publishern wegen Lizenzierungen, Rechten und so weiter. Danach beginnt der interessanteste Aspekt: die Ausarbeitung des Konzepts. Man bringt Ideen ein, macht mit den Arrangeuren Brainstorming, sammelt alles. Überlegt, wie und welche Stücke man umsetzen könnte. Bei unseren Arrangeuren ist es dann so, dass sie die Spiele häufig kaufen, wenn sie sie nicht kennen. Roger Wanamo und Jonne Valtonen sind da immer ganz fleißig! Sie wollen ein Gefühl dafür bekommen, was sie da machen, um die Atmosphäre in das Orchester übertragen zu können. Ab diesem Punkt ist es dann eine Fleißarbeit: Ich überwache Deadlines, kümmere mich um die Bewerbung des Konzerts, beantworte Fragen der Arrangeure. Wir beraten auch sehr viel im Team über jeden einzelnen Schritt. Ich bekomme immer einzelne Fragmente geschickt, wobei mich die einzelnen Arrangeure fragen: „Ist das jetzt die richtige Richtung?“ Dann kommen auch noch irgendwann Leute, die Texte fürs Programmheft brauchen, es geht um Rechte für Artworks, auch für eine zugehörige Website. Wir sitzen schon so sechs Monate an jeder Konzertreihe.
 
Thomas Böcker im Publikum von Symphonic Odysseys. Als Zugabe gab es das Ending Theme aus Final Fantasy X und ein Battle-Medley aus Final Fantasy VII. Foto: Philippe Ramakers
Spiritogre 19 Megatalent - 13401 - 13. Juli 2011 - 19:24 #

Danke für das schöne Interview.

Ich habe mir das Konzert vorgestern noch als Stream auf der WDR Seite angesehen und ich hielt es für durchwachsen, schließe mich der allgemeinen Euphorie also nicht unumwunden an, auch wenn es teilweise sehr gut war.

Bei vielen Titeln hatte ich ein "P" im Gesicht: "Wo ist das her?", einige habe ich aber auch wiedererkannt. Dennoch habe ich deswegen einen Großteil der Zeit anderes gemacht und das Konzert im Hintergrund dahinplätschern lassen, weil mir einfach die wirklichen Highlights fehlten.

Und nein, das liegt nicht an einer Abneigung gegen klassische Konzerte, ich war sogar schon auf einigen, weil die Bekannte einer Freundin meiner Frau "Star-Pianistin" ist (Shin-Heae Kang) und ein entfernter Bekannter hat mal eine Zeit lang in einem Orchester Horn geblasen.

Und PS: Der momentan bei Spielern so gehypte Benyamin Nuss ist von dem Niveau der Kang noch ziemlich weit entfernt, wenn man da so zuschaut - und die ist auch erst 23 oder 24.

Und obwohl mir Spielemusik, insbesondere von Uematsu, sehr zusagt, fand ich es eben stellenweise langweiliger als die anderen Konzerte (wo ich meist gar kein Stück kannte).

André Mackowiak 13 Koop-Gamer - 1363 - 13. Juli 2011 - 22:03 #

@Tassadar/ASDF: Danke für die Verbesserungsvorschläge - wir schauen noch mal rein.

@Spiritogre: Was hätte man am Konzert besser machen können und welche Videospielmusik würdest du dir noch im einem Konzert wünschen?

Spiritogre 19 Megatalent - 13401 - 14. Juli 2011 - 15:57 #

Der Moderator hätte einen Tick "kompetenter" rüberkommen können. Aber das ist verständlich, wenn eine solche Person nicht so in der Materie steckt.

Mir persönlich ist bei einem solchen Konzert halt der Wiedererkennungswert wichtig. D.h. es können gerne auch mal "unbekannte Perlen" einfließen aber das Augenmerk sollte auf den "bekannten Hits" liegen.

boman 13 Koop-Gamer - 1798 - 13. Juli 2011 - 23:02 #

Schönes Interview, danke dafür :)

Vielleicht noch als Ergänzung: Wer danach (wie ich) Lust bekommen hat, sich den Stream auch noch mal nachträglich anzusehen, das hier müsste der Link sein:

http://www.wdr.de/mediathek/html/regional/2011/07/09/wdr4_samstagskonzert.xml

Pro4you 19 Megatalent - 16342 - 14. Juli 2011 - 0:43 #

Ich fand das Abend Konzert großartig!
Beim Titel Silent Light aus Chrono Trigger, hat man ganz am Anfang echt Leute leicht lachen gehört, weil es halt so ungewohnt war. Mir hat das Stück nicht so gefallen, wie vielleicht anderen..es war aber mal was anderes. Ansonsten ein sehr schönes Konzert.

Die Schlange für die Uematsu Autogramme war so lang, dass ich sowie viele andere gar nicht bemerkt haben, dass Uematsu irgendwann schon weg war^^ Das war ein bisschen enttäuschend. 2 Autogramme von Benjamin Nuss, sind aber auch nicht schlecht^^

Das Konzert fand ich wirklich ziemlich gut, auch wenn ich Symphonic Fantasies von vor 2 Jahren, etwas besser fand^^

Kappi 15 Kenner - 3287 - 14. Juli 2011 - 4:03 #

sympatischer Mensch und schönes Interview.. ich wollt ja auch schon immer mal auf ein solches Konzert, einzig mangelts an Zeit und Geld..

Aladan 25 Platin-Gamer - P - 57121 - 14. Juli 2011 - 16:30 #

Danke für das Interview, ich muss sagen, ich fand bisher jedes der Konzerte toll und wäre auch gern mal live dabei. Vielleicht klappt es ja irgendwann mal.

beagel 10 Kommunikator - 403 - 16. Juli 2011 - 17:59 #

Das Konzert klang live weitaus besser als auf youtube (ich denke mal das war dann der Stream), nur der Nuss war auch dort eher schlecht: gegen das Orchester gespielt und auch nervig verkünstelt (z.B.: wer To Zanarkand flirrend spielt und Profimusiker ist, macht was falsch).
Das Problem bei Silent Light ist das man es normalerweise garnicht richtig bemerkt das spielt nur in der Kirche, nichtmal hintendran, soweit ich mich erinnere. Und Uematsu hat halt nur wenig bei Chrono Trigger gemacht.
Ich fands übrigens klasse das gerade die FFs drankamen die mir sehr gut gefallen, 5, 6, 7 und der beste von allen 10.
Und ich muss doch mal protzen: von unseren Sitzen hätten wir auf die Bühne spucken können, und wir hätten sitzend Uematsus Leibwächter treten können, die Gruppe saß eine Reihe vor uns, auf der anderen Seite des Durchgangs :-)

Asto 15 Kenner - 2904 - 20. Juli 2011 - 18:25 #

Danke für das klasse Interview, das erinnert mich an eine Sache die ich auch nochmal machen wollte...

T_Prime 16 Übertalent - P - 4700 - 20. Juli 2011 - 20:07 #

Danke für das sehr gelungene Interview. Auf jeden Fall würde ich mich sehr freuen, wenn das WDR Rundfunkorchester auch weiterhin Konzerte dieser Art aufführen würde, auch wenn es vorerst das letzte "Symphonic-Konzert" gewesen war. Ich werde versuchen nächstes Jahr bei der Wiederaufführung von Somphonic Fantasies dabei zu sein, da ich 2009 dieses Konzert leider verpasst habe.
Symphonic Odysseys war für mich jedenfalls wieder eine großartige Erfahrung. Allein Nobuo Uematsu live zu sehen, ist schon etwas ganz Besonderes.