Die Charaktere sehen detailliert aus und werden unserem Eindruck nach auch überzeugend animiert.

Die erste Kopfgeldjagd

Im GTA-Stil zeigt eine Minimap mit Symbolen und Buchstaben, wo ungefähr ihr was in der Welt findet -- allerdings stehen die beiden seitlichen gekurvten Balken in Red Dead Redemption für andere Dinge, nämlich (links) für die Ausdauer eures Pferds und (rechts) für euer "Dead Eye"-Konto. Das mit der Pferdeausdauer sollte klar sein: Wenn ihr ständig im gestreckten Galopp umherdüst, macht euer Gaul im entscheidenden Moment schlapp. Das Dead Eye aber ist der RDR-Name für "Bullet Time"; wenn ihr sie aktiviert, könnt ihr mehrere Schüsse auf einen oder mehrere Gegner verteilen, und sie danach in Serie abfeuern.

Ein gestellter Screenshot, der aber die von uns gesehene Rasanz der Gefechte durchaus rüberbringt.

Der flüchtige Ramiro de la Torre soll sich in der Nähe einer kleinen Schlucht aufhalten. Einige Zufallsbegegnungen später (überraschend aggressive Wölfe bringen unser Pferd zu Fall, außerdem retten wir erst einen überfallenen Händler vor seinen Peinigern, um ihn danach selbst zu erschießen) kommen wir dort an. ("Wir" schauen übrigens nach wie vor auf unserer Ledercouch sitzend nur zu, wie ein Rockstar-Mitarbeiter spielt, während zwei andere das Geschehen für uns kommentieren -- aber so liest sich das besser...). Dummerweise eröffnet bei unserem Heranschleichen an die Zielhütte eine ganze Horde von Gefolgsleuten des Gangsters das Feuer auf uns, während der Bösewicht selbst zu fliehen versucht. Zum Glück können wir in Red Dead Redemption hinter so ziemlich allem in Deckung gehen, was uns auch im echten Leben Schutz bieten würde, etwa Mauern, Felsbrocken oder auch der Leib eines getöteten Pferdes. So schaffen wir es, einen Pistolero nach dem anderen auszuschalten und dann dem flüchtigen de la Torre nachzusetzen. Wir fangen ihn per Lassowurf, statt ihn zu töten -- indem wir es per Tastendruck aus einem Kreismenü auswählen und dann werfen. Dann verschnüren wir den Gangster zu einem handlichen Paket, dass wir hinter uns übers Pferd legen, und reiten zurück zur Siedlung.

Dass der Rebellengeneral Raze ein Halunke ist, wisst ihr dank der gelungenen Charakterzeichnung sofort.

Rebellen und Soldaten

Zurück im mexikanischen Nest, kassieren wir erst mal das Kopfgeld. Mittlerweile ist es Nacht geworden, im und vor dem Saloon ist eine Menge los. Da bemerken wir eine Schießerei zwischen Soldaten und einigen dunklen Gestalten. Wir helfen letzteren, sie stellen sich als Rebellen heraus. Unser Angriff auf die Soldaten hat unseren Fahnungslevel stark erhöht, und wie bei GTA 4 müssen wir so schnell wie möglich raus aus einem bestimmten Radius um den Ort des Verbrechens herum. Das aber stoppt nur die unmittelbare Verfolgung; unser "Wanted"-Status bleibt uns erhalten. Wir können jedoch durch Dienste für die offizielle Seite oder durch eigenhändiges Bezahlen des auf uns ausgesetzten Kopfgeldes unsere Weste wieder reinwaschen. Versäumen wir das jedoch, steigt das Kopfgeld immer weiter, bis wir von jedem Hilfssheriff, der ein Brotmesser halten kann, angegriffen werden.

Wenn ihr Forts oder andere Außenposten von Banditen zurückerobert, gibt's ein Begnadigungsschreiben.

In unserem Fall helfen wir zur Reinwaschung unseres Sündenregisters dabei, das Campo Mirada von Banditen zu säubern. Es gelingt uns, wir erhalten ein Gnadenschreiben, und unser Kopfgeld steht wieder auf Null. Neben solchen Nebenquests, den Zufallsbegegnungen und der Haupthandlung existiert in jedem der drei großen Gebiete auch eine "Regionalstory". In Mexiko ist das die Rebellion gegen die Regierung, in die ihr natürlich prompt verwickelt werdet. Wir überraschen den Rebellenführer Abraham Raze bei einer nicht unbedingt jugendfreien Szene, die sich um eine Magd und einen Holztisch dreht -- und erleben einen typischen GTA-Charakter: Vverschroben, charakteristischer (in diesem Fall: mexikanischer) Akzent, seltsame Ansichten. Auch wenn wir natürlich nicht auf schwarze Gangstas, russische Hitmen und andere zeitgenössische Unterweltsgestalten treffen, hält offensichtlich auch der Wilde Westen ein ausreichendes Sammelsurium an Durchgeknallten und Eigenartigen parat...

Ob wir, wie hier angedeutet, tatsächlich Häuser bis auf die Grundmauern niederbrennen können, wissen wir nicht.

Die Rebellen wollen also die Militärregierung stürzen, im Laufe des Spiels wächst sich diese gefährliche Situation zum Bürgerkrieg aus. Und wir machen mit, reiten mit einer Gruppe Aufständischer zu einem Fort, helfen bei dessen Eroberung -- indem wir einen mit Sprengstoff gefüllten Pferdewagen halsbrecherisch bis zum Tor bugsieren. Dann schießen wir uns den Weg ins Innere frei. Doch während im Innenhof des Forts und auf den Palisaden noch das Gefecht tobt, durchstöbern wir die Räume nach unserem eigentlichen Ziel -- einem unserer ehemaligen Gangsterkameraden. Wir können währenddessen durch die Fenster nach draußen sehen (und schießen), befinden uns also nicht in einem eigenen Level, während wir in den Innenräumen unterwegs sind. Kurz darauf, das Fort ist erobert, setzen die Regierungstruppen zum Gegenangriff an. Wir bemannen eine Kanone über dem Tor und reduzieren die Zahl der Gegner, die es bis ins Fort schafft. Und helfen schließlich dabei, auch die letzten davon zu töten.

Dank der für Animationen benutzten und anscheinend überarbeiteten Euphoria-Engine sehen die Feuergefechte auf nahe Distanz sehr überzeugend aus, Gegner können beispielsweise von Palisaden fallen, ihr könnt gezielt auf Beine schießen. Für die eigentliche Weltdarstellung ist eine kräftig aufpolierte Version der Rockstar Advanced Game Engine (RAGE) verantwortlich.

Dank "Dead Eye"-Fähigkeit haben wir in diesem Duell mehrere Schüsse "geplant", die dann in schneller Folge von unserem Helden abgegeben werden. Dem Banditen bleibt keine Chance.

Eine Prise Rollenspiel

Einige Features von Red Dead Redemption erinnern an ein Rollenspiel light, darunter euer Inventar oder das Ehre- und Ruf-System. Wenn wir es richtig kapiert haben, stellt ersteres quasi euren Erfahrungslevel dar, der mit erfolgreichen Missionen steigt. Der Ruf hingegen gibt an, ob ihr wie ein gemeiner Gangster oder aber wie ein aufrechter Westernheld agiert. Angeblich reagieren die Menschen in den Städten und Ortschaften anders auf euch, abhängig von diesen Werten.

Auch sonst konnten wir bereits viele Details bewundern. So könnt ihr euer Pferd mit einem Pfiff herbeirufen (oder es einen Dieb abwerfen lassen, der es gerade klauen will). Im Spiel verteilt findet ihr Schatzkarten, die aber nicht einfach einen Punkt auf der Minimap markieren, sondern beispielsweise einen markanten Steinbogen zeigen -- den ihr dann durch Erkunden der Umgebung tatsächlich in der Landschaft finden müsst. Manche Missionen werden mit Unique Items belohnt, oft aber gibt es wohl einfach Geld, mit dem ihr euch in dem guten halben Dutzend von Waffenkategorien (wie Pistole, Schrotflinte oder Gewehr) besser eindecken könnt.

Das über die Nase gezogene Kopftuch erfüllt (im voraus) einen ähnlichen Zweck wie das Umlackieren eines GTA-Wagens: Nehmt ihr es nach der Tat ab, sinkt euer Fahndungslevel.

Die Missionen sind nun offener gehalten: Habt ihr in GTA erstmal einen Auftrag angenommen, könnt ihr währenddessen keinen zweiten erfüllen. Bei Red Dead Redemption soll es hingegen möglich sein, auch bei aktivem Storyauftrag eine Nebenmission anzunehmen und zu erfüllen. Das Campen haben wir ja schon erwähnt, aber was passiert, wenn ihr das Zeitliche segnet? Dann landet ihr nicht vor einem Krankenhaus wie in GTA, sondern in einem "Safe house",  das war in unserem Fall ein einsames Gehöft.

Das alles klingt nicht nur gut, es sah auch sehr gut aus -- wir freuen uns wirklich sehr darauf, aber 30. April 2010 den Wilden Westen unsicher zu machen. Auch wenn vieles im Spiel an GTA erinnert und Charaktere und Situationen den typischen Rockstar-Humor atmen, handelt es sich doch erkennbar um ein eigenständiges Produkt -- und nicht nur um das bekannte Spielsystem, das in den Wilden Westen verpflanzt wurde.

Eine bittere Nachricht können wir euch nicht ersparen: Da es bislang keinerlei Anzeichen von einer PC-Fassung gibt, dürfte Rockstar ein ähnliches Timing anpeilen wie bei den GTA-Spielen: Erst die Fassungen für Xbox 360 und PS3, und ein gutes halbes Jahr später die PC-Version. Wohlgemerkt, offiziell angekündigt ist eine Umsetzung für Windows bislang nicht.

Autor: Jörg Langer

 

Red Dead Redemption Angetestet am 15.12.2009 Sehr gut Schulnoten-Skala

Vorläufiges Pro & Contra Große, trotz Kargheit "lebendige" Spielwelt Hohe Sichtweite Tolle Animationen, realistisch aussehende Pferde Kleines Wirtschaftssystem, etwa Tiere häuten Wilde Schießereien auf Kurzdistanz Atmosphärische Licht- und Wettereffekte Drei große Spielgebiete mit eigenem Grafikstil und eigener "Regionalstory" Überzeichnete Charaktere, die dennoch (halbwegs) authentisch wirken Hoffentlich übertreibt es Rockstar San Diego nicht mit sich wiederholenden Neben-Missionen à la Fortbefreiung, Kopfgeldjagd etc. Indianer scheinen keine Rolle zu spielen. Das liegt an der Zeit, in der RDR spielt -- sie fehlen uns dennoch PC-Version noch nicht einmal angekündigt Aktueller Zustand: Spielbare Beta-Version Wir wünschen uns: ... außer einer PC-Version, die nicht erst viele Monate nach den Konsolenfassungen erscheint? Genug Abwechslung, um die doch deutlich leerere Welt mit genügend Leben zu füllen -- statt ständig Kopfgeldmissionen abklappern zu müssen.